Das 4. Jahrhundert war die Zeit einer letzten entscheidenden Auseinandersetzung zwischen zwei grundverschiedenen Welten und Weltanschauungen. Nämlich zwischen der alten Welt der stolzen olympischen Götter und der neuen Welt des leidenden Zimmermannssohnes aus Nazareth. Kaiser Julian, der Neffe und der zweite Nachfolger Kaiser Konstantins, welcher das Christentum seit 313 zur führenden Religion im Römischen Reich gemacht hatte, wandte sich, obwohl getauft und christlich erzogen, vom Christentum ab und versuchte im Rückwärtsgang dem Heidentum seine alte Bedeutung wiederzugeben. Er versuchte, das Christentum philosophisch zu bekämpfen und eine am Götterglauben orientierte neuplatonische Doktrin als Gegenprogramm aufzustellen. Der militärisch erfolgreiche Kaiser unternahm die größte Militäroperation der römischen Geschichte gegen die Perser, in deren Verlauf er fiel. Sein Tod begrub jegliche Hoffnung auf ein Wiederaufkeimen nichtchristlicher Weltanschauungen im Imperium.
In dieser Hausarbeit soll der Frage nachgegangen werden, wie die verschiedenen christlichen Historiker der Spätantike auf den Tod Kaiser Julians reagiert haben. Nachdem die Sicht der Glaubensgefährten Julians über dessen Mörder näher betrachtet wird, wird die Ansicht des Kirchenvaters Gregor von Nazianz und der verschiedenen christlichen Historiker und Theologen, wie Ephraim der Syrer, Socrates, Sozomenos und Theodoret dargestellt. Danach wird mit der Merkuriuslegende auf die Legendenbildung und auf die christlichen Märtyrer um Julian eingegangen. Zum Schluss wird dann auf die Probleme der Julianforschung eingegangen, jedoch nicht ohne zuvor die wenigen positiven Beurteilungen seitens der christlichen Schreiber näher betrachtet wird.
Inhaltsangabe
I. Einleitung
II. Reaktion der Heiden und der Christen auf den Tod des Kaisers
a. Die heidnischen Historiker und Freunde Julians über dessen Tod
b. Maßnahmen der Christen gegen Julians Freunde und Anhänger
III. Die Kirchenlehrer
a. Ephraim der Syrer: Hymnen gegen Julian
b. Gregor von Nazianz: Julian der Apostat
IV. Die Synoptiker
a. Socrates: Ein Rachedämon als Mörder
b. Sozomenos: Tyrannenmord für die Freiheit aller
c. Theoderet: Julian das hässliche, stinkende Schwein
V. Legendenbildung und Märtyrer
a. Mord durch Heilige: Die Merkuriuslegende
b. Märtyrertod durch Julian: Julian der grausame
VI. Kaiser Julian: Ein Zerrbild in der Geschichte
VII. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Das 4. Jahrhundert war die Zeit einer letzten entscheidenden Auseinandersetzung zwischen zwei grundverschiedenen Welten und Weltanschauungen. Nämlich zwischen der alten Welt der stolzen olympischen Götter und der neuen Welt des leidenden Zimmermannssohnes aus Nazareth. Kaiser Julian, der Neffe und der zweite Nachfolger Kaiser Konstantins, welcher das Christentum seit 313 zur führenden Religion im Römischen Reich gemacht hatte, wandte sich, obwohl getauft und christlich erzogen, vom Christentum ab und versuchte im Rückwärtsgang dem Heidentum seine alte Bedeutung wiederzugeben. Er versucht das Christentum philosophisch zu bekämpfen und eine am Götterglauben orientierte neuplatonische Doktrin als Gegenprogramm aufzustellen. Der militärisch erfolgreiche Kaiser unternahm die größte Militäroperation der römischen Geschichte gegen die Perser, in deren Verlauf er fiel. Sein Tod begrub jegliche Hoffnung auf ein Wiederaufkeimen nichtchristlicher Weltanschauungen im Imperium. Seine Glaubensgenossen sahen in ihm den starken und Gerechten Kaiser: „ Vir profecto heroicis connumerandus ingeniis, claritudine rerum et coalita maiestate conspicuus.“[1] Von den Christen aber wurde er gehasst und man war überzeugt, dass er nach dem geplanten Persienfeldzug den Zimmermannsglauben auslöschen wollte. Julian ließ die alten Tempel wieder aufbauen und beschnitt den Christen ihre Privilegien. Desweiteren entmachtet er die Christen Bildungspolitisch in dem er das „Rhetorenedikt“ erließ, das christlichen Lehrern faktisch untersagte, an öffentlichen Schulen zu unterrichten. Die Bischöfe und andere Kleriker waren in höchster Sorge, so dass es ihnen wie ein Gottesurteil erschien, dass Julian nur nach drei Jahren auf dem Thron im Schlachtengewühl auf dem Persienfeldzug von einer Lanze getroffen starb. In dieser Hausarbeit soll der Frage nachgegangen werden, wie die verschiedenen christlichen Historiker der Spätantike auf den Tod Kaiser Julians reagiert haben. Nachdem die Sicht der Glaubensgefährten Julians über dessen Mörder näher betrachtet wird, wird die Ansicht des Kirchenvaters Gregor von Nazianz und der verschiedenen christlichen Historiker und Theologen, wie Ephraim der Syrer, Socrates, Sozomenos und Theodoret dargestellt. Danach wird mit der Merkuriuslegende auf die Legendenbildung und auf die christlichen Märtyrer um Julian eingegangen. Zum Schluss wird dann auf die Probleme der Julianforschung eingegangen, jedoch nicht ohne zuvor die wenigen positiven Beurteilungen seitens der christlichen Schreiber näher betrachtet wird.
II. Reaktion der Heiden und der Christen auf den Tod des Kaisers
Man hatte in dem Schlachtengetümmel, inmitten dessen Julian gefallen war, den Verursacher der Todeswunde nicht erkennen können. Es war damals auch keine Zeit an Untersuchungen zu denken, denn das Heer befand sich ohne Nahrung und Nachschub in einem katastrophalen Zustand. Gerüchte und Spekulationen führten dazu, das man glaubte der Kaiser sei von römischer Hand ermordet worden. Der Hass der Christen gegen ihren Peiniger war heftig genug um einen solchen Verdacht der Heiden halbwegs zu rechtfertigen. Aber es fanden sich keine Beweise für eine christliche Mittäterschaft.
a. Die heidnischen Historiker und Freunde Julians über dessen Tod
Ammianus Marcellinus († um 395), ein heidnischer, spätantiker Historiker und Julianverehrer, schrieb, dass Julian während der Schlacht mit den Persern von einer Lanze getroffen wurde. Von dem Geschoss schreibt er nur, das es ein Reitergeschoss, hasta equestris, gewesen sei. Man wisse nicht woher und aus welcher Richtung das Geschoss gekommen sei.[2] Desweiteren schreibt er, dass die Perser sie, als sich die Römer nach der Wahl Jovians zum Kaiser zum Abmarsch bereit machten, mit allen möglichen Wurfgeschossen und bösen Worten angegriffen hätten und sie treulose Gesellen und die Mörder des allervortrefflichsten Kaisers Julian nannten. Die Perser hätten von Überläufern gehört, dass es Gerüchte darüber gab, dass Julian von einem römischen Wurfspeer, telo romano, getroffen worden sei.[3] Ammianus geht nicht näher drauf ein und kommentiert diese ungeheuerliche Behauptung nicht, was wahrscheinlich damit zusammenhängt das er sein Werk um 390 unter einem christlichen Kaiser schrieb und deshalb als Heide und Freund von Julian bei seinen Ausführungen und Behauptungen vorsichtig sein musste. Eutropius († nach 390), ein heidnischer, römischer Historiker, schrieb in seinem Werk „ Breviarium ab urbe condita“, das Julian von feindlicher Hand, hostili manu interfectus, getroffen starb als er sich unbesonnen ins Gefecht stürzte.[4] „ το μέν γάρ γεγενημένον ήν φανερόν, τό δέ όπως είκαζε μέν άλλος άλλως, ηπίοτατο δέ ούδέ εί. “[5] schreibt Eunapios von Sardes († um 420), auch ein heidnischer, spätantiker Historiker, in seinem Geschichtswerk, das er mit der Unterstützung des Oreibasios, Leibarzt Julians, schrieb. Eunapios selbst nahm auch an jenem Perserkrieg unter Julian teil, wie auch Eutropius und Ammianus, da er aber sein Werk unter einem christlichen Kaiser schrieb war auch für ihn Vorsicht geboten. So zeigt er, dass er Meinungen kennt, denen zufolge die Lanze nicht von den Persern kam, sondern aus den eigenen Reihen stammten könnte und das sich das aber nicht beweisen ließ.
Libanius, († nach 393) der größte griechische Redner der Spätantike, auch ein Julianfreund und Verehrer, schreibt in seiner Leichenrede auf Julian, dass jener gerade die Reihen der Soldaten wiederherstellte, als der Speer eines Reiters ihn traf.[6] Da aber kein Feind für den Tod des Kaisers belohnt wurde oder sich der Tat rühmte, lag für ihn die Wahrscheinlichkeit nahe, den Mörder unter den Römern zu suchen. Vor allem unter den Gesetzlosen und denen die sich Julians Götterglauben widersetzten solle man doch den Mörder suchen.[7] Die Möglichkeit, dass der Mörder Julians, bevor er sich der Tat rühmen konnte, auch während der Schlacht gestorben sein konnte, lässt Libanius ganz unter den Tisch fallen. In seiner an Kaiser Theodosius II. gerichteten Rede, weiß er einen Sarazenen als Mörder zu nennen, der den Befehlen seines Anführers erfüllte und dafür auch die Belohnung erhielt. Über den Anführer weiß er zu wissen, dass ihnen der Tod Julians wichtig war. Also eine Gruppe von Menschen die dem Kaiser feindlich gesonnen waren.[8] Weiterhin schreibt er das man den Mörder unter sich suchen sollen. Entweder habe dieser einer Person oder denen welche die Verehrung der Götter ablehnten, einen Dienst erwiesen.[9] Es ist offensichtlich, dass hier wieder die Christen gemeint sind. Da er selbst nicht am Kriegszug teilnahm, griff er auf Nachrichten und Erzählungen der Soldaten zurück, die an jenem Krieg teilnahmen. Beweise aber, die seine Ansichten untermauern könnten, bleibt auch er schuldig. Er unterstellt den Christen eine Mittäterschaft, da er ihnen aus religionspolitischen Gründen einen Mord zutraut. Hier mag eine Art Wunschdenken im Spiel sein, da für Libanius wahrscheinlich ein einfacher Kampfestod zu banal und unglaubwürdig erschien.[10]
Zosimos († Anfang 6. Jahrhundert), auch ein heidnischer, spätantiker Historiker, schreibt in seinem Werk „ Historia Nova “, dass Julian im Kampfe von einem Schwert getroffen wurde. „(…) πλήττεται ξίφει παϱ αύτήν τής μάχης τήν άϰμήν, ϰαί επιτεϑείς άϭπίδι φοϱάδμυ έπί τήν ϭϰηυήυ άγεται (…)“[11] Über dessen Mörder schreibt Zosimus aber nichts genaueres. Da Zosimos als Quelle unter anderem Eunapios von Sardes benutzt,[12] ist es wunderlich, dass er im Gegensatz zu ihm und den meisten anderen heidnischen und christlichen Historikern, die eine Lanze als Mordwaffe ausmachen, schreibt, dass Julian von einem Schwert getötet worden sei. Zum ersten Male findet man bei den Ausführungen des Kirchenhistorikers Theodoret, welcher vor Zosimus sein Geschichtswerk verfasste und im weiteren Verlauf dieser Hausarbeit näher betrachtet wird, die Angabe, Julian sei durch ein Schwert verwundet worden.
b. Maßnahmen der Christen gegen Julians Freunde und Anhänger
Für die Altgläubigen brach mit Julians Tod buchstäblich eine Welt zusammen. Während die Heiden über den Tod des Kaisers tief betrübt waren, jubelten die Christen auf der Strasse. Das Gefühl der Befreiung von schwerer Gefahr, erwartete man doch schon für die Zeit nach dem Perserfeldzug eine wirkliche Verfolgung, wurde bald verdrängt durch die wütende Erinnerung an das, was man erlitten hatte oder zu erlitten zu haben glaubte. In Antiochia verfolgte man die Heiden auf offener Strasse und es wurden überall die Inschriften über Julian abgemeißelt. Somit wurde er der damnatio memoriae überantwortet, der noch immer gängigen Tilgung des Andenkens unliebsamer Zeitgenossen.[13] Es wurde gefährlich Heide zu sein oder sich öffentlich zu Julian bekannt zu haben. In Konstantinopel kam es zum Aufstand gegen den von Julian eingesetzten Präfekten. Ammian schreibt, dass viele Altgläubige verfolgt und wegen Zauberei und anderer Verbrechen angeklagt worden sind. Da man sogar nicht mal davor zurückschreckte unschuldige hinzurichten, wäre es soweit gekommen, dass viele Hausherren im Osten ihre Büchersammlung verbrannt hätten, um nicht als Heide oder Verschwörer angeklagt zu werden.[14] Dem Maximus von Ephesos († 372), einem spätantiken Philosophen und Freund und Lehrer Kaiser Julians, wurde unter Kaiser Valentinian I. und Valens zweimal wegen Betreibung von „Magie“ der Prozess gemacht; er musste eine hohe Geldstrafe zahlen und Konstantinopel verlassen. Angeblich soll er einen Schadenszauber gegen die beiden kaiserlichen Brüder verübt haben, da diese an Fieber erkrankten. Ammian sah darin eine Maßnahme, dass gegen das Andenken Kaiser Julians und gegen seine Freunde gerichtet war.[15]
[...]
[1] Amm. XXV, 4,1.: „Ein Mann den man wirklich zu den Heroen rechnen muss, auffallend durch den Glanz seiner Taten und seiner angeborenen Majestät.“
[2] Amm. XXV,3,6.
[3] Amm. XXV,6,6 f.
[4] Eutr. X, 16, 2.
[5] Eunap. Hist. 28, Exc. de Sent.24 Blockley: “Was geschehen war, war klar. Über das Wie aber gab es verschiedene Vermutungen; Genaueres wusste freilich keiner.“
[6] Lib. or. 18, 268.
[7] Lib. or. 18, 274 f.
[8] Lib. or. 24, 6.
[9] Lib. or. 24, 21.
[10] Vgl. dazu: Nesselrath, Heinz-Günther: Julian Apostat im Urteil des späteren 4. und des 5. Jhrd. in: Die Welt des Socrates von Konstantinopel. Hrsg. Bäbler, Balbina und Nesselrath, Heinz-Günther, München-Leipzig 2001, S. 18.
[11] Zos. III, 29,1: „…wurde er im Augenblick des hitzigen Kampfes von einem Schwerthieb getroffen; man legte ihn auf ein Schild, trug ihn in sein Zelt“
[12] siehe dazu: Zosimos. Neue Geschichte. Übersetzt und eingeleitet von Otto Veh, durchgesehen und erläutert von Stefan Rebenich. Hiersemann, Stuttgart 1990, S.10.
[13] Damnatio memoriae (lat. „Verdammung des Andenkens an ...“) bedeutet die völlige Auslöschung des Andenkens an eine Person durch die Nachwelt. Die Namen besonders verachteter und verhasster Personen wurden aus sämtlichen Annalen getilgt, sämtliche erreichbaren Bildnisse und Inschriften wurden zerstört und es wurde vermieden deren Namen irgendwie zu erwähnen.
[14] Amm. XXIX, 2, 2 ff.
[15] Amm. XXVI, 4, 4.