Auschwitz als Ausgangspunkt eines fundamentalen Umdenkens
An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Erntet man etwa von Dornen Trauben oder von Disteln Feigen? Jeder gute Baum bringt gute Früchte hervor, ein schlechter Baum aber schlechte. Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte hervorbringen und ein schlechter Baum keine guten. Jeder Baum, der keine guten Früchte hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. An ihren Früchten also werdet ihr sie erkennen. Matthäus 7,16-20
Ginge man mit diesem bestechend einfachen neutestamentlichen Bild als Maßstab an die Geschichte des Christentums mit seinen zahlreichen dunklen Kapiteln heran, so wäre das Ergebnis sicher „ein Korb mit reifem Obst“ (Amos 8,1f.) und unverkennbar vielen faulen Früchten. In welchem Maß und in welcher Art auch immer sich Christen von der Geschichte ihrer „Väter und Mütter“ berühren lassen, es führt kein verantwortbarer Weg daran vorbei, die schlechten Früchte nicht still und leise - vielleicht verschämt - hinter dem Rücken von Größe, Einfluß, Universalität und reichlich vordergründigem Trost verschwinden zu lassen. Spätestens seit Ausschwitz ist ein fundamentales Umdenken unumgänglich. Gerade weil es kein Zurück mehr gibt, Auschwitz – und es steht für die Vernichtung von Millionen – ist unleugbar geschehen, muß auf dem Hintergrund eines definitiven „Nie wieder“ der Blick auf die christlichen Wurzeln des Antijudaismus und des daraus gewachsenen Antisemitismus fallen.
„Wir Christen kommen niemals hinter Auschwitz zurück; über Auschwitz hinaus aber kommen wir, genau besehen, nicht mehr allein, sondern nur noch mit den Opfern von Auschwitz. Das ist in meinen Augen der Preis für die Kontinuität des Christentums jenseits von Auschwitz. Man sage nicht: Schließlich gibt es für uns Christen andere Gotteserfahrungen als die von Auschwitz. Gewiß! Aber wenn es für uns keinen Gott in Auschwitz gibt, wie soll es ihn dann für uns anderswo geben? Man sage auch nicht, eine solche Auffassung verstoße gegen den Kern der kirchlichen Lehre, derzufolge den Christen die Nähe Gottes in Jesus Christus unwiderruflich verbürgt ist. Es bleibt ja immerhin die Frage, für welches Christentum diese Zusage gilt. Etwa für ein antijudaistisch sich identifizierendes Christentum, das zu den historischen Wurzeln von Auschwitz gehört, oder eben für eines, das seine eigene Identität nur wissen und verkünden kann im Angesicht dieser jüdischen Leidensgeschichte? ...
Inhaltsverzeichnis
- I. Auschwitz als Ausgangspunkt eines fundamentalen Umdenkens
- II. Problemfelder
- 1. Exegetische Grundlagen
- 2. Verschiedene Denkweisen
- 3. Das Besondere des Christentums
- III. Horizonte der Christologie
- 1. Christologie ohne Israel
- 2. Israel als Kontext der Christologie
- IV. Grundzüge einer Christologie nach Auschwitz
- 1. Ein theo-logisches Christologie-Modell
- 2. Jesus Christus in einer theo-logischen Christologie
- a) Inkarnation
- b) Pneumatologie
- c) Trinität
- d) Nachfolge
- 3. Heil in einer theo-logischen Christologie
- a) Eschatologie
- b) Staurologie
- c) Soteriologie
- d) Universalität
- V. Von der Christologie zur Christopraxie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Auswirkungen von Auschwitz auf die Christologie und entwickelt ein neues Modell, das die jüdischen Wurzeln des Christentums ernst nimmt. Dabei stehen Fragen der exegetischen Grundlagen, der verschiedenen Denkweisen im Judentum und Christentum sowie der Problematik des Antisemitismus im Fokus.
- Die Notwendigkeit einer neuen Christologie nach Auschwitz
- Die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus im christlichen Kontext
- Die Berücksichtigung der jüdischen Wurzeln des Christentums
- Die Entwicklung eines theo-logischen Christologie-Modells
- Die Bedeutung von Inkarnation, Pneumatologie, Trinität und Nachfolge im Kontext von Auschwitz
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet Auschwitz als Ausgangspunkt eines fundamentalen Umdenkens in der Christologie. Es wird gezeigt, dass die Geschichte des Christentums mit ihren dunklen Kapiteln, insbesondere dem Antisemitismus, eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Erbe erfordert. Das zweite Kapitel analysiert die Problemfelder, die sich aus dem Blick auf Auschwitz ergeben, insbesondere in Bezug auf exegetische Grundlagen, verschiedene Denkweisen und die Besonderheit des Christentums. Es werden unterschiedliche Christologien im Neuen Testament beleuchtet und deren Funktion hinterfragt. Das dritte Kapitel widmet sich den Horizonten der Christologie. Es geht um die Frage, ob eine Christologie ohne Israel möglich ist und wie die jüdische Tradition in die christliche Theologie integriert werden kann. Das vierte Kapitel präsentiert Grundzüge einer Christologie nach Auschwitz. Es werden die wichtigsten Elemente eines theo-logischen Christologie-Modells, darunter Inkarnation, Pneumatologie, Trinität, Nachfolge, Eschatologie, Staurologie, Soteriologie und Universalität, im Lichte von Auschwitz diskutiert. Die Frage nach dem Heil und der Bedeutung von Jesus Christus in einer theo-logischen Christologie wird aufgeworfen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen Christologie, Auschwitz, Antisemitismus, jüdisch-christlicher Dialog, exegetische Grundlagen, verschiedene Denkweisen, theo-logische Christologie, Inkarnation, Pneumatologie, Trinität, Nachfolge, Heil, Eschatologie, Staurologie, Soteriologie, Universalität, und Christopraxie.
- Arbeit zitieren
- Jan Frerichs (Autor:in), 1999, Grundzüge einer Christologie nach Auschwitz, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/42203