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Hausarbeit (Hauptseminar), 2017
23 Seiten, Note: 1,4
Politik - Allgemeines und Theorien zur Internationalen Politik
1 Exposé
2 Literaturbericht
Theoretischer Teil
3 Waltz und die atomare Abschreckung
3.1 Stabilität durch Atomwaffen? Waltz und Sagan in Uneinigkeit
3.2 Balance-of-power vs. Balance-of-threat
Empirischer Teil
4 Geostrategische Dimension
5 Energiepolitische Dimension
6 Religiös-Ideologische Dimension
7 Fazit
Im Jahre 2007, lange Zeit nach dem kalten Krieg zwischen Washington und Moskau, plädierten vier US-Spitzenpolitiker für eine weltweite atomare Abrüstung: Henry Kissinger, George Shultz, William Perry und Sam Nunn. Auch der ehemalige US-Präsident Obama kündigte 'Global Zero' in einer Rede in Prag 2009, als wichtiges strategisches Ziel seiner Präsidentschaft an.[1] 2012 veröffentlichte die Zeitschrift Foreign Affairs einen Artikel von Kenneth N. Waltz mit dem Titel Why Iran should get the bomb, in welchen Waltz sich für eine atomare Bewaffnung Irans ausspricht. Dies würde seiner Meinung nach zu einer Stabilisierung der politischen Situation im mittleren Osten führen. Der aktuelle Präsident der USA Donald Trump, verglich im Jahr 2016 das Atomwaffenarsenal Russlands und das der USA und sagte: „Our nuclear is old and tired and his nuclear is tippy-top from what I hear. Better be carefül, folks, okay? You better be careful.”[2] Die Diskussionen um Atomwaffen weiten sich aus. Waren nach dem kalten Krieg eher die Stimmen der Abrüstung lauter, nehmen die Befürworter heute wieder zu. Die Gründe hierzu liegen möglicherweise an den zunehmenden Konflikten und Brandherden in der internationalen Gemeinschaft. Neben dem Konflikt mit Nordkorea, ist der Atomkonflikt mit dem Iran einer der großen politischen Herausforderungen unseres Jahrhunderts. Unter der Präsidentschaft Ahmadinedschads schien der Irankonflikt unlösbar zu sein. Im Jahr 2015 konnte Präsident Obama mit dem neuen iranischen Präsidenten Rohani und der EU+3 Gruppe einen neuen Weg im Irankonflikt ebnen. Durch die Ratifizierung des JCPoA wurden die Sanktionen gegen den Iran teilweise wieder aufgehoben und die politischen Beziehungen hatten sich gebessert. Nach Amtsantritt von Präsident Trump und eines fast zeitgleichen Raketentests Irans, wurde Teheran von Washington scharf kritisiert und das Verhältnis gegenüber Teheran erkaltete erneut. Die Ängste/Befürchtungen gegenüber einer atomaren Bewaffnung Irans sind u.a. folgende: Es wird dem Iran unterstellt, er könne mit atomaren Mittel- und Langstreckenraketen Israel oder sogar die USA angreifen. Des weiteren fürchtet Saudi-Arabien um seine Machtstellung im mittleren Osten. Die einzige Atommacht im mittleren Osten ist Israel; Saudi-Arabien verfügt allerdings über nukleare Sicherheitsgarantien der USA und Pakistans, im Falle einer Konflikteskalation. Doch in der Tat, Konflikte zwischen Iran und Saudi-Arabien bestehen schon seit langem auf verschiedenen Ebenen. In dieser Arbeit wollen wir uns dem multidimensionalen Konflikt zwischen Iran und Saudi Arabien, ferner Teheran und Riyad widmen. Es soll der Frage nachgegangen werden, ob eine atomare Ausrüstung Teherans und/oder Riyads eine stabilisierende Wirkung auf die politische Situation im mittleren Osten hätte. Ausgangsbasis ist hierfür ist der Text von Waltz Why Iran should get the bomb und seiner Balance-of-power Theorie.
Hierbei wird der multidimensionale Konflikt beider Länder analysiert und systematisch mit Theorien der (neo)realistischen Schule (Balance-of-power, Waltz/ Balance-of-threat, Walt) verglichen. Methodologisch wird per induktiver Methode vorgegangen, ferner von empirischen Erkenntnissen auf allgemeine theoretische Konzepte zu schließen.[3] Zuerst soll im theoretischen Teil die Waltz'sche Theorie more may be better eruiert werden und im Anschluss werden die einzelnen Punkte mit der Waltz-Sagan Debatte (more may be better vs. more may be worse) näher beleuchtet. Nachfolgend werden die Balance-of-power und Balance-of-threat Theorien gegenübergestellt. Nach dem Umriss des Wissenschaftsdiskurses, sollen im empirischen Teil die multidimensionalen Ebenen des Konfliktes zwischen Riyad und Teheran analysiert werden. Die empirische Analyse wird mit der hermeneutischen Methode durchgeführt. Zudem werden relevante und valide Informationen aus verschiedenen Quellen herangezogen, um so die einzelnen Themenbereiche zu erschließen und zu analysieren. Die gewonnenen Erkenntnisse werden anschließend mit den theoretischen Überlegungen verglichen, um so die ausgehende Forschungsfrage zu beantworten. Während der Erstellung der Arbeit wird besonderen Wert auf eine objektive und reflexive Haltung gelegt.
In dieser Arbeit wurde eine Mischung aus internationalen Quellen verwendet, um den Wissenschaftsdiskurs möglichst breit abzustecken. Es wurden Artikel aus Sammelbänden, wissenschaftlichen Zeitschriften, der deutschen und arabischen Qualitätspresse, sowie wissenschaftlicher Studien herangezogen. Als Hauptfundament im theoretischen Teil wurden Artikel von Kenneth Waltz und Stephen Walt verwendet, um die zu untersuchenden Theorien dieser Arbeit auszubreiten und mit Argumenten von Walt und Sagan zu vergleichen. Auch Studien und Artikel von Prof. Meier-Walser wurden herangezogen, um unter anderen die Waltz-Sagan-Debatte zu umreißen und Erkenntnisse aus seiner langjährigen Forschung in diesem Bereich heranzuziehen. Zudem wichtig im theoretischen Teil war das Casebook internationale Politik, um Standpunkte der neorealistischen Schule zu beschreiben. Im empirischen Teil wurden Artikel aus der arabischen Presse (Rai Al-Yaum, Al-Badil), sowie der deutschen Presse verwendet, um den multinationalen Mediendiskurs und die medialen Kommunikationsstrategien der internationalen Politik zu illuminieren. Weiter wurden Texte aus dem wissenschaftlichen Bereich der Orientalistik und der internationalen Politik verwendet, wie etwa Amiri und Bahgat. Auch wissenschaftliche Studien, wie SWP-Studien, wurden hinzugezogen. Im Gesamten wurde eine hohe Quellendichte angestrebt, um den Untersuchungskorpus angemessen zu analysieren und valide Ergebnisse zu erreichen.
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, widmen wir uns der Frage, ob eine atomare Bewaffnung Irans und/ oder Saudi-Arabiens zu Stabilität im mittleren Osten führen würde. In seinem Artikel Why Iran should get the bomb nennt Waltz drei mögliche Lösungsansätze, um den Iran Atomkonflikt zu beenden. Jedoch ist nur eine für ihn realisierbar. Nun, zunächst einmal verortet Waltz die USA und Israel als größte Gegner des iranischen Atomprogramms. Gemeinsam mit Europa warnen Spitzenpolitiker und Experten der USA und Israels vor einen atomar bewaffneten Iran. Allerdings nicht Waltz - widmen wir uns seinen drei Lösungsansätzen rund um den iranischen Atomkonflikt.
1. Diplomatie, verbunden mit ernsten Sanktionen, könnte den Iran dazu bewegen sein Atomprogramm zu beenden. Doch dies sei nicht zwingend der Fall. Sanktionen könnten den Iran in seinen Sicherheitsbedenken bestätigen und dazu bewegen, seine nationale Sicherheit in atomarer Abschreckung zu suchen. Ein kurzer Blick nach Nordkorea verdeutlicht dies; trotz langer und harter Sanktionen und fast absoluter Isolation, hielt Pjöngjang an seinem Atomprogramm fest. Höchstwahrscheinlich unterstützte Nordkorea auch Syrien am Bau eines Reaktors, welcher 2007 von den Israelis zerstört wurde. Die Rhetorik Pjöngjangs wurde zudem immer heftiger gegenüber der Weltgemeinschaft (ebenso gegenüber seines Verbündeten China). Auch die Sanktionen gegen den Iran erzielten nicht die Wirkungen, um diesen von seinem Atomprogramm abzubringen - sei es ziviler, oder militärischer Nutzung.[4]
2. Der Iran stoppt seine Raketentests, aber kann seine zivile Nutzung des Atomprogramms fortführen - welche ihm jedoch eine 'breakout-capability' ermöglichen würde. Also ferner die Möglichkeit in einem gewissen Zeitraum einen atomaren Sprengkopf herzustellen. Dies wäre mit der Situation Japans vergleichbar. Japan besitzt keine atomaren Sprengköpfe, jedoch verfolgen sie eine zivile Nutzung von Kernkraft und verfügen somit über eine relativ kurze breakout-capability.[5] Würde man nun Teheran solch eine zivile, umfangreiche Nutzung einräumen, so könnte die politische Führung Teherans in ihren Sicherheitsbestreben befriedet werden. Israel allerdings empfindet eine mögliche Urananreicherung allein schon als unakzeptablen 'threat'. Tel Aviv würde es nicht zulassen, Teheran zu solch' Anreicherungsaktivitäten kommen zu lassen. Dies würde wiederum von Teheran als 'threat' wahrgenommen werden, welches sein Streben nach Atomwaffen noch verstärken könnte.
3. Der Iran führt sein Atomprogramm fort und wird offiziell zu einer Atommacht. Insbesondere die USA und Israel würden dies nicht akzeptieren. Auch Saudi-Arabien hat kein Interesse an einem atomar bewaffneten Iran.
Zudem besteht ein langer religiöser Konflikt zwischen beiden Ländern und im Gegensatz zu den USA, eine geographische Nähe beider Länder. Waltz ist jedoch der Meinung, dass eine Verringerung der militärischen Ungleichgewichte im mittleren Osten, zu mehr regionaler und internationaler Stabilität führen würde. Denn Israels nukleares Monopol hätte zu Instabilität und Konflikten in der Region geführt. Im historischen Kontext betrachtet, hatte Israel bereits 1981 Reaktoren im Irak bombardiert, um dessen Atomprogramm zu verhindern. Zudem wurde ein Reaktor in Syrien 2007 zerstört. Israel wirft Teheran vor, diesen Reaktor finanziert zu haben, um an angereichertes Uran zu kommen und so die ihm auferlegten Sanktionen zu umgehen.[6] Die Grundessenz von Waltz's These ist, dass Stabilität im mittleren Osten nur durch militärisches Gleichgewicht wiederhergestellt werden kann.[7] Waltz ist ebenso der Meinung, dass die Gefahr eines nuklearen Irans stark übertrieben wurde. Auch Missverständnisse über das Verhalten der Staaten im internationalen System trugen dazu bei. Das iranische System sei weder irrational, so Waltz, noch von bösen geistlichen Führern umtrieben. Der Iran sei ein System mit politischen und geistlichen Akteuren, die wie in jedem anderen System auch, überleben wollen. Obwohl die Rhetorik der politischen Führung Irans in der Vergangenheit hart und teilweise zündelnden Charakter innehatte, neige das System dennoch nicht zur Selbstzerstörung. Aber genau dies wurde dem Iran, besonders von Seiten der USA und Israel indirekt unterstellt. Wenn der Iran ein atomares Arsenal erlangen würde, dann aus dem Grund sich selbst zu schützen und eben nicht um sich mit einem Nuklearschlag gegen Israel selbst zu zerstören. Entgegen den Befürchtungen, dass Atomwaffen in die Hände von Terroristen fallen könnten, entgegnet Waltz, dass nach teuren und langen Wegen des Atomprogramms, Teheran das Interesse habe, die Kontrolle über sein Arsenal zu behalten. Zudem wäre die Gefahr einer terroristischen Entwendung auch bei anderen Atommächten gegeben. Eine weitere Sorge sei ein Wettrüsten im mittleren Osten, falls der Iran ein nukleares Arsenal errichten würde. Solch Proliferation, sei laut Waltz in den letzten 70 Jahren nicht geschehen und würde auch heute nicht an Fahrt gewinnen. Wenn Israel also als Atommacht kein Wettrüsten auslöste, dann würde dies im Falle Irans auch nicht passieren.[8]
In seinem Artikel ging Waltz häufig auf militärisches Gleichgewicht ein. Waltz ist Mitbegründer der neorealistischen Schule und der Balance-of-power Theorie, welche grob dargestellt besagt, dass das eigene Überleben des Staates im Vordergrund steht - ferner ein auf Sicherheit und Macht bezogenes Handeln. Dieser Balance-of-power Theorie steht die Balance-of-threat Theorie von Stephen M. Walt gegenüber, welche gegen Ende des theoretischen Teils umrissen werden soll. Im nächsten Abschnitt soll nun die Waltz-Sagan- Debatte eruiert werden, welche sich um die Frage nach Stabilität durch Atomwaffen dreht.
Waltz vertrat die Position, mehr Atomwaffen seien möglicherweise besser und neue Nuklearstaaten würden ihr Atomwaffenarsenal dafür verwenden, andere Länder vor einem Angriff abzuschrecken. Sagan entgegnete, mehr Atomwaffen seien schlechter, denn einige Nuklearstaaten würden in „preventive wars“[9] tätig werden, sowie ernsthafte nukleare Unfälle erleben. Waltz argumentierte, dass Kriege in der Vergangenheit auf Fehlkalkulationen beruhten; demnach waren die Konsequenzen, Kosten und zerstörerischen Ausmaße nicht umfassend bewusst. Zudem hätten konventionelle Waffen keinen besonders großen Abschreckungscharakter. Bei Atomwaffen wiederum wäre diese Form der Fehlkalkulation nicht vorhanden, da klar wäre was man zu verlieren hätte und die staatlichen Machteliten würden „stop thinking about running risks and start worrying about them.“[10] Zudem vertrat er die Ansicht, dass „where nuclear weapon threaten to make the costs of war immense, who will dare to start them?“[11]
Sagan sieht in der wachsenden Zahl an nuklearen Akteuren eine analog wachsende Zahl an nuklearen Sicherheitsrisiken. Zudem argumentiert er, dass neue Nuklearstaaten weniger Verantwortlichkeit aufbringen und über weniger Instrumente der Selbstkontrolle verfügen würden. Hierfür würde ein checks-and-balances System unter starker ziviler Kontrolle benötigt. Dies sei, besonders bei neuen Nuklearstaaten problematisch, da gewisse Staaten über eine schwache zivile Regierung verfügen und teilweise unter starkem Einfluss von militärischen Interessensgruppen stehen. Die Interessen solch' militärischer Institutionen, stehen im Konflikt mit den objektiven Interessen des Staates.[12] Institutionen und Organisationen seien keine bloßen Instrumente eines Staates, sondern Gruppen mit eigenen Interessen, welche innerhalb des Staatsapparates im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessensgruppen stehen. Dies mache ein checks-and-balances System schwer umsetzbar. Waltz Theorie eines Staates als rational handelnden Akteur wird somit aufgeweicht. Auch die deutliche Zunahme privater Militärgruppen und -institutionen (Blackwater, Blue Sky, oder auch ISIS, etc.) verändert die internationale politische Situation. Man kann eben nicht mehr von klassischen, rivalisierenden Staaten und von Kriegen zwischen nationalen Armeen sprechen, sondern von einzelnen militärischen und politischen Interessensgruppen[13]. Eine staatliche, nukleare Abschreckung erhält unter diesen Bedingungen einen anderen Charakter. Sagan setzte sich zudem mit drei Bedingungen der 'Rational Deterrence Theory' auseinander, welche im Kern kurz umrissen werden:
Die erste Voraussetzung ist, dass ein Atomstaat A keinen Präventivkrieg gegen Staat B beginnt, welcher gerade dabei ist sein Atomarsenal aufzubauen. Waltz argumentiert hier, dass kein Staat solch' nationale Interessen verfolgen würde, da entweder das anzugreifende Land mit wenigen Militärschlägen zerstört werden, oder bei einem weniger verheerenden Angriff, das Land B besetzt und kontrolliert werden müsse. Sagan widersprach, da die Neigung von Militärs es sei, Konflikte mit militärischen Instrumenten zu lösen. Zudem hätten diese eine Neigung zu präventiven Kriegen und würden sich zudem nicht von größeren Waffenarsenalen abschrecken lassen.
Die zweite Bedingungen der Rational Deterrence Theory war, das Nuklearstaaten eine nukleare Zweitschlagskapazität aufbauen müssten, als Voraussetzung potentieller Abschreckung. Diese müssten jedoch so verborgen werden, dass diese einen Erstschlag überstehen. So Waltz: „But since protecting small forces by hiding and moving them is quite easy, the dangerous evaporate.“[14] Sagan ist sich aus vier Gründen sicher, dass neue Nuklearstaaten eben keine unverwundbaren Zweitschlagskapazitäten erwerben können. Denn Militärs streben nach mehr Waffen, Ausrüstung und menschlichen Ressourcen. Da die Sicherheits- und Schutzmaßnahmen der Nukleararsenale sehr teuer seien, würden Investitionen eher in die Anschaffung zusätzlicher Waffen getätigt und somit zu einer Aufrüstung, gar auch Proliferation führen. Zweitens wären militärische Eliten gegen neue, konkurrierende Organisationen und Institutionen, welche eine Senkung der Verwundbarkeit anstreben. Drittens hätten Militärs kein Interesse daran, dass andere Staaten unverwundbare Abschreckungswaffen erhalten, denn wie erwähnt, neigen Militärs zu Präventivkriegen und der Kontrolle anderer militärischer Organisationen und Institutionen.[15] Als Beispiel hierfür kann nochmals Israel herangezogen werden, welche präventiv Atomreaktoren in Syrien und Irak zerstörten.
Als viertes Argument führte Sagan an, dass aus organisationstheoretischer Sicht, Militärs möglicherweise solch Sicherheitssysteme blockieren würden: „Even if the economic resources and geographical conditions for survivable Forces exists, a state may not develop a secure second-strike-capability if organizational biases and inflexible Routines of the professional military dominate its behavior.“[16] Die dritte Voraussetzung der Rational Deterrence Theory ist, dass die Kommando- und Kontrollsysteme der Nukleararsenale stets gewartet werden und vor Unfällen und unautorisiertem Zugriff geschützt werden müssen. Das dies im kalten Krieg getan wurde, ist Waltz Beweis genug, dass neue Nuklearstaaten ebenso handeln würden. Sagan entgegnet, dass neue Nuklearstaaten nicht über die benötigten, finanziellen Ressourcen verfügen würden, um Sicherheitsmaßnahmen umfassend zu implementieren.
Zudem würden geheime und verdeckte Entwicklungen nuklearer Waffenprogramme, Sicherheitsprobleme verschärfen, denn „there will not be thorough monitoring of safety efforts, and the lack of public debate about nuclear issues in such states increases the likelihood that narrow bureaucratic and military interests will not be challenged.“[17] Zudem sieht Sagan Probleme bei Staaten mit flüchtigen Beziehungsgeflechten zwischen militärischen und politisch-zivilen Eliten, denn Militärs sind eher an militärischen Instrumenten interessiert, als zivile Autoritäten. Als letzten Grund sieht Sagan erhebliche Sicherheitsrisiken bei der mangelnden Verlässlichkeit vor Frühwarnsystemen und aus ansteigender Proliferation resultierenden, kürzeren Frühwarnzeiten. Zudem betonte Sagan die Gefahr von politischer Instabilität und sozialer Spannungen; so wie dies derzeit im mittleren Osten der Fall ist.[18]
Nachdem nun Waltz's Theorie und Gegenpositionen umrissen wurden, soll nun im letzten Abschnitt des theoretischen Teils die Balance-of-threat Theorie von Stephen Walt, mit der Balance-of-power Theorie von Kenneth Waltz gegenübergestellt werden. Dieser Umriss des Wissenschaftsdiskurses und die daraus gewonnenen Erkenntnisse, sollen demnach als Fundament für den empirischen Teil dienen.
In diesem Abschnitt soll nun die Balance-of-power Theorie und die Balance-of-threat Theorie gegenübergestellt werden. Kenneth N. Waltz und Stephen M. Walt sind im (Neo)realismus der internationalen Politik zu verorten. Beide sind jedoch, bezüglich der Grundfunktionen von Staaten im internationalen System, unterschiedlicher Meinung.
Waltz, als Begründer des strukturellen Realismus, sieht das Machtstreben der Staaten als strukturalistisch begründet. Seiner Auffassung nach, ist das internationale System durch seine Einheiten (units) und durch seine Struktur geprägt. Die 'units' sind die Nationalstaaten, die 'structure' ist hingegen die Struktur des internationalen Systems, in welcher die Staaten agieren. Waltz definiert die Staaten als rationale und autonome Akteure, die primär die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen verfolgen. Der Neorealismus zeichnet sich demnach durch die Sicherheitsinteressen und Selbsterhaltungstriebe der Nationalstaaten aus, wie bereits in den vorherigen Abschnitten hervorging. Waltz ist der Meinung, dass Staaten sich in einer gefährlichen Umgebung befinden, da sie nie wissen, wie sich die anderen Staaten verhalten und somit großen Wert auf ihre territoriale Integrität legen. Sicherheit ist somit die wesentliche Messgröße in der Balance-of-power Theorie. Für Staaten ist es somit wichtig, die eigenen Machtmittel, mit den der anderen Akteure zu vergleichen. Denn, so Waltz, durch Machtgleichgewicht kann Stabilität gewährleistet werden, deswegen more may be better.
[...]
[1] Vgl. Meier-Walser, 2010, S. 6.
[2] Rogers, The Washington Post, 16.06.2016, Web Content.
[3] Im Neorealismus werden eher allgemeine Muster der internationalen Beziehungen mit weniger allgemeinen Annahmen deduktiv erklärt.
[4] Vgl. Waltz, 2012, S.1.
[5] Vgl. Lewis, Foreign Policy, 26.06.2014, Web Content. Japans Zeitspanne einen Atomsprengkopf zu bauen ist nicht genau bekannt - man geht zwischen 40 Tagen und sechs Monaten aus.
[6] Vgl. Rühle, Die Welt, 06.5.2013, Web Content.
[7] Vgl. Waltz, 2012, S.2-3.
[8] Vgl. Ebd. S.3-5.
[9] Meier-Walser, 2013, S.31.
[10] Ebd. S.31.
[11] Ebd. S.32.
[12] Vgl. Ebd. S.30-32. f.
[13] Siehe: Münkler, Herfried: Die neuen Kriege.
[14] Ebd. S.35.
[15] Vgl. Ebd. S.32-35.
[16] Ebd. S.36.
[17] Ebd. S.37.
[18] Vgl. Ebd. S.34- 38.