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Hausarbeit, 2016
17 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Schule: Reproduktionsort sozialer Ungleichheiten
3. Heterogenitat und Vielfalt im Bildungssystem; Inklusiver Unterricht
4. Intersektionalitat: Schnittstellen Migration und Geschlecht/Behinderung
4.1 Intersektionalitatsbegriff
4.2 Migration, Behinderung und Geschlecht
4.3 Intersektionalitat im Bildungssystem
5. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Die Schule hat die Aufgabe heranwachsende Schulerinnen sowie Schuler, um ihnen die Teilhabe sowie Chancengleichheit in der Gesellschaft zu ermoglichen, mit padagogi- schen MaRnahmen und Wissensvermittlung zu sozialisieren. Sie bereitet dabei die Kinder auf das Erwachsenenleben vor. Dies erfordert eine Angleichung an die gesellschaft- lichen Bedingungen und Gegebenheiten, welches zur Folge hat, dass die zu Erziehenden mit ihren Unterschiedlichkeiten einem Normalisierungsprozess unterzogenen werden mussen. Die Schule ist Erfullungsort gesellschaftlicher Bedingungen und Erwartungen sowie Produktionsort spaterer Teilnehmer fur die Erwachsenenwelt. Sie muss dafur ein- heitliche gesellschaftszentrierte Inhalte vorlegen, in der das Versagen und der Erfolg Ein- zelner im gleichen Zug individualisiert wird. Die homogene Erwartungshaltung fuhrt zur Benachteiligung und Diskriminierung einzelner Schuler. Im padagogischen Raum wird Heterogenitat zum Anspruch und Diversitat zum Erschwernis.
In der vorliegenden Arbeit mochte ich mich auf die Schule als (Re-)Produktionsort von sozialen Ungleichheiten sowie Bildungsungleichheit beziehen. In diesem Kontext fokus- siere ich mich auf die aktuellen Intersektionalitatsdiskurse und versuche die Effekte mehrdimensionaler Diskriminierungsformen anhand der Kategorien Behinderung, Ge- schlecht und Migration aufzuzeigen. Denn in Anbetracht der Vielfaltigkeit und Unter- schiedlichkeit der personlichen Eigenschaften und Fahigkeiten von Schulern sollten die Formen von Diskriminierung mehrdimensional betrachtet werden. Hierzu setze ich im nachfolgenden Abschnitt zur kurzen Einfuhrung die Schule in Beziehung mit der Gesellschaft. Darauffolgend werden die Begriffe Heterogenitat und Diversitat erlautert. Im Hauptteil stelle ich die intersektionalen Schnittpunkte anhand der zuvor genannten He- terogenitatsdimension vor. In diesem Abschnitt stelle ich die Aspekte der Kategorien Migration, Behinderung und Geschlecht kurz vor. Ich gehe auf die sozialpolitische Lage ein und behandele abschlieRend die Schnittpunkte dieser Diskriminierungsform im schulischen Raum. Dabei versuche ich die besondere Aufgabe der Lehrerschaft im Um- gang mit Heterogenitat und Diversitat in Bezug auf Bildungsgleichheit fur alle Schuler zu ergrunden. Schlussendlich versuche ich die grundsatzlichen Erschwernisse im intersub- jektiven Umgang aufzuzeigen, um einen geeigneten Losungsansatz vorstellen zu kon- nen.
In vielen Diskursen uber Heterogenitat und Vielfalt ist das Bildungssystem mit homoge- nen Verteilstruktur durch Schulklassen, -stufen und -formen in der Kritik (vgl. Merz-A- talik, 2014, S. 159). Die Schulerschaft wird dabei zur Teilhabe in der Gesellschaft auf die gesellschaftlichen Macht-, Herrschafts- und Normierungsverhaltnisse vorbereitet. Sie sind institutionellen und exkludierenden Faktoren ausgesetzt (vgl. Wansing & Westphal, 2014, S. 31). Der Schule sind die Hauptfunktionen Sozialisation und Selektion zugeteilt. Dabei sind die Inhalte und die padagogischen MaRnahmen mit den gesellschaftlichen Bedingungen und Erwartungen eng verbunden. Sie bereitet die Schulerinnen und Schuler auf die aktuell gesellschaftliche Wirklichkeit vor (vgl. Engelhardt, 1979, S. 111). Dies geschieht ebenso in Abhangigkeit von Verstandnis uber die gesellschaftliche Funktion und der Sozialisationsvorstellung der Lehrkrafte (ebd. S. 111). Sowohl die Schule als auch die Lehrkrafte als Akteure sind in ihren Funktionen von den gesellschaftlichen Hand- lungs- und Denkmustern abhangig (ebd. S. 127). Die Sozialisationsziele beziehen sich auf Fahigkeiten und Kenntnisse auf Basis von drei essentiellen Bereichen des spateren Le- bensalters der Schuler. Sie beziehen sich auf, den politisch-gesellschaftlichen Bereich, den privaten Lebensbereich und die vorwiegend Arbeits- und Berufswelt (vgl. Engelhardt, 1979, S. 112). Die dargebotenen instrumentellen Qualifikationen, wie kognitive Fahigkeiten sowie handwerklich-technisches Geschick sind laut einer Forschung uber die Arbeits- und Berufssituation von Lehrern fur den Umgang mit der Erwerbswelt wesent- lich (ebd. S. 113). Da die Selektion- und Sozialisationsfunktion immer im Abgleich der gesellschaftlichen Zugangsvoraussetzungen und Normen geschieht, wird sie unfreiwillig zum Reproduktionsort der Gesellschaft. Somit produziert sie ebenso adaquate Gesell- schaftsmitglieder und fortwahrend gesellschaftliche UnverhaltnismaRigkeiten (ebd. S. 114). Dabei produzieren die Qualifikationsziele und Unterrichtsinhalte ebenso die gesellschaftlichen Hierarchien und Strukturen. Beispielsweise spielt fur den Gymnasialleh- rer im Vergleich zum Hauptschullehrer die Bedeutung von Integration sowie soziale Kompetenzen weniger ins Gewicht (ebd. S. 119). Auch die Auslesefunktion der Schule und Lehrkrafte bereitet mit der "Verteilung der heranwachsenden Generation auf die gesellschaftliche Hierarchie von Arbeits- und Lebenssituationen" vor (ebd. S. 119). Sie selektiert sowie segregiert und aus den Beurteilungen der Lehrkrafte werden „Chancen auf weitere Bildungsgange eingeraumt oder verweigert" (ebd. S. 119). Sie reproduziert somit daruber hinaus unabwendbar soziale Ungleichheiten. Somit ist das Schulsystem und die Lehrerschaft die „Vermittlungsstelle zwischen padagogischem ArbeitsbewuRt- sein und gesellschaftlicher Orientierung" (ebd. S. 120). Jene Vermittlungsstelle mit ob- jektiver und subjektiver Sozialisations- und Selektionsmechanismen.
Die Gesellschaft ist „ein relationales und mithin konfliktreiches, durch Macht- und Herr- schaftsstrukturen gekennzeichnetes" (Emmerich & Hormel, 2013, S. 19) soziales Kon- strukt. Dieses soziale Gebilde besteht aus unterscheidbaren Personen und Gruppen, de- nen gleichsam mehrere unterschiedliche Merkmale zugeschrieben werden. Hier wird das Individuum in der Schnittmenge seiner (aufgelegten) Merkmale in eine Personen- gruppe eingefasst und wird in Abhangigkeit vorherrschender Normen und Werte der Gesellschaft positiv oder negativ bewertet sowie hierarchisch positioniert. Die Zugeho- rigkeit und Sozialitat ist maRgeblich fur die gesellschaftliche Teilhabechance und beein- flusst den Bildungsraum (ebd., S. 19). Im bildungspolitischen und wissenschaftlichen Kontexten wird Verschiedenartigkeit und Unterschiedlichkeit unter den Begriffen Heterogenitat und Diversitat (Diversity) gefuhrt (ebd. S. 107f.). In den Diskursen werden die gesellschaftlichen Strukturen und Machtverhaltnisse sowie die Sozialitat der Schuler und Schulerinnen herangezogen. Die gesellschaftlichen Unterscheidungen wie Soziale Herkunft, Klasse, Schicht, Milieu, Geschlecht, Ethnizitat, Kultur, Migrationshintergrund, Lebenswelt, Lebensstil, Nationalitat, Religion und andere soziale Kategorien stehen da- bei im Blickpunkt (ebd. S. 10). Die unterscheidbaren Merkmale liegen nach Emmerich und Hormel mit der Lernfahigkeit und den sozialen Kompetenzen eng zusammen. So konnen beispielsweise Merkmale wie Geschlecht mit dem sozialem Verhalten, Lebens- alter mit Auffassungskapazitat, soziale Schicht mit Lernfahigkeit, in Zusammenhang ge- bracht werden (ebd. S. 11). Dieses Wissen uber die Unterscheidungen, sowie die damit zusammenhangenden Zuschreibungen eroffnen neue Umgangsmoglichkeiten mit hete- rogenen und vielfaltigen Schulern (ebd. S. 11). Es soll, entgegen der defizitorientierten und abwertenden Umsetzung, zur anerkennenden Anschauung fuhren (ebd. S. 12). Der Begriff Inklusion geht von einer grundsatzlichen Zugehorigkeit vielfaltiger Personen- gruppen aus. Die Inklusionskonzepte lehnen jegliche Art von Segregation und Separation ab. Sie sollen die individuellen Bedurfnisse berucksichtigen und die Partizipation aller Kinder ermoglichen und orientieren sich auf die Akzeptanz und Forderung von Vielfalt (vgl. Merz-Atalik, 2014, S. 163). Nach der Auslegung der ,United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization' (UNESCO) ist inklusive Bildung ein Prozess der das Bildungssystem positiv beeinflussen soll. Gegenwartig sollen alle Kinder entgegen
Exklusion in das Bildungssystem integriert werden, damit sie vom gemeinsamen Unter- richt partizipieren und von den Inhalten profitieren konnen (Deutsch UNESCO, 2014, S. 9).
Der im deutschsprachigen Raum in der Entwicklungsphase befindliche Begriff Intersektionalitat bezieht sich auf die ineinander Verknupfung und Uberkreuzung sozialer Diffe- renzkategorien (vgl. Walgenbach, 2013, S. 1). Sie ist keine alleinige Addition, Multiplika- tion oder reduktive Verknupfung von Kategorien. Intersektionalitat beinhaltet im We- sentlichen eine aus mehrfachumstanden entstandene Mehrdimensionalitat, in der die „Kategorien sich wechselseitig verstarken, abschwachen oder verandern" (Walgenbach, 2013, S. 11, Baldin, 2014, S. 50). Die unterschiedliche Zusammenwirkung und Wechsel- wirkung fuhrt zu einer individuellen Benachteiligung (vgl. Walgenbach, 2013, S. 1, Baldin, 2014, S. 55). Die theoretischen Impulse stammen aus den ,Black Feminismus' und ,Critical Race Theory' Diskursen. Intersektionalitat findet in den ,Gender Studies' sowie in ,Cultural Studies' oder Abhandlung uber Menschenrechte der United Nations Verwen- dung (vgl. Walgenbach, 2013, S. 1f.). Der Begriff ,Intersectionality' wurde erstmals von der amerikanischen Juristin Kimberle Crenshaw verwendet. Sie fuhrte die Diskriminie- rungsform als eine Konstellation aus dem Zusammenwirken unterschiedlicher Kategorien auf (ebd. S. 11f.). Ihr Konzept entwickelte sie auf Basis ihrer juristischen Fallanaly- sen, die zur Feststellung fuhrte, dass das amerikanische Antidiskriminierungsgesetzt ent- weder den ,WeiRen Frauen' oder ,Schwarzen Mannern' zugutekam, aber am Schnitt- punkt Geschlecht und Rasse die ,Schwarze Frau' vernachlassigte (ebd. S. 12). Sie nutzte zur Erklarung die Metapher einer StraRenkreuzung, in der die Diskriminierung aus allen Richtungen kommt und bei Kollision eine individuelle Form der Diskriminierung verur- sacht (ebd. S. 12). Dies wird an einem Gerichtsfall, in der schwarz-amerikanische Frauen gegen einen US-Amerikanischen Automobilkonzern nicht klagen konnten, da das Ge- richt die zusammenfasste Klage wegen geschlechtlicher und rassistischer Diskriminierung nicht annahm, deutlich (ebd. S. 13). Am Uberschneidungspunkt sieht Crenshaw, dass Schwarze Frauen gegenuber WeiRen Frauen einem erhohten Diskriminierungsrisiko unterliegen (ebd. S. 13, Ba Id in, 2014, S. 50). Sie zeigt auf, dass die Differenzkategorien nicht unabhangig voneinander sind und erst in der Schnittmenge zum spezifisch-situativen Problem bzw. zur Benachteiligung wird (Walgenbach, 2013, S. 17f.).
Um die intersektionale Benachteiligung von Menschen aufzeigen zu konnen, gehe ich kurz auf die eingangs erwahnten Differenzkategorien Migration, Behinderung und Geschlecht ein. Hierzu mochte ich uberblicksweise die einzelnen Aspekte sowie Zusam- menhange aufzeigen.
Der Behinderungsbegriff hat durch die zahlreiche interdisziplinare Verwendung unter- schiedliche Definitionen, bei der die inhaltlichen Bezuge und die Gewichtungen differen- zieren. Sie verschiebt sich je nach bildungspolitischer oder biologischer Anschauung. Im Grundsatz beschreibt sie Menschen bei denen korperliche und geistige Einschrankungen sowie eine erschwerte Teilhabe in der Gesellschaft vorliegen. In der Internationalen Classification of Functioning Disability and Health (ICF) ist Behinderung ein biologisches sowie auch ein soziales Phanomen, in der umweltspezifische Zusammenhange Einzug finden. Die soziale Umwelt wirkt sich positiv oder negativ auf die Teilhabechance behin- derter Menschen aus. Zu den Einflussen gehoren „materielle, soziale und einstellungs- bezogene Umwelt" (World Health Organization, 2005, S. 21) sowie personelle Faktoren wie „Geschlecht, Alter, Migrationserfahrungen, ethnische Zugehorigkeit, Bewaltigungs- stile" (Wansing & Westphal, 2014, S. 19). Die Definition fasst die unterschiedlichen Be- eintrachtigungsformen unter Einbezug erschwerter sozialer Umstande in einer pluralen Gesellschaft zusammen (ebd. S. 19). Hierfur ging ein wichtiger Impuls von der UN-Be- hindertenrechtskonvention (BRK) aus (ebd. S. 18). Auch hier ist Behinderung nicht nur von personliche Faktoren abhangig, sondern ist eine durch Wechselwirkung mit den ge- sellschaftlichen Umstanden entstandene Beeintrachtigung (vgl. BRK, 2008, S. 8). Ebenso ist der Behinderungsbegriff im sozial-rechtlichen Feld vom Sozialgesetzbuch (SGB) IX Rehabilitation und Teilhabe' (2001) im Wesentlichen ahnlich festgelegt. Hier gilt der Mensch als behindert, wenn die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch korperliche, geistige oder seelische Verfassung vom vergleichsweise Gleichaltrigen abweicht sowie langer als sechs Monate anhalt (vgl. Wansing & Westphal, 2014, S. 23f.).
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