1. Einleitung
Adolf HITLER kritisierte beim Mittagessen am 11. Dezember 1939 im Tischgespräch mit Joseph GOEBBELS, dass es unter seiner Führerschaft noch nicht gelungen sei, einen wirklich nationalsozialistischen Film zu produzieren. Auch hätte sich noch kein Kinostreifen an eine völkisch gesinnte Auseinandersetzung mit den "jüdischen Bolschewiken" herangetraut (vgl. Kap. 4.1.3.).(2) GOEBBELS, der als Chef des für derlei Aufgaben zuständigen Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) da bemäkelt wurde, nahm sich den unwirschen Einwurf HITLERs beim Tischgespräch sehr zu Herzen. Er gab in den Folgewochen Produktions-Budgets für drei abendfüllende antisemitische Filme frei.(3) Zu einem der drei Auftragswerke hatte er wahrscheinlich selbst im Herbst 1939 die Idee entwickelt. GOEBBELS gab ein Drehbuch in Auftrag, das die Geschichte des historisch bezeugten jüdischen Geschäftsmannes Joseph Süß Oppenheimer am Hof des württembergischen Herzogtums bis zur Hinrichtung im Jahre 1738 erzählen sollte.
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1 Siehe dazu die Erinnerungen des bei diesem Mittagessen anwesenden ROSENBERG in Hans-Günther SERAPHIM (Hrsg.): Das politische Tagebuch Alfred Rosenbergs aus den Jahren 1934/35 und 1939/40. Göttingen: Musterschmidt Verlag 1956 = Quellensammlung zur Kulturgeschichte; 8], S. 110f.
2 Es sollten drei antisemitische Propagandafilme werden. Die Rothschilds hatten am 17.7.1940, Jud Süß am 24.9.1940 beides historische Spielfilme) und Der ewige Jude am 28.11.1940 (ein Pseudo-Dokumentarfilm) die deutsche Kino-Premiere. Siehe Dorothea OLLSTEIN: Antisemitische Filmpropaganda. Die Darstellung des Juden im nationalsozialistischen Spielfilm.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- HARLANS dramaturgische Herangehensweise an die Neuverfilmung des historischen Stoffes Jud Süß
- Erster Schritt zur antisemitischen Propgagandawirkung des NS-Films Jud Süß: Der Einsatz von Geschichtsverfälschungen unter dem Deckmantel der historischen Authentizität
- Geschichtsverfälschende Sequenzen und Inhaltsbausteine der Inszenierung
- Vergleich zwischen den historischen und kinematographisch inszenierten Anklagepunkten im Prozess
- Klimax der Geschichtsverfälschungen: die Vergewaltigung und ihre Behandlung im Prozess
- Die propagandistische Funktion des Film-Prozesses
- Zweiter Schritt zum 'Propagandafilm' Jud Süß (1940): die Aktivierung antisemitischer Stereotypen in den jüdischen Figuren zum Ziel der Herstellung eines "ambivalenten Feindbildes"
- Die Stereotypen im einzelnen
- Die jüdische Weltverschwörung – Süß als skrupelloser Geld- und Machtmensch
- Blaubarts arische Frau - Süß als Frauenheld und "Rassenschänder"
- Alle Kommunisten sind Juden – Süß als "vaterlandsloser Geselle"
- Nosferatu Süß – Der Mann der 1.000 Masken
- Mephistopheles - Der teuflische Jude
- Jud Süß - der ambivalente Charakter als propagandistisches Stilmittel?
- Die Stereotypen im einzelnen
- Schlussfolgerungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die antisemitische Propaganda im NS-Film "Jud Süß" (1940) von Veit Harlan. Das Hauptziel ist es, aufzuzeigen, welche Mittel der Geschichtsverfälschung und der Stereotypisierung eingesetzt wurden, um ein negatives Bild der jüdischen Bevölkerung zu konstruieren und zu verbreiten. Die Arbeit untersucht, wie historische Fakten manipuliert und antisemitische Klischees aktiviert wurden, um ein langanhaltendes, triviales Geschichtsbild zu schaffen.
- Analyse der Geschichtsverfälschungen im Film "Jud Süß"
- Aktivierung antisemitischer Stereotype in der Figurenzeichnung
- Die propagandistische Funktion des Films und seiner Ambivalenz
- Konstruktion eines ambivalenten Feindbildes
- Die Wirkung der Propaganda auf das Publikum
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung erläutert den historischen Kontext der Entstehung des Films "Jud Süß" im nationalsozialistischen Deutschland. Sie beschreibt Hitlers Kritik an der fehlenden nationalsozialistischen Filmpropaganda und die daraufhin initiierte Produktion von drei antisemitischen Filmen, darunter "Jud Süß". Der Fokus liegt auf der methodischen Herangehensweise der Arbeit, die sich auf die inhaltliche Analyse der antisemitischen Propaganda konzentriert und die Fragestellung formuliert, welche Mittel der Geschichtsverfälschung und Stereotypisierung eingesetzt wurden.
HARLANS dramaturgische Herangehensweise an die Neuverfilmung des historischen Stoffes Jud Süß: Dieses Kapitel untersucht die filmische Umsetzung des historischen Stoffes um Joseph Süß Oppenheimer. Es analysiert die dramaturgischen Entscheidungen Harlans und deren Bedeutung für die propagandistische Wirkung des Films. Die Analyse der Inszenierung deckt auf, wie die Handlung manipuliert wurde, um eine antisemitische Botschaft zu vermitteln.
Erster Schritt zur antisemitischen Propgagandawirkung des NS-Films Jud Süß: Der Einsatz von Geschichtsverfälschungen unter dem Deckmantel der historischen Authentizität: Dieses Kapitel befasst sich detailliert mit den Geschichtsverfälschungen im Film. Es werden konkrete Beispiele analysiert, in denen historische Fakten verändert oder weggelassen wurden, um ein negatives Bild von Süß und den Juden zu erzeugen. Der Fokus liegt auf dem Vergleich zwischen den historischen Ereignissen und deren kinematographischer Darstellung, besonders im Hinblick auf den Prozess gegen Süß. Die Vergewaltigungsszene wird als Höhepunkt der Geschichtsverfälschung identifiziert und auf ihre propagandistische Funktion hin untersucht.
Zweiter Schritt zum 'Propagandafilm' Jud Süß (1940): die Aktivierung antisemitischer Stereotypen in den jüdischen Figuren zum Ziel der Herstellung eines "ambivalenten Feindbildes": Dieses Kapitel analysiert die Charakterisierung der jüdischen Figuren im Film, insbesondere die Figur des Joseph Süß Oppenheimer. Es untersucht die Verwendung antisemitischer Stereotype und deren Beitrag zur Konstruktion eines ambivalenten Feindbildes, das sowohl Faszination als auch Abscheu hervorrufen sollte. Die einzelnen Stereotype werden analysiert und in ihrer Funktion im Kontext des Gesamtfilms eingeordnet. Die Ambivalenz der Figur wird als propagandistisches Mittel interpretiert, das die Wirkung des Films verstärken sollte.
Schlüsselwörter
Jud Süß, Veit Harlan, NS-Propaganda, Antisemitismus, Geschichtsverfälschung, Stereotypisierung, Feindbild, Propagandafilm, Melodram, Ambivalenz, historische Authentizität, Joseph Süß Oppenheimer.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu "Analyse der antisemitischen Propaganda im NS-Film 'Jud Süß'"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die antisemitische Propaganda im nationalsozialistischen Film "Jud Süß" (1940) von Veit Harlan. Sie untersucht, wie Geschichtsverfälschung und die Aktivierung antisemitischer Stereotype eingesetzt wurden, um ein negatives Bild der jüdischen Bevölkerung zu konstruieren und zu verbreiten.
Welche Methoden werden in der Analyse verwendet?
Die Arbeit konzentriert sich auf eine inhaltliche Analyse des Films. Sie vergleicht historische Fakten mit ihrer filmischen Darstellung und analysiert die Charakterisierung der jüdischen Figuren, insbesondere Joseph Süß Oppenheimer. Die Analyse untersucht die Verwendung von Stereotypen und deren Beitrag zur Konstruktion eines ambivalenten Feindbildes.
Welche konkreten Aspekte des Films werden untersucht?
Die Analyse umfasst die dramaturgische Herangehensweise Harlans, die Geschichtsverfälschungen (z.B. im Prozess gegen Süß und der Vergewaltigungsszene), die Aktivierung antisemitischer Stereotype (z.B. "jüdische Weltverschwörung", "Rassenschänder", "vaterlandsloser Geselle"), und die Funktion der Ambivalenz der Hauptfigur als propagandistisches Mittel.
Welche Arten von Geschichtsverfälschungen werden im Film aufgezeigt?
Der Film verzerrt und manipuliert historische Fakten, um ein negatives Bild von Süß und den Juden zu erzeugen. Konkrete Beispiele werden analysiert und mit den tatsächlichen historischen Ereignissen verglichen. Die Vergewaltigungsszene wird als ein besonders drastisches Beispiel für Geschichtsverfälschung identifiziert.
Welche antisemitischen Stereotype werden im Film verwendet?
Der Film bedient sich verschiedener antisemitischer Stereotype, wie z.B. die jüdische Weltverschwörung, Süß als skrupelloser Geld- und Machtmensch, als Frauenheld und "Rassenschänder", als "vaterlandsloser Geselle", als Figur mit vielen Masken ("Nosferatu Süß") und als teuflischer Charakter ("Mephistopheles").
Welche Rolle spielt die Ambivalenz der Figur Süß in der Propaganda?
Die ambivalente Darstellung Süß' – sowohl faszinierend als auch abstoßend – wird als ein bewusstes propagandistisches Stilmittel interpretiert, das die Wirkung des Films verstärkt und ein breiteres Publikum ansprechen sollte.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel über Harlans dramaturgische Herangehensweise, ein Kapitel über die Geschichtsverfälschungen, ein Kapitel über die Aktivierung antisemitischer Stereotype, und eine Schlussfolgerung. Jedes Kapitel behandelt spezifische Aspekte der antisemitischen Propaganda im Film.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Jud Süß, Veit Harlan, NS-Propaganda, Antisemitismus, Geschichtsverfälschung, Stereotypisierung, Feindbild, Propagandafilm, Melodram, Ambivalenz, historische Authentizität, Joseph Süß Oppenheimer.
Welches ist das Hauptziel der Arbeit?
Das Hauptziel ist es, aufzuzeigen, welche Mittel der Geschichtsverfälschung und der Stereotypisierung im Film "Jud Süß" eingesetzt wurden, um ein negatives Bild der jüdischen Bevölkerung zu konstruieren und zu verbreiten, und die langfristige Wirkung dieser Propaganda zu beleuchten.
Für wen ist diese Arbeit bestimmt?
Diese Arbeit ist für akademische Zwecke bestimmt und dient der Analyse von Themen im Zusammenhang mit Antisemitismus, Geschichtsverfälschung und nationalsozialistischer Propaganda im Film.
- Arbeit zitieren
- Stephan Schmauder (Autor:in), 2000, Wo der Jud sein säuisches Wesen will treiben ... : Inhaltliche Gestaltung der antisemitischen Propagandamaßnahmen im NS-Film Jud Süß (1940)., München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/3644