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Essay, 2017
8 Seiten, Note: 1,0
Ernährungsberatung muss gesetzlich definiert und geschützt werden - Ernährungstherapie ist als Heilmittel anerkannt
Wenn es um die prophylaktische Ernährungsweise und Diätetik geht, sind staatlich geprüfte Diätassistenten, Ernährungsberater DGE und spezialisierte Ernährungswissenschaftler die besten Ansprechpartner
von Sven-David Müller, MSc.
Bedauerlicherweise ist die Ernährungsberatung in Deutschland nicht gesetzlich geregelt, definiert und geschützt. Auch die Bezeichnung Ernährungsberater ist nicht geregelt. Da im EU-Land Österreich sowohl die Ernährungsberatung bei gesunden Menschen und die Ernährungsberatung von Kranken (vulgo Diätberatung oder diätetische Beratung) gesetzlich definiert sind [1], kann daraus abgeleitet werden, dass dies auch in der Bundesrepublik Deutschland möglich wäre. In vielen anderen europäischen Ländern wie beispielsweise der Schweiz gibt es für die Ernährungsberater ebenfalls eine gesetzliche Regelung [2, 3] beziehungsweise sind die Erbringer der Diät- und Ernährungsberatung gesetzlich definiert. In Deutschland ist das nicht der Fall. Daher kann jeder Ernährungsberatung anbieten und sich als Ernährungsberater bezeichnen. Diese Situation ist unhaltbar, erläutert der Vorsitzende des Deutschen Kompetenzzentrum Gesundheitsförderung und Diätetik Sven-David Müller. Dabei hat die Ernährungsweise (entscheidende) Auswirkungen auf die Gesundheit, kann zu Krankheiten führen und sie beeinflussen. Schon jetzt fließt nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit rund jeder dritte Euro im Gesundheitswesen in die Therapie ernährungs(mit)bedingter Erkrankungen [4, 5, 6]. Zudem sind zirka zwei Drittel der Todesfälle auf Fehlernährung sowie ernährungsbedingte Krankheiten zurückzuführen [7, 8]. Ab 1. Januar 2018 ist Ernährungstherapie inklusive Diätberatung (medizinischetherapeutische Beratung) bei Patienten mit Mukoviszidose und seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen als verordnungsfähiges Heilmittel anerkannt.
Das Deutsche Kompetenzzentrum Gesundheitsförderung und Diätetik e. V. schätzt die Kosten, die durch ernährungs(mit)bedingte Krankheiten verursacht werden, auf 90 bis 92 Milliarden Euro jährlich ein. Nur durch eine qualifizierte Beratung können Menschen dem Selbstmord mit Messer, Gabel und Trinkglas entkommen. Über-, Mangel- und Fehlernährung sowie Über- und Untergewicht sind inzwischen in den westlichen Industrienationen leider eher die Norm als ein Ausnahmezustand. Das Deutsche Kompetenzzentrum Gesundheitsförderung und Diätetik empfiehlt Verbrauchern, die Fragen zur Ernährungsweise haben und unter ernährungs(mit)bedingten Krankheiten leiden, Berater vor der Beratung nach ihrer Qualifikation zu fragen. Es ist für den Verbraucher wichtig, eine qualifizierte Beratung zu erhalten. Diese kann nur von wenigen Berufsgruppen - insbesondere staatlich geprüfte Diätassistenten, Ernährungsberater DGE oder auf Ernährungswissenschaftler mit Masterabschluss und Spezialisierung im Bereich Ernährung - durchgeführt werden. Eine Beratung durch unqualifizierte Personen ist abzulehnen.
BÄK-Curriculum Ernährungsmedizin umfasst 80 Zeitstunden
Das Curriculum der Bundesärztekammer sieht für die „Zusatz-Weiterbildung" für Humanmediziner im Bereich Ernährungsmedizin [9] gerade einmal 80 Unterrichtstunden à 45 min sowie 20 Zeitstunden Selbststudium oder Seminararbeit anhand von praktischen Fällen vor. Damit haben „Ernährungsmediziner" gerade einmal Grundkenntnisse, die nötig sind, eine adäquate Ernährungsinformation geben zu können. Um die gerade einmal 80 Zeitstunden „Zusatz-Weiterbildung" sinnvoll in einen Vergleich setzen zu können, informiert Sven-David Müller darüber, dass staatlich geprüfte Diätassistenten innerhalb der dreijährigen Ausbildungszeit an Diätlehranstalten laut Gesetz über den Beruf des Diätassistenten [10] 3.050 Stunden in der Theorie und 1.400 Stunden in der Praxis ausgebildet werden. Das sind insgesamt 4.450 Zeitstunden á 60 Minuten und damit 55,6-mal so viel Informationsvermittlung wie bei „Ernährungsmedizinern". Und auch Apotheker, die die von verschiedenen Apothekerkammern in Deutschland angebotene Weiterbildung Ernährungsberatung absolviert haben, sieht es ähnlich aus, da die „lediglich" 100 Stunden umfasst [11]. Auch die Zusatzbezeichnung Ernährungsberatung für Apotheker bedeutet, dass Ernährungsinformationen vermittelt werden können. Eine diätetische Beratung oder weitreichende Ernährungsschulung ist praktisch unmöglich, da die Qualifikation unzureichend ist. In jedem Falle ist es für Ärzte, Apotheker und auch Heilpraktiker aber wichtig, sich im Bereich Ernährungsmedizin, Diätetik, Ernährungsberatung und Ernährungstherapie weiterzubilden, um optimal mit qualifizierten Ernährungsfachkräften wie beispielsweise staatlich geprüften Diätassistenten gut zusammenarbeiten zu können und beispielsweise eine Ernährungstherapie einleiten oder eine Ernährungsberatung anordnen zu können.
Staatlich geprüfte Diätassistenten sind kompetente Ansprechpartner
Die Berufsgruppe der staatlich geprüften Diätassistenten ist hervorragend auf die qualifizierte Diät- und Ernährungsberatung vorbereitet. Diätassistenten sind seit rund 80 Jahren kompetente Ansprechpartner für ernährungs(mit)bedingt erkrankte Menschen. In den Jahren 1937 und 1938 gab es erstmals in Deutschland entsprechende gesetzliche Regelungen für den Berufsstand der Diätassistenten [12]. Weitere Informationen zum Stellenwert der staatlich anerkannten Diätassistenten in der Ernährungstherapie sowie der Diät- und Ernährungsberatung gibt es in einer Information des Deutschen Kompetenzzentrums Gesundheitsförderung und Diätetik, das unter anderem auch die Vernetzung von Diätassistenten im Internet fordert und fördert [21].
Die momentan gültige Fassung des Gesetzes über den Beruf der Diätassistentin und des Diätassistenten stammt aus dem Jahr 1994 [13]. Im Gegensatz zu beispielsweise Ernährungswissenschaftlern sind staatlich anerkannte Diätassistenten in Deutschland auch als Heilberufler anerkannt. Die dreijährige Ausbildung zum staatlich anerkannten Diätassistenten ist im Gesetz über den Beruf der Diätassistentin und des Diätassistenten in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Diätassistentinnen und Diätassistenten (DiätAss-APrV) [20] geregelt. Die Ausbildung zum staatlich anerkannten Diätassistenten soll gemäß §3 DiätAssG entsprechend der Aufgabenstellung des Berufsbildes insbesondere die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln, die zur eigenverantwortlichen Durchführung diättherapeutischer und ernährungsmedizinischer Maßnahmen auf ärztliche Anordnung oder im Rahmen ärztlicher Verordnung wie dem Erstellen von Diätplänen, dem Planen, Berechnen und Herstellen wissenschaftlich anerkannter Diätformen befähigen sowie dazu, bei der Prävention und Therapie von Krankheiten mitzuwirken und ernährungstherapeutische Beratungen und Schulungen durchzuführen.
Ernährungswissenschaftler an Fachhochschulen und Universitäten
Das Studium der Ernährungswissenschaft (Trophologie) oder Ernährungs- und Haushaltswissenschaften (Oecotrophologie) wird an Fachhochschulen (University of Applied Sciences) und Universitäten angeboten und ist so unterschiedlich aufgebaut, dass eine generelle Bewertung hinsichtlich des Einsatzes in der Diät- und Ernährungsberatung kaum möglich ist. Eine Vereinheitlichung käme durch eine gesetzliche Reglung in Gang. Im Gegensatz zu Österreich sind das Studium, die Berufstätigkeit und die Kompetenzen von Ernährungswissenschaftlern im Bereich der Diät- und Ernährungsberatung in Deutschland nicht gesetzlich definiert [14, 15]. Im Rahmen eines zeitlich begrenzten Bachelorstudiums der Ernährungswissenschaft kann nicht automatisch eine ausreichende Kompetenz für die Diät- und Ernährungsberatung erworben werden, selbst wenn der Schwerpunkt Ernährungsberatung war. Um die anwendungsorientierten Fähigkeiten in der Ernährungsberatung auszubauen, ist es für Ernährungswissenschaftler ratsam, die Ausbildung zum staatlich geprüften Diätassistenten oder Ernährungsberater DGE zu absolvieren.
Diätetik muss als Heilmittel anerkannt werden
Die diätetische Beratung (Diätberatung oder medizinische Ernährungsberatung) muss endlich auch allgemein als Heilmittel anerkannt und im Rahmen der GVK indikationsspezifisch abrechnungsfähig gemacht werden. Zudem ist es zum Schutz der Verbraucher erforderlich, die Ernährungsberatung grundsätzlich zu definieren und gesetzlich zu schützen. Dafür macht sich das Deutsche Kompetenzzentrum Gesundheitsförderung und Diätetik seit seiner Gründung im Jahr 2006 stark. Vor diesem Hintergrund kann sich der Verbraucher insbesondere bei staatlich geprüften Diätassistenten, Master-Absolventen Ernährungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Ernährungsberatung und Absolvierung der Weiterbildung Ernährungsberatern DGE [16] sicher sein, dass sie eine ausreichende Ausbildung erreicht haben, die für die qualifizierte Ernährungsberatung prädestiniert. Bei staatlich geprüften Diätassistenten ist zudem laut Gesetz über den Beruf des Diätassistenten [13] die Qualifikation für diättherapeutische und ernährungsmedizinische Maßnahmen - wie beispielsweise die diätetische Beratung/Diätberatung - auf ärztliche Anordnung oder im Rahmen der ärztlichen Verordnung auch eigenverantwortlich gegeben. Zudem haben Diätassistenten grundsätzlich im Gegensatz zu Ernährungswissenschaftlern, Ernährungsmedizinern und Apothekern mit der Zusatzbezeichnung Ernährungsberatung auch weitreichende Kenntnisse in der Lebensmittelkunde, Hygiene, Küchentechnik und Nahrungszubereitung, die notwendig sind, um eine praktische Diät- und Ernährungsberatung durchführen zu können. Besonders hohe Qualifikation weisen Diätassistenten auf, die den Weiterbildungskurs Ernährungsberater DGE absolviert haben oder die nach ihrer Ausbildung ein ernährungswissenschaftliches- beziehungsweise ernährungsmedizinisches Studium (Angewandte Ernährungsmedizin) absolviert haben. Viele Diätassistenten haben auch die Weiterbildung zum Diabetesberater der Deutschen Diabetes Gesellschaft absolviert und sind dadurch insbesondere auch für die diätetische Beratung von Diabetikern befähigt.
In Deutschland sind mindestens 16.000 staatlich anerkannte Diätassistenten tätig In Deutschland sind laut Gesundheitsberichterstattung des Bundes [17] rund 14.000 Diätassistenten sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Anzahl der selbstständigen, niedergelassenen Diätassistenten wird von Experten auf 2.000 bis 5.000 geschätzt [18]. Insgesamt stehen für die qualifizierte Diät- und Ernährungsberatung in Deutschland demzufolge mindestens 16.000 Diätassistenten zur Verfügung. Das Deutsche Kompetenzzentrum Gesundheitsförderung und Diätetik kritisiert im Gleichklang mit dem Gros der Diätassistenten, dass die Berufsbezeichnung Diätassistent nicht mehr zeitgemäß ist und zusammen mit einer Reform des Gesetzes über den Beruf der Diätassistentin und des Diätassistenten sowie der Ausbildung- und Prüfungsverordnung geändert werden sollte. Es ist sinnvoll, die Berufsbezeichnung in Diätologe zu ändern. Ob es zu einer Akademisierung des Berufs kommt, die aus Ansicht vieler Experten notwendig erscheint, ist (noch) unklar. In jedem Falle stehen Diätassistenten spezielle universitäre Angebote wie beispielsweise an der Donau Universität Krems [19] in Österreich zur Verfügung. An der dortigen Universität für Weiterbildung können Diätassistenten klinische Ernährungsmedizin oder Ernährung und Sport berufsbegleitend studieren und ihr Studium mit dem akademischen Grad Master of Science abschließen. In Österreich und Deutschland gibt es eine Reihe weiterer Angebote für die Akademisierung von staatlich geprüften Diätassistenten.
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