Ziel dieser Hausarbeit ist die Untersuchung der Ästhetik des Schreckens in Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“. Jüngers Schilderung des Grauens, die mit einer „ästhetischen Grenzüberschreitung“ einhergeht, ist besonders interessant, weil sich hier die Ambivalenz des Werkes zeigt. Auf der einen Seite kommt es zu einer Ästhetisierung des Schreckens sowie zu einer bewussten „Trennung der Gewaltschilderungen von Moral und Vernunft“.
Andererseits oder vielleicht auch gerade deswegen bietet Jünger aber eine äußerst realistische Darstellung der Ereignisse, die dem Leser die entsetzliche Brutalität und das Grauen des Krieges besonders eindringlich vor Augen führt.
Der Autor untersucht, wie diese Ästhetisierung des Schreckens von Jünger literarisch umgesetzt wurde und welche Wirkung sie auf den Leser hat, um sich so schrittweise der Beantwortung der Frage zu nähern, ob „In Stahlgewittern“ als Verherrlichung des Krieges, als durchgehend neutrale Schilderung der Wirklichkeit oder sogar als Antikriegsroman zu bewerten ist.
Das 1920 erschienene In Stahlgewittern ist das erste Buch Ernst Jüngers. Es kann als „die mit Abstand bedeutendste, facettenreichste und einprägsamste Darstellung der entsetzlichen Erfahrungswirklichkeit des ersten Weltkrieges aus der Hand eines deutschen Schriftstellers“ angesehen werden. Grundlage des Werkes sind die Tagebücher, in denen der Soldat und spätere Offizier Ernst Jünger seine Erlebnisse an der Kriegsfront notierte. Ernst Jüngers Kriegsbericht ordnet sich in eine Reihe anderer veröffentlichter Kriegstagebücher der 1920er Jahre ein.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Allgemeine Informationen zum Werk ÄIn Stahlgewittern“
III. Kontroversen und Sichtweisen
IV. Die Ästhetisierung des Schreckens
1.1 Der Begriff der Ästhetisierung
1.2. Die literarische Umsetzung der Ästhetisierung durch Ernst Jünger
1.2.1. Allgemeine Gestaltung der Kriegsereignisse
1.2.2. Metaphorik der Kriegsdarstellungen
1.2.3. Krieg als Rauschzustand
1.2.4. Krieg als Quelle von Lust / Erotische Momente
1.3 Wirkung der Ästhetisierung
V. Fazit
VI. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Ziel dieser Hausarbeit ist die Untersuchung der Ästhetik des Schreckens in Ernst Jüngers In Stahlgewittern. Jüngers Schilderung des Grauens, die mit einer Äästhetischen Grenzüberschreitung“1 einhergeht, ist besonders interessant, weil sich hier die Ambivalenz des Werkes zeigt. Auf der einen Seite kommt es zu einer Ästhetisierung des Schreckens sowie zu einer bewussten ÄTrennung der Gewaltschilderungen von Moral und Vernunft“2. Andererseits oder vielleicht auch gerade deswegen bietet Jünger aber eine äußerst realistische Darstellung der Ereignisse, die dem Leser die entsetzliche Brutalität und das Grauen des Krieges besonders eindringlich vor Augen führt. Ich möchte untersuchen, wie diese Ästhetisierung des Schreckens von Jünger literarisch umgesetzt wurde und welche Wirkung sie auf den Leser hat um mich so schrittweise der Beantwortung der Frage zu nähern, ob In Stahlgewittern als Verherrlichung des Krieges, als durchgehend neutrale Schilderung der Wirklichkeit oder sogar als Antikriegsroman zu bewerten ist.
II. Allgemeine Informationen zum Werk „In Stahlgewittern“
Das 1920 erschienene In Stahlgewittern ist das erste Buch Ernst Jüngers. Es kann als Ädie mit Abstand bedeutendste, facettenreichste und einprägsamste Darstellung der entsetzlichen Erfahrungswirklichkeit des ersten Weltkrieges aus der Hand eines deutschen Schriftstellers“3 angesehen werden. Grundlage des Werkes sind die Tagebücher, in denen der Soldat und spätere Offizier Ernst Jünger seine Erlebnisse an der Kriegsfront notierte. Ernst Jüngers Kriegsbericht ordnet sich in eine Reihe anderer veröffentlichter Kriegstagebücher der 1920er Jahre ein. Das Werk lässt sich der Neuen Sachlichkeit zuordnen und bietet eine genaue Beschreibung des Kriegsgeschehens, das dem Leser äußerst realistisch und eindringlich vor Augen geführt wird. Auffällig ist eine regelrechte ‚Überarbeitungswut‘ des Autors. Jünger hat den Text der Stahlgewitter im Laufe der Jahrzehnte mehrmals stark überarbeitet Es existieren insgesamt sieben Fassungen (1920, 1922, 1924, 1934, 1935, 1961, 1978)4. Der Kürze dieser Arbeit geschuldet, werde ich auf die Gründe und Wirkungen der Überarbeitungen allerdings nicht weiter eingehen. Als Textgrundlage für meine Untersuchung werde ich ausschließlich die Fassung letzter Hand von 1978 verwenden, und zwar in der 2013 erschienenen Historischkritischen Ausgabe der Stahlgewitter von Helmut Kiesel.
III. Kontroversen und Sichtweisen
Über Ernst Jüngers Stahlgewitter existieren zahlreiche Kontroversen. Aufgrund der Kürze kann diese Arbeit allerdings nicht ausführlich auf die zahlreichen Interpretationsansätze eingehen. Daher werden im Folgenden nur knapp die wichtigsten Positionen dargestellt, um dem Kern dieser Arbeit, der literarisch-ästhetischen Sichtweise, genügend Raum zu geben. Immer wieder wird die Sachlichkeit des Werks positiv hervorgehoben, durch die Jünger eine äußerst realistische Darstellung der Kriegsereignisse gelungen ist, die dem Leser die entsetzliche Brutalität und das Grauen des Krieges besonders eindringlich vor Augen führt. Alfred Andersch kommt 1975 in seiner Untersuchung sogar zu dem Urteil, dass Jüngers erstes Werk, als ÄTriumph von reiner Deskriptivität“ anzusehen ist5.
Jünger wird allerdings auch vielfach dafür kritisiert, dass er die Schrecken des Krieges ästhetisiert und somit den Krieg verherrlicht. Tatsächlich kann diesem Vorwurf kaum widersprochen werden. Die Ästhetisierung des Schreckens übersteigt in den Stahlgewittern eine gewisse Grenze, sodass der Krieg unter weitgehendem Ausschluss des Elends der Verbandsplätze und Lazarette beschönigt dargestellt wird6. Ernst Jüngers Frühwerk, so konstatiert Gerda Liebchen 1977, stellt eine Äbejahende Interpretation des Krieges“7 dar. Die Schilderungen der Kriegsereignisse finden weitgehend unter Ausschluss von Moral, Ethik, Vernunft und Mitleid statt; eine politisch-historische Sichtweise auf den Krieg lässt der Text ganz vermissen8.
Über Jahrzehnte hinweg konnte die literaturwissenschaftliche Diskussion in nur zwei Lager aufgeteilt werden: Zum einen die Position, die Jünger und sein Werk als unmoralisch einstuft und zum anderen die Position, welche Jüngers literarisch-ästhetische Schilderungen zum Anlass nimmt, ihn von jeglicher Schuld freizusprechen. In den 1980er Jahren kamen dann verstärkt psychologische Interpretationsansätze auf, die die Person des Autors in einen stärkeren Zusammenhang zum Text der Stahlgewitter setzten.9 So sieht Wolfgang Kaempfer Jünger vor allem als Äsubjektiv in einer sadomasochistischen Triebdisposition wurzelnd“10 und verweist darauf, dass Ädie »Ergebung« ins Schicksal, [«] von der er berichtet, deutlich masochistisch eingefärbt“ sei. Kaempfer präsentiert Jünger als einen Autor, der die ÄEntwicklung seines Helden zum gefügigen Menschenmaterial“ als die Änatürliche Entfaltung einer Persönlichkeit“11 ansieht. Ähnlich kommt Gerda Liebchen zu dem Ergebnis, dass Jünger das Äheroische Persönlichkeitsideal“12 propagierte, welches Äals eine Version des autoritärmasochistischen Charakters“13 zu erkennen sei.
Des Weiteren existiert eine Reihe von Untersuchungen, die sich mit Ernst Jünger und seinem Frühwerk politisch auseinandersetzen. Hier wäre vor allem Karl Prümm zu nennen. Prümm kritisiert in erster Linie, dass Jüngers politische Stellungnahme, welche sich in den Stahlgewittern wiederfindet, im allgemeinen Lob für das Werk unterzugehen scheint und kaum Beachtung findet14.
Schließlich gibt es die ästhetische Perspektive auf Ernst Jüngers Stahlgewitter. Karl Heinz Bohrer nimmt in seiner hierfür maßgeblichen Untersuchung über die ÄPessimistische Romantik und Ernst Jüngers Frühwerk“ mit dem Titel ÄDie Ästhetik des Schreckens“15 eine Äformalästhetische Analyse“ vor mit dem Ziel, die Äspezifisch literarische Wertigkeit“16 von Jüngers Frühwerk zu klären. Bohrer sieht das Frühwerk Jüngers als Teil eines Äbesonderen literarisch-ästhetischen Phänomens“17. Er vertritt den Standpunkt, Ädaß man zur Beurteilung des Werks nicht von seinen Wirkungen ausgehen darf“ und fordert eine ÄTrennung von ästhetischem Text und seiner Rezeption“, weil Äman dem Ästhetischen zu wenig Autonomie zubilligt“18.
Weitere Untersuchungen, insbesondere von Volmert und Theweleit beschäftigen sich mit der Äpsychischen Konstitution des soldatischen Mannes“ und betonen, dass die Merkmale seines Charakters Ädurch eine zunehmende Ästhetisierung seiner Erlebnisschilderungen zurückgenommen werden“19.
IV. Die Ästhetisierung des Schreckens
1.1 Der Begriff der Ästhetisierung
Die Bedeutung des Begriffs der Ästhetisierung ist bis heute sehr vage geblieben und wird nur selten konkret erläutert. Die einschlägigen Lexika führen den Begriff meist nicht als eigenes Stichwort auf. Ausführlichere Erläuterungen finden sich nur in eigenen Nachschlagewerken zur Ästhetik, sodass der Begriff heute eher in den Bereichen Kunstgeschichte und Design verortet werden kann.20 Im Metzler Lexikon Ästhetik: Kunst, Medien, Design und Alltag formuliert Katrin Hirdina: ÄÄsthetisierung ist eine Methode der Gestaltung unter dem Primat der Form und der Formwahrnehmung. Ziel der Ästhetisierung ist Harmonisierung als Ausgleich von Widersprüchen. Angestrebte Werte sind Schönheit, Eleganz, Stil, die mittels Styling erreicht werden“21. Leo Berg und Helmut Kiesel stellen den Begriff der Ästhetisierung allerdings klar in den Kontext der Literatur22. Tatsächlich waren es Schriftsteller, die als erste Ästhetisierungen benannt haben23. Literaturwissenschaftler konkretisierten dann den Begriff der Ästhetisierung als eine ÄForm des literarischen Schreibens“24, welche sich um 1800 als Äkunsthaft-sinnliche Anschauung in Literatur, Philosophie und Wissenschaft ausbildet“25. Bis heute werden Ästhetisierungen verwendet, um den literarischen Wert eines Textes zu betonen und diesen von Trivialliteratur abzugrenzen.26 Insgesamt werden mit dem Begriff der Ästhetisierung verstärkt negative Wirkungen verknüpft wie eine ÄVerharmlosung“ oder ÄTrivialisierung“ bestimmter Inhalte27. Es existieren aber auch positive Interpretationen des Begriffs, die die Ästhetisierung vor allem als gelungene Äsensibilisierende Gestaltung“28 loben. Im nachfolgenden Teil soll auf der Grundlage einer Analyse der entsprechenden Textpassagen erörtert werden, ob die Ästhetisierung des Schreckens in den Stahlgewittern als positiv oder negativ einzustufen ist. Dabei soll insbesondere untersucht werden, welche Wirkung die Ästhetisierung beim Leser hervorruft.
[...]
1 Volmert, Johannes: Ernst Jüngers ÄIn Stahlgewittern“. München 1985, S. 46.
2 Gnädinger, Michael: Zwischen Traum und Trauma. Ernst Jüngers Frühwerk. Frankfurt am Main 2003, S. 17.
3 Kiesel, Helmut: Ernst Jünger, In Stahlgewittern. Historisch-kritische Ausgabe. Stuttgart 2013, S. 5.
4 Vgl.: Ebenda, S. 7.
5 Alfred Andersch: Achtzig und Jünger: Ein politischer Diskurs. In: Merkur, 29. Jg., 175, S. 244, zitiert nach: Gnädinger, Michael: Zwischen Traum und Trauma. Ernst Jüngers Frühwerk. Frankfurt am Main 2003, S. 13.
6 Vgl.: Kiesel, Helmut: Ernst Jünger, In Stahlgewittern. Historisch-kritische Ausgabe. Stuttgart 2013, S. 6.
7 Liebchen, Gerda: Ernst Jünger. Seine literarischen Arbeiten in den zwanziger Jahren. Eine Untersuchung zur gesellschaftlichen Funktion von Literatur. Bonn 1977, S. 17.
8 Vgl.: Gnädinger, Michael: Zwischen Traum und Trauma. Ernst Jüngers Frühwerk. Frankfurt am Main 2003, S. 16.
9 Vgl.: Ebenda, S. 42.
10 Kaempfer, Wolfgang: Ernst Jünger. Stuttgart 1981, S. 13.
11 Ebenda, S. 12.
12 Vgl.: Liebchen, Gerda: Ernst Jünger. Seine literarischen Arbeiten in den zwanziger Jahren. Eine Untersuchung zur gesellschaftlichen Funktion von Literatur. Bonn 1977, S. 52.
13 Ebenda, S. 52.
14 Vgl.: Gnädinger, Michael: Zwischen Traum und Trauma. Ernst Jüngers Frühwerk. Frankfurt am Main 2003, S. 48.
15 Bohrer, Karl Heinz: Die Ästhetik des Schreckens. Die pessimistische Romantik und Ernst Jüngers Frühwerk. München / Wien 1978.
16 Ebenda, S. 16.
17 Ebenda, S. 16.
18 Ebenda, S. 17.
19 Ebenda, S. 114.
20 Vgl.: Dziudzia, Corinna: Ästhetisierung und Literatur. Begriff und Konzept von 1900 bis heute. Heidelberg 2015, S. 8.
21 Hirdina, Karin: ÄÄsthetisierung“ In: Metzler Lexikon der Ästhetik. Kunst, Medien, Design und Alltag. Hrsg. Von Achim Trebeß, Stuttgart; Weimar 2006. S. 39.
22 Vgl.: Dziudzia, Corinna: Ästhetisierung und Literatur. Begriff und Konzept von 1900 bis heute. Heidelberg 2015, S. 8.
23 Vgl.: Ebenda, S. 345.
24 Ebenda, S. 345.
25 Ebenda, S. 345.
26 Vgl.: Ebenda, S. 350.
27 Ebenda, S. 9.
28 Hirdina, Karin: ÄÄsthetisierung“ In: Metzler Lexikon der Ästhetik. Kunst, Medien, Design und Alltag. Hrsg. Von Achim Trebeß, Stuttgart; Weimar 2006. S. 40.