Die Braune Wiesn-Das Münchner Oktoberfest im Nationalsozialismus
Gliederung
1.Einleitung....................................................................................................................1
2. Pomp und Protz – optische Dimension ...............................................................2-4
3. 1935 – Das 125-jährige Oktoberfestjubiläum......................................................4-6
4. Pferderennen und Reitveranstaltungen...................................................................7
5. Das Zentral-Landwirtschaftsfest.............................................................................8
6. Unterhaltung - Das instrumentalisierte Volksfest..…...........................................8-9
7. Die propagierte Volkstümlichkeit ……………………………………………………………….……….9-11
8. Die Festzelte, Fahrgeschäfte und Schausteller...............................................11-15
9. Schluss……...............................................................................................................16
10. Bibliografie.......................................................................................................17-20
1. Einleitung
„Das Fest ist schön, aber wenn ich gegangen bin an die Zelte und das Gejohle gehört habe, habe ich gespürt die Veranlagung des Übersprungs des Funkens von Volkstümlichkeit zur Tierischkeit.
Goebbels hat das ausgenutzt.“ urteilt der vor dem 2. Weltkrieg nach Israel emigrierte Jude Rudi
Hiller, viele Jahre nach der Wiesn-Demagogie der Nationalsozialisten in München. Hier, auf dem
Münchner Oktoberfest manifestierte sich dich staatlich institutionalisierte Propaganda; verknüpft ist dieses Volksfest mit der in der Forschung oft geäußerten Frage nach der Münchner
Besonderheit im NS-Staat, bzw. der Frage danach, wie ausgerechnet München zur „Hauptstadt der Bewegung“ werden konnte. Als ein Phänomen nationaler NS-Propaganda muss also auch das Münchner Oktoberfest verstanden werden. Es werden die zwei grundlegenden Elemente der NS-Gesellschaftspolitik deutlich – zum einen der faszinierende Pomp, realisiert in Umzügen und prätentiösen Großveranstaltungen, wie sie etwa die Veranstaltungen zum 125-jährigen Oktoberfestjubiläum zeigen. Zum anderen wurde gerade durch das „nationale Volksfest“ die „Volksgemeinschaft“, also der allumfassende Gemeinsinn und die Gleichschaltung aller Gesellschaftsschichten beschworen.
Gliederung
1. Einleitung
2. Pomp und Protz – optische Dimension und Stilisierung des Oktoberfestes 1933-1938
3. 1935 – Das 125-jährige Oktoberfestjubiläum
4. Pferderennen und Reitveranstaltungen
5. Das Zentral-Landwirtschaftsfest
6. Unterhaltung - Das instrumentalisierte Volksfest
7. Die propagierte Volkstümlichkeit – Bier und Spiele für die ,Volksgemeinschaft`
8. Die Festzelte, Fahrgeschäfte und Schausteller
9. Schluss
10. Bibliografie
1. Einleitung
„Das Fest ist schön, aber wenn ich gegangen bin an die Zelte und das Gejohle gehört habe, habe ich gespürt die Veranlagung des Übersprungs des Funkens von Volkstümlichkeit zur Tierischkeit. Goebbels hat das ausgenutzt.“[1] urteilt der vor dem 2. Weltkrieg nach Israel emigrierte Jude Rudi Hiller, viele Jahre nach der Wiesn-Demagogie der Nationalsozialisten in München.
Hier, auf dem Münchner Oktoberfest manifestierte sich die staatlich institutionalisierte Propaganda; verknüpft ist dieses Volksfest mit der in der Forschung oft geäußerten Frage nach der Münchner Besonderheit im NS-Staat, bzw. der Frage danach, wie ausgerechnet München zur „Hauptstadt der Bewegung“ werden konnte. Als ein Phänomen nationaler NS-Propaganda muss also auch das Münchner Oktoberfest verstanden werden. Es werden die zwei grundlegenden Elemente der NS-Gesellschaftspolitik deutlich – zum einen der faszinierende Pomp, realisiert in Umzügen und prätentiösen Großveranstaltungen, wie sie etwa die Veranstaltungen zum 125-jährigen Oktoberfestjubiläum zeigen. Zum anderen wurde gerade durch das „nationale Volksfest“ die „Volksgemeinschaft“, also der allumfassende Gemeinsinn und die Gleichschaltung aller Gesellschaftsschichten beschworen.
Diese beiden zentralen Faktoren möchte ich im Folgenden in meiner Arbeit am Beispiel des Münchner Oktoberfestes analysieren.[2] Dazu sollte man sich zunächst bewusst machen, wie das NS-Regime die „Ausgrenzungsgesellschaft“ etablierte: Die neue Führung formte die Gesellschaft durch Angebote und Kontrolle, Inklusion und Exklusion - so wurden nach und nach auch auf dem Münchner Oktoberfest Bettler, Juden und nicht ins Raster der Nationalsozialisten passende Schaustellungen von der Theresienwiese verbannt.[3]
Die deutsche Mehrheitsgesellschaft dagegen kam in den Genuss des „KdF“-Tourismus. Unter dem bombastisch wirkenden Namen „NS-Gemeinschaft ‚Kraft durch Freude’“ organisierten die Nationalsozialisten Fahrten und Reisen, die dem Regime enorme Popularität verschafften. Das Angebot umfasste neben Ski-, Sport-, Rad- und Motorrad-Reisen eben auch Fahrten zu Großveranstaltungen wie dem Oktoberfest in München.[4] So wurden zum Wiesn-Eröffnungsfestzug des Jahres 1935 (125-jähriges Jubiläum) allein 67 Sonderzüge der Reichsbahn eingesetzt; schätzungsweise 300.000 Fremde kamen so an diesem Tag nach München. Gleichzeitig waren die Nazis jedoch auch bemüht die Tradition und Geschichte des Oktoberfestes zu wahren und ihr Ansehen bei den Münchnern nicht zu beschädigen. So war es beispielsweise ab 1932 SA- und SS-Angehörigen untersagt das Oktoberfest außerdienstlich in Uniform zu besuchen.[5]
2. Pomp und Protz – optische Dimension und Stilisierung des Oktoberfestes 1933-1938
Betrachtet man die optischen Veränderungen des Münchner Oktoberfestes während der Jahre der Machtübernahme fallen Hakenkreuze und NS-Symbolik noch kaum ins Auge; erst ab etwa 1934 wurde das Regime auf der Theresienwiese wirklich augenscheinlich präsent. Nicht zuletzt um die bayerische Identität nicht zu offensichtlich zu untergraben wird diese Zurückhaltung zunächst wohl gezielt betrieben. Gemäß dem 1933 erlassenen Gesetz zum Schutz nationaler Symbolik, worunter Hakenkreuze, Reichsadler und andere Symbole, aber auch Führungspersönlichkeiten der NS-Regierung fielen, sind ab 1934 auf dem Festplatz grundsätzlich nur Hakenkreuzflaggen zu hissen. Die ehemals präsenten weiß-blauen oder schwarz-gelben (Farben der Stadt München) Fahnen dürfen, wenn überhaupt, nur dezent bei der Innendekoration verwendet werden. Das Bild von der „dekorierten Stadt“ wird immer realer. Nur konsequent erlässt die Stadt München 1936 dann ein Verbot der Stadt- und Landesfarben auf der Theresienwiese. Gleichzeitig werden Münchner Oktoberfest-Traditionen neu positioniert und ausgebaut, wie etwa der festliche Einzug der Brauereien mit Pferdegespannen.
Diese Einzüge wurden in der Folge zur Pflichtaufgabe für die vertretenen Münchner Brauereien gemacht.[6] Ein weiterer Aspekt, der die sensible Beziehung der Münchner zu ihrem Volksfest gefährden hätte können, waren diverse NS-Bebauungspläne, bzw. Neubaupläne für das Oktoberfest auf der Theresienwiese im Zeitraum 1934-1938: So existierten für die theoretische Umgestaltung der „Hauptstadt der Bewegung“ diverse städtebauliche Veränderungspläne. Einer dieser Pläne hätte auf einer 100m breiten Prachtstraße vom Hauptbahnhof bis Pasing eine Nord-Süd-Achse zur Theresienwiese vorgesehen. Eine andere Planung zur Verwandlung des Wiesn-Areals in das sogenannte „Maifeld“, nach Plänen des Architekten Bestelmeyer von 1934, sah sogar einen Abriss der Ruhmeshalle zu Gunsten eines Versammlungsgebäudes vor. Noch gravierender wären die Veränderungen nach Plänen des Architekten Buchner aus dem Jahr 1935 gewesen: Die Wiese sollte radialen Aufmarschstraßen weichen. Die Beseitigung der Ruhmeshalle und Bavaria hätte Platz geschaffen für eine riesige Kongresshalle, in deren unterem Teil eine Heldengedenkstätte hätte Platz finden sollen.[7] Eine letzte, nicht zu unterschätzende optische Komponente bildeten die Besucher des Oktoberfestes selbst, bzw. die auf der Theresienwiese seit jeher so typischen Trachten. Eigentlich damals ein Kennzeichen der Landbevölkerung, welche die Wiesn besuchte, gehörten die Trachten auch zur offiziellen Repräsentationsästhetik. Dies war Aufgabe der zahlreichen bayerischen Trachtenvereine und wurde von Nationalsozialisten alleine im Mai 1939 mit 200.000 Reichsmark gefördert, um einen Jagd- und Trachtenumzug für die Eröffnungsfeierlichkeiten aufzustellen. Nach Rücksprache mit dem Stadtratspräsidenten Christian Weber, genehmigt Oberbürgermeister Fiehler dem Isargauverband (bayerische Gebirgs- und Volkstrachtenvereine) am 7.11.1939 das Budget.
3. 1935 – Das 125-jährige Oktoberfestjubiläum
Die 125. Austragung der Wiesn bot den Nationalsozialisten 1935 einen kaum besser vorstellbaren Rahmen um im Zuge dieses Jubiläums ihre eigene Erfolgsgeschichte in München zu zelebrieren: Der Titel "Stolze Stadt - Fröhlich Land“ sollte die propagandistische Einfärbung des Jubiläums-Oktoberfestes untermauern; allein zum Auftakt des 125. Oktoberfestes wurde ein zweistündiger Festzug durch die Münchner Innenstadt veranstaltet. Der öffentlichen und omnipräsenten Selbstdarstellung der Partei folgend, zelebrierte die NS-Stadtverwaltung hierbei den offiziellen Einzug der Wirte sowie einen opulenten Trachtenumzug, eingebettet in Aufmärsche, Veranstaltungen und Ausstellungen. Des Weiteren wurden für die anschließenden Wochen, teilweise an eigenen Festtagen unter der Woche, Festschießen, sportliche Veranstaltungen, SS-Reiterwettbewerbe sowie Pferderennen angekündigt. Gemäß dem Titel „Stadt und Land“ sprach der Völkische Beobachter am nächsten Tag von einem „Festzug, der zum Triumphzug der Verbrüderung von Bauern und Städtern wurde“.[8] Jegliche Bezüge zum Wittelsbacher Herrscherhaus und dessen engen Verbindung zum Oktoberfest wurden ausgelassen. Den Auftakt des Zuges bildete ein Junge (keine weibliche Verkörperung wie heute), der auf einem einem Pony als Münchner Kindl voran ritt. Weitere Höhepunkte des Umzugs waren etwa eine Löwenfigur mit Maßkrug, noch heute prangt er als Markenzeichen auf dem Löwenbräuzelt, oder ein echter Löwe, von einem Tierbändiger im Käfig herumgeführt.[9]
Ein Beispiel für die ebenso thematische Ordnung des Umzugs waren etwa die Armbrustschützen im mittelalterlichen Gewand, welche eine malerische Gruppe um ihren Festwirt bildeten.11 „All diese Inszenierungen knüpften an die bei den Münchnern so beliebten Umzüge zum Oktoberfest vor dem 1. Weltkrieg an. So war der Jubiläumsfestzug auch auf den Hauptfestzug terminiert: Das bürgerliche, privatisierte Stadtfest sollte den nationalen, großdeutschen Charakter unterstreichen und die bayerischen, monarchischen Ursprünge verleugnen. Die bäuerliche Darstellung der Umzugsgruppen, die Rückbesinnung auf bäuerliche Tracht, die Darstellung aller Stämme Bayerns (inkl. Reichsembleme); zusammengefasst kennzeichnete eine „Entlokalisierung“ des Brauchtums den Umzug. Teilgruppen des Reichsverbands Heimat- und Trachtenvereine „Bayerisch Land in Sitt´ und Tracht“ marschierte ebenso mit, wie über den Zug verteilte Abordnungen verschiedener NS-Organisationen – BDM, Arbeitsdienst, Reichsnährstand (Landwirtschaftsverband), SA , HJ, schließlich sogar Gruppen des „Reichsbund für Leibesübungen“ oder der städtischen Handwerkskammer.[10] Im Umfeld aller Münchner Großveranstaltungen zu finden war dabei Heinrich Hoffmann. Bereits in den Jahren Adolf Hitler´s Aufstiegs in München (1920) war Hoffmann Parteimitglied geworden und hatte den Aufstieg der Nazis mit seinen propagandistischen Aufnahmen unterstützt, begleitet und selbst genutzt um zum „Leibfotografen Hitlers“ aufzusteigen.[11]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung: „Teilnehmer des Festumzuges 1935 vor dem alten Rathaus, Heinrich Hoffmann Fotosammlung“[12]
Ein Blick in die offizielle Festschrift des Oktoberfestes 1935 offenbart den thematischen Jargon:
„Der Bauer soll nicht in die Stadt kommen, um die Augen aufzureißen über die Wunder der Zivilisation und der Lustbarkeiten, die es bei ihm draußen nicht gibt, die Tierschau und die Ausstellung seiner Erzeugnisse, die Belohnung mit den höchsten Preisen für seine Leistung soll ihm das stolze Gefühl vermitteln, dass er der wahrhaft Gebende und kein geringer Träger des Volksgefüges ist als irgendein anderer Stand Blut und Boden“. Traditionell durch die Trachtengruppen vertreten, wurde die Bauernschaft/Landbevölkerung symbolisch in den Umzügen mit den Schützen verbunden (bis dato streng getrennt), um die „enge Verbundenheit der Bauernschaft mit der Schützensache“ zu dokumentieren. Diese Symbolik sowie auch die in den anderen Umzugsteilen folgenden historischen Elemente zielten wiederum darauf ab, die königlich-bayerischen Wurzeln des Oktoberfestes zu untergraben.[13]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Programmheft Oktoberfest 1935. Anmerkung: „Die Programmhefte des Jubiläumsjahres 1935 bemühen sich deutlich, die nationalsozialistische Ideologie nicht zu deutlich herauszustreichen. Hakenkreuze wurden zwar deutlich, aber eben doch unauffällig in den Illustrationen platziert. In der Realität von 1935 waren nationalsozialistische Symbolik bereits prägend auf der Theresienwiese.“[14]
[...]
[1] Tobias Lill, „Wie Hitler das Oktoberfest stahl“, in: einestages – Zeitgeschichte auf Spiegel Online, 19.November 2012.
[2] Florian Dering, Ursula Eymold, Natalie Bayer, Das Oktoberfest: 1810 – 2010. Offizielle Festschrift der Landeshauptstadt München , [anlässlich der gleichnamigen Ausstellung des Münchner Stadtmuseums vom 9. Juli - 31. Oktober 2010] Süddt. Zeitung GmbH, München 2010.
[3] Hubert Christian Ehalt (Hg.), Inszenierung der Gewalt. Kunst und Alltagskultur im Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 1996.
[4] Wolfhard Buchholz, Die nationalsozialistische Gemeinschaft „Kraft durch Freude“. Freizeitgestaltung und Arbeiterschaft im Dritten Reich, München 1976.
[5] StAM, Bestand Oktoberfest, Akte Nr. 275 „Dienst beim Oktoberfest“ 1930-34.
[6] http://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/oktoberfest-reflexionen (02.03.2013).
[7] Hans-Peter Rasp, Eine Stadt für tausend Jahre, München – Bauten und Projekte für die Hauptstadt der Bewegung, München 1981, S. 80f.
[8] http://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/oktoberfest-reflexionen (02.03.2013)
[9] Gerda Möhler, Das Münchner Oktoberfest. Brauchformen zwischen Aufklärung und Gegenwart, München 1980, S.215 f.
[10] Brigitte Huber, München feiert. Der Festzug als Phänomen und Medium. Neustadt/Aisch: Schmidt 2009.
[11] Brigitte Huber, München feiert. Der Festzug als Phänomen und Medium. Neustadt/Aisch: Schmidt 2009.
[12] http://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/oktoberfest-bilder (01.03.2013)
[13] http://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/oktoberfest-reflexionen (02.03.2013)
[14] http://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/oktoberfest (23.3.2013)