Durch Medien, insbesondere Werbereklamen, werden oft Bilder von Jugendkulturen (un-)bewusst transportiert. Somit verankern sich diverse Vorstellungen von Subkulturen. Dennoch ist die weitverbreitete Kawaii-Kultur in Europa weitgehend unbekannt und beschränkt sich primär auf den Kontinent Asien.
Mit Kawaii oder Cult of Cuteness werden oft niedliche Elemente, wie Bambi-Augen, Puppenkleider mit Schleifen und Hello Kitty, aber auch eine sexualisierte Darstellung des Mädchens bzw. der Frau in Form der "Lolita" in Verbindung gebracht. Allerdings handelt es sich hierbei um eine oberflächliche Sichtweise, die der Kawaii-Kultur nicht gerecht wird, weshalb sich diese Arbeit mit der Fragestellung beschäftigt, ob unter Kawaii nicht mehr als eine "japanische Lolita" zu verstehen ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begrifflicher Rahmen der Arbeit
2.1 Kawaii
2.2 Lolita
2.3 Jugendkultur
3. Kawaii
3.1 Entstehung
3.2 ˌKind und Frauseinˈ in Japan
3.3 Mode
3.4 Lifestyle
4. Vergleichsanalyse
5. Fazit
6. Abbildungsverzeichnis
7. Literaturverzeichnis
8. Quellen
1. Einleitung
Durch Medien, insbesondere Werbereklamen, werden oft Bilder von Jugendkulturen (un-)bewusst transportiert. Somit verankern sich diverse Vorstellungen von Subkulturen. Dennoch ist die weitverbreitete .Kawaii-Kultur' in Europa weitgehendst unbekannt und beschrankt sich primar auf den Kontinent Asien.
Mit .Kawaii' oder .Cult of Cuteness' werden oft niedliche Elemente, wie Bambi- Augen, Puppenkleider mit Schleifen und .Hello Kitty', aber auch eine sexualisierte Darstellung des Madchens bzw. der Frau in Form der Lolita in Verbindung gebracht. Allerdings handelt es sich hierbei um eine oberflachliche Sichtweise, die der .Kawaii-Kultur' nicht gerecht wird, weshalb ich mich mit der Fragestellung „Kawaii- mehr als eine japanische' Lolita“ beschaftigen werde.
Auf Grund erheblicher Unterschiede der verschiedenen Begrifflichkeiten, wird zunachst im Kapitel 2. ein fur den weiteren Verlauf der Arbeit eindeutiger begrifflicher Rahmen festgelegt und daruber hinaus durch weitere Begriffsdefinitionen aus den jeweiligen Bereichen erganzt. Hierbei handelt es sich um die Begriffe: Kawaii, Lolita und Jugendkultur.
Darauf folgt eine genauere Betrachtung der .Kawaii-Kultur'. Um ein Verstandnis fur dieses Phanomen zu entwickeln, setzt es eine Kenntnis uber die Entstehungsgeschichte voraus. Da .Cult of Cuteness' als reine Madchenkultur verstanden wird, werde ich mich im weiteren Verlauf auf das Kind- und Frausein in Japan beschranken und dies naher darstellen. AnschlieBend widme ich mich dem Thema Mode, welche in unterschiedlichen Auspragungen existiert. Da .Hello Kitty' nicht nur in der .Kawaii-Szene' allgegenwartig ist, mochte ich u.a. auf diese japanische Ikone unter dem Punkt Lifestyle eingehen.
Um die von mir aufgestellte Frage zu beantworten, versuche ich im nachsten Abschnitt einen Vergleich zwischen der .Kawaii-Kultur' und der Lolita- Zuschreibung herzustellen und ggf. zu analysieren. Inhaltlich mochte ich meine Arbeit mit meinem Fazit beenden, indem ich reflexiv auf meine Fragestellung schaue.
Im Abbildungsverzeichnis werden die in der Arbeit verwendeten Bilder aufgelistet. Diese dienen der Veranschaulichung meiner Aussagen. Die Arbeit mochte ich mit dem Literatur- und dem Quellenverzeichnis beenden.
2. Begrifflicher Rahmen der Arbeit
Wie in der Einleitung erwahnt, stelle ich im Folgenden den begrifflichen Rahmen meiner Arbeit vor. Im Vordergrund stehen die Definitionen von Sharon Kinsella, einer Lektorin der Universitat Manchester, die sich mit .Japanese visual culture', insbesondere mit .cuteness', Schulmadchenphanomen und der Manga Industrie befasst und Manami Okazaki, einer japanische Journalistin. Insbesondere die .cuteness'- Beschreibung von Brian J. McVeigh, Wissenschaftler, der sich u.A. auf Japanese pop art spezialisiert, mochte ich berucksichtigen.
2.1 Kawaii
Sharon Kinsella definiert Kawaii in ihrer Arbeit .Cuties in Japan' wie folgt: Kawaii kommt aus dem Japanischen und beinhaltet .Kindheit'. Es beschreibt etwas als suB, niedlich, rein, kindlich, liebenswert oder attraktiv. Aber auch Adjektive wie sanft, schwach oder gar unerfahren sowohl im Sozialverhalten als auch im korperlichen Sinne zahlen dazu.[1]
„Roughly translating as .cute', kawaii describes the adorable physical features that kids and baby animals have, and anything that breeds feelings of love and the motherly instinct to care and protect. [...] The word 'kawaii' can be used to describe the athmosphere or perceived qualities of something as well as its appearance. [...] The word itself has gone through several iterations. It is thought to have derived from kahohayushi, which is shortened to kahayushi. In common parlance it was used as kawayui, which was then changed to kawaii. [...] What makes something kawaii? Aside from pastel colours, a compositional roundness, the size of the eyes, a large head and the short distance from nose to forehead [...]. Girls who try too hard to be cute are referred to as burriko, which has connotations of fakeness.“ , so Manami Okazaki.[2]
Der Kawaii-Begriff steht immer in Verbindung mit , cuteness1. Unter , cuteness1 versteht man Niedlichkeit, kann aber auch psychologisch als iKindchenschemal beschrieben werden.
Vor allem in der japanischen Kultur dominieren suBe oder niedliche Objekte. Sie sind uberall zu finden; sei es in der Werbung, als Firmenlogos, GruBkarten oder
gar in der Pornoindustrie. Dabei gibt es diverse Unterscheidungen:
„ [...] baby cuteness; very young cuteness; young cuteness; maternal cuteness; teen cuteness; adult cuteness; sexy cuteness; pornography cuteness; child pornography cuteness; authority cuteness; and corporate cuteness. [...] cuteness is not just a fad in the fashion cycle of Japanese pop culture; it is more of a “standard“ aesthetic of everyday life.“[3]
2.2 Lolita
Der Begriff Lolita besteht aus der Kurzform Lola und des spanischen weiblichen Vornamens Dolores. Er beschreibt ein kokettes, sexuell fruhreifes, aber minderjahriges Madchen im Alter von 9 bis 14 Jahren, welches auf verfuhrerische, erotisierende oder sexuell stimulierende Weise eine groBe Wirkung auf Manner mittleren Alters hat.[4]
Vorallem durch den gleichnamigen Roman von Vladimir Nabokov aus dem Jahre 1955 wurde der Begriff gepragt. In dieser Erzahlung verliebt sich ein alterer Herr in die zwolfjahrige Tochter seiner Frau. Das Madchen namens Lolita verhalt sich dem vernarrten Erwachsenen sowohl grausam, ahnlich wie ein kleines Luder, als auch unschuldig, wie ein Engel. Im Mittelpunkt stehen die Faszination fur den jugendlichen, unverbrauchten Korper und der Gedanke an die eigene nicht mehr einholbare Jugend des Erwachsenen. Sowohl pornografische als auch padophile Aspekte werden angesprochen.[5]
Zu der auBeren Erscheinung der Lolita gehoren zwei Zopfe, rote und sinnliche Lippen, eine blasse Haut, groBe Augen mit einem unschuldig, aber doch verfuhrerischen Blick und knappe Kleidung.
Dieser Stereotyp wird nicht erst seit der Erscheinung des Lolita-Romans beschrieben.
Sogenannte Kindfrauen, wie auch bei Wedekinds ,Lulu' und Lewis Carrolls .Alice im Wunderland' spielen auf erotische Weise mit ihrem Gegenuber.[6] Die Kindfrau wurde durch Nabokovs , Lolita' geschaffen und beschreibt den ,Lolita-Komplex'. Der Ausdruck der Kindfrau umfasst ein Madchen, welches nicht mehr Kind und noch nicht Frau darstellt. Als Lolita-Komplex versteht man die Obsession eines Mannes mittleren Alters zu einer Kindfrau. Der Altersunterschied der Akteure betragt mindestens zehn Jahre, geht allerdings oft daruber um dreiBig Jahre hinaus. Im Mittelpunkt des Komplexes steht das Streben des Mannes nach einer sexuellen Vereinigung mit einem oft deutlich jungeren Madchen.
Der Begriff der Kindfrau lasst vor allem durch die Trennung von Kindheit, Jugendalter und Erwachsensein im 19. und 20. Jahrhundert verorten. Durch die Aufklarung wird die Kindheit als ein bedeutsamer Lebensabschnitt betrachtet. Diese kindliche Lebensphase wird in der Romantik als Reinheit angesehen, welche unbedingt bewahrt werden musse.[7]
2.3 Jugendkultur
Zunachst werden die Begriffe Jugend und Kultur voneinander getrennt betrachtet, um anschlieBend auf den heutigen Jugendkultur-Begriff eingehen zu konnen.
Der Begriff Jugend hat einen weitreichenden geschichtlichen Hintergrund und wurde seit der Antike durch Lebensalterseinteilungen oder -stufen beschrieben. Somit wurde zum Beispiel ein Entwicklungsverlauf vom Kind, uber den Knaben, den Jungling, anschlieBend den Jungmann, den Mann und den Alten bis hin zum Greis beschrieben. Dabei wurde der Verlauf in zwei wesentliche Kategorien eingeteilt, namlich iadolescentia' und iiuventus'. Hierbei wird die Spanne vom 15. bis zum 49. Lebensjahr dargelegt. Der moderne Jugendbegriff wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt und konstruiert. Eine aktuelle Beschreibung hangt immer mit biologischen und anthropologischen Gesichtspunkten zusammen und wird anhand von psychologischen Phasen und
Entwicklungsstanden beschrieben. Hierbei wird sich auf die Ubergange vom Kindsein zum Erwachsenensein orientiert. Eine genaue Altersbegrenzung lasst sich heute nur schwer ermitteln, da auch Begriffe bzw. Phasen, wie
Postadoleszenz berucksichtigt werden mussen. Zuvor wurde Jugend wie folgt eingegrenzt: sie begann ab der Pubertat und endete ab Eintritt der Erwerbstatigkeit. Doch diese Phasen verschieben sich heute aufgrund der schulischen Bildung und der individuellen Reifeprozesse immer mehr.[8]
Allerdings gibt es einige wichtige Aspekte im Hinblick des Jugendbegriffs:
Jugend beinhaltet den Gewinn eins stabilen Selbstbewusstseins und entwickelt eine Ich-Identitat; auch Akzeptanz der eigenen Erscheinung und des eigenen Ichs.
Vor Allem (intime) Beziehungen sind bedeutsam und die Anerkennung durch Peer-Groups, wahrend die Familie eine hintergrundige Rolle spielt. Die eigenen Werte und Uberzeugungen werden versucht durchzusetzen, weshalb ahnelnde Gruppen, Gangs, Cliquen oder Szenen an Bedeutung gewinnen. Im Mittelpunkt steht immer die Entwicklung der eigenen Handlungsfahigkeit. Durch Sprache und Aussehen wird sich anhand der Peer-Group identifiziert und auch gleichzeitig von der Allgemeinheit abgegrenzt.[9]
Eine Definition nach G. Hofstede, einem niederlandischen Experten der Kulturwissenschaften, beschreibt Kultur wie Folgt:
„Kultur ist „mentale Software“, die in einem Sozialisationsprozess kulturell „programmiert“ wird. Im Laufe dieser Sozialisation und vor allem in der Kindheit, der Primarsozialisation, erwirbt das Individuum bestimmte Muster des Denkens, Fuhlens und Handelns, die als Werte und Haltungen umschrieben werden.“[10]
Heutige Jugendkulturen sind nach Dieter Baacke freizeitbezogen und gehoren zur Absetzbewegung auf .kultureller Ebene'. .Kultur' bedeutet im
Zusammenhang mit Jugendkultur eine Neu-Orientierung u.a. zur geschichtlichen Rock- und Popszene und eine Neuauffassung von Stil im Hinblick auf die Kleidung, Korpersprache und Individualitat. Nach Wyneken sei Kultur „geistige Welt“; es wird ein Zustand beschrieben, wie man seine Identitat zum Ausdruck bringt.[11]
Der Begriff Jugendkultur wird u.a. durch Dieter Baacke erklart, da er sich vor Allem mit Themen wie Jugend bzw. Jugendkulturen, Medien und Mode beschaftigt und er somit sehr Bedeutsam fur die Fragestellung dieser Arbeit ist.
Jugend (-sub) kulturen haben keinen verankerten Wert, sondern stellen nach Baacke einen .zeittypisch definierten Begriff mit fragwurdigem Inhalt' dar. Im wissenschaftlichen Diskurs und vor allem in sozialwissenschaftlichen und
padagogischen Debatten werden Jugendkulturen, unabhangig von der jeweiligen Funktion der diversen Jugendkulturen, aus einem gesellschaftlichen Kontext heraus erklart.[12]
Laut Dieter Baacke werden aktuell Jugend oder Subkulturen:
- „ als besondere Form von abweichendem Verhalten
- als Widerstandsbewegung, Absetzbewegung, jugendliche Selbstausburgerung
- als Katalysator gesamtgesellschaftlicher Probleme
- als problemlosendes Angebot an Stellen, da die gesellschaftlichen Vorkehrungen und Einrichtungen ( Schulsystem, Familie etc.) nicht mehr einen hinreichenden Orientierungs- und Sozialisationsbeitrag in der modernen Welt zu leisten vermogen
- als „Speerspitze des sozialen Wandels“ (Clark 22), also als gesellschaftsverandernde Potenz ( vgl. die Ubersichten bei Jarmann und Semmelroth).“ verstanden.[13]
Nach Wilfried Ferchhoff gibt es kein Gesamt-Bild der Jugend. Es existieren eine Vielfalt von Lebensstile, die sich voneinander unterscheiden lassen. Er spricht von einem Mosaik von Gruppen, Szenen und Cliquen, die sich durch Zeichen- oder Sprachcodes und Moden differenzieren. Zu den szene-spezifischen Muster gehoren Medien, Musik und Mode, aber auch Rituale, Stile und Inszenierungen.[14]
Doch wenn man die Fragestellung dieser Arbeit berucksichtigt, sollte der Begriff Jugendkulturbegrifff durch Madchenkultur erweitert werden.
Eine Madchenkultur beinhaltet die o.g. Muster, allerdings steht die geschlechtliche Abgrenzung zu dem , Jungensein und die Bewusstmachung der eigenen geschlechtsspezifischen Aspekte im Vordergrund.
3. Kawaii
Um meiner Fragestellung gerecht zu werden wird im Folgenden der Kern der Arbeit bzw. der gewahlte Themenschwerpunkt dargelegt. Zu Beginn wird die Entstehung der iKawaii-Kultur' beschrieben, um anschlieBend auf die jeweiligen Auspragungen innerhalb dieser Kultur einzugehen.
[...]
[1] Vgl. Sharon Kinsella: Cuties in Japan in: Women, Media and Consumption in Japan. New York: Routledge 1995, S. 220.
[2] Manami Okazaki, Geoff Johnson: kawaii! Japan's culture of cute. Munich, London, New York: Prestel 2013 , S. 7 -8.
[3] Brian J. McVeigh: Wearing Ideology and the “Cult of Cuteness“, Berg Fashion Library.
[4] Vgl. Ludger Kaczmarek: Lolita - Vorlage, Bearbeitungen, Motivkomplex, Hamburg, 2006 .
[5] Vgl. Alexandra Lavizzari: Lulu, Lolita und Alice. Das Leben beruhmter Kindsmusen, Berlin: edition ebersbach, 2005, S. 26 .
[6] Vgl. ebd.
[7] Vgl. ebd.
[8] Vgl. Wilfried Ferchhoff: Jugend und Jugendkulturen im 21. Jahrhundert, VS Verlag: Wiesbaden, 2011, S. 93 - 100.
[9] Vgl. ebd.
[10] Vgl. Landesakademie fur Fortbildung und Personalentwicklung an Schulen: lehrerfortbildung- bw.de/bs/bsa/bgym/lehrgang/definition/ Stand: 05.04.2016.
[11] Vgl. Dieter Baa>
[12] Vgl. ebd
[13] Vgl. ebd. , S. 132.
[14] Vgl. Wilfried Ferchhoff: Jugend und Jugendkulturen im 21. Jahrhundert, Vs Verlag: Wiesbaden, 2011, S. 191. 9