Für neue Autoren:
kostenlos, einfach und schnell
Für bereits registrierte Autoren
Hausarbeit, 2015
16 Seiten, Note: 1,7
Einleitung
Roger Bacons Weltkontext
Bacons Verständnis von Theologie
Bacons Verständnis von Philosophie
Das Verhältnis zwischen Theologie und Philosophie
Fazit
Literaturverzeichnis
Die Forschung hat viel über die Person Roger Bacons und seine Philosophie diskutiert. Doch obwohl er seit dem 13. Jahrhundert immer wieder Gegenstand und Thema intellektueller Debatten ist, herrschen heutzutage immer noch Unklarheiten und Uneinigkeiten. Diese intensive Beschäftigung in unterschiedlichen Sprachen und Wissenschaften und mit verschiedenen Schwerpunkten verursachte ein fragmentiertes Bild von Bacons Denken.[1] Einzelne Ideen wurden isoliert von dem Kontext analysiert.[2] Dies hatte eine Vernachlässigung seines primären Zieles – Schutz des Christentums vor Bedrohungen aller Art – zur Folge.
Die weitverbreitete Vorstellung, Wissenschaft sei der radikale Gegensatz zu Religion, ist tief in der modernen westlichen Kultur verwurzelt und diese spätere Weltanschauung wurde unpassender Weise auf Bacons Weltbild projiziert und führte zu Fehlinterpretationen seiner Philosophie. Der spätmittelalterliche Bacon empfand das Verhältnis zwischen Theologie und Philosophie grundlegend verschieden.[3] Es drängt sich nun also die Frage auf, wie Bacon diese zwei scheinbar gegensätzlichen Disziplinen im Einklang miteinander brachte. Da die zwei bedeutsamen Begriffe Theologie und Philosophie im Laufe der Jahrhunderte einen großen Bedeutungswandel erfahren haben, ist zunächst eine nähere Untersuchung von Bacons Semantik dieser Wörter für das Verständnis seiner Konzeptionen von essenzieller Wichtigkeit.
Bevor diese Frage jedoch beantwortet werden kann, müssen die Aspekte in einem größeren Rahmen gesetzt werden und die Verhältnisse verschiedener Elemente in einem historischen Kontext betrachtet werden.[4] Ebenso müssen nicht nur seine Werke in den Kontext gesetzt werden, sondern auch sein Leben. Um uns seiner Weltanschauung anzunähern, lohnt sich zu aller erst ein Blick auf seinen Lebenskontext und sein zeitgeschichtliches Bewusstsein. Welche Ereignisse haben ihn geprägt?
Warum beschäftigen wir uns heute mit einem mittelalterlichen Philosophen? Roger Bacon ist nicht nur in seiner Zeit durch seine vielseitigen Interessen, scharfe Kritik und revolutionären Reformideen aufgefallen, sondern ist jetzt immer noch aktuell, insbesondere weil seine Werke uns einen wertvollen klaren Einblick in die ineinander verwickelten Tendenzen im Mittelalter und in das Bewusstsein der damaligen Gesellschaft erlauben.[5]
In fast all seinen Werken äußert Bacon eine unverkennbare Kritik an allen Bereichen des Lebens: Politik, Kirche, Universität und Gesellschaft. Für viele Zeitgenossen und auch spätere Forscher war es ein Akt getrieben von Hass und Neid. Jedoch waren seine Vorwürfe deshalb so scharf, weil nur durch das Erkennen und Thematisieren der Probleme eine Lösung und Besserung angestrebt werden kann.[6]
„Denn es regieren mehr Sünden in unserer Zeit als in irgendeinem vorhergehenden Zeitalter“.[7] Dieser Satz lässt zweierlei Schlussfolgerungen zu. Erstens während Roger Bacon lebte, nahm er viele Krisen und Skandale wahr und zweitens empfand er seine Zeit als besonders.
1245 berief Papst Innozenz IV ein allgemeines Konzil ein, an dem Bacon auch teilnahm. An der Tagesordnung standen Innozenz’ „five sorrows of his heart“[8], die zugleich auch die einflussreichsten Ereignisse für Bacons Leben und einen Rahmen für reformerisches Denken darstellen. Er zählt dabei die fünf Prioritäten auf, die intensive Auseinandersetzungen in dem folgenden Jahrzehnt bei Bacon und bei vielen anderen seiner Zeitgenossen ausgelöst haben: die Korruption in sowohl geistlichen als auch weltlichen Bereichen, die türkische Bedrohung auf die Kreuzzugritter, das Morgenländisches Schisma, die Mongolen-Invasion und den Konflikt mit dem Kaiser Frederik II.[9]
In Bacons Augen sind alle Ämter der Kirche den Todsünden verfallen. Die römische Kurie ist durch weltliche Gesetze verdorben, die Prälaten vernachlässigen ihre Seelsorgepflichten und lassen sich durch ihre Geldgier ablenken, der Klerus stiftet Verwirrung durch ihre ständigen Streitereien und sogar die Orden entfernen sich immer weiter von ihren Gründungsidealen und standen immer wieder unter Angriff der weltlichen Magister.[10] Skandale wie das Morgenländische Schisma und später die Sedisvakanz zwischen Clemens IV und Gregor X erschüttern alle Christen.[11] Die Konsequenz davon war ein allgemeiner Vertrauensverlust in die Kirche, der Jahrhunderte lang andauerte.[12]
Auch bei den weltlichen Mächten herrscht Chaos wie noch nie zuvor. Der langjährige Konflikt zwischen Papst und Kaiser um den universalen Leitungsanspruch löste heftige Kritik an das Papsttum aus, unter anderem päpstlicher Fiskalismus, Verweltlichung der Kurie, inflationärer Gebrauch geistlicher Strafen zu politischen Zwecken.[13] England und Frankreich – wo Bacon sich hauptsächlich aufhielt – bekriegten sich gegenseitig mehr als ein Jahrzehnt wegen Streitigkeiten über Landbesitz. Die außenpolitischen Bedrohungen unter anderem die Mongolen-Invasion und die Türken-Gefahr beeinflussten Bacons Reformideen prägend. Angesichts dieser beängstigenden Ereignisse, konzentrierte sich Bacon in seinen Hauptwerken auf die Suche nach einem Heilmittel gegen die Verdorbenheit der Menschheit. Denn er war der festen Überzeugung, dass die Zeit reif für einen Umbruch sei, der entweder durch die Ankunft des Antichristen oder „durch den besten Papst und den besten Fürsten mit dem weltlichen und dem geistlichen Schwert gleichermaßen“[14] herbeigeführt wird. Geistliche und weltliche Gewalt vereinigt könnten die Menschheit von ihren vielen Sünden reinigen.[15] Der selige Papst würde „die Verdorbenheiten vom Studium, von der Kirche und von allem übrigen beseitigen“.[16] Der Frieden wäre wieder hergestellt, die Bedrohung der nichtchristlichen Völker würde sich auflösen, indem diese in die Kirche eintreten und zum Glauben durch die Philosophie statt Blutergießen und Kreuzzug bekehrt werden.[17]
Zuletzt ist die Entwicklung der Universitäten zu erwähnen, die womöglich die größte Wirkung auf Bacons leben hatte. Hatten diese die Grundvoraussetzungen des Philosophie- und Theologiestudiums erfüllt? Obwohl die Universitäten in Oxford und Paris damals die wohl modernsten und am besten ausgestatteten Universitäten des abendländischen Raumes waren, erlebte Roger Bacon doch einige Hindernisse in seinem Studium. Zumal die weltlichen und kirchlichen Autoritäten aus Angst vor einer ideologische Infiltration der muslimischen Kultur eine strenge Kontrolle über Ideen ausübten.[18] So sah Bacon – so wie auch andere Wissenschaftler vor und nach seiner Zeit – seine Forschung und langfristige Visionen durch die Politik eingeschränkt und abgeschnitten.[19]
Bacon hatte eine klare Vision von einer reformierten Theologie, die mit den Wissenschaften der Natur, der Moral und der Sprache vereinbar ist und diese mit einbezieht.[20] Daher spielt das Theologiestudium in Bacons Projekt, den christlichen Glauben zu stärken und zu verteidigen, eine maßgebliche Rolle, denn die daraus entsprungenen Theologen bestimmen das Bild der Weltreligion mit, indem sich ihre Lehre im Volk verbreitet. Doch überall wo Bacons Blick auch hinfiel, er sah nur unendlich viele Bedrohungen und Sünden, so erachtete er auch das Studium der Theologie – die höchste Wissenschaft – als verdorben.[21] Die autoritären Theologen predigen nicht nur mangelhaft, sondern verhalten sich skandalös, indem sie sich permanent in Streitigkeiten verwickeln. Die weltlichen Gelehrten vernachlässigen das Studium und lassen sich durch Todsünden und Politik ablenken. Daher stützen sie sich völlig auf die jungen Ordensbrüder. Doch obwohl es den Anschein macht, dass sie zusammenarbeiten, herrschte ein über zwanzig Jahre andauender grässlicher Streit zwischen ihnen.[22] Angesicht dieser fast aussichtslosen Situation, scheute sich Bacon nicht davor, sich mit außergewöhnlichen Mittel vertraut zu machen. Er war überzeugt, der Antichrist würde über viele mächtige Hilfsmittel wie Astrologie, Alchemie und Magie verfügen. Dunkle Zeiten und gefährliche Feinde erfordern ebenso dunkle und gefährliche Methoden.[23] Wenn sich die Kirche also nicht die gleichen Methoden aneignet, wird sie hilflos untergehen. Bacons Appell, den Feind mit seinen eigenen nützlichen Waffen zu schlagen, mündete in Uneinigkeiten mit seinem Orden und viele andere seiner Zeitgenossen und schließlich in Hausarrest und Verurteilung zur Verdammung. Viele hielten ihn für verdächtig, gefährlich und unchristlich.[24] Nur wenige erkannten, dass Roger Bacon mehr Achtung und Hingabe vor dem Christentum hatte als vor allem anderen. So appellierte er auch mehrmals an seine Zeitgenossen „Gott durch die Heiligkeit der eigenen Lebens mit aller Verehrung und Ehrfurcht anzuhängen, wie es uns ohne Unterlass der Gottesdienst zeigt, den wir Tag und Nacht ausüben.“[25] Ebenso sollte der heilige Altar durch unendliche Verehrung und Andacht gewürdigt werden und wer dies tut, kennt die nützliche Weisheit und Wahrheit allumfänglich.[26] Bacon glaubt fest an den dreieinigen Gott, der unendlich mächtig und gütig ist, der sowohl die Natur als auch das Menschgeschlecht lenkt. Bacon vertraut darauf, dass der Schöpfer Lohn und Strafen verhängt und die Quelle der Weisheit ist.[27]
[...]
[1] Vgl., Power, Amanda, Roger Bacon and the Defence of Christendom, New York 2013 [Cambridge studies in medieval life and thought 4th ser.], S. 11.
[2] Vgl., Power, Defence, S. 12.
[3] Walz, Rudolf, Das Verhältnis von Glaube und Wissen bei Roger Bacon, Freiburg 1928, S. 91.
[4] Vgl., Power, Defence, S. 26
[5] Vgl., Mensching, Günther, Roger Bacon, Münster 2009 [Zugänge zum Denken des Mittelalters 4], S. 10.
[6] Vgl., Power, Defence, S. 11, 40.
[7] Vgl.,Bacon, Roger, Kompendium für das Studium der Philosophie / Compendium studii philosophiae, herausgegeben von Nikolaus Egel, Hamburg 2015, S. 21.
[8] Vgl., Power, Defence, S. 41.
[9] Vgl. ebd.
[10] Vgl. Bacon, KSP, S. 21-22, vgl. Power, Defence, S. 58.
[11] Vgl. Fischer, Andreas, Kardinäle im Konklave: Die lange Sedisvakanz der Jahre 1268 bis 1271, Tübingen 2008.
[12] Hier siehe Von Clamanges, Nikolaus, De ruina ecclesiae: „Wir sehen, wie alles in Unordnung gebracht, umgestürzt und verwirrt ist. Die weltweite Harmonie der kirchlichen Rechtsordnung ist aufgelöst. Das Haupt liegt darnieder. Die Glieder brechen auseinander. Das gesamte kirchliche Gefüge zerfällt. Alle Ordnungen und Ränge, alle Stände und Ämter erschlaffen.“
[13] Vgl. Guillemain, Bernard, „Der Aufbau und die Institutionen der römischen Kirche“, in: Schimmelpfenni, Bernhard, Die Zeit der Zerreissproben (1274-1449), Freiburg 2007, [Die Geschichte des Christentums 6], S. 66.
[14] Bacon, KSP, S. 27.
[15] Vgl. Mensching, Roger Bacon, S. 27.
[16] Vgl. Bacon, KSP, S. 26.
[17] Vgl. ebd., S. 26, vgl., Power, Defence, S.74.
[18] Vgl., Power, Defence, S. 40.
[19] Vgl. Hackett, J., Roger Bacon: „Leben, Werdegang und Werke“, in: Uhl, Florian, Roger Bacon in der Diskussion, Bd. 1, Frankfurt/Berlin/Bern 2001, S. 26.
[20] Vgl. Hackett, Roger Bacon, S. 23.
[21] Vgl. Bacon, KSP, S. 61, vgl. Mensching, Roger Bacon, S. 11.
[22] Vgl. Bacon, KSP, S. 56-58.
[23] Vgl., Power, Defence, S. 204, 207.
[24] Vgl. Power, Defence, S. 16.
[25] Bacon, KSP, S. 23.
[26] Vgl. ebd., S. 23-24.
[27] Vgl. Heck, Erich, Roger Bacon. Ein Mittelalterlicher Versuch einer historischen und systematischen Religionswissenschaft, Bonn 1957 [Abhandlungen zur Philosophie, Psychologie und Pädagogik 13, S. 106-107.
Geschichte Europa - and. Länder - Mittelalter, Frühe Neuzeit
Seminararbeit, 15 Seiten
Philosophie - Theoretische (Erkenntnis, Wissenschaft, Logik, Sprache)
Seminararbeit, 15 Seiten
Examensarbeit, 106 Seiten
Kulturwissenschaften - Allgemeines und Begriffe
Hausarbeit, 35 Seiten
Seminararbeit, 25 Seiten
Hausarbeit, 25 Seiten
Geschichte Europa - and. Länder - Mittelalter, Frühe Neuzeit
Seminararbeit, 15 Seiten
Philosophie - Theoretische (Erkenntnis, Wissenschaft, Logik, Sprache)
Seminararbeit, 15 Seiten
Examensarbeit, 106 Seiten
Kulturwissenschaften - Allgemeines und Begriffe
Hausarbeit, 35 Seiten
Seminararbeit, 25 Seiten
Hausarbeit, 25 Seiten
Der GRIN Verlag hat sich seit 1998 auf die Veröffentlichung akademischer eBooks und Bücher spezialisiert. Der GRIN Verlag steht damit als erstes Unternehmen für User Generated Quality Content. Die Verlagsseiten GRIN.com, Hausarbeiten.de und Diplomarbeiten24 bieten für Hochschullehrer, Absolventen und Studenten die ideale Plattform, wissenschaftliche Texte wie Hausarbeiten, Referate, Bachelorarbeiten, Masterarbeiten, Diplomarbeiten, Dissertationen und wissenschaftliche Aufsätze einem breiten Publikum zu präsentieren.
Kostenfreie Veröffentlichung: Hausarbeit, Bachelorarbeit, Diplomarbeit, Dissertation, Masterarbeit, Interpretation oder Referat jetzt veröffentlichen!