Die Digitalisierung verändert den Gesundheits- und Pflegebereich, denn vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels können digitale Technologien einen großen Mehrwert für den Pflegeprozess bringen. Die Ausbildung im Sektor Gesundheits- und Krankenpflege ist hinsichtlich der Digitalisierung und daraus resultierenden Kompetenzanforderungen noch nicht adaptiert worden. Daher skizziert die Hausarbeit die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Pflegeberuf und erörtert die daraus resultierenden Auswirkungen auf die praktische Berufsausbildung von Pflegekräften. Anhand der Forschungsfrage „Wie muss Berufliche Bildung in der praktischen Pflegeausbildung ausgerichtet werden, um Auszubildenden eine Medienkompetenzentwicklung für Pflege 4.0 zu ermöglichen?“ wird das Themengebiet erläutert und Umsetzungsstrategien aufgezeigt.
Es wird zunächst die Arbeitswelt 4.0 definiert und die Kompetenzanforderungen an Pflegekräfte 4.0 erläutert. Es wird dargestellt, was Digitalisierung im Arbeitssektor Pflege bedeutet und welchen Stellenwert die Digitalisierung einnimmt. Durch den Einzug von Medien in das Arbeitsfeld Pflege werden Pflegekräfte vor Herausforderungen gestellt und die Anforderungen an das Berufsprofil ändern sich. Im Kontext diesen medialen Wandels wird der Begriff Medienkompetenz nach Baacke aufgegriffen und als Definitionsgrundlage ausgewählt. Anschließend wird die berufliche Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege anhand des Ausbildungscurriculums beschrieben. Zudem wird die Lernortkooperation als wesentlicher Bestandteil der Ausbildung sowie das arbeitsbezogene Lernen beschrieben. In Kapitel vier werden daran anschließend die Auswirkungen von Pflege 4.0 auf die praktische Berufsausbildung thematisiert. Dazu werden Anforderungen an die praktische Berufsausbildung und Umsetzungsstrategien erörtert. Ausbildungseinrichtungen müssen die curricularen Vorgaben umsetzen und den Auszubildenden zugleich eine dem Berufsfeld angepasste Ausbildung ermöglichen. Deshalb werden Anforderungen an Krankenhäuser erörtert, die notwendig sind, damit Auszubildende eine Medienkompetenzentwicklung zur Pflege 4.0 erfahren können. Weiterhin werden Umsetzungsstrategien zur Förderung der Medienkompetenzentwicklung von Auszubildenden aufgezeigt.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Pflege 4.0
2.1. Arbeitswelt Pflege 4.0
2.2. Kompetenzanforderungen an Pflegekräfte 4.0
3 Die berufliche Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege
3.1. Curriculare Vorgaben für die praktische Ausbildung
3.2. Lernortkooperation in der Berufsausbildung
3.3. Arbeitsbezogenes Lernen in der Berufsausbildung
4 Pflege 4.0 – Auswirkung auf die praktische Berufsausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege
4.1. Anforderungen an die praktische Ausbildung zur Medienkompetenzentwicklung von Auszubildenden
4.2. Umsetzungsstrategien für die praktische Ausbildung zur Förderung der
Medienkompetenzentwicklung von Auszubildenden
5 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Akteure der Lernortvernetzung
Abbildung 2 Betriebliche Lern- und Wissensarten
Abbildung 3 reflexive berufliche Handlungskompetenz mit integrierter Medienkompetenz
1 Einleitung
Die Digitalisierung verändert den Gesundheits- und Pflegebereich, denn vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels können digitale Technologien einen großen Mehrwert für den Pflegeprozess bringen (GI, 2017, S. 6). Digitale Patientenakten, mediengestützte Dokumentationssysteme, Robotertechnik im OP und in der häuslichen sowie stationären Versorgung sind beispielhaft zu nennen. Das eHealth- Gesetz schafft eine rechtliche Grundlage zur Digitalisierung der Pflege. Durch diesen Schritt ändern sich die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte hinsichtlich des Umgangs mit Technologien drastisch. Arbeitsprozesse werden durch Technik ergänzt oder sogar übernommen. Alle Berufsbilder in der Gesundheitsbranche müssen sich den neuen Herausforderungen stellen, um auch in Zukunft das eigene Berufsbild aktiv und inhaltlich weiterzuentwickeln (Liehn, Grüning, & Köhnsen, 2006, S. 2). Es muss eine zunehmende berufliche Flexibilität gelebt werden und die Kompetenz zur zielgerichteten Navigation durch die Informationsflut sowie ein angemessener Umgang mit Diskontinuitäten in der Berufsbiografie sind in einem selbstgesteuerten Prozess zu entwickeln. Die Fähigkeit, selbstgesteuert zu lernen, entwickelt sich somit zu einem Auslesekriterium und dies unabhängig vom Bildungsniveau oder Tätigkeitsfeld (Dietrich, 2001, S. 20). Bei aller Kurzlebigkeit digitaler Produkte ist dabei zu berücksichtigen, dass Basiskompetenzen eine erhebliche Lebensdauer aufweisen. Insofern ist dem Erwerb von digitalen Basiskompetenzen in der Ausbildung ausreichend Raum einzuräumen (GI, 2017, S. 9). Dazu werden Medienkompetenzen bei Pflegekräften nötig, die diese im Rahmen der Ausbildung nicht erlernen. Die Ausbildung im Sektor Gesundheits- und Krankenpflege ist hinsichtlich der Digitalisierung und daraus resultierenden Kompetenzanforderungen noch nicht adaptiert worden. Daher skizziert die Hausarbeit die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Pflegeberuf und erörtert die daraus resultierenden Auswirkungen auf die praktische Berufsausbildung von Pflegekräften. Anhand der Forschungsfrage „Wie muss Berufliche Bildung in der praktischen Pflegeausbildung ausgerichtet werden, um Auszubildenden eine Medienkompetenzentwicklung für Pflege 4.0 zu ermöglichen?“ werden das Themengebiet erläutert und Umsetzungsstrategien aufgezeigt.
In Kapitel zwei wird zunächst die Arbeitswelt 4.0 definiert und die Kompetenzanforderungen an Pflegekräfte 4.0 erläutert. Es wird dargestellt, was Digitalisierung im Arbeitssektor Pflege bedeutet und welchen Stellenwert die Digitalisierung einnimmt. Durch den Einzug von Medien in das Arbeitsfeld Pflege werden Pflegekräfte vor Herausforderungen gestellt und die Anforderungen an das Berufsprofil ändern sich. Im Kontext diesen medialen Wandels wird der Begriff Medienkompetenz nach Baacke aufgegriffen und als Definitionsgrundlage ausgewählt. Im anschließenden dritten Kapitel wird die berufliche Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege anhand des Ausbildungscurriculums beschrieben. Zudem wird die Lernortkooperation als wesentlicher Bestandteil der Ausbildung sowie das arbeitsbezogene Lernen beschrieben.
In Kapitel vier werden daran anschließend die Auswirkungen von Pflege 4.0 auf die praktische Berufsausbildung thematisiert. Dazu werden Anforderungen an die praktische Berufsausbildung und Umsetzungsstrategien erörtert. Pflege 4.0 stellt Herausforderungen an die berufliche Ausbildung. Diese muss sich hinsichtlich neuer für die Berufswelt wesentlicher Kompetenzen verändern. Ausbildungseinrichtungen müssen die curricularen Vorgaben umsetzen und den Auszubildenden zugleich eine dem Berufsfeld angepasste Ausbildung ermöglichen. Deshalb werden Anforderungen an Krankenhäuser erörtert, die notwendig sind, damit Auszubildende eine Medienkompetenzentwicklung zur Pflege 4.0 erfahren können. Weiterhin werden Umsetzungsstrategien zur Förderung der Medienkompetenzentwicklung von Auszubildenden aufgezeigt. Die Hausarbeit schließt in Kapitel fünf mit dem Fazit ab.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht.
2 Pflege 4.0
Pflege 4.0 wird definiert als die sogenannte vierte industrielle Revolution, die sich durch die Integration von Digitalen Systemen in den Gesundheits- und Pflegesektor auszeichnet. Operations-, Pflege-, Therapie- und allgemein Serviceroboter ergänzen menschliche Fachkräfte. Sie sind präzise ausdauernd und können rund um die Uhr relevante Informationen auswerten (Springer Gabler Verlag, 2017, o.S.). Charakteristisch für die Arbeitswelt Pflege 4.0 sind vernetzte bzw. intelligente technische Systeme, sogenannte cyber-physikalische Systeme. Innovative Technologien sollen die Pflegearbeit entlasten, die Lebensqualität von Pflegebedürftigen erhöhen und zu Freiräumen für mehr soziale Zuwendung beitragen, letztlich das Berufsbild Pflege verändern (BAuA, 2015, S. 59). Die Arbeitswelt Pflege 4.0 und die damit einhergehenden Kompetenzanforderungen an Pflegepersonen werden in diesem Kapitel erläutert.
2.1. Arbeitswelt Pflege 4.0
Die hohe Dynamik in der Technologieentwicklung betrifft das Gesundheitswesen in besonderem Maße. Mehr als 2,9 Millionen Pflegebedürftige und 1,1 Millionen Beschäftigte in der stationären und ambulanten Pflege sind in Deutschland davon betroffen (GI, 2017, S. 4). Aufgrund demografischer Herausforderungen kann in den nächsten Jahren von einem ungedeckten Bedarf an Pflegefachkräften ausgegangen werden (BAuA, 2015, S. 5). Technische Innovationen im Pflegebereich sowie digitale Dokumentations- und Kommunikationsmedien, Assistenzsysteme, Robotertechnik oder Mobilitätslösungen können die Arbeitswelt der Pflege erheblich entlasten (GI, 217, S. 5). Der Einzug dieser cyber-physikalischen Systeme in das Arbeitsfeld Pflege wird auch als Digitale Transformation bezeichnet. Die Entwicklung der Pflege 4.0 lässt sich in drei wesentliche Abschnitte gliedern: intelligente Informations- und Kommunikationsstrukturen, Roboter und vernetzte Technik sowie Sensorik, Hilfs- und Monitoringsysteme (DAA, 2017, S. 47).
Technik im Pflegebereich soll zu einer Kostendämpfung sowie zur Erleichterung von belastenden Arbeitshandlungen, z.B. Patientenlagerungen, beitragen, so dass Berufskrankheiten vermieden werden. Weiterhin soll der Einsatz von technischen Hilfsmitteln eine flächendeckende Versorgung in ländlichen Regionen sicherstellen. Hier besteht die Option eine Telepflege zu etablieren. Technische Assistenzsysteme ermöglichen zudem eine lange Selbständigkeit von pflegebedürftigen Personen im eigenen häuslichen Umfeld (Hülsken-Giesler, 2015, S. 14).
Dabei gerät in Vergessenheit, dass Pflegekräfte den Umgang mit neuen Technologien erlernen müssen und dass die Einführung digitaler Arbeitsmethoden unmittelbare Folgewirkungen für die Arbeitsorganisation und Qualifikationsanforderungen hat. Daher muss der Technikeinsatz auch unter Einbeziehung der betroffenen Pflegebeschäftigten aktiv gestaltet werden (DAA, 2017, S. 48). Aufgrund der speziellen Charakteristika pflegerischer Tätigkeiten sowie den besonderen Anforderungen an Datenschutz und -sicherheit im Umgang mit personensensiblen Informationen sind die Entwicklungen der Digitalisierung nicht mit anderen Arbeitsfeldern zu vergleichen (DAA; 2017, S. 47). Zwischen Pflege 4.0, dem durch Nächstenliebe und Zuwendung geprägten Pflegeverständnis und dem Berufsbild liegen Differenzen. Diese gilt es zu überbrücken. Während die Definition der Arbeitswelt Pflege 4.0 die Arbeitsentlastung und positive Folgen der Digitalisierung propagiert, wird auch vor Deprofessionalisierung und Entmenschlichung gewarnt (BAuA, 2015, S. 5).
Um die Chancen der Digitalisierung nutzen zu können bedarf es weiterer Kompetenzen beim Pflegepersonal, sowohl im Umgang mit digitalen Geräten als auch in der Schulung von Pflegebedürftigen (GI, 2017, S. 6). Für Pflegende bietet sich so die Chance berufstypische Anforderungen zu optimieren. Welche Kompetenzanforderungen an Pflegekräfte hinsichtlich Pflege 4.0 gestellt werden, wird im nächsten Kapitel thematisiert.
2.2. Kompetenzanforderungen an Pflegekräfte 4.0
Der Kompetenzbegriff umfasst Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten und Werte, deren Erwerb, Entwicklung und Verwendung sich auf die gesamte Lebenszeit eines Menschen bezieht, nicht direkt messbar ist und sich ausschließlich im Verhalten der Person äußert. Im Mittelpunkt des Kompetenzbegriffs steht somit das eigenverantwortliche Individuum mit allen Bedürfnissen und Interessen und nicht eine rechtsgültig bescheinigte Fertigkeit im Sinne einer Qualifikation (Dehnbostel, 2010, S. 17).
Uta Oelke hat daran anknüpfend eine Modifikation dieser Kompetenzdefinition für Berufe im Gesundheitswesen angestrebt und ein Konzept zur Kompetenzförderung in den Pflege- und Gesundheitsberufen entwickelt, welches sich in folgende vier Dimensionen aufteilt: fachliche Kompetenz, sozial-kommunikative Kompetenz, personale Kompetenz und methodische Kompetenz (Oelke & Meyer, 2013, S. 333). Unter fachlicher Kompetenz versteht Uta Oelke die Fähigkeit wissenschaftsbasiertes Wissen anzuwenden und somit einen Praxistransfer im Sinne des beruflichen Handelns zu ermöglichen (Oelke & Meyer, 2013, S. 343). Die fachliche Kompetenz wird durch die Auseinandersetzung mit dem aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand geprägt und kann individuell durch Vertiefung des erlernten Wissens im Rahmen der praktischen Tätigkeit ausgebaut werden kann. Sozial-kommunikative Kompetenzen drücken sich durch eine Konfliktfähigkeit der Pflegekräfte, ihrer Kritikfähigkeit sowie Frustrationstoleranz aus. Pflegekräfte sollen gefördert werden ihren eigenen Standpunkt zu vertreten und präzise wiederzugeben, sowie Gespräche zu initiieren, zu leiten und zu beenden (Oelke & Meyer, 2013, S. 344). Durch eine sozial-kommunikative Kompetenz ist es somit möglich ein Gespür für Meinungen und Bedürfnisse anderer zu entwickeln und humorvoll zu vermitteln (Erpenbeck & Sauter, 2013, S. 35). So kann die Pflegekraft einen Kontakt zum Patienten aufbauen und die Ganzheitlichkeit des Pflegeprozesses anwenden. Personale Kompetenzen müssen im Kontext der Pflege- und Gesundheitsberufe so ausgeprägt sein, dass die Nähe zu anderen Menschen und damit verbundenen Problemlagen akzeptiert werden können. Alltagssituationen dürfen nicht emotional, sondern sollten durch eine klare Haltung zum Beruf reflexiv bewältigt werden (Oelke & Meyer, 2013, S. 344). Unter methodischer Kompetenz versteht Uta Oelke die Fähigkeit der Planung, Durchführung und Evaluation, sowie der Qualitätssicherung von Pflegeabläufen. Des Weiteren erleichtert eine genaue Planung der eigenen Arbeitsabläufe das Zeitmanagement und bringt eine tägliche Struktur und damit verbundene Sicherheit mit sich. Die methodische Planung der Arbeitsschritte unterliegt dem Lebenslangen Lernen, da sich die Pflegekräfte jeden Tag aufs Neue individuell und zum Teil auch spontan, als Reaktion auf jeweilige Ereignisse, mit Hilfe der Methodenkompetenz einen Arbeitsablauf erarbeiten und diesen anwenden.
Kompetenzen in Pflege- und Gesundheitsberufen werden im Rahmen von individuellen Lern- und Entwicklungsprozessen und unterschiedlichen Formen des Lernens in der Arbeits- und Lebenswelt erlernt. Dabei erfolgt die Kompetenzentwicklung vom Subjekt her, und wird von seinen Fähigkeiten und Interessen in handlungsorientierter Ausrichtung bestimmt. Daher ist Kompetenz-entwicklung ein aktiver Prozess, der von Pflegekräften weitgehend selbst gestaltet wird und ein hohes Maß an selbstgesteuertem Lernen erfordert. Die Kompetenzentwicklung während der Berufsausübung ermöglicht eine umfassende berufliche Handlungskompetenz, in der sich die verschiedenen Kompetenzdimensionen vereinen (Dehnbostel, 2010, S. 18). Ziel der Kompetenzentwicklung im Berufsleben ist die berufliche Handlungskompetenz. Auch hier hat Uta Oelke eine Anpassung an die Berufe im Gesundheitswesen vorgenommen und ein Element deutlicher in den Mittelpunkt dieser Kompetenz gerückt, nämlich die Förderung der Reflexionsfähigkeit (Oelke & Meyer, 2013, S. 344). Die Förderung der Reflexionsfähigkeit ist in ihren Augen nötig, da die „humane Dienstleistungsarbeit eine andere Form der Bewusstheit bzw. Reflexion von Hintergründen und Folgen eigenen Verhaltens verlangt, als es beispielsweise bei der Produktion von Autos oder der Abwicklung von Geschäfts-prozessen erforderlich ist“ (Oelke & Meyer, 2013, S. 345). Uta Oelke definiert drei Ebenen der Reflexionsfähigkeit: die Selbstreflexionsfähigkeit, die ethische Reflexionsfähigkeit und die politische Reflexionsfähigkeit. Die Selbstreflexionsfähigkeit drückt aus, dass Pflegekräfte ihre eigene Haltung in Bezug auf Pflege- oder Gesundheitsthemen definieren können. Unter ethischer Reflexionsfähigkeit versteht man das Hinterfragen von alltäglichen Dilemmata. Durch politische Reflexionsfähigkeit soll ermöglicht werden einen eigenen Standpunkt zur politischen Lage des Krankenhauswesens zu vertreten (Oelke & Meyer, 2013, S. 345). Alles in allem sollen durch die berufliche Handlungskompetenz und Reflexionsfähigkeit folgende Kriterien gefördert werden: vollständige Handlungs- und Projektorientierung, Problem- und Komplexitätserfahrung, Handlungsspielraum, Soziale Unterstützung/ Kollektivität, individuelle Entwicklung, Entwicklung von Professionalität und letztlich Reflexivität (Dehnbostel, 2010, S. 93).
Durch Veränderungen der Arbeitswelt hinsichtlich Pflege 4.0 wird von den Pflegekräften eine weitere Kompetenz gefordert, die Medienkompetenz. Baacke unterteilt den Begriff der Medienkompetenz in vier Bereiche: Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung (1996, S. 8). Medienkritik wird vom griechischen Wort krítein abgeleitet, welches unterscheiden bedeutet und darauf abzielt, vorhandenes Wissen immer wieder reflektierend zu betrachten. Daher befähigt Medienkritik den Lernenden, sich analytisch, ethisch und reflexiv auf Medien zu beziehen (Baacke, 2013, S. 159). Medienkunde ermöglicht Wissen über Medien und die Fähigkeit Geräte bedienen zu können. Dabei wird das Wissen über Medien in einer informativen Dimension vereint, wobei die Fähigkeit Geräte bedienen zu können in einer instrumentell-qualifikatorischen Dimension vereint wird. Hierunter fällt auch das Einarbeiten in Softwareprogramme oder der Login-Vorgang im Internet (Baacke, 2013, S. 159). Mediennutzung kann aktiv als Teilnehmer oder als Anbieter möglich sein. Deshalb beschreibt die Mediennutzung zum einen eine Nutzungskompetenz, wie das Lesen eines Buches und zum anderen das interaktive Handeln, wie z.B. die Produktion eines Videos (Baacke, 2013, S. 159). Die Mediengestaltung ermöglicht eine kreative und innovative Gestaltung von Medien (Baacke, 1996, S. 8). Damit sind neben den sich stetig weiterentwickelnden technischen Voraussetzungen auch die inhaltlichen Voraussetzungen der Gestaltung gemeint. Dazu unterscheidet Baacke die innovative von der kreativen Dimension. Die innovative Dimension umfasst die Weiterentwicklung der Mediensysteme, wohingegen die kreative Dimension ästhetische Varianten neuer Kommunikations- und Gestaltungsoptionen erfasst (2013, S. 160). Im Kontext der praktischen Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflege stehen die Medienkritik, Medienkunde und Mediennutzung im Fokus. Die Mediengestaltung nimmt in der Ausbildung weniger Stellenwert ein, wohingegen diese im examinierten Pflegeberuf eine wichtige Kompetenz darstellt.
3 Die berufliche Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege
Kompetenzen in Pflege- und Gesundheitsberufen werden im Rahmen von individuellen Lern- und Entwicklungsprozessen und unterschiedlichen Formen des Lernens in der Arbeitswelt erlernt. Die Kompetenzentwicklung während der Berufsausbildung ermöglicht eine umfassende berufliche Handlungskompetenz (Dehnbostel, 2010, S. 18). In diesem Kapitel werden curriculare Vorgaben für die praktische Ausbildung sowie Modelle der beruflichen Bildung erläutert.
3.1. Curriculare Vorgaben für die praktische Ausbildung
Nach § 4 des Krankenpflegegesetzes (KrPflG) findet die Berufsausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege an staatlich anerkannten Schulen an Krankenhäusern oder an Schulen, die mit Krankenhäusern kooperieren, statt und gliedert sich in theoretischen und praktischen Unterricht von 2100 Stunden sowie einer praktischen Ausbildung von 2500 Stunden. Im Rahmen dieser Hausarbeit wird ausschließlich auf die praktische Ausbildung Bezug genommen, so dass auf die Darstellung der theoretischen Ausbildung an dieser Stelle verzichtet wird.
„Die praktische Ausbildung wird an einem Krankenhaus oder mehreren Krankenhäusern und ambulanten Pflegeeinrichtungen sowie weiteren an der Ausbildung beteiligten, geeigneten Einrichtungen, insbesondere stationären Pflegeeinrichtungen oder Rehabilitationseinrichtungen, durchgeführt“ (§4, KrPflG). Während der praktischen Ausbildung sind nach §1 Absatz 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege (KrPflAPrV) die Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln, die zur Erreichung des Ausbildungsziels nach §3 des Krankenpflegegesetzes erforderlich sind. Die Ausbildung soll entsprechend dem allgemein anerkannten Stand pflegewissenschaftlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen zur verantwortlichen Mitwirkung insbesondere bei der Heilung, Erkennung und Verhütung von Krankheiten vermitteln. Das Ausbildungsziel schreibt vor Pflege unter Einbeziehung präventiver, rehabilitativer und palliativer Maßnahmen auf die Wiedererlangung, Verbesserung, Erhaltung und Förderung der physischen und psychischen Gesundheit der zu pflegenden Menschen auszurichten. Dabei sind die unterschiedlichen Pflege- und Lebenssituationen sowie Lebensphasen und die Selbständigkeit und Selbstbestimmung der Menschen zu berücksichtigen (§3, KrPflG). Das Ausbildungsziel umfasst die Berufliche Handlungskompetenz. Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Personalkompetenz müssen dementsprechend auch im praktischen Teil der Berufsausbildung gefördert werden.
Die Ausbildung soll dazu befähigen, eigenverantwortlich den Pflegebedarf zu erheben und festzustellen sowie die Pflege zu planen, organisieren, durchzuführen und zu dokumentieren. Ebenfalls soll der Pflegeprozess evaluiert und gesichert werden, sodass eine Qualitätsentwicklung der Pflege ermöglicht wird. Weiteres Ausbildungsziel ist die Beratung, Anleitung und Unterstützung von zu pflegenden Menschen und ihrer Bezugspersonen in der individuellen Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit sowie die Einleitung lebenserhaltender Sofortmaßnahmen bis zum Eintreffen der Ärztin oder des Arztes. Weitere Aufgaben sind nur unter Mitwirkung auszuführen, z.B. die eigenständige Durchführung ärztlich veranlasster Maßnahmen, Maßnahmen der medizinischen Diagnostik, Therapie oder Rehabilitation, Maßnahmen in Krisen- und Katastrophensituationen. Die Ausbildung soll weiterhin dazu befähigen, interdisziplinär mit anderen Berufsgruppen zusammenzuarbeiten und dabei multidisziplinäre und berufsübergreifende Lösungen von Gesundheitsproblemen zu entwickeln (§3, KrPflG). Die Unterscheidung zwischen eigenverantwortlichen Tätigkeiten, Aufgaben im Rahmen der Mitwirkung und der interdisziplinären Zusammenarbeit ermöglichen einen Schritt in die Anerkennung der Pflege als eigenständige Profession (Bohrer, 2009, S. 137).
Den Auszubildenden ist Gelegenheit zu geben, die im Unterricht erworbenen Kenntnisse zu vertiefen und zu lernen diese bei der späteren beruflichen Tätigkeit anzuwenden (§2 Abs. 2, KrPflAPrV). Der Lernort Praxis gewinnt dadurch stärkere Bedeutung. „Unter Lernort ist eine im Rahmen des öffentlichen Bildungswesens anerkannte Einrichtung zu verstehen, die Lernangebote organisiert. Es handelt sich nicht allein um räumlich verschiedene, sondern in ihrer pädagogischen Funktion unterscheidbare Orte“ (Deutscher Bildungsrat, 1974, S. 69). Die Praxiseinrichtungen müssen die praktische Ausbildung durch geeignete Fachkräfte mit berufspädagogischer Zusatzqualifikation zum Praxisanleiter sicherstellen. Aufgabe der Praxisanleiter ist es, die Auszubildenden „schrittweise an die eigenständige Wahrnehmung der beruflichen Aufgaben heranzuführen und die Verbindung mit der Schule zu gewährleisten“ (§2 Abs. 2, KrPflAPrV). Die Krankenpflegeschulen stellen die Praxisbegleitung der Auszubildenden in den Verbundeinrichtungen sicher. Aufgabe der Lehrkräfte ist es, die Auszubildenden in den Einrichtungen zu betreuen und die für die Praxisanleitung zuständigen Fachkräfte zu beraten (§2 Abs. 3, KrPflAPrV). Dieses in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung hinterlegte Konzept wird als Lernortkooperation bezeichnet und im nächsten Kapitel erläutert.
3.2. Lernortkooperation in der Berufsausbildung
Die Lernorte Theorie und Praxis sind über die Lernortkooperation miteinander verknüpft. Lernortkooperation wird definiert, als die sinnvolle Zusammenarbeit der Lernorte Theorie und Praxis zur Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Ausbildung und Förderung des Theorie-Praxis-Transfers (Bohrer, 2009, S. 85). Die Schule übernimmt dabei die Gesamtverantwortung (Bohrer, 2009, S. 136). Eine Lernortkooperation ermöglicht die Zusammenarbeit des Bildungspersonals an verschiedenen Lernorten (Dehnbostel, 2010, S. 59). Um die Lernortkooperation zu gewährleisten werden im Rahmen der praktischen Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung, wie in Abbildung 1 dargestellt, Praxisanleiter und Praxisbegleiter eingesetzt, die den Lernenden unterstützen und in einem stetigen Austausch zueinander stehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Akteure der Lernortvernetzung (DBR, 2004, S. 13)
Praxisbegleiter werden durch Berufspädagogen bzw. Pflegepädagogen aus dem Lernort Schule verkörpert. Diese haben die Aufgabe Anforderungsprofile für die praktischen Einsätze zu erstellen, Auszubildende in beruflichen Situationen zu beraten und zu begleiten, Einzelbegleitungen im Praxisalltag durchzuführen und auszuwerten, so dass die Auszubildenden eine Unterstützung zum Erreichen des Ausbildungszieles erhalten sowie die Qualifizierung der Praxisanleiter mitzugestalten.
Im Gegensatz dazu haben die Praxisanleiter die Aufgabe die Integration von theoretischen Ausbildungsinhalten in die Praxis zu gewährleisten und die Auszubildenden in das jeweilige Berufsfeld der Berufspraxis einzuführen. Ebenso werden die Auszubildenden im Rahmen der individuellen Lernerfahrungen durch die Praxisanleiter begleitet. Praktische Leistungen werden bewertet und benotet, Standortgespräche geführt sowie die gezielte Anleitungssituation geplant und durchgeführt. Praxisanleiter sind examinierte Pflegekräfte mit einer berufspädagogischen Weiterbildung von 200 Stunden (Bohrer, 2009, S. 89; DBR, 2004, S. 8). Praxisanleiter koordinieren die praktische Ausbildung und sind für das Ausbildungsziel verantwortlich. Dazu können sie spezifische Lernangebote bereitstellen.
3.3. Arbeitsbezogenes Lernen in der Berufsausbildung
Den Lernort Praxis im Rahmen der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung stellt das Krankenhaus dar. Es erfolgen zudem auch Einsätze in der ambulanten Pflege. Arbeitsbezogenes Lernen bezieht kognitive, affektive und psychomotorische Dimensionen gleichermaßen mit ein. Durch eine praktische Ausbildung werden nicht nur Wissen und Fähigkeiten weitergegeben, sondern ebenfalls Gewohnheiten, Einstellungen und Werte vermittelt, denn erlerntes und erworbenes Wissen kann nicht von seiner Umgebungssituation losgelöst werden (Dehnbostel, 2010, S. 30). Das arbeitsbezogene Lernen ermöglicht das Lernen durch Instruktionen, also durch Vormachen, Nachmachen und Üben (Dehnbostel, 2010, S. 34). Unter einem lernorganisatorischen Aspekt unterscheidet Dehnbostel drei Varianten des arbeitsbezogenen Lernens: das arbeitsverbundene, das arbeitsorientierte und das arbeitsgebundene Lernen (2010, S. 31).
Das arbeitsverbundene Lernen beschreibt die Trennung von Lernort und realem Arbeitsplatz, gleichwohl besteht zwischen diesen eine direkte räumliche und arbeitsorganisatorische Verbindung, durch Lernwerkstätten oder Skills Labs. Arbeitsorientiertes Lernen findet an zentralen Lernorten wie Bildungszentren und berufsbildenden Schulen durch Praxisunterricht in Demonstrationsräumen statt. Beim arbeitsgebundenen Lernen sind Lern- und Arbeitsort identisch. Das Lernen findet am Arbeitsplatz oder im Arbeitsprozess statt (Dehnbostel, 2010, S. 32).
Das Lernen auf den Stationen eines Krankenhauses bietet die Möglichkeit an realen beruflichen Situationen in der Wirklichkeit zu lernen und zählt somit zum arbeitsgebundenen Lernen. Die Pflege des Patienten kann zielgerichtet im Kontext der jeweiligen medizinischen Fachabteilung durchgeführt werden. Dazu können fachliche Hintergründe, die im Lernort Schule vermittelt werden, in pflegerische Handlungen einbezogen werden. Ein Vorteil besteht darin, dass der Grad der Anschaulichkeit und der Sachnähe sehr hoch ist. Ebenso ist die Komplexität in der patientenbezogenen Pflege im Gegensatz zur Pflege an Demo-Puppen während des arbeitsverbundenen Lernens an Krankenpflegeschulen sehr hoch. Der Patient steht im Mittelpunkt des Pflegeprozesses und wird ganzheitlich versorgt. Die Möglichkeiten der Vereinfachung oder Verlangsamung von pflegerischen Handlungen ist jedoch begrenzt (Bohrer, 2009, S. 85). Dies kann im Hinblick auf die Ausbildungssituation sowohl einen Vorteil, als auch einen Nachteil darstellen. Auszubildende werden durch die realitätsnahe Versorgung der Patienten in ihren Handlungsabläufen gefordert. Die Fähigkeit zur Selbstorganisation und korrekten Durchführung der pflegerischen Tätigkeiten wird gefördert. Andererseits kann dies auch bei den Auszubildenden zu einer Überforderung führen. Gerade das verlangsamte und vereinfachte Üben an Demo-Puppen am Lernort Schule im Rahmen des arbeitsorientierten Lernens ist dann vorteilhafter.
Laut §3 des Krankenpflegegesetzes soll die Ausbildung fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen vermitteln. Diese vier Kompetenzdimensionen sind in der beruflichen Handlungskompetenz vereint. Das arbeitsgebundene Lernen muss dementsprechend so ausgerichtet sein, dass eine berufliche Handlungskompetenz erlangt werden kann. Wie in nachstehender Abbildung 1 dargestellt, sind dazu formelle sowie informelle Lernformen notwendig.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 Betriebliche Lern- und Wissensarten (Dehnbostel, 2010, S. 39)
Unter formellem Lernen wird die Vermittlung festgelegter Lerninhalte und Lernziele in organisierter Form verstanden. Dazu ist es wichtig, dass Lernen innerhalb eines institutionellen Rahmens stattfindet und an didaktisch-methodischen Kriterien ausgerichtet ist. Lernziele werden den Lernenden ausgewiesen und anhand von Lernzielüberprüfungen durch ausgebildetes pädagogisches Personal erhoben (Dehnbostel, 2010, S. 37). Formelles Lernen führt zur Aneignung von Theoriewissen, was eine Komponente zur Erlangung der beruflichen Handlungskompetenz darstellt.
Aber auch informelles Lernen ist eine wichtige Komponente zur Erlangung der beruflichen Handlungskompetenz. Informelles Lernen kann anhand unterschiedlicher Dimensionen definiert werden. Im Kontext des arbeitsgebundenen Lernens wird informelles Lernen als ein „Lernen über Erfahrungen, die in und über Arbeitshandlungen gemacht werden“ (Dehnbostel, 2010, S. 37), definiert. Informelles Lernen ergibt sich aus Arbeitshandlungen und ist nicht institutionell organisiert. Es fördert ein Lernergebnis, dass aus Problemlösungen und Situationsbewältigungen im Arbeitsalltag hervorgeht und wird nicht pädagogisch professionell begleitet (Dehnbostel, 2010, S. 37). In der betrieblichen Bildung wird das informelle Lernen weiterhin in ein implizites und ein reflexives Lernen unterschieden. Das implizite Lernen erfolgt in einem unbewussten, vom Lernenden nicht reflektierten Prozess (Dehnbostel, 2010, S. 40). In der Situation der Problemlösung wird gelernt, ohne ein Pflegeverständnis zu erfahren und den fachlichen Wissensstand zu vertiefen. Das reflexive Lernen wird auch mit dem Begriff Erfahrungslernen gleichgesetzt (Dehnbostel, 2010, S. 40). Es werden durch Problemlösungen und Situationsbewältigungen Erfahrungen in Reflexionen eingebunden und führen zum Erkenntnisgewinn. Durch stetig wechselnde Arbeitsanforderungen im Umgang mit verschiedenen Pflegebedürfnissen von Patienten ist diese Grundlage gegeben. Reflexives Lernen kann im Rahmen der Lernortkooperation durch Praxisbegleitungen der Pflegepädagogen aus dem Lernort Schule realisiert werden. Denn reflexives Lernen kann durch Reflexionsgespräche ermöglicht werden, welche im Rahmen der Praxisbegleitungen stattfinden.
Wie in Abbildung 1 zu sehen führt informelles Lernen, mit beiden Lernformen des impliziten und reflexiven Lernens, zum Erfahrungswissen. Aber auch formelles Lernen kann zum Erfahrungswissen beitragen, wie die gestrichelte Linie andeutet. Denn auch beim formellen Lernen ist es möglich Erfahrungen zu machen. Ebenfalls ist auch beim reflexiven Lernen eine Theoriebildung möglich, durch die theoretisches Wissen angeeignet werden kann. Auch dieser Prozess wird in Abbildung 1 mit einer gestrichelten Linie dargestellt. Theoriewissen und Erfahrungswissen gemeinsam führen dann zu einer beruflichen Handlungskompetenz (Dehnbostel, 2010, S. 39).
4 Pflege 4.0 – Auswirkung auf die praktische Berufsausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege
Seitens Auszubildender nimmt die Möglichkeit der Kompetenzentwicklung im Entscheidungsprozess um einen Ausbildungsplatz einen hohen Stellenwert ein. Auszubildende sehen in den betrieblichen Angeboten zur individuellen Förderung eine Motivation zur Ausbildungsplatzwahl. Deshalb müssen sich Krankenhäuser um die Einführung professioneller Lernsysteme hinsichtlich einer Kompetenzentwicklung zur Pflege 4.0 bemühen, um Auszubildende zu umwerben (Bünnagel, 2012, S. 17). Daher kann die Krankenhausleitung durch ein mediales Lernangebot Auszubildende im betrieblichen Kontext bilden, binden, die medizinische Versorgungsqualität gewährleisten und zugleich Kompetenzentwicklung und Mitarbeitermotivation erzielen. Welche Anforderungen an die praktische Ausbildung hinsichtlich einer Medienkompetenzentwicklung zur Pflege 4.0 gestellt werden und welche Umsetzungsstrategien damit einhergehen, wird nachfolgend erläutert.
4.1. Anforderungen an die praktische Ausbildung zur Medienkompetenzentwicklung von Auszubildenden
Bei der Einführung von E-Learning in Betrieben werden auf die Qualitätsmerkmale Methodik und Didaktik, mediale Aufbereitung, Bedienkomfort und Funktionalität geachtet (Heidemann, 2012, S. 19). Mediale E-Learning Angebote sollten daher an die Mitarbeiter im Krankenhaus angepasst werden. Zudem muss die notwendige Infrastruktur seitens Arbeitgeber bereitgestellt werden, z.B. ein E-Mail Account und ein Internetzugang für jeden Mitarbeiter. Gerade im Krankenhaus ist den Pflegekräften oftmals ein Internetzugang verwehrt, ausschließlich Mediziner und Leitungskräfte erhalten diesen. Eine solche Barriere muss überwunden werden, um eine Kompetenzentwicklung hinsichtlich Pflege 4.0 zu ermöglichen. Weiterhin ist es wichtig, die im Prozess des E-Learning erworbenen Zertifikate anzuerkennen und somit eine Kompetenzentwicklung im Sinne des Lebenslangen Lernens zu ermöglichen. Ein weiterer wesentlicher Faktor sind lernförderliche Arbeitsbedingungen. Dazu zählen auch arbeitsverbundene Lernplätze, an denen sich die Auszubildenden ungestört von sonstigen Aufgaben dem Lerninhalt widmen können. Das können Büros, Bildschirmarbeitsplätze oder Seminarräume sein (Heidemann, 2012, S. 14). Ergänzend ist es sinnvoll, Praxisanleitertreffen zu veranstalten, die einen arbeitsplatzübergreifenden Austausch hinsichtlich des medialen Lernens ermöglichen und die Qualität der Lernangebote sichern.
Durch moderne betriebliche Bildungsarbeit in Form des medialen Lernens und damit einhergehender Erweiterung der beruflichen Handlungskompetenz hinsichtlich medialer Kompetenzen, ist eine Konkurrenzfähigkeit im globalen Wettbewerb möglich (Dehnbostel, 2010, S. 90). Neben diesem ökonomischen Aspekt sind aber auch pädagogische Aspekte als Anforderungen an eine mediale praktische Berufsausbildung zu stellen. Im Hinblick auf die Forschungsfrage „Wie muss berufliche Bildung in der praktischen Ausbildung ausgerichtet werden, um Auszubildenden eine Medienkompetenzentwicklung für Pflege 4.0 zu ermöglichen?“ sollen an dieser Stelle berufspädagogische Rückschlüsse gezogen werden.
Die Schulung von Auszubildenden und Praxisanleitern hinsichtlich der Kompetenz des selbstgesteuerten Lernens ist eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Medienkompetenzentwicklung im beruflichen Kontext. Dabei ist wichtig, dass jeder Auszubildende und Praxisanleiter entsprechend des individuellen Kenntnisstandes geschult wird (Heidemann, 2012, S. 16). Damit diese Forderung eingehalten werden kann, ist es sinnvoll, das Krankenhäuser in Kooperation mit Krankenpflegeschulen eine medienpädagogische Beratung und Betreuung erhalten. Diese Lernberatung kann zu einer Förderung des selbstgesteuerten Lernens im Kontext digitaler Medien beitragen (Heidemann, 2012, S. 16).
Die Ausbildungsinstitutionen müssen dafür Sorge tragen, dass genügend qualifizierte Praxisanleiter für eine mediale Anleitung vorgehalten werden. Dazu gilt die Vorgabe, dass sich die Anzahl der Praxisanleiter nach dem Erfüllungsgrad der Kriterien zur Ausbildung ausrichtet und angemessen sein soll. Sie ist quantitativ sinnvoll, wenn mindestens 10% des Mindestumfangs der praktischen Ausbildung in Form der Praxisanleitung erfolgt (§4, KrPflG).
Die Entwicklung zur Wissensgesellschaft fordert von jedem Lernenden eine Lernkompetenz und die Fähigkeit zum Lebenslangen Lernen. Diesen Forderungen wird der Konstruktivismus als Lerntheorie gerecht. Daher sollten betriebliche Lernangebote einer konstruktivistischen Ausrichtung folgen. Jeder Lernende kann so seine individuellen Vorkenntnisse in den Lernprozess integrieren, was sich wiederum auf die neu zu erwerbenden Kenntnisse auswirkt. Vom Lernenden wird im Rahmen einer selbstregulierten konstruktivistischen Lernstrategie erwartet, dass er sich eigenständig Aufgabenstellungen widmet und imstande ist diese zu lösen (von Ameln, 2004, S. 246). Auf Konstruktivismus basierend formulieren Reinmann und Mandl zentrale Prinzipien konstruktivistischer Lernangebote. Lernen soll anhand von authentischen Problemen erfolgen, so dass durch eine konkrete Problemlage ein Praxisbezug hergestellt werden kann. Ebenso soll der Auszubildende in multiplen Kontexten lernen, in denen verschiedene Praxissituationen aufgezeigt werden und zu Lösungen angeregt werden soll. Genauso können dabei verschiedene Perspektiven eingenommen und anhand verschiedener Rollen gelöst werden. Lernen soll zudem immer in sozialen Kontexten stattfinden, so dass eine Interaktion mit Arbeitskollegen und Praxisanleitern möglich ist. Zuletzt ist es wichtig, dass Lernende mit instruktionaler Unterstützung lernen. Das bedeutet, dass Lernumgebungen, Lernmaterialien und ein Lernbegleiter den Auszubildenden unterstützen müssen (2006, S. 613). Diese Prinzipien konstruktivistischer Lernangebote ermöglichen eine Kompetenzentwicklung im Bereich der praktischen Ausbildung von Pflegekräften.
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