In Artikel 5 der Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5.1949 wird Meinungsfreiheit als wesentliches Merkmal unserer Demokratie festgeschrieben. Das Recht, „seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“, 2 ist dem Gesetzgeber aufgrund der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands derart wichtig, dass es sich hierbei sogar um ein Grundrecht [!] handelt. Das Angebot „allgemein zugängliche[r] Quellen“ übersteigt heute im Zuge mehrdimensionaler Mediennutzung bei weitem die zur Verfügung stehende Publikationskapazität traditionaler Medien. Sendezeiten sind kostspielig und knapp, und auch der Umfang von Printerzeugnissen ist nicht nur technisch, sondern auch wirtschaftlich (Druckkosten) begrenzt. Aus dem garantierten Recht auf freiheitliche Meinungsäußerung leitet sich als Erfolgsformel daher auch die Verpflichtung der Produzenten ab, richtige Entscheidungen bei der Auswahl dessen, was als medial publikationswürdig betrachtet wird, zu treffen. Doch wie werden solche „richtigen“ Entscheidungen getroffen? Wer bestimmt, was richtig ist und wichtig wird? Können sich Rezipienten tatsächlich
„ungehindert […] unterrichten“3? Die Unmöglichkeit, alle Weltereignisse in ihrer Gesamtheit erfahren zu können, greift auch die Publizistikforschung bei der Untersuchung der Nachrichtenauswahl von Massenmedien auf. Populär sind dabei seit den 1950er Jahren die drei Forschungstraditionen Gatekeeper-Forschung, News-Bias- Forschung und die Nachrichtenwert-Theorie. Anzumerken ist, dass sich diese Konzepte untereinander nicht ausschließen, sondern teilweise ergänzen, und darum eine trennscharfe Unterscheidung weder eindeutig noch notwendig ist. 4 Die gemeinsame Frage der Ansätze lautet, von welchen Faktoren journalistische Selektionsentscheidungen letztendlich abhängen. Um eine Antwort darauf zu finden, wird die letztgenannte Nachrichtenwert-Theorie in den Fokus dieser Hausarbeit gerückt, wobei der Schwerpunkt auf die Darstellung der europäischen Forschungstradition nach Galtung und Ruge (1965) gelegt werden soll. 2 o.V. (1949): Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 5, Absatz 1 3 ebd. 4 Vgl. Staab, Joachim-Friedrich (1996): Nachrichtenwert-Theorie. Formale Struktur und empirischer Gehalt. Verlag Karl Alber. Freiburg/München, S. 11ff.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung.
- 2. Die Nachrichtenauswahl der Massenmedien
- 2.1. Die Notwendigkeit der Nachrichtenauswahl.....
- 2.2. Abgrenzung der Nachrichtenwert-Theorie zu anderen Forschungstraditionen.......
- 3. Die Nachrichtenwert-Theorie .......
- 3.1. Die Grundidee: Walter Lippmann……………………………..\n
- 3.2. Die Entwicklung der Nachrichtenwert-Theorie in Amerika.........
- 3.3. Die Entwicklung der Nachrichtenwert-Theorie in Europa.........
- 3.3.1. Einar Östgaard
- 3.3.2. Johan Galtung und Mari Holmboe Ruge
- 3.3.2.1. Der Nachrichtenfaktorenkatalog von Galtung und Ruge.
- 3.3.2.2. Die fünf Hypothesen über das Zusammenwirken der Nachrichtenfaktoren
- 3.3.2.3. Die Überprüfung der Komplementaritätshypothese: Vier Feststellungen..\n
- 3.3.3. Folgestudien und Akzeptanz...\n
- 4. Kritiker der Nachrichtenwert-Theorie und Anfänge einer Verbesserung.
- 4.1. Winfried Schulz.........
- 4.2. Karl Erik Rosengren
- 5. Forschungsteil: Wie wurde der Fußballwettbetrugsskandal zum Medienthema?
- 5.1. Die Erfüllung der Nachrichtenfaktoren nach Galtung und Ruge
- 5.2. Die Einbindung des Ereignisses in einen Gesamtkontext..\n
- 5.3. Weitere Einflüsse auf die Berichterstattung der Medien……………………...\n
- 6. Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Nachrichtenwert-Theorie, einem Modell journalistischer Selektionsentscheidungen. Ziel ist es, die Entwicklung und die zentralen Elemente der Theorie darzustellen, sowie ihre Relevanz für die aktuelle Medienlandschaft zu untersuchen.
- Die Notwendigkeit der Nachrichtenauswahl in Zeiten des Medienüberangebots
- Die Abgrenzung der Nachrichtenwert-Theorie von anderen Forschungstraditionen wie der Gatekeeper-Forschung und der News-Bias-Forschung
- Die Entwicklung der Nachrichtenwert-Theorie in Amerika und Europa, insbesondere die Beiträge von Walter Lippmann, Einar Östgaard und Johan Galtung/Mari Holmboe Ruge
- Die kritische Auseinandersetzung mit der Nachrichtenwert-Theorie durch Autoren wie Winfried Schulz und Karl Erik Rosengren
- Die Anwendung der Nachrichtenwert-Theorie auf ein aktuelles Ereignis, den Fußballschiedsrichter-Wettskandal
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den Stellenwert der Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland und die Problematik des Medienüberangebots beleuchtet. Das zweite Kapitel widmet sich der Nachrichtenauswahl der Massenmedien und setzt die Nachrichtenwert-Theorie in Relation zu anderen Forschungstraditionen wie der Gatekeeper-Forschung und der News-Bias-Forschung. Im dritten Kapitel wird die Nachrichtenwert-Theorie ausführlich vorgestellt, wobei die Grundidee der Theorie von Walter Lippmann und ihre Weiterentwicklung in Amerika und Europa beleuchtet werden. Die Beiträge von Einar Östgaard und Johan Galtung/Mari Holmboe Ruge mit dem Nachrichtenfaktorenkatalog und den fünf Hypothesen über das Zusammenwirken der Faktoren werden im Detail dargestellt. Das vierte Kapitel thematisiert Kritikpunkte an der Nachrichtenwert-Theorie und Beiträge zur konzeptionellen Verbesserung. Im fünften Kapitel wird die Berichterstattung über den Fußballschiedsrichter-Wettskandal im Lichte der Nachrichtenwert-Theorie analysiert. Die Arbeit schließt mit einem Fazit, das die Gültigkeit der Nachrichtenwert-Theorie im Jahr 2005 diskutiert.
Schlüsselwörter
Nachrichtenwert-Theorie, Nachrichtenauswahl, Journalistische Selektionsentscheidungen, Gatekeeper-Forschung, News-Bias-Forschung, Walter Lippmann, Einar Östgaard, Johan Galtung, Mari Holmboe Ruge, Fußballschiedsrichter-Wettskandal, Medienlandschaft, Medienüberangebot.
- Quote paper
- Daniel Heuer (Author), 2005, Die Nachrichtenwert-Theorie - Ein Modell journalistischer Selektionsentscheidungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/37068