Die Geschichte der Koedukation im Sportunterricht fällt in den Anfängen mit der Geschichte der Koedukation allgemein zusammen. In den 70er Jahren ist die Koedukation in den Schulen weitgehend flächendeckend eingeführt worden, wobei die Koedukation im Sportunterricht sich insbesondere auf die Grundschulen beschränkte und in den weiterführenden Schulen unterschiedlich diskutiert und gehandhabt wurde.
Die vorliegende Arbeit thematisiert die Koedukation im Sportunterricht unter dem Aspekt des Gegenwartsbezugs. Die Frage nach der Aktualität dieses in der Sportpädagogik immer wieder auflodernden und kontrovers diskutierten Themengebietes ist mit Blick auf die Situation unserer derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklung umstrittener denn je. Die Analyse bezieht sich auf eine durchgeführte Schülerbefragung im 8. Jahrgang einer integrierten Gesamtschule in Niedersachsen. Der erste Teil widmet sich der terminologischen Klärung von Koedukation im Sportunterricht. Im Fokus des zweiten Kapitels stehen die Persönlichkeiten von Mädchen und Jungen. Anschließend erläutere ich im darauffolgenden Kapitelabschnitt den derzeitigen Forschungsstand. Darauf aufbauend erkläre ich im vierten Kapitel meine Fragestellung und dazugehörigen Hypothesen genauer. Mein methodisches Vorgehen lege ich im fünften Schritt der Arbeit dar. Daran schließt sich die Darstellung der Ergebnisse der Befragung an. Abschließend diskutiere ich die Ergebnisse und fasse in einem Fazit die herausgearbeiteten Feststellungen zusammen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definition von Koedukation im Sportunterricht
3. Mädchen- und Jungenpersönlichkeiten
3.1. Biologische Gegebenheiten
3.2. Gesellschaftliche Determination
3.3. Verhalten und Einstellungen
3.4. Sportliche Interessen
4. Forschungsstand
4.1. Die Sicht der Schülerinnen und Schüler
5. Fragestellung und Hypothesen
6. Methodisches Vorgehen
6.1. Probandenauswahl
6.2. Konstruktion der Fragebögen für die Schülerinnen und Schüler
6.3. Durchführung der Befragung
7. Ergebnisse
7.1. Schülerinnen und Schüler
7.2. Zusammenfassung
8. Fazit
1. Einleitung
Während meiner Tätigkeit als „Feuerwehrlehrkraft“ an der xxx habe ich einen Wahlpflichtkurs namens „Sportspiele“ in der Klassenstufe 7 geleitet. Insgesamt waren in diesem Kurs 22 Schülerinnen und Schüler angemeldet. Von den 22 Schülerinnen und Schülern waren es 21 Jungen und ein Mädchen. Aufgrund dieser ungleichen Anzahl von männlichen und weiblichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, kam es zu einigen Situationen, in denen die Jungen angemerkt haben, ob das eine Mädchen nicht den Kurs wechseln könnte, sodass immer Fußball thematisiert werden könnte. Aufgrund dieser Beobachtung im Kurs, kam ich zu meiner Fragestellung, ob koedukativer Sportunterricht noch zeitgemäß ist.
Die Geschichte der Koedukation im Sportunterricht fällt in den Anfängen mit der Geschichte der Koedukation allgemein zusammen. In den 70er Jahren ist die Koedukation in den Schulen weitgehend flächendeckend eingeführt worden, wobei die Koedukation im Sportunterricht sich insbesondere auf die Grundschulen beschränkte und in den weiterführenden Schulen unterschiedlich diskutiert und gehandhabt wurde.
Die vorliegende Arbeit thematisiert die Koedukation im Sportunterricht unter dem Aspekt des Gegenwartsbezugs. Die Frage nach der Aktualität dieses in der Sportpädagogik immer wieder auflodernden und kontrovers diskutierten Themengebietes ist mit Blick auf die Situation unserer derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklung umstrittener denn je. Die Analyse bezieht sich auf eine durchgeführte Schülerbefragung im 8. Jahrgang einer integrierten Gesamtschule in Niedersachsen. Der erste Teil widmet sich der terminologischen Klärung von Koedukation im Sportunterricht. Im Fokus des zweiten Kapitels stehen die Persönlichkeiten von Mädchen und Jungen. Anschließend erläutere ich im darauffolgenden Kapitelabschnitt den derzeitigen Forschungsstand. Darauf aufbauend erkläre ich im vierten Kapitel meine Fragestellung und dazugehörigen Hypothesen genauer. Mein methodisches Vorgehen lege ich im fünften Schritt der Arbeit dar. Daran schließt sich die Darstellung der Ergebnisse der Befragung an. Abschließend diskutiere ich die Ergebnisse und fasse in einem Fazit die herausgearbeiteten Feststellungen zusammen.
2. Definition von Koedukation im Sportunterricht
Der Ursprung des Wortes Koedukation ist im Lateinischen zu suchen: Der Begriff setzt sich aus dem lateinischen „co“ (gemeinsam) und „educare“ (erziehen) zusammen. Während der Begriff von seinem Ursprung her allgemeine Bedeutung hat, wird er heute in der Pädagogik für die gemeinsame „Unterrichtung/Erziehung von Jungen und Mädchen an Schulen bzw. Bildungseinrichtungen“ verwandt (Röthig/Prohl, 2003, S. 294).
Von Koedukation kann man heutzutage nur sprechen, wenn der gemeinsame Unterricht konzeptionell begründet ist hinsichtlich der Inhalte, Ziele und Methoden. Im Gegensatz dazu steht der Begriff „Koinstruktion“. Von Konistruktion ist die Rede, wenn lediglich Schülerinnen und Schüler gemeinsam unterrichtet werden, allerdings ohne auf die Grundsätze und Ideen des koedukativen Sportunterrichts einzugehen.
Das heißt „[…] Jungen und Mädchen werden zur selben Zeit am selben Ort von derselben Lehrperson unterrichtet, ohne daß dabei spezifische Ziele von Koedukation verfolgt werden“ (Alfermann, 1992, S. 330).
Hinsichtlich der Ziele der Koedukation gibt es viele Ausprägungen. Zum einen geht es darum, dass Mädchen und Jungen im Sportunterricht von den Stärken des jeweils anderen Geschlechts lernen. Der Sportunterricht muss so konzipiert sein, dass „[…] Mädchen und Jungen lernen, miteinander und nicht nebeneinander Sport zu treiben […]“ (Alfermann, 1992, S. 332). Dazu gehört für beide Geschlechter „[…] die Leistungs-fähigkeit von Jungen und Mädchen realistisch einzuschätzen und ihre Stärken gegenseitig anzuerkennen“ (Alfermann, 1992, S. 332).
Laut Kugelmann (2007) zielt koedukativer Sportunterricht „darauf hin, die Unterschiede ohne alle Gleichmacherei dort zu beheben, wo sie den jungen Menschen zum Nachteil geraten, die Defizite der jeweiligen Geschlechtsrollenkultur auszugleichen und Verständnis zu schaffen für das andere Geschlecht“ (S. 85).
Des Weiteren zählen Röthig und Prohl (2003) zu den Zielen der Koedukation im Sport, „[…] die Chance zu sozialem Lernen, eine Erziehung zu mehr Gleichberechtigung und Toleranz und zum Abbau von Geschlechtsrollengrenzen“ (S. 294).
Außerdem geht es im koedukativen Sportunterricht darum, die Dominanz der Jungen zu verringern und die Mädchen zu ermutigen, ihre Interessen und Wünsche zu äußern und auf diese einzugehen. (vgl. Landesinstitut für Schule und Weiterbildung, 2001, S. 14).
Ein weiterer Begriff im Schulsport ist die „reflexive Koedukation“. „Im Sinne reflexiver Koedukation wird der Fokus auf Fragen nach Entwicklungsmöglichkeiten von Mädchen und Jungen hinsichtlich ihrer unterschiedlichen geschlechtsspezifischen Zugangsweisen zu Bewegung, Spiel und Sport gerichtet […]“ (Landesinstitut für Schule und Weiterbildung, 2001, S. 6). „Das Ziel eines gleichberechtigten Miteinanders von Mädchen und Jungen im Sportunterricht wird erweitert und ergänzt durch die explizit formulierte Zielsetzung, beide Geschlechter umfassend in ihren Entwicklungsmöglichkeiten hinsichtlich ihrer Spiel-, Sport- und Bewegungsmöglichkeiten zu fördern“ (Landesinstitut für Schule und Weiterbildung, 2001, S. 10ff.). Die Schülerinnen und Schüler sollen hinsichtlich der verschiedenen geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen sensibilisiert werden und lernen, gesellschaftsbedingte Vorurteile gegenüber dem anderen Geschlecht abzubauen (vgl. ebd., 2001).
3. Mädchen- und Jungenpersönlichkeiten
3.1. Biologische Gegebenheiten
Die Diskussion der geschlechtsspezifischen Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen geht einher mit differierender Gewichtung von biologischen und sozialen Faktoren. Mrazek (2006) macht darauf aufmerksam „[…] dass zeitliche Rhythmen mit Paradigmenwechseln zu erkennen sind“ (S. 79) und belegt dies mit unterschiedlichen Auffassungen in den 1950er und 1970er Jahren. Heute werden die biologischen Faktoren in ihrer Bedeutung auf geschlechtsspezifische Unterschiede eher geringer eingeschätzt.
„Während sich im Kindesalter geringere oder zu vernachlässigende geschlechts-spezifische Leistungsunterschiede in den konditionellen Fähigkeiten (aerobe und anaerobe Ausdauer, Maximal- und Schnellkraft, Kraftausdauer, Aktionsschnelligkeit) zeigen, wachsen die Differenzen zwischen den Geschlechtern mit Eintritt in die Pubeszens sprunghaft an“ (Bös & Schneider, 2006, S. 57, vgl. nach Winter & Hartmann, 1998).
Dies gilt ebenso für die koordinativen Fähigkeiten, die sich ab Beginn der Pubertät bei Jungen wesentlich besser als bei den Mädchen entwickeln (vgl. Bös & Schneider, 2006). Bös & Schneider (2006) erklären diese Unterschiede in den koordinativen und konditionellen Fähigkeiten mit dem in der Pubertät unterschiedlich ansteigenden Hormonspiegel von Mädchen und Jungen.
Die Beweglichkeit dagegen ist bei den Mädchen besser entwickelt als bei den Jungen (vgl. Bös & Schneider, 2006, nach Winter & Hartmann, 1998).
3.2. Gesellschaftliche Determination
Mädchen und Jungen definieren sich weniger selbst, sondern eignen sich Frauen- und Männerbilder an, die sie durch die gesellschaftlichen Vorstellungen vorgegeben bekommen. Eine Fülle von Faktoren wie familiärer sozialer Status, Erziehung, gesellschaftliche Normen und Werte, männliche und weibliche Stereotype, sowie Vorbilder beeinflussen die Entwicklung eines jeden zum Mädchen bzw. zur Frau oder zum Jungen bzw. zum Mann. Schon 1977 betitelt Scheu ihr Buch mit „Wir werden nicht als Mädchen geboren, wir werden dazu gemacht“. Scheffel (1996) schreibt dazu: „Da die Gesellschaft zweigeschlechtlich konstruiert ist und eine eindeutige Zuordnung zu den Kategorien Mann und Frau verlangt, muß jedes Kind lernen, sich als Mädchen und Junge zu identifizieren und darzustellen. Eine wesentliche Rolle spielen hierbei die Geschlechterstereotype von ’Männlichkeit’ und ‘Weiblichkeit’“ (S. 31). Kleindienst-Cachay & Kunzendorf (2003) gehen auf die Bedeutung der Geschlechterstereotypen näher ein. „Geschlechterstereotypen heben das Trennende der Geschlechter besonders hervor und begründen systematisch eine asymmetrische Geschlechterordnung, weil sie in ein „starkes“ und ein „schwaches“ Geschlecht einteilen“ (S. 114).
Bei der heutigen Jugend scheinen sich Geschlechterstereotype und geschlechtstypische Identitätszwänge etwas aufzuweichen. Sichtbar wird es beispielsweise, dass es nicht mehr typische Männer- und Frauenberufe gibt, und auch im Sport ist zu beobachten, dass ehemals typische männliche Sportarten wie Fußball und Handball auch von Mädchen und Frauen ausgeübt werden. Kleindienst-Cachay & Kunzendorf konstatieren, „[…] dass das traditionelle Geschlechterverhältnis inzwischen „ordentlich in Unordnung“ geraten ist und dass in vielen Bereichen eine Angleichung zwischen den Geschlechtern zu verzeichnen ist“ (Kleindienst-Cachay & Kunzendorf, 2003, S. 115, vgl. nach Heintz, 2001). Dies geschieht allerdings nicht ohne Probleme. „Trotz dieser Öffnung geraten Frauen und Männer, die Geschlechterklischees überschreiten, immer wieder in Widerspruch zu herkömmlichen Erwartungen und Mustern“ (Kugelmann, 2002, S. 15). Mädchen und Jungen verhalten sich entsprechend ihrer Identitätszwänge und unterdrücken gegebenenfalls ihren inneren Antrieb (vgl. ebd., 2002). Kugelmann schreibt dazu bezogen auf den koedukativen Sportunterricht: „Das ist beispielsweise der Fall, wenn Mädchen sich nicht trauen zu kämpfen, obwohl sie stark genug dazu wären, oder wenn Jungen im Spiel den Ball nicht abgeben, weil sie imponieren wollen“ (2002, S. 16). Diese gesellschaftliche Determination erschwert es den Mädchen, ihre Potenziale im Sportunterricht aus-zuschöpfen. Man kann es somit auch als Nachteil für Mädchen im Sportunterricht ansehen. Sie werden „[…] in der Regel stärker zur Anpassung und Empathie sozialisiert als Jungen“ (Landesinstitut für Schule und Weiterbildung, 2001, S. 10).
3.3. Verhalten und Einstellungen
Jede Sportlehrkraft weiß aus dem Sportunterricht zu berichten, dass sich Jungen durchsetzen und Mädchen sich von ihnen „unterbuttern“ lassen. Nicht ohne Grund wurde das Konzept der „Mädchenparteilichkeit“ (vgl. Kugelmann, 1996) entworfen, um den Bedürfnissen der Mädchen gerechter zu werden und sie aus ihrer passiven Rolle im Sportunterricht zu befreien.
„Es ist deutlich geworden, dass die Geschlechtszugehörigkeit die Entwicklung von Individuen, der Erwerb persönlicher Einstellungen und Verhaltensweisen maßgeblich bestimmt“ (Landesinstitut für Schule und Weiterbildung,2001, S. 13). Viele Verhaltens-weisen und Einstellungen im Sport sind mit Sicherheit auf die gesellschaftliche Determination zurückzuführen (vgl. Kapitel 4.2). Kugelmann (2007) sagt dazu: „Viele versuchen noch mehr Selbstsicherheit zu gewinnen, indem sie sich in dem ein oder anderen Bereich als Mädchen oder Junge akzentuieren, sich abgrenzen vom anderen Geschlecht“ (S. 81). Oft kommt es daraufhin im Sportunterricht zu Streit und Problemen zwischen den Geschlechtern. Mädchen beschweren sich, wenn die Jungen keine Rücksicht nehmen und den Ball zu hart schießen oder werfen und Jungen fühlen sich daraufhin durch das „zimperliche“ und „zickige“ Verhalten der Mädchen gestört. „Die Konflikte zwischen den Geschlechtern im Sportunterricht können demnach als verständliches Ergebnis schwieriger Entwicklungsprozesse interpretiert werden“ (Kugelmann, 2007, S. 81).
Wolters (2002a) ist folgender Ansicht: „Während Jungengruppen eher hierarchisch organisiert sind und um Status und Dominanz in der Gruppe viel gekämpft wird, gilt in Mädchengruppen eher der Grundsatz der Gleichheit“ (S. 32). Mädchen bevorzugen somit eher das Miteinander im Sport, während für die Jungen eher der Aspekt der Leistung im Vordergrund steht. Das würde auch die im folgenden Kapitel 4.4 beschriebenen sportlichen Interessen und Vorstellungen vom Sportunterricht von Mädchen und Jungen erklären.
3.4. Sportliche Interessen
Während meines Praktikums konnte ich im Sportunterricht bei Mädchen und Jungen gewisse Verhaltensmuster und unterschiedliche sportliche Interessen erkennen. Es war an der Schule üblich, dass Schülerinnen und Schüler nach dem Umziehen freie Bewegungszeit bekamen, bis sich alle umgezogen in der Sporthalle eingefunden hatten. Während sich die Jungen fast ausschließlich einen Ball aus dem Geräteraum nahmen und Fußball, Handball oder andere Ballspiele spielten, kamen die Mädchen mit einem Springseil wieder, turnten, schlugen Räder oder spielten ein Tickspiel. Mädchen und Jungen bewegten sich getrennt voneinander.
Meine Erfahrungen decken sich mit den Ergebnissen vieler Umfragen nach den Sportartpräferenzen von Schülerinnen und Schüler. Alfermann führt beispielsweise an: „Jungen und junge Männer wählen in erster Linie wettkampfbetonte Spielsportarten wie Fußball oder Handball. Mädchen und Frauen dagegen bevorzugen Individualsportarten und ästhetisch-kompositorische Sportarten wie Turnen, Schwimmen oder Gymnastik und wählen seltener die Sportspiele“ (2006, S. 69). Dies wird von Wolters (2002a) ergänzt: „Für viele Jungen scheinen Wettkämpfe selbstverständlich und motivierend, für viele Mädchen fremd und abschreckend zu sein“ (S. 32). „Wettkämpfe stellen immer noch ein „männlich“ geprägtes Handlungsfeld dar, in dem Mädchen und Frauen Nebenrollen spielen“ (ebd., 2002a, S. 31).
Die DSB-Sprint-Studie (2006) hat die bevorzugten Sportarten von Schülerinnen und Schülern im Sportunterricht anhand eines Fragebogens erhoben. Demnach wünschen sich die Mädchen in erster Linie Tanzen und Schwimmen. Hinzu kommen Trendsportarten wie Inlineskaten, Tennis, Entspannungsübungen, aber auch erstaunlicherweise Kampfsport. Die Jungen hingegen fordern im Sportunterricht u.a Ballspiele wie Fußball, Handball, Basketball und Hockey. Auch die Vorstellung vom Sportunterricht unterscheidet sich bei Mädchen und Jungen. Jungen wünschen sich im Sportunterricht eher die Leistungsförderung und die Stärkung des Zugangs zum Sportverein, während die Mädchen eher den fairen Umgang miteinander und die Förderung der Gesundheit im Fokus sehen (vgl. Gerlach, Kussin, Brandl-Bredenbeck & Brettschneider).
Allerdings hebt Kugelmann (2007) die immer größer werdende Annäherung der Mädchen an frühere „Jungensportarten“ hervor. „Einige Verkrustungen von gestern im Bewegungs-leben von Jungen und Mädchen haben sich aufgelöst, mehr Mädchen als früher spielen Fußball oder Volleyball im Verein, probieren die neuen Sportgeräte aus, […]“ (S. 82). Auch Seidensticker und Schmerbitz (2014) weisen daraufhin, dass Sportarten zwar nach wie vor geschlechtsspezifisch geprägt sind, allerdings sich die Geschlechter hinsichtlich der Sportinteressen immer mehr angleichen. „Bewegung, Spiel und Sport gewinnt für Mädchen eine immer größer werdende Bedeutung. Zwischen typischen Männer- und Frauensportarten kann man immer weniger unterscheiden“ (ebd., 2014, S. 77).
4. Forschungsstand
Bei der folgenden Schilderung des Forschungsstandes beziehe ich mich auf Untersuchungen, die sich mit der Einstellung von Schülerinnen und Schülern zum Thema Mono- und Koedukation im Sportunterricht befassen, also mit dem Thema meiner Arbeit.
4.1. Die Sicht der Schülerinnen und Schüler
Faulstich-Wieland und Horstkemper haben 1995 - ausgehend von der Feststellung, dass die Sicht der Schülerinnen und Schüler zum Thema Koedukation einen „blinden Fleck“ im Rahmen der Studien darstellt - eine Untersuchung von Aufsätzen zum Thema Koedukation aus Mädchen- und Jungensicht durchgeführt (S. 15). Ihre Fragestellungen decken sich recht genau mit denen meiner Untersuchung:
„Welche Vor- und Nachteile sehen Schülerinnen und Schüler verschiedener Altersstufen in der von ihnen erlebten Unterrichtsform? Welche Alternativen können sie sich dazu vorstellen, bewerten sie diese eher positiv oder negativ? Unterscheiden sich Mädchen und Jungen dabei? Mit welchen Argumenten werden unterschiedliche Präferenzen begründet? Und welche Bilder vom eigenen wie vom anderen Geschlecht lassen sich aus diesen Argumentationen erschließen?“ (S. 16).
Die Studie befasst sich mit dem Thema Koedukation allgemein. Beteiligt sind 2718 Mädchen und Jungen verschiedenen Alters koedukativer sowie monoedukativer Schulen. Die Ergebnisse, die sich auf den Sportunterricht beziehen, fasse ich kurz zusammen: Faulstich-Wieland und Horstkemper (1995) berichten von einer Minderheit der Schülerinnen und Schüler, die sich eine Geschlechtertrennung im Schulsport wünschen. Genannte Gründe der Mädchen, die für diese Trennung sprechen, sind u.a. die Leistungs- und Interessenunterschiede zwischen Mädchen und Jungen und die starke Orientierung der Lehrkräfte an den Jungen, die zur Vernachlässigung der Mädchen führt. Ein weiterer Grund ist die Angst vor Blamage und vor Äußerungen der Jungen bezüglich schlechter Leistungen der Mädchen oder auch vor allgemein pubertären Äußerungen gegenüber den Mädchen. Sinkendes Selbstbewusstsein der Mädchen ist die Folge.
Mädchen, die den koedukativen Sportunterricht befürworten, äußern Gründe wie mehr Abwechslung und Spaß im Sportunterricht. Ein häufig genanntes Argument ist die Befürchtung, dass in geschlechtergetrenntem Unterricht der Fokus eher auf typischen Mädchensportarten liegen wird.
Die Jungen hingegen befürworten den geschlechtergetrennten Unterricht mit der Begründung, dass die Mädchen Störfaktoren im Sportunterricht sind. Zum einen stört ihre Unfähigkeit in manchen Sportarten. Zum anderen stört die Jungen, dass sie auf die Mädchen Rücksicht nehmen müssen, zum Beispiel beim Werfen und Schießen.
Argumente für Koedukation sind - korrespondierend wie bei den Mädchen - die Angst vor nur männlichen Sportarten im Sportunterricht.
Schmerbitz, Schulz und Seidensticker (1996) haben an der Laborschule Bielefeld eine Untersuchung mit dem 8. und 9. Jahrgang durchgeführt. Sie haben die Acht- und Neuntklässler der Gemeinschaftsschule über zwei Jahre phasenweise in bestimmten Unterrichtseinheiten wie Klettern, Basketball, Yoga, Massage, Sauna und Tanzen monoedukativ unterrichtet. Schmerbitz, Schulz und Seidensticker begründen ihre Vorgehensweise und die Unterrichtsinhalte in ihren Untersuchungen wie folgt:
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