Diese Arbeit beleuchtet Gründe und Motive des Do It Yourselfs in der Zeit von 1945-1950 im Vergleich zum 21. Jahrhundert auf Grundlage von Ergebnissen einer Online-Umfrage und Befragung von Zeitzeugen.
Die Handarbeits-, also auch Do It Yourself-Bewegung, wird immer beliebter. Zwar hat sich die Aufmerksamkeit für das Thema Do It Yourself deutlich gesteigert, es lässt sich aber bisher nur wenig Literatur dazu finden. Dementgegen steht ein deutlicher Absatz bei den Handarbeitsbüchern und -bedarf.
"Das gute, alte Selbermachen“ - aber ist es tatsächlich etwas "altes", oder zeigt nicht die hohe Nachfrage, dass Do It Yourself auch in der jüngeren Generation immer beliebter wird? Ergebnisse der Medienanalyse - und Marktfroschungsfirma „media control“ ergeben, dass die Warengruppe „Handarbeit, Textiles“ im ersten Halbjahr 2012 ein Umsatzplus von 36% im Vergleich zum Vorjahr gemacht hat. Das Unternehmen „myBoshi“ macht mit ihrer simplen Idee, Mützen in trendigen Farben zu stricken, bisher einen Umsatz von 3,2 Millionen Euro und schafft neue Arbeitsplätze.
Doch Do It yourself ist nicht gleich Do It Yourself: Denn was hat sich verändert über diese 70 Jahre hinweg, von den Nachkriegsjahren in Deutschland, in denen Do It Yourself doch zunächst vor allem dem Material- und Geldmangel entstand, hin zum Jahr 2014, in dem es mehr ein Ausdruck des Individualismus ist?
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Beschreibung der Methode
3. Gründe für Do It Yourself in der Nachkriegszeit 1945-1950
3.1 Materialmangel
3.2 Geldmangel
3.3 Der New Look von Christian Dior
3.4 Selbstbewusstsein
3.5 Zwischenfazit
4. Gründe und Motive für Do It Yourself im 21. Jahrhundert
4.1 Kategorisierung der Bereich in denen mit DIY gearbeitet wird
4.2 Individualität
4.3 Geldersparnis
4.4 Ausgleich und Hobby
4.5 Zwischenfazit
5. Vergleich der Motive und Gründe für Do It Yourself von 1945-1950 zu 2014
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
8. Abbildungsverzeichnis
9. Anhang
1. Einleitung
Do It Yourself, im folgenden Verlauf DIY genannt, stammt aus der englischen Sprache und bedeutet „selber machen“. Die Handarbeits-, als auch Do It Yourself- Bewegung wird immer beliebter. Zwar hat sich die Aufmerksamkeit für das Thema Do It Yourself deutlich gesteigert, es lässt sich aber bisher nur wenig Literatur dazu finden. Dennoch gibt es einen deutlichen Absatz bei den Handarbeitsbüchern- und bedarf.[1] Ergebnisse der Medienanalyse - und Marktfroschungsfirma „media control“ ergeben, dass die Warengruppe „Handarbeit, Textiles“ im ersten Halbjahr 2012 ein Umsatzplus von 36% im Vergleich zum Vorjahr gemacht hat.[2] Das Unternehmen „myBoshi“ macht mit ihrer simplen Idee, Mützen in trendigen Farben zu stricken, bisher einen Umsatz von 3,2 Millionen Euro und schafften fast 40 neue Arbeitsplätze für ältere Mitarbeiterinnen. Das Buch „MyBoshi-Mützenmacher“ ist das meistverkaufte Handarbeitsbuch in Deutschland. Bereits 60.000Mal verkauft, untermauert es den Erfolg von Do It Yourself.[3]
In dem Seminar „Forschungspraxis Mode - Textil - Design. DIY - das gute, alte Selbermachen“ beschäftigten wir uns eingehend mit dem Thema der eigenen Herstellung von Produkten. Hierzu überlegten wir, in welchen Bereichen man DIY findet und warum es populär geworden ist. Für mich war in dem Seminar die Frage nach den Gründen und Motiven für Do It Yourself besonders interessant, da für mich Handarbeiten eher eine Beschäftigung der höheren Altersklassen war.
Deswegen möchte ich in meiner Hausarbeit klären, wie sich die Gründe und Motive in der Nachkriegszeit von 1945-1950 im Vergleich zu dem 21. Jahrhundert entwickelt haben.
Die Grundlage der Ausarbeitung sind die Ergebnisse einer Online- Umfrage, die ich zum oben genannten Thema erstellt habe und verschiedene Sekundärliteratur zum Thema Nachkriegszeit des zweiten Weltkrieges. Dort beziehe ich mich vorwiegend auf Literatur von Erika Thiel, Gertrud Lehnert, sowie auf den Ausstellungskatalog „Endlich wieder chic- Damenmode der 50er Jahre“ des Textilmuseums Max Berk und Interviewpassagen zweier Zeitzeuginnen, die ich dazu befragt habe.
Im ersten Teil der Ausarbeitung zeige ich auf und erkläre die verschiedenen Faktoren, die das Selbermachen in der Nachkriegszeit beeinflusst haben.
Im zweiten Teil erläutere ich die Gründe und Motive für DIY auf. Diese habe ich durch die Umfrageergebnisse gewonnen und in Kategorien zusammengefasst. Zusätzlich untermauere ich die Rückschlüsse mit Sekundärliteratur. Zum Schluss vergleiche ich die ähnlichen oder gegensätzlichen Motive, die sich aus der Umfrage, als auch der Ausarbeitung der Motive von 1945-1950, ergeben haben und versuche die Unterschiede herauszustellen. Ein Fazit und ein kurzer Ausblick auf weiterführende Forschungsfragen schließen die Arbeit ab.
2. Beschreibung der Methode
Im folgenden Abschnitt skizziere ich kurz den Aufbau und die Vorgehensweise meiner Onlinebefragung.
Der Hintergrund der Onlineumfrage ist die Erarbeitung von verschiedenen methodischen Zugänge für eine Hausarbeit in dem forschungspraktischem Seminar“ DIY - das gute, alte Selbermachen“. Die Arbeit mit den verschiedenen Zugängen hat mich dazu bewegt, eine Onlineumfrage als Methode in meine Hausarbeit einzubinden. Da in der Fachliteratur wenige Ergebnisse über die Gründe und Motive von DIY im 20. Jahrhundert zu finden sind, gestaltete ich meine Fragestellungen in der Umfrage dahingehend. Ziel der neben weiterer Sekundärliteratur und anderen Methoden, eingesetzten Onlinebefragung war es, die gewonnenen Ergebnisse mit den Gründen und Motiven von DIY in der Zeit von 1945-1950 zu vergleichen. Mit Hilfe dieser Onlinebefragung sollte herausgefunden werden, welche Motivation hinter der Anwendung von DIY steckt und welche persönliche Bedeutung dies für die Nutzer hat.
Die Umfrage gestaltete ich mit dem Onlineportal „surveymonkey“. Das Programm bietet verschiedene Fragebogenlayouts, unterschiedliche Antwortmethoden, vorgefertigte Fragetypen, die ich bei den biografischen Daten besonders hilfreich fand und Auswertung der Ergebnisse. Mit dem Portal konnte ich somit die ganze Umfrage verwalten und analysieren.
Durch die zeitliche Begrenzung habe ich keinen Pretest durchgeführt.
Das Konzept der Umfrage besteht aus drei Teilen. Alle Fragen sind offen gestaltet, um den Befragten einen möglichst großen Antwortspielraum zu geben. Dadurch ist gewährleistet, dass möglichst viele verschiedene Antworten genannt werden, die kategorisiert werden können. Die erste Frage bezieht sich auf verschiedene Bereiche, in denen das Selbermachen vorzugsweise angewendet wird. So kann ich mit Hilfe der Umfrage die größten Bereiche herausstellen, in denen sich DIY seit 1945 entwickelt hat. Durch die zweite Frage soll herausgefunden werden, welche Motivation einen einzelnen Anwender von Do It Yourself antreibt, Dinge selber zu machen. Ziel war es dadurch vergleichende Motive zu denen aus der Zeitspanne von 1945-1950 zu finden. Die dritte Frage soll zu den Motiven noch die persönlichen Beweggründe für die Nutzung von DIY herauskristallisieren. Diese Frage wählte ich aufgrund des persönlichen Motives „Selbstbewusstsein“, welches ein Grund für Do It Yourself in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg war. Da es sich um eine web-basierte Umfrage handelt, gestaltete ich die Umfrage übersichtlich und klar strukturiert. Die Fragen folgten aufgelistet untereinander, sodass man diese der Reihe nach durchgehen konnte. Biografische Daten wie Alter und Geschlecht konnten mittels Auswahloptionen angeklickt werden.
Aufgrund Ergebnisse der Umfrage habe ich Hypothesen zur Motivation und den persönlichen Gründen zur Nutzung von DIY gebildet, die ich mittels qualitativer Interviews und Sekundärliteratur weiter untermauere.
Als Befragungskreis habe ich Textilstudenten der Universität Paderborn, sowie Freunde aus dem Bekannten- und Familienkreis ausgewählt. Ausgangspunkt für die Auswahl der Befragten, war die Annahme, dass gerade Textilstudenten viel im DIY Bereich arbeiten. Außerdem nutzt ein Großteil meiner Verwandten und Freunde das Selbermachen in ihrer Freizeit. Daher konnte ich davon ausgehen, in dem Bezugskreis viele unterschiedliche Antworten zu erhalten.
Ich habe mich bei den Teilnehmern vorwiegend auf Textilstudenten und Personen bezogen, von denen ich annehmen konnte, dass sie sich mit dem Thema DIY befassen. Dies erzielte ein aussagekräftigeres Ergebnis, als wenn ich zu der Umfrage einen größeren Personenkreis zugelassen hätte. Als Medium habe ich einerseits Facebook gewählt. Die Selektivität der Plattform ermöglichte es mir, nur Personen zu der Umfrage zuzulassen, die DIY privat anwenden.
Auf der anderen Seite ermöglichte mir der Mailverteiler des Faches Mode-Textil-Design, eine Veröffentlichung meiner Umfrage unter Textilstudierenden. Ihr Interesse an DIY und damit auch eine hohe Teilnehmerzahl an der Umfrage, waren für mich die ausschlaggebenden Punkte, dieses Mittel zur Verbreitung der Umfrage zu nutzen.
Die Umfrage veröffentlichte ich vom 30.07.2014 bis zum 14.08.2014. Währenddessen erinnerte ich den Befragungskreis zweimal per Onlinepost an die Teilnahme. Über die Plattform Facebook war der Rücklauf der Umfragen trotzdem anfangs sehr gering. Da meine Ansprechperson, die meine Umfrage per Mail an alle Textilstudierenden weiterleiten sollte zunächst im Urlaub war, verzögerte sich die Befragung um ein paar Tage. Am Ende er Umfrage erhielt ich 65 Antworten.
Die Grenzen der Methode werde ich im Fazit kurz erläutern.
3. Gründe für Do It Yourself in der Nachkriegszeit 1945-1950
Im Verlauf dieses Kapitel arbeite ich vier Gründe für das Selbermachen in der Nachkriegszeit heraus. Hierbei beschränke ich mich auf die Kleidung, da dies ein umfassender Bereich war, indem vieles selber gestaltet und modifiziert wurde. Hierzu ziehe ich ein Interview mit meiner K heran, die ich zu diesem Thema befragt habe. Ein zweites Interview zum Thema „Mode in den 50/60er Jahren“ mit E, wird ebenfalls Gegenstand der Ausarbeitung sein.
3.1 Materialmangel
Ein Punkt, warum sehr viele Kleidungsstücke nach dem Krieg selber hergestellt wurden, war die Materialknappheit. Es fehlte an Knöpfen, Stoffen und Reißverschlüssen. Deswegen benutzen viele Menschen zur Herstellung oder Ausbesserung von Kleidung Lazarettbettwäsche, Vorhänge, Säcke oder Militärkleidung.[4] Meine Großmutter bestätigte dies und schilderte, dass sie Kleider von der älteren Schwester anziehen musste oder alte Bettlaken zu einem Mantel umschneiderte, da es keine Produktion gab und somit keine Stoffe.[5]
Die unterschiedlichen Stoffe wurden teilweise zusammengenäht.
„Maria hatte einen braunen Rock und eine blaue Bluse und das war auch ein bisschen verschlissen, da wurde für mich ein ganzes Kleid rausgemacht. Blau und braun und das sah ganz toll aus. Das sah immer schick aus, wenn ich das an hatte.“[6]
Das neue Kleid wurde eingefärbt und verziert, sodass schlussendlich ein neues Kleidungsstück entstand. Zudem versteckten Raffungen, Samt- und Spitzeneinsätze, so wie Miedergürtel mangelhafte Stellen.[7] Der Phantasie waren keine Grenzen gesetzt. Aus Fallschirmseide genähte Abendkleider oder in Mode gekommene Holz- oder Korkabsätze verhalfen den Menschen nach dem Krieg neue Kleidungsstücke herzustellen.[8] Die Frauen lebten nach dem Motto: „Wie kann man sich trotz beschränkter Mittel schick anziehen?“.[9] Zudem ist zu erwähnen, dass die Frauen auch Accessoires wie Ohrclips aus Schuhschnallen und Muscheln oder Halsketten aus Vogelbeeren selber herstellten.[10]
Es war wichtig, aus alten Kleidern oder textilen Stoffen Neues zu erhalten, um es möglichst lange aufzutragen und die zur Verfügung stehenden Ressourcen bestmöglich auszunutzen. Dazu lassen sich in vielen damaligen Zeitschriften und Zeitungen Tipps zur Ausbesserung der Kleidung finden.[11]
Einen weiteren Grund stellt die Wirtschaft dar. Diese war nach dem Krieg in ihrer Produktion soweit gestört, dass sie wenige Stoffe oder Kleidung auf den Markt bringen konnte. Neben den mangelnden Materialien fehlte es an Menge und Auswahl von kaufbaren Kleidungsstücken.[12]
Daraus lässt sich schließen, dass die Umgestaltung von Kleidung und das eigenständige Herstellen aus der Not heraus entstanden und nutzungsorientiert Gründe hatten.
3.2 Geldmangel
Neben der knappen Verfügbarkeit von Produkten, spielte auch das Geld eine Rolle, warum die Frauen nach dem Krieg ihre Kleidung selber machten.
Bevor 1948 die Währungsreform[13] in Kraft trat, lebten viele Haushalte in Armut. K betonte, dass sie damals für einen Monat 48 Mark pro Kopf hatten und das Geld sehr knapp war.[14] Umgerechnet sind das heute zum Leben knapp 25 Euro im Monat[15] für eine Einzelperson. An dem Beispiel erkennt man, auch wenn berücksichtigt wird, dass Lebensmittel damals günstiger waren, dass das Geld kaum für die tägliche Bedarfsdeckung ausreichte.
E erklärte in dem mit ihr geführtem Interview, dass sie Ende der 40er Jahre durch Kaufhäuser und Geschäfte gelaufen ist, um sich Ideen für Kleider zu holen, die sie dann zuhause selber nachschneiderte. Als Grund gab sie an, dass sie und ihre Familie kein Geld hatten, um die Kleider zu kaufen. Damit verdeutlicht sie, dass Geldmangel ein entscheidender Grund für das Selbernähen von Kleidung war.[16]
Aus den oben genannten Beispielen resultiert, dass wirtschaftliche Faktoren wie Geld- oder Materialmangel die zwei Hauptgründe für das Selbermachen in der Nachkriegszeit waren. Neben den aufgeführten Lebensumständen um 1945, führe ich noch einen weiteren Faktor auf, der die Do It Yourself Bewegung beeinflusst hat, der Modewandel um 1950.
3.3 Der New Look von Christian Dior
Nach dem Krieg bestand die Damenmode hauptsächlich aus strengen Kostümen, die den Uniformen aus dem zweiten Weltkrieg ähnelten. Wie in Abbildung 1 zu sehen ist, gehörten dazu lange Jacke, aufgesetzte Taschen, breite Schultern und schmal geschnittene, kurze Röcke, die die Bewegungsfreiheit der Frauen zusätzlich einschränkten. Wie oben erwähnt, konnten die Schnitte der Kleidung am besten aus den wenigen, vorhandenen Materialien nachgeschneidert werden.[17]
Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Frühjahrskostüme, Berlins Modenblatt, 1946[18]
Im Kontrast zu der gradlinigen Nachkriegsmode, präsentierte 1947 der Designer Christian Dior den „New Look“. Eine feminine Haute - Couture - Kollektion, bestehend aus schlichten Tageskostümen ohne Schulterpolster, dafür aber mit einer engen Taille und wadenlangem Rock. Der Stil verkörperte, nach der Strenge der Kriegs- und Nachkriegsmode, eine neue Weiblichkeit. Dies erinnerte an Frauen aus dem 19. Jahrhundert, die aufgrund der Gesellschaftsform und ihrer wohlhabenden Männern nicht arbeiten mussten. Diese Frauen haben den Tag vorwiegend damit verbrachten, sich um ihre Schönheit zu kümmern und diese nach außen hin zu repräsentieren.[19]
Dem entgegen zu setzten ist, dass sich kaum jemand nach dem Krieg diesen Luxus leisten konnte. Erika Thiel stellt in ihrer Publikation dar, dass Frauen, die sich keine Stoffe kaufen konnten, mehrere alte Kleider nach dem Vorbild Dior´s nachschneiderten und sich somit dem modischen Trend anschlossen.[20]
Zudem bestätigte E in dem Interview, dass sie keine Markenartikel getragen hat, da es nicht in deren Budget passte. Aus diesem Grund hat sie die Inspiration aus den Geschäften genommen, oder wenn sie einen Modestil auf der Straße gesehen hat und hat sich die Kleider von ihrer Schwiegermutter nachschneidern lassen.[21]
Aus den oben genannten Beispielen lässt sich schließen, dass neue Trends einen Impuls zum Nachmachen geben. Dieser Faktor ist wiederum verknüpft mit dem Geldmangel, beziehungsweise der Kostenfrage. Deswegen diente das Selbermachen dazu, trotz geringer finanzieller Mittel, modisch zu bleiben.
3.4 Selbstbewusstsein
Der feminine New Look kam bei den Frauen nach dem Krieg gut an. Da Frauen lange Zeit auf schöne Kleidung verzichten mussten, ließen sie sich schnell für die neue Mode begeistern.[22] Dies führt mich zu dem letzten Punkt, warum das Selbermachen beliebt war: Es stärkte das Selbstbewusstsein der Frauen nach dem Krieg. Sich modisch zu kleiden war, neben der Nahrungsversorgung, das nächste, große Ziel. Kleidung galt als Ware „mit denen man am ehesten das Selbstbewusstsein und das eigene Ansehen steigern konnte“.[23]
Dies belegen auch die Modezeitschriften, die sich nach 1945 in deutschen Haushalten etablierten. Die ersten Modezeitschriften nach dem Krieg waren „Berlins Modeblatt“ und die „Chic“. In dem Berliner Modeblatt heißt es, dass die Frühjahrsmode 1946 den „Reiz der Frau herausarbeiten“[24] sollte. Es galt, sich wieder als Frau zu fühlen, die von dem Mann begehrt und umworben wird.[25]
Eine Zeitschrift, die besonderen Wert auf die Neubildung des Selbstbewusstseins der Frau durch Mode legte, war die „Burda Moden“. Ihr Motto war es, dass Mode kein Wunschtraum bleibt, sondern verwirklicht werden kann, dass sie das Leben der Frauen verschönert und das Lebensgefühl hebt.[26]
Die Zeitschrift hatte Hobbyschneiderinnen und Familien als Zielgruppe. Neben Modevorschlägen für verschiedenste Anlässe, fanden sich in dem Heft auch Schnittmuster dafür wieder. So war jeder Frau der Zugang gegeben, modische Kleidung selber zu nähen oder nähen zu lassen.[27]
Die Gründerin Aenne Burda sagte in einem Interview:
„Als junges Mädchen habe ich mir immer gewünscht, schönere Kleider zu haben als die anderen. Dann habe ich erkannt, was die meisten Frauen brauchen: Eine Mode, die der unsicheren Frau das Gefühl der Sicherheit gibt.“[28]
K bestätigte in dem Interview, dass das Selbstbewusstsein durch das Zeigen der selbstgeschneiderten Mode gesteigert wurde. Sie machte deutlich, dass man „schicker“[29] aussah, gleichzeitig aber auch mit Stolz präsentieren konnte, was man eigenhändig angefertigt hatte.[30]
Daraus lässt sich schlussfolgern, dass auch persönliche Gründe, wie die Steigerung des Selbstbewusstseins zwischen 1945-1950 dazu führten, dass Frauen ihre Kleidung verstärkt selber machten.
3.5 Zwischenfazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Do It Yourself- Bewegung zwischen 1945-1950 erstens aus wirtschaftlichen Folgen und zweitens aus individuellen Gründen ergibt. Es spielt also eine Rolle, warum Menschen auf das Selbermachen zurückgreifen, wie die Wirtschaft in einem Land aufgebaut ist. Stehen der Bevölkerung geringere finanzielle Mittel zur Verfügung, wird weniger Ware in den Kaufhäusern verkauft.
Zudem war die Produktion und Industrie nach 1945 durch den Krieg noch nicht wieder soweit aufgebaut, als dass sie genügend Ressourcen in Form von Stoffen und Nähmaterial zur Verfügung stellen konnte. Individuelle Gründe ergeben sich zudem aus dem Geldmangel. Frauen konnten sich in der Nachkriegszeit nicht mit der neusten Mode einkleiden. Daher mussten sie improvisieren und ihre Mode kostengünstig selber nachschneidern. Ein weiterer Grund ergibt sich aus den Lebensumständen im Krieg. Die sogenannten „Trümmerfrauen“[31] kümmerten sich um den Haushalt und arbeiteten am Wiederaufbau der Städte mit.[32] Dabei konnten sie sich nicht um ihr Aussehen und ihre Weiblichkeit kümmern. Um als Frau nach dem Krieg wieder Selbstbewusstsein zu erlangen, half das eigenhändige Anfertigen von schöner, weiblicher Kleidung.
4. Gründe und Motive für Do It Yourself im 21. Jahrhundert
Um herauszufinden, welche Gründe, Motive und Bedeutungen Frauen und Männer heutzutage für das Selbermachen haben, erstellte ich eine Onlineumfrage. Gegenstand der Umfrage ist ein im forschungspraktischen Seminar selber entwickelter Fragebogen zum Thema „Gründe und Bedeutung von Do-it-yourself im 21. Jahrhundert“. Damit untersuche ich, wie sich die Gründe und Motive für DIY heutzutage gestalten, um sie abschließend mit den Motiven und Gründen von 1945-1950 zu vergleichen.
Die Methode habe ich ausgewählt, um bestimmte Kategorien zu heutigen Gründen, Motiven und persönlichen Bedeutungen der Do It Yourself- Anwender, bilden zu können.
Im weiteren Verlauf der Arbeit werde ich diese Kategorien zusammenfassen und anhand von Sekundärliteratur untermauern, um am Ende einen Vergleich zu dem ersten Teil der Ausarbeitung ziehen zu können.
4.1 Kategorisierung der Bereich in denen mit DIY gearbeitet wird
76,38 % der Teilnehmer lassen sich der Altersgruppe 21-29 Jahre zuordnen und bilden damit die größte Teilnehmergruppe. Die zweite Gruppe bildet sich aus den 50-59 Jährigen mit 10,77% und die dritte Gruppe beträgt mit zwei Teilnehmern 6,15% der Altersklasse 18-20. Jeweils ein Teilnehmer mit 1,54% lässt sich der Altersgruppe unter 18, 30-39, 40-49 und über 60 Jahre zuordnen. Der überwiegende Teil der Befragten war mit 90,77% weiblich und 9,23% männlich.
Mit der ersten Frage möchte ich die Bereiche klären, in denen mit DIY gearbeitet wird, um zu vergleichen, ob sich die Bereiche mit denen von 1945 überschneiden. Dazu habe ich folgende Frage gestellt: „In welchem Bereich arbeitest du mit DIY? z.B. Garten, Kleidung, Haushaltstextilien etc.- Mehrfachnennung möglich.“
Meine Motivation war es, aus den Ergebnissen der ersten Frage Kategorien bilden zu können, in denen vorwiegend Do It Yourself gearbeitet wird. Aus der Grafik 1 lässt sich ableiten, dass sich die am häufigsten genannte Antwort der Kategorie Kleidung zuordnen lässt. Die zweite Kategorie bildet sich aus dem Dekorieren und der Raumgestaltung im Haus. Hierbei habe ich verschiedene Antworten, die sich auf das Gestalten der Inneneinrichtung des Hauses bezogen, zusammengefasst.
Der Garten bildet die drittgrößte Gruppe.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Grafik 1: In welchem Bereich arbeitest du mit DIY? z.B. Garten, Kleidung, Haushaltstextilien etc.
4.2 Individualität
Die Überproduktion verschiedener Waren nach den 1960er Jahren leitete die angebotsorientierte Warenproduktion um zu einer nachfragenorientierten Warenproduktion. Damit entstanden neue Probleme wie Umweltverschmutzung, schlechte Arbeitsbedingungen oder Ausbeutung.[33] Dabei geriet die eigene Individualität in den Hintergrund und das Gefühl ein Produkt der Masse zu sein, wurde größer. Jeder in der Schule trug die gleichen Schuhe, Hosen oder Jacken. Die Folge daraus war, dass sich eine Sehnsucht entwickelte, sich von der Masse abzuheben.[34] Thilo Schwer führt in seiner Publikation auf, dass DIY erst dann entsteht, wenn „Kulturen im Mainstream angekommen sind und damit ökonomische Bedeutung gewonnen haben“.[35] Daraus lässt sich schlussfolgern, dass das Zurückkehren zum Selbermachen nach dem zweiten Weltkrieg, aus der Massen- und Überproduktion entstanden ist.
Wie man aus der Grafik 2 entnehmen kann, stand Individualität auch bei meiner Umfrage mit 30 Stimmen an erster Stelle als Motiv zur Nutzung von Do It Yourself. Ein Großteil der Befragten legte Wert darauf, sich durch das Selbermachen von der Masse abzuheben und ihre Individualität durch ihre Kreativität zu zeigen. Eine Teilnehmerin beschrieb ihre Motivation so: „...weil es dann individueller ist, weniger "von der Stange" / ...“.[36]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Grafik 2: Motive zur Nutzung von DIY
[...]
[1] Vgl. Probst-Bajak, Angela: Presseinformation der Initative Handarbeit: Selbermachen bleibt Trend- Der Handarbeitsmarkt wächst zweistellig, http://www.initiative-handarbeit.de/dam/img/Aktuell/Marktinformationen13/source/Marktinformation2013.pdf, abgefragt am 24.11.2014.
[2] Vgl. BuchMarkt Verlag, „Media control: Stricken wird zum Megatrend, 29.08.2012, http://www.buchmarkt.de/content/52114-media-control-stricken-wird-zum-megatrend.htm, abgefragt am 24.11.2014.
[3] Vgl. Ringendahl, Alexandra: Lockere Masche für die Häkelmütze, 04.09.2012, http://www.fr-online.de/shopping---lifestyle/myboshi---muetzenmacher-lockere-masche-fuer-die-haekelmuetze,11318090,17179294.html, abgefragt am 24.11.2014.
[4] Vgl. Endlich wieder chic-Damenmode der 50er Jahre (Ausstellungskatalog, Textilmuseum Max Berk), 1998, Heidelberg, S.8.
[5] Vgl. K, 2014. Persönliches Interview, geführt von Helena Kampschulte. Werl, 01.08.2014, 10Uhr.
[6] Vgl. K, 2014. Persönliches Interview, geführt von Helena Kampschulte. Werl, 01.08.2014, 10Uhr.
[7] Vgl. Endlich wieder chic-Damenmode der 50er Jahre (Ausstellungskatalog, Textilmuseum Max Berk), 1998, Heidelberg, S.8.
[8] Ebd.
[9] Lehnert, Gertrud: Mode, DuMont, Köln, 2008, S. 143.
[10] Vgl. Endlich wieder chic-Damenmode der 50er Jahre (Ausstellungskatalog, Textilmuseum Max Berk), 1998, Heidelberg, S.8.
[11] Vgl. Kuhn, Annette(Hg):Frauen in der deutschen Nachkriegszeit, Pädagogischer Verlag Schwann-Bagel GmbH, Düsseldorf, 1984, S. 198f.
[12] Vgl. K, 2014. Persönliches Interview, geführt von Helena Kampschulte. Werl, 01.08.2014, 10Uhr.
[13] Währungsreform: Einführung der D-Mark als alleiniges Zahlungsmittel. Umtausch des Vermögens im Verhältnis von 1 D-Mark zu 10 Reichsmark. Vor Einführung der D-Mark, gab es Lebensmittel nur auf Lebensmittelkarten zugeteilt, die im Geschäft gegen die Ware eingetauscht werden konnte. Jeder bekam nur so viel Ware, wie ihm zugeteilt wurde. In: Delille, Angela, Grohn, Andrea: Blick zurück aufs Glück, Berlin, Elefanten Press, 1985, S. 17.
[14] Vgl. K, 2014. Persönliches Interview, geführt von Helena Kampschulte. Werl, 01.08.2014, 10Uhr.
[15] Ausgerechnet mit: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Migrierte_Downloads/uebersicht-euro-umrechnung.pdf?__blob=publicationFile&v=3, abgefragt am 24.11.2014.
[16] Vgl. E, 2014. Persönliches Interview, geführt von Helena Kampschulte. Dörpen, 22.01.2014, 12Uhr.
[17] Vgl. Endlich wieder chic-Damenmode der 50er Jahre (Ausstellungskatalog, Textilmuseum Max Berk), 1998, Heidelberg, S.8.
[18] Berlins Modenblatt: Frühjahrskostüme, 1946 in: Loschek, Ingrid: Mode im 20. Jahrhundert, 1995, Bruckmann, München, S. 155.
[19] Vgl. Lehnert, Gertrud: Geschichte der Mode, Könemann, Köln, 2000, S. 42f.
[20] Vgl. Thiel, Erika: Geschichte des Kostüms, Henschelverlag, Berlin, 1980, S. 413.
[21] Vgl. E, 2014. Persönliches Interview, geführt von Helena Kampschulte. Dörpen, 22.01.2014, 12Uhr
[22] Vgl. Thiel, Erika: Geschichte des Kostüms, Henschelverlag, Berlin, 1980, S. 413.
[23] Andersen, Arne: Der Traum vom guten Leben: Alltags- und Konsumgeschichte vom Wirtschaftswunder bis heute, Campus-Verlag, Frankfurt, 1999, S. 26.
[24] Vgl. Endlich wieder chic-Damenmode der 50er Jahre (Ausstellungskatalog, Textilmuseum Max Berk), 1998, Heidelberg, S.7.
[25] Ebd.
[26] Vgl. Loschek, Ingrid: Die Bedeutung von Burda Moden für die Mode der 50er und 60er Jahre, in: Betzler, Judith (Hrsg.), Aenne Burda: Die Macht des Schönen, Econ Verlag, 1999, S. 35.
[27] Vgl. Loschek, Ingrid: Die Bedeutung von Burda Moden für die Mode der 50er und 60er Jahre, in: Betzler, Judith (Hrsg.), Aenne Burda: Die Macht des Schönen, Econ Verlag, 1999, S. 26f.
[28] Abendzeitung, 28.07.2004 in: Hubert Burda Media, http://www.hubert-burda-media.de/chameleon/outbox/public/86cee9e5-720f-fba9-3dc2-33982b8b5069/Zitate-von-Aenne-Burda.pdf, abgefragt am 01.08.2014.
[29] Vgl. K, 2014. Persönliches Interview, geführt von Helena Kampschulte. Werl, 01.08.2014, 10Uhr.
[30] Ebd.
[31] Vgl. Kuhn, Annette(Hg):Frauen in der deutschen Nachkriegszeit, Pädagogischer Verlag Schwann-Bagel GmbH, Düsseldorf, 1984, S. 72.
[32] Vgl. Kuhn, Annette(Hg):Frauen in der deutschen Nachkriegszeit, Pädagogischer Verlag Schwann-Bagel GmbH, Düsseldorf, 1984, S. 72.
[33] Vgl. Schwer, Thilo: Die Massenkultur unterwandern in: Fabo, Sabine/ Kurz, Melanie (Hrsg.): Vielen Dank für Ihren Einkauf, transcirpt Verlag, Bielefeld, 2012, S. 147.
[34] Vgl. Meschnig, Alexander/ Stuhr, Mathias: Wunschlos glücklich- Alles über den Konsum, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg, 2005, S.139.
[35] Schwer, Thilo: Die Massenkultur unterwandern in: Fabo, Sabine/ Kurz, Melanie (Hrsg.): Vielen Dank für Ihren Einkauf, transcirpt Verlag, Bielefeld, 2012, S. 147.
[36] Anonymus, Umfrage: Gründe und Bedeutung von Do It Yourself im 21. Jahrhundert, https://de.surveymonkey.com/analyze/browse/NT9Q2z97AhKAP2W8hQKQdGR0KYX4KnkZkEfnKMJFw0M_3D?respondent_id=3384145444, 31.07.2014, 11:10 Uhr, S. Anhang Auszug 1.