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Hausarbeit (Hauptseminar), 2017
22 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Konturen einer „neuen“ Arbeitswelt
3. Probleme einer Entgrenzung und Flexibilisierung von Arbeit
4. Strategien der Bewältigung von Zeitdruck
4.1 Selbstorganisation als Anpassungsstrategie
4.2 »Achtsamkeit« und »Entschleunigung« als Gegenmaßnahmen
4.3 Vergleichund Ergebnis
5. Schluss
6. Literaturverzeichnis
7. Anhang
7.1 Beispiel 1.: Seminar: Optimierung der Selbstorganisation
7.2 Beispiel 2: Artikel: Achtsamkeit in schwierigen Zeiten
Die Grenze zwischen Arbeit und Privatwelt war im Rahmen der fordistischen und tayloristischen Produktion des letzten Jahrhunderts konstitutiv für das Verständnis von Arbeit und Freizeit als separaten Lebensbereichen. Bis heute prägt diese Grenzziehung die verbreitete Vorstellung von Arbeitszeit auf der einen Seite, und Freizeit zur Regeneration und Re-produktion der eigenen Kräfte auf der anderen Seite. Allerdings diagnostizieren die Sozial- und Kulturwissenschaften längst eine Entgrenzung dieser Sphären im Rahmen eines sich wandelnden, flexibilisierten und subjektivierten post-fordistischen Arbeitsmarktes. Anhand der Entgrenzungstendenzen der gegenwärtigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, lässt sich nachvollziehen, dass Arbeit und Freizeit demnach nicht als anthropologisch konstante Dichotomie beschrieben werden können, sondern gesellschaftlich hergestellt werden und gegenwärtig im Begriff sind neu ausgehandelt zu werden. Qualitäten des vermeidlich autonomen Beschäftigten und der Flexibilisierung von Arbeitsinhalten und -Zeiten stehen im Zuge eines sich wandelnden Arbeitsmarktes im Mittelpunkt, sodass berufliche und private Zeitfenster zunehmend entgrenzt werden und eine Vereinbarkeit von Lebensbereichen durch das zum gesellschaftlichem Ideal avancierende »unternehmerische Selbst« organisiert werden muss. Eine Entwicklung, die auch politisch durch die »aktivierende Arbeitsmarktpolitik« Gerhard Schröders in der Forderung nach »mehr Eigenverantwortung, die zu Gemeinwohl führt« greifbar wird.[1]
Im Hinblick auf aktuelle Arbeitswelten sind jene Entgrenzungstendenzen von Lebensbereichen und die damit einhergehende individuelle und gesellschaftliche Verhandlung der vielzitierten Work-Life-balance zentral und zeugen bisweilen von einem Unbehagen oder gar der „Resignation [...] über die Zumutungen der Flexibilisierung und der Verunsicherung“[2] der rasanten Wandlungsprozesse der Gegenwart. Diese haben nicht lediglich in einer kleinen Elite der hochqualifizierten oder digitalisierten Kommunikationsbranche Einzug erhalten, sondern sind „in der industriellen Mitte angekommen, die einst als Hort des gesicherten Normalarbeitsverhältnisses und des Volkswohlstand galt.“[3] Begleitet wird die Entwicklung durch Beschleunigungstendenzen und einem wachsenden Bedürfnis nach »mehr Zeit«, welche zunehmend als prekäres Gut empfunden wird.
Im Rahmen dieser Hausarbeit, soll der Frage nachgegangen werden, zu welchen Praktiken der Selbstregulierung die Entgrenzung von Lebensbereichen und damit einhergehende Beschleunigungstendenzen im Rahmen einer »neuen Arbeitswelt« führen. Zudem soll versucht werden diese im Hinblick auf einen individualisierten Arbeitsmarkt einzuordnen.
Diese Seminararbeit bezieht sich dabei im Wesentlichen auf Hartmut Rosas »Kritische Theorie der sozialen Beschleunigung«, Arlie Russell Hochschilds Forschung über die Unternehmenspraxis und Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben, sowie auf Sabine Flicks Studie zur »Selbstsorge in entgrenzten Arbeitsverhältnissen«. An Hand dieser einschlägigen Forschungen zu gegenwärtigen Verschränkungen der Sphären Arbeit und Privatheit und deren Folgen, sollen zwei Umgangsformen und vermeidliche Lösungsstrategien vorgestellt und diskutiert werden, die insbesondere als Reaktion auf die Beschleunigung und Effizienzsteigerung gegenwärtiger Arbeitswelten zu lesen sind, welche auch auf jene Zeitabschnitte rückwirkt, „über die ein Akteur“ eigentlich „als freie, handlungsentlastete Zeitressourcen verfügt.“[4] Aufgrund der virulenten gesellschaftlichen Dogmen des »Zeit sparens« oder »Zeit für sich nehmens« erscheint Zeit in allen Lebensbereichen zunehmend als knapp empfundene Ressource, weshalb Hartmut Rosa mit »Beschleunigung« und »Beschleunigung und Entfremdung« der prägnanteste Bezugspunkt dieser Seminararbeit ist.
Mit den multidimensionalen Begriffen »Entgrenzung«, »Subjekti vierung« und »Flexibilisierung« wird in einer vielschichtigen Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Debatte der derzeitige Arbeitsmarkt beschrieben. Die Grenzziehung von einem „alten“ hin zu einem „neuen“ Arbeitsmarkt läuft zwar nicht entlang eines klaren Markers, und doch erscheint es als „erstaunliche historische Entwicklung“, dass die Trennlinien zwischen Arbeit und Heim zunehmend erodieren und bewusst aufgelöst werden, nachdem genau diese Trennung im Rahmen des Fordismus dominant und in vielerlei Hinsicht determinierend war, indem sie stark auf gesellschaftliche Familien- und Geschlechterideale einwirkte.[5]
Die Entgrenzung und Subjektivierung des Arbeitsmarktes äußern sich hingegen in stärkerer Eigenverantwortlichkeit und einem wachsenden Maß an Flexibilität, was Raum, Zeit und Organisationsstrukturen betrifft. Außerdem in einer intensiveren Einbindung subjektiver Potentiale und sogenannter Soft Skills in Form kommunikativer und emotionaler Kompetenzen, die bis ins letzte Drittel des 20. Jahrhunderts hinein als irrelevant betrachtet wurden.[6] In diesem Kontext spielen Kompetenzen im Bereich von Selbstorganisation und »Gefühlsmanagement« eine gewichtige Rolle. Die Flexibilisierung, Subjektivierung und Entgrenzung gegenwärtiger Arbeit geht einher „mit der Schwächung betrieblicher und kollektiver Interessenvertretung der Arbeiterschaft“ zu Gunsten einer stärkeren Eigenverantwortung des Beschäftigten, was das Risiko einer „stärkeren Kostenbeteiligung“ mit sich bringt und dem Einzelnen deutlich mehr Selbstkontrolle abverlangt.[7] Dass die stärker subjektivierte und eigenverantwortliche Arbeit nicht lediglich ein Phänomen hochqualifizierter und digitalisierter Arbeitswelten ist, zeigt unter anderem Arlie Russell Hochschild in ihrer Studie zu Flugbegleiterinnen als Paradebeispiel für den Dienstleistungssektor und Inkassoangestellten.
In der wissenschaftlichen Literatur, wie auch gesellschaftlich werden Entgrenzungsprozesse von Arbeit und Privatheit unterschiedlich inhaltlich gefüllt und gewertet, demnach können sie „die Niederreißung derjenigen Grenzen bedeuten, die die sozialen Bewegungen [...] früher einmal erkämpft haben, um die Menschen vor Ein- und Übergriffen in die Sphäre ihrer Selbstbestimmung bei der Arbeit oder im Privatleben zu schützen“[8], ebenso wie als Errungenschaft im Sinne eines Sieges der Individualität über ein rigides Normalarbeitsverhältnis betrachtet werden. Folgt manjedoch kritischen Thesen einer »Ideologie der Entgrenzung«, so sind Flexibilisierung und Subjektivierung Anpassungsmechanismen des neoliberalen Marktes[9], die als Positiventwicklung gegenüber einer Horrorvorstellung der Massenproduktion ala‘ Charlie Chaplins ,Moderne Zeiten‘ (oder Fritz Langs ,Metropolis‘) verkauft werden, womit sie hinsichtlich ihres tatsächlichen Gewinns für die Beschäftigten zu hinterfragen sind.[10]
Injedem Fall lässt sich aber festhalten, dass eine Dichotomie von Arbeit und Freizeit nicht mehr per se auf gegenwärtige Lebenswelten angewendet werden kann, dass „die Begriffe »Arbeit« und »Leben« als Gegenüberstellung“ gar „unangemessen“[11] sind, wovon öffentliche Debatten um eine scheinbar abhanden gekommene Work-Life-Balance zeugen, die wiederhergestellt werden müsse, folgt man zahlreichen Artikeln und Ratgebern.
Die Kehrseite eines individualisierten Arbeitsmarktes besteht unter Anderem in der verstärkten Forderung nach Eigenleistung und der zweckrationalen Einbeziehung von Gefühlen, die vormals dem Privaten Vorbehalten waren. In diesem Kontext konstituiert Eva Illouz eine Form des »emotionalen Kapitalismus«, in der die „konventionelle Trennung einer emotionsfreien öffentlichen und einer mit Emotionen gesättigten privaten Sphäre“[12] zerfällt, was zum einen neue Formen des Gefühlsmanagements erfordert und zum anderen Emotionen zum konsumierbaren Gut und eben auch zur konsumierbaren Dienstleistung werden lässt. Im Rahmen ihrer Feldstudie unter Flugbegleiterinnen stellt Arlie Russell Hochschild fest, dass auch in der Dienstleistungsbranche derartige Ansprüche geltend gemacht werden, die ihre Beschäftigten dazu nötigen, „erwünschte Gefühle wie auf Bestellung zu aktivieren, damit im harten Wettbewerb um Kunden und Klienten [...] positive Gefühle als Zusatzleistungen angeboten werden.“[13] Als potentiell problematisch erkennt Hochschild in Anlehnung an Marx eine instrumenteile Haltung gegenüber Gefühlen in asymmetrischen (beruflichen) Beziehungen, in denen inauthentische Gefühle internalisiert werden müssen und zu Formen eines neuen »ungesunden falschen Selbst« führen, welches „verzweifelt um die knappen Güter Liebe und Anerkennung konkurriert.“[14]
Derartige Formen der Selbstregulierung erscheinen als die zentralen Praktiken im postfordistischen Arbeitsmodell und können als Ergebnis der starken Einbeziehung subjektiver Potentiale zu psychischer und körperlicher Belastung werden und führen, umso stärker sich Beschäftigte einbringen und sich mit ihrer Arbeit identifizieren, dazu, dass Anzeichen von Belastungsgrenzen ignoriert werden und, wie Sabine Flick umfangreich belegt, die Selbstsorge auf der Strecke bleibt. Dass die steigende individualisierte Arbeitsbelastung also auf Probleme stößt, äußert sich außerdem in der Hochkonjunktur von Ratgeberliteratur zur Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, in der Virulenz von Begriffen wie Quality time und nicht zuletzt in massiv steigenden Depressions- und Bum-Out- Diagnosen, „die in den letzten Jahrzehnten in so gut wie allen Teilen der globalisierten Moderne signifikant zugenommen haben.“[15]
Ebenso, wie vormals persönliche Fähigkeiten und Emotionen Einzug in die ökonomische Praxis erhalten, wird auch im vormals privaten Lebensbereich ein »unternehmerisches Selbst« diagnostiziert, welches die eigene Lebensführung Effizienz-orientiert bewältigt, sodass „die Energien der Lebensführung nicht auf die Realisierung selbstgesetzter Ziele oder Vorstellungen eines guten Lebens [...], sondern auf die Erhöhung von Wettbewerbsfähigkeit“[16] verwendet werden. Mit dieser Tendenz zur Effektivität geht Zeitdruck einher, da die Fülle der zu treffenden Entscheidungen und der zu bewältigenden Aufgaben in postindustriellen Arbeitsverhältnissen zunehmend dem individuellen Beschäftigten angelastet werden, welcher nun die Verantwortung dafür trägt Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren und seine Work-Life-Balance einzuhalten. Ein Problem, welches auch heute noch überwiegend von Frauen bewältigt werden muss, da ihnen nach wie vor der größere Anteil von Hausarbeit, Kinder- und Angehörigenbetreuung zukommt und somit für sie auch zuhause häufig „nur noch Arbeit wartet.“[17] So gehören dichotome Zeitfenster von Arbeit und Privatheit, ebenso wie „der scheinbar geradlinige Pfad der Verkürzung der Arbeitszeit“[18] zunehmend der Vergangenheit an.
Die Studien von Arlie Russell Hochschild lassen allerdings auch den Rückschluss zu, dass Flexibilisierung und Entgrenzung von Arbeitszeit nicht lediglich als Anforderungen von Unternehmen an die Beschäftigten herangetragen werden, sondern in komplexen Wechselwirkungen auch von diesen reproduziert werden. Hochschild stellt in diesem Zusammenhang fest, dass „manche Beschäftigten bei der Arbeit mehr „zu Hause“ sind, [da] sie sich dort höher geschätzt und kompetenter fühlen“[19] und mehr Anerkennung erfahren als im familiären Umfeld. Sabine Flick erkennt beim Gros ihrer Befragten hingegen das Gefühl »fremdbestimmter Selbststeuerung«, da zwar eine „bestimmte Idee von Freiheit und Selbstwirksamkeit“ suggeriert wird, diese sich jedoch ins Gegenteil verkehrt, weil die „zu bewältigenden Aufgaben [...] indessen so immens [sind], dass das Versprechen an das eigenständige quasi unternehmerische Handeln sich nicht einlöst.“[20] Ein Ungleichgewicht, welches zu Frustrationen und Ohnmachtsgefühlen führt. Als wesentliches Problem der von Russell Hochschild und Flick befragten Angestellten kristallisiert sich indes in beiden Studien die Arbeitszeitorganisation heraus, welche vor allen Dingen „als strukturelle Überforderung entlarvt wird.“[21] Zudem untermauern beide Studien die These, dass ,,Entgrenzung[en] meist einseitig der Erwerbssphäre und damit wirtschaftlichen Anforderungen zu gute [kommen], während Vorteile für das private Leben oder die Familie eher spärlich ausfallen bzw. sich auf bestimmte privilegierte Gruppen reduzieren.“[22]
Als wesentliches Element der Entgrenzung von Arbeit und Leben lässt sich also die Entstrukturierung von einstmals stabilen Zeitordnungen, die durch wachsende Zeitsouveränität beim Beschäftigten ersetzt und „von Selbstbestimmungsversprechen getragen“[23] werden, identifizieren. Demnach erscheint es beispielsweise zunächst als Fortschritt, dass das rigide fordistische Modell der geschlechtlichen Arbeitsteilung scheinbar überwunden wurde, da eine Konstellation von berufstätigem Mann und Hausfrau nicht mehr dem gesellschaftlichen Ideal entspricht. Bei näherer Betrachtung wird jedoch klar, dass es immer noch überwiegend Frauen sind, die für die Familienarbeit zuständig sind, diese nun aber häufig neben einer Berufstätigkeit organisieren und „managen“ müssen. Arlie Russell Hochschild verzeichnet in diesem Zusammenhang eine wachsende Überforderung bezüglich der Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit, sodass die vormalige Sphäre des Privaten und der Re-Produktion „als ein zeitlich und räumlich von der Arbeit getrennter Bereich“ in seiner Erholungsfunktion zunehmend in Bedrängnis gerat.
Die Entwicklung entgrenzter Arbeits- und Lebenswelten ist bezüglich ihrer Belastungsproblematiken im Zusammenhang mit der Beschleunigung des Lebenstempos zu denken, welche Hartmut Rosa als Begleiterscheinung der technischen Beschleunigung identifiziert. Die immens gestiegene Transportgeschwindigkeit von Gütern und Daten wirkt demnach auf sich beschleunigende Kommunikations-, Verwaltungs- und Dienstleistungsprozesse zurück, welche die Flexibilisierung und Subjektivierung des Arbeitsmarktes begünstigten. Diese geht einher mit der Beschleunigung des Lebenstempos25, da die Handlungsgeschwindigkeit erhöht werden muss, um den Anforderungen der beschleunigten Umwelt gerecht werden zu können. So erscheint es als Imperativ gegenwärtiger Arbeits- und Lebenswelten, Zeit, welche als knappe Ressource empfunden wird, einzusparen. Zu diesem Zweck werden Handlungen „verdichtet“, indem vormals freie Zeit durch Handlungen gefüllt und »produktiv« genutzt wird oder sich Handlungen in Form des Multitasking gar überschneiden.[24]
„Da die Steigerung des Lebenstempos als Folge einer Verknappung von Zeitressourcen verstanden werden soll, [...] schlägt sie sich [...] subjektiv in einer Zunahme von Empfindungen der Zeitnot, des Zeitdrucks und des stressförmigen Beschleunigungszwangs sowie in der Angst, »nicht mehr mitzukommen«, nieder.“[25]
Generell lassen sich verschiedene Umgangsformen mit der »Zeitfalle« feststellen, die aus den beschriebenen Überschneidungen von Arbeit und Nichtarbeit resultieren. „Eine Möglichkeit ist, die Zeitzwänge als rein persönliches Problem zu behandeln und individuelle Strategien zu entwickeln, um im eigenen Leben mit ihnen fertig zu werden.“[26] In diese Kategorie fallen etliche kompensatorische Konsumangebote, ebenso wie Ratgeberliteratur zur besseren Selbstorganisation um »Zeit zu gewinnen«. Derartige Strategien haben oftmals den Charakter von „Ausweichmanövern], die die Zeitfalle mitunter sogar verschärfen“[27], da sie eine zusätzliche Effizienzorientierung im Sinne einer optimalen Nutzung der eigenen Leistungsfähigkeit verschreiben. So liegt die Verantwortung zur besseren »Selbstorganisation« beim Einzelnen, der anderenfalls die Möglichkeit versäumt »Zeit für das Wesentliche zu gewinnen«.
Ich beziehe mich hierbei auf die Werbung für ein Seminar mit dem Titel OPTIMIERUNG DER SELBSTORGANISATION. Zeitdruck durch verbesserte Selbstorganisation abbaunen30, welches von dem ÖPWZ (österreichisches Produktivitäts- und Wirtschaftlichkeitszentrum) im Frühjahr und Sommer 2017 angeboten wird. Im Folgenden soll auf die Werbebroschüre und die dort vermittelten Inhalte und Zielsetzungen des Seminares eingegangen werden, sowie ein Versuch unternommen werden, diese durch die Forschungsergebnisse Russell Hochschilds und Flicks zu kontextualisieren.
Es ist ein (von Hartmut Rosa) diagnostiziertes zeitgenössisches Phänomen, dass Menschen zunehmend das Gefühl verspürten, nie zu dem zu kommen was sie eigentlich tun wollten und auf Grund dessen unter permanentem Rechtfertigungsdrang und einem schlechten Gewissens leiden würden. So beklagten sich aus nahezu allen Berufsfeldern Beschäftigte und Arbeitgeber darüber, nicht mehr zu ihren Kemaufgaben zu kommen, da sie nie Zeit fänden, das zu tun, was sie eigentlich tun wollten[28], ebenso wie das Gefühl der Unzulänglichkeit beim Erledigen vermeidlich privater Angelegenheiten Einzug erhält. Rosa führt seine Beobachtungen darauf zurück, dass die Zunahme von Handlungsoptionen und[29] dessen was Menschen gegenwärtig glauben schaffen zu müssen ihre Beschleunigungsfähigkeit übersteige und dazu führe, dass sie am Ende des Tages als schuldige Subjekte ins Bett steigen.[30]
Das Seminar OPTIMIERUNG DER SELBSTORGANISATION. Zeitdruck durch verbesserte Selbstorganisation abbauen bietet vermeidlich eine Lösung. Es richtet sich an „Führungskräfte und Mitarbeiterinnen mit komplexen Aufgabenstellungen aus allen Unternehmensbereichen. Menschen, die unter Zeitdruck und Stress stehen und die ihre Arbeitsorganisation oder die Balance zwischen den Lebensbereichen verbessern wollen.“
[...]
[1] Vgl. Lessenich 2003, S. 88.
[2] Vester 2009, S. 21 f.
[3] Vester 2009, S. 21 f.
[4] Rosa 2014, S.219.
[5] Vgl. Voß 1998, S.474.
[6] Vgl. Voß 2007, S. 331.
[7] Jürgens 2009, S. 194.
[8] Vester 2009, S. 21.
[9] Hierauf haben Luc Boltanski und Ève Chiapello in »Der neue Geist des Kapitalismus« eindrücklich aufmerksam gemacht.
[10] Hierzu: Vester 2009, S. 26: »Die lyrische Sprache der Werbewirtschaft verkauft uns die ,weichen Fakten' der Lebensqualität unter den Namen ,Entgrenzung', ^Flexibilisierung', ,Subjektivierung'. Wir übernehmen diese Sprache und ihre traumhaften Konnotierungen. Bei Entgrenzung sehen wir Charly Chaplin in ,Moderne Zeiten' vor uns, eingespannt in die starren Zwänge des Fließbands, ein Automat für einen einzigen Handgriff, ohne eigenen Willen. Aha, die Technik war es, sie drehte uns durch ihre Zahnräder! Und nun kommt die Dienstleistungs-, die Wissensgesellschaft, befreit uns von den Grenzen taylorisierter Massenproduktion, unflexibler Acht-Stunden-Arbeitstage, entfremdeter, ungeliebter Routinearbeit für Geringqualifizierte. Stagnierende Einkommen? Wozu brauchen wir denn ständig wachsende Einkommen und steigenden Konsum, der uns doch unfrei macht? Wir haben, so heißt es, doch immer mehr Gestaltungsspielraum.«
[11] Flick 2013, S.19.
[12] Illouz 2015, S. 12.
[13] Neckel 2006, S.18.
[14] Russell Hochschild 2006, S. 152 (im Anschluss an Christopher Lasch).
[15] Rosa 20143, S. 49.
[16] Rosa 2014, S. 35.
[17] Russell Hochschild 2006: »Keine Zeit. Wenn die Firma zum Zuhause wird und zu Hause nur noch Arbeit wartet«.
[18] Geissler 2008, S. 257.
[19] Russell Hochschild 2006, S. 215. Flick 2013, S. 203.
[20] Flick 2013, S. 207.
[21] Jürgens / Voß 2007, S.7.
[22] Geissler 2008, S. 257.
[23] Jürgens / Voß 2007, S.7.
[24] Rosa 20142, S. 124.
[25] Vgl. Rosa 20143, S. 26 ff.
[26] Rosa 20142, s. 136.
[27] Russell Hochschild 2006, S.266. Russell Hochschild 2006, S.266.
[28] Anhang, S. 18 f.
[29] Vgl. Rosa 20143, S. 132. f.
[30] Vgl. Rosa im Gespräch mit Precht: https://www.zdf.de/gesellschaft/precht/fast-food-speed-dating- power-napping-multitasking-100.html