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Hausarbeit (Hauptseminar), 2003
32 Seiten, Note: 1,0
I. Einleitung
II. Die neuen indigenen Bewegungen in Bolivien: Zwischen Konfrontation, Kooperation und interner Fragmentierung
1. Das Verhältnis des Staates zu den indigen Bevölkerungsgruppen nach der Revolution von 1952
1.1. Vereinnahmung durch das MNR und das Militär
1.2. Entstehung des Katarismo: Das Manifest von Tiwanaku 1973
1.3. Die Gründung der Campesinogewerkschaft CSUTCB
2. Die indigenen Bewegungen des Hochlandes: Zwischen Konfrontation und Pragmatismus
2.1. Die Rolle der Campesinogewerkschaft CSUTCB
2.2. Diskrepanz zwischen Führung und Basis
2.3. Die Rolle indigener Parteien
2.3.1. Die Rolle der CONDEPA
2.4. Neue Bewegungen indigener Gruppen im Hochland
3. Ruf nach dem Staat als Protektor: Die indigenen Bewegungen des Tieflandes und ihre Forderung nach Tierra und Dignidad
3.1. Die Gründung des Dachverbandes CIDOB
3.2. Der Marsch für Territorium und Würde nach La Paz
3.3. Die Rolle des 500. Jahrestages der Eroberung Amerikas
4. Eine Sonderform indigener Bewegungen: Die Cocaleros des Chapare
4.1. Konsequenzen des unregulierten Vordringens des Kokaanbaus
4.2. Ethnizität und kulturelle Eigenheiten als Instrumente zur Durchsetzung ökonomischer Interessen
5. Die Reaktion des Staates
5.1. Die Vizepräsidentschaft von Victor Hugo Cárdenas
5.2. Das Ley de Participación Popular
5.2.1. Die Bedeutung des LPP für die indigenen Völker
5.2.2. Allgemeine Kritik am LPP
5.2.3. Die Reaktion der indigenen Gruppen: Zwischen Konfrontation und Zustimmung
III. Fazit und Schlußbetrachtung
IV. Literaturverzeichnis
Der erste Artikel der bolivianischen Verfassung besagt, dass Bolivien ein freier, unabhängiger und souveräner, multiethnischer und plurikultureller in einer unitarischen Republik konstituierter Staat ist, der verkörpert durch seine Regierung die Form der repräsentativen Demokratie hat, gegründet auf der Einheit und Solidarität aller Bolivianer. Diese Definition als plurikultureller und multiethnischer Staat in der Verfassungsreform von 1994 verdeutlicht in welchem Transformationsprozess sich die bolivianische Gesellschaft befindet. Das bis dahin verfochtene Konzept der mestizaje wurde aufgegeben und durch die Verfassungsänderung die Grundlage für Sonder- und Landrechte der indigenen Bevölkerung geschaffen. Die mestizaje galt lange Zeit als das unumstrittene Konzept der homogenen, einheitlichen Nation. Der Traum vom idealtypischen mestizischen „indoamerikanischen Menschen“ hat eine lange Tradition in Lateinamerika und diente in der Regel dazu, indigenen Völkern ihre kulturelle Eigenständigkeit abzusprechen und die eigene weiße Herrschaft zu legitimieren. Wie kam es nun dazu, dass sich in den Ländern mit einem hohem Anteil indigener Bevölkerung in Lateinamerika seit Anfang der achtziger Jahre ein tiefgreifender gesellschaftlicher Wandel vollzog und indigene Gruppen das neue politische Subjekt in zahlreichen Staaten Lateinamerikas wurden?
Hierzu müssen sowohl Ursachen auf der Makro- als auch auf der Mikroebene berücksichtigt werden. Das Ende der Militärdiktaturen in der Mehrzahl der Staaten Lateinamerikas, erhöhte internationale Aufmerksamkeit nach dem Ende des Ost-West-Konflikts und die gewachsene Bedeutung des Umweltschutzes, der immer stärker werdende Druck der Gesellschaften auf die herrschenden Eliten, die Artikulation des Wunsches nach mehr Partizipation und die kritische Bestandsaufnahme von Geschichte und Gegenwart anlässlich des Gedenkens an die Eroberung vor 500 Jahren im Jahre 1992 schufen die Möglichkeit, dass die Organisationen der indigenen Völker als Art Interessengruppen ihre Forderungen nach einem Ende von Marginalisierung und Ausschluss medienwirksam artikulieren konnten[1]. Hinzu kamen durch die Einführung neoliberaler Wirtschaftsreformen in mehreren Staaten Lateinamerikas dramatische Verschlechterungen für die indigene Bevölkerung im sozialen Bereich, die die Regierungen durch die Anerkennung von speziellen Rechten abzumildern versuchte. In diesem Kontext ist die Entwicklung einer immer weiter zunehmenden Globalisierung und damit einhergehend einer Verwestlichung zweifellos ein Faktor, der zu einer Renaissance der indigenen Traditionen geführt hat. Die Angst vor einer Überfremdung des Landes mit ausländischen Wertorientierungen und auch die Verfestigung der politischen und kulturellen Vorherrschaft der Weißen und Mestizen mittels einer Modernisierung, die von der Privatwirtschaft dominiert wird, haben mit dazu beigetragen, dass indigene Bewegungen in Lateinamerika in den letzten Jahren unüberhörbar ihre Rechte einklagen, sich dabei zur Erweiterung der Öffentlichkeit gerade auch jener Kommunikationsmittel bedienen, die die Globalisierung hervorgebracht hat.[2]
Im Fall Boliviens ist seit dem Ende der Militärdiktaturen 1982 eine verstärkte Eigenständigkeit und Eigendynamik der indigenen Bewegungen zu beobachten. Seit der Revolution von 1952 waren sie von den herrschenden Eliten durch Assimilierung oder spezielle Bündnisse wie den pacto militar-campesino an einer eigenständigen Interessenvertretung gehindert worden. Mit der Kataristenbewegung zu Beginn der siebziger Jahre, der Gründung der Bauerngewerkschaft CSUTCB (Confederácion Sindical Única de Trabajadores Campesinos de Bolivia) 1979, der Entstehung indigene Interessen in den Vordergrund stellender Parteien wie der CONDEPA (Conciencia de Patria) und schließlich der verstärkten Artikulation der Forderungen nach Land und Rechten durch die indigenen Bewegungen des Tieflandes übten diese ethnischen Gruppen immer stärkeren Druck auf den Staat aus, teilweise begleitet von sozialen Unruhen. Die Antwort des Staates konnte in diesem Kontext nicht wie in der Vergangenheit aus einer Mischung von Ignoranz, symbolischer Rhetorik und minimalen Zugeständnissen bestehen, sondern musste einen tiefgreifenden Wandel in die Wege leiten. Personal drückte sich dies mit der Berufung des Ayamara Victor Hugo Cárdenas zum Vizepräsidenten 1993 aus. Auf der administrativen Ebene fand der gesellschaftliche Wandel seinen Ausdruck in der Absage an das Konzept der mestizaje, der Einführung des Ley de Particpación Popular zur Stärkung der lokalen Strukturen und Schaffung von mehr Partizipations- und Mitverantwortungsmöglichkeiten und in der Einführung eines mehrsprachigen Bildungssystems.
Im Folgenden ist nun aufzuzeigen, wie es konkret zum Entstehen der neuen indigenen Bewegungen Anfang der achtziger Jahre kam. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Vergleich der unterschiedlichen Ansätze der indigenen Bevölkerung des Hochlandes und der Amazonasregion. Weiteres Untersuchungskriterium ist der Sonderfall der Cocaleros, eine sich überwiegend aus indigenen Migranten des Hochlandes zusammensetzende soziale Bewegung, die Ethnizität und indigene kulturelle Eigenheiten zur Durchsetzung ökonomischer Interessen instrumentalisiert.
Bei der Untersuchung der unterschiedlichen indigenen Bewegungen ist besondere Aufmerksamkeit darauf zu legen, wie homogen oder heterogen die Gruppierungen untereinander sind, in welchem zeitlichen Rahmen und aus welchen Ursachen heraus sich ihre Dynamisierung entwickelt hat und wie die unterschiedlichen ethnischen Bewegungen voneinander profitiert haben.
Das Entstehen der neuen indigenen Bewegungen in Bolivien kann nicht allein mit dem Auftreten charismatischer Führer, den verbesserten Bildungsmöglichkeiten und erhöhter Repression erklärt werden. Evident ist, dass ab den 70er Jahren das Modell der Integration in eine homogene Nation nicht mehr akzeptiert wurde, die Assimilierungstendenzen durch die staatliche Führung immer mehr in Frage gestellt wurden und eigene historische Anknüpfungspunkte wie die kolonialen Aufstände unter Tupac Katari als Vorbild für neue Handlungsmuster dienten. Dabei wurde anders als in Peru oder Ecuador im Hochland[3] der Resonanzboden für das Entstehen der indigenen Bewegung des Tieflandes[4] geschaffen. Gegenüber dem Hochland zeichnet sich diese Bewegung jedoch durch eine größere Homogenität und das Erreichen einer breiteren internationalen Öffentlichkeit aus, hervorgerufen durch die Verbindung zu ökologischen Kernproblemen, wie der Rodung des amazonischen Regenwaldes. Für das Entstehen der neuen indigenen Bewegungen lassen sich nicht nur für Bolivien, sondern auch allgemein für Lateinamerika drei Hauptgründe festhalten:
1. Die Entwicklung der Bildung und die Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten zur Weitergabe von Informationen. Dadurch konnte die „indigene Welt“ aus ihrer Isolation heraustreten und den eigenen Horizont erweitern. Dadurch war es möglich, dass sich eine intellektuelle indigene Elite herausbildete, die der staatlichen Führung auf gleicher Augenhöhe gegenübertreten konnte. In Bolivien wird dies insbesondere in der Entstehung des Katarismo deutlich.
2. Der wachsende Einfluss von Akteuren, die von außerhalb kommen und in verschiedenen Formen Einfluss auf die comunidades nehmen. Dadurch wird von außen ein Diskurs über Menschenrechte im allgemeinen und politische Rechte im speziellen, Ethnizität, Bedeutung der eigenen Werte und der Kultur sowie über das Verhältnis zum Staat initiiert. Solche Akteure sind Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, Anthropologen und religiöse Missionare.[5]
3. Die internationale Entwicklung mit der Verteidigung und Unterstützung der autochtonen Bevölkerung und die schnelle Verbreitung der Bedeutung durch die Anerkennung internationaler Rechte. Die Präsenz indigener Vertreter in internationalen Arbeitsgruppen, allen voran in der UNO, die Unterstützung von Entwicklungsprojekten und der starke Einfluss von NRO (Nichtregierungsorganisationen) haben auch in Bolivien dazu geführt, dass die Regierungen in einer immer globalisierteren Welt die Anliegen der indigen Bevölkerung nicht mehr ignorieren können ohne internationalem Druck ausgeliefert zu sein.[6]
Im weiteren Verlauf ist zu analysieren, warum die indigenen Bewegungen entstanden, wie sie ihre Forderungen versuchten durchzusetzen, welche Unterschiede es zwischen den Bewegungen des Hoch- und des Tieflandes gibt und wie der Staat auf den zunehmenden Druck von „unten“ reagiert hat.
Die einschneidenden Veränderungen, die die Revolution von 1952 brachten, haben ihren Ursprung in dem nationalen Trauma der Niederlage im Chaco-Krieg von 1932-35. Während in Ländern mit einer ähnlichen Bevölkerungsstruktur wie zum Beispiel in Peru durch den Diskurs des Indigenismo[7] seit Anfang des 20. Jahrhunderts versucht wurde, der Marginalisierung und Diskriminierung der indigenen Bevölkerung entgegenzuwirken, wurde in Bolivien die Herrschaft der kreolischen Elite teilweise als so willkürlich empfunden, dass die indigene Bevölkerung eine Rückkehr zu den kolonialen Verhältnissen verlangte.[8] Lange Zeit wurde der „Indio“ in Bolivien nur als Barbarisches Wesen angesehen.[9] Erst mit der tiefen Depression des Chaco-Krieges wurde deutlich, durch welche gravierenden sozialen, gesellschaftlichen und ethnischen Unterschiede die bolivianische Gesellschaft fragmentiert ist.
„Die Mittelklasse sah sich mit einem Mal von Angesicht zu Angesicht der
indianischen Bevölkerungsmehrheit der Quechua und Ayamara gegenüber,
die keine Ahnung hatten, für wen sie überhaupt gekämpft hatten.“[10]
Die Niederlage gegen das arme und unterentwickelte aber ethnisch homogenere Paraguay wurde wie auch schon im Salpeterkrieg 1879/80 gegen Chile vor allem der Tatsache zugeschrieben, dass die indigenen Soldaten des Hochlandes keinerlei patriotische Begeisterung gezeigt hätten.[11]
Erstmals wurde in der Öffentlichkeit die fehlende Bindung der indigenen Bevölkerung zum Staat thematisiert. 1945 richtete die Regierung des damaligen Präsidenten Gualberto Villaroel unter der Beteiligung der späteren Revolutionspartei MNR (Movimiento Nacional Revolutionario) den ersten Kongress für indigene Angelegenheiten aus, wo der pongueaja, ein System unentlohnter indigener Zwangsarbeit, von dem die Hacienda-Besitzer bis dahin profitiert hatten, abgeschafft wurde.
Die Revolution von 1952 brachte für die indigene Bevölkerung[12] zunächst das Ende der Demokratie des Ausschlusses. Die Wählerschaft vergrößerte sich von 130 000 (1951) auf 960 000 (1956)[13] Die weitreichendste Reform wurde im August 1953 durchgeführt, als durch die Agrarreform fast 200 000 Bolivianer in den Wirtschaftsprozess eingegliedert und feudale Strukturen abgeschafft wurden. Hinzu kam eine Bildungsreform 1955, die eine fundamentale Wende hin zur Anerkennung des Grundrechts auf Bildung war, das bis dahin durch die Idee spezieller Erziehungsformen für die indigene Bevölkerung eingeschränkt und in diskriminierender Weise durchgesetzt worden war.[14]
Eine besondere Intention der Bildungsreform war dabei auch die Wandlung des Indios zum Mestizen, durch den Bau von Schulen im ganzen Land sollte ein „neuer Bolivianer“ geschaffen werden, um eine homogene nationale Identität zu schaffen.[15] Das Indigene und die speziellen ökonomischen Arbeitsweisen der indigenen Bevölkerung wurden zunehmend als Fremdkörper und Fortschrittshindernis empfunden, das einer Integration in die Weltwirtschaft und einem an Europa und Nordamerika angelehnten gesellschaftlichem Umbau hinderlich war.
Mit der Revolution wurde Rassenmischung gemäß eines bis zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden Rassismus des Ausschlusses nicht mehr verurteilt, sondern die mestizische Ideologie setzte sich als führendes Nationenkonzept durch. Nicht im Verlauf der Unabhängigkeitsbewegung wurde somit die Rassenmischung in Bolivien positiv bewertet, sondern erst 130 Jahre später.[16]
Das neue Nationenkonzept manifestierte sich in folgendem Satz der Verfassung: La Nación es única y homogenea.[17]
Die Revolution war bestrebt, einen einheitlichen Typus von Staatsbürger zu schaffen, der durch Assimilierung auch die Integration der bis dahin außerhalb des Staates stehenden indigenen Bevölkerung vorsah. Alle Bolivianer sollten rechtlich freie, nationalistisch denkende Mischlinge werden, die sich gleichermaßen von der herrschenden weißen Oberschicht und ihrem unterdrückenden Habitus und von der Rückständigkeit der indigenen Bauerngemeinschaften distanzierten.[18]
Für die indigene Bevölkerung waren die Veränderungen so elementar und evident, dass sich für die nächsten Jahre eine enge Verbindung zu der Revolutionspartei MNR ergab. Als ihr Verdienst wurde das Ende der völligen Stigmatisierung und der Pression durch offenen Rassismus angesehen. Ein Zeichen für das gewachsenes Selbstbewusstsein der indigenen Bevölkerung war die zunehmende Verdrängung des Begriffs Indio durch den Begriff Campesino. An die Stelle einer rein ethnischen trat die ihrer Stellung im Produktionsprozess angemessene Bezeichnung.[19]
„Diese Betonung der sozio-ökonomischen Faktoren gegenüber der ethnischen passte
darüber hinaus besser zu der mestizischen Identität der Nation.“[20]
Jedoch ist hier die Frage, ob man die eigene Identität bisher eher als Makel empfunden hatte und zunächst das Konzept der Mestizaje rückhaltlos unterstütze, um aktiv an dem Aufbau der bolivianischen Nation zu partizipieren. Die ersten Wahlen nach der Revolution auf Grundlage des allgemeinen Wahlrechts signalisierten auch die massive Zustimmung der indigenen Bevölkerungsgruppen zu den Reformen. Hernando Siles Zuazo erlangte als Kandidat des MNR 1956 82 % der Stimmen.[21]
Die Revolution öffnete, wenn auch zunächst nur einen kleinen Raum für politische Aktivitäten der indigenen Bevölkerung, die nach-revolutionäre Phase kann daher als erste Phase eines modernen indigenen Nationalismus angesehen werden.[22] Die enge Verknüpfung der communidades auf dem Land mit dem MNR-Parteiapparat und der 1965 von General René Barrientos mit der überwiegend indigenen Landbevölkerung geschlossene Pacto Miltar-Campesino, der mit Unterbrechung bis zum Ende der Diktatur von General Hugo Banzer 1978 gültig war, sollten eine möglichst konfliktfreie Assimilierung der indigenen Bevölkerung gewährleisten. Dies war besonders in der Zeit der Militärdiktatur wichtig, wenn man die Unruhen in dem Minensektor betrachtet oder den Versuch eines Aufbaus von Guerillaaktivitäten durch Che Guevara.[23] Gerade weil die Unterdrückung, vor allem auch auf dem ökonomischen Sektor nun subtilere Maßnahmen fand, widerstrebten schon damals einige indigene Gruppen den Assimilierungsversuchen durch den Staat. Für die zwei Jahrzehnte nach der Revolution waren die PIB (Partido Indio de Bolivia) und ihr Führer Fausto Reinaga die Spitze der indigenen Bewegungen in Bolivien, die aber relativ erfolglos blieb, hervorgerufen durch die staatliche Kontrolle der indigenen Bevölkerung.[24]
[...]
[1] In diesem Zusammenhang sind nur einige maßgebliche Entwicklungen zu nennen: Die Gründung der COICA, der Vertretung der indigenen Gemeinschaften Amazoniens 1984, die initiiert wurde, um zu den Sitzungen der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen legitimierte indigene Vertreter entsenden zu können. Auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro wurden die indigenen Völker mit der von 178 Staaten verabschiedeten Agenda 21 als Partner im Umweltschutz anerkannt. In den USA wurden 1991 vom Repräsentantenhaus der International Indigenous Peoples Act und vom Senat der Pan-American Cultural Survival Act vorgelegt. Am 19.6.1991 erkannten zudem Spanien, Portugal und 19 Staaten Lateinamerikas in der Erklärung von Guadalajara das Recht der indigenen Völker auf ihre Entwicklung und die Pluralität der Gesellschaften an. Vgl. dazu: Blum, Volker: Hybridisierung von unten – Nation und Gesellschaft im mittleren Andenraum, Münster 2001, S.165.
[2] In Bezug auf Bolivien ist ein Beispiel von vielen der Internetauftritt www.ayamaranet.org.
[3] Der Großteil der indigenen Gruppen Boliviens lebt im Hochland in nicht geschlossenen Siedlungsräumen. Zahlenmäßig gliedern sich die wichtigsten Gruppen des Hochlandes wie folgt auf: Quechuas 2 310 000 und Ayamara 1 640 000. Insgesamt wird die indigene Hochlandbevölkerung mit 3 952 150 angegeben. Zitiert nach: Barié, Cletus Gregor: pueblos indígenas y derechos constitucionales en América Latina: un panorama, México D.F. 2000, S. 143.
[4] Die Ethnien des bolivianischen Tieflandes leben in geschlossenen Siedlungsräumen, allerdings in weitaus kleineren Gruppen. Die 41 Ethnien werden zusammen auf 190 037 beziffert. Zitiert nach Barié, Cletus Gregor, S.143.
[5] Der Aspekt des Einflusses religiöser Missionare soll in dieser Arbeit unberücksichtigt bleiben, eine interessante Untersuchung zu diesem Thema bietet aber der Aufsatz von Andrew Canessa: Contesting Hybridity: Evangelistas and Kataristas in Highland Bolivia, in: Journal of Latin American Studies 32 (2000), S. 115-144.
[6] vgl zu diesen Punkten: Gros, Christian: El movimiento indígena: del nacional-populismo al neoliberalismo, in: König, Hans-Joachim: El indio como sujeto y objeto de la historia latinoamericana, Frankfurt/Main 1998, S. 183- 205 , S. 186f.
[7] Das zentrale Element des Indigenismo in Peru von 1909-1920 war die Verteidigung der Rechte der indígenas, teilweise einhergehend mit Unterstützung indigener Landbesetzungen. Vg. Dazu Blum, S.92.
[8] Blum, S.190.
[9] 1896-99 nahmen Indigenas als Hilfstruppen der Liberalen am Föderalen Krieg teil. Das Resultat war der Sieg der liberalen Truppen, La Paz wurde nomineller Regierungssitz und die indianischen Gruppen erhielten in Folge dessen eine partielle lokale Selbstverwaltung, durchaus vergleichbar mit der kolonialen República de Indios. Der Preis dafür war ein wütender exklusiver Rassismus der kreolischen Eliten. Die Prozesse von Mohoza von 1901-1904, in denen Indios ein Massaker an weißen Soldaten berechtigterweise und evtl. unberechtigterweise die Ausrufung eines Rassenkrieges nachgewiesen wurde, prägten in der kreolischen und mestizischen Öffentlichkeit das Bild vom wilden, menschenfressenden, kriminellen und gefährlichen Indio. Blum, S. 190.
[10] Gisbert Mesa, Carlos D.: Bolivien im 20. Jahrhundert – Eine historische Annäherung,, S. 355, in Sevilla, Rafael und Benavides, Ariel: Bolivien, Das verkannte Land?, Bad Honnef , 2001.
[11] Büschges, Christian und Potthast, Barbara: Vom Kolonialstaat zum Vielvölkerstaat, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, Jg. 52, Heft 10, 2001, S.613.
[12].Zu diesem Zeitpunkt waren von den 3 Mio. Bolivianern 65 % Ayamaras und Quechuas.
[13] Frauen und Analphabeten erhielten das Wahlrecht, eine Einbeziehung aller in das politische Geschehen sollte stattfinden. Weitere wegweisende Reform war die Enteignung der Zinnbarone wie Patino, Araramayo und Hochschildt, um die totale Kontrolle der Wirtschaft zu erlangen. Durch die Verstaatlichung der Minen gehen 80 % der Exportgewinne und alle Bodenschätze in Staatsbesitz über.
[14] Gisbert Mesa, Carlos D, S. 360.
[15] “It was the role of schools to turn indios into mestizos.” Vgl. dazu Canessa, Andrew: Contesting Hybridity: Evangelistas and Kataristas in Highland Bolivia, in: Journal of Latin American Studies 32 (2000), S. 115-144, S.122.
[16] Blum, S. 90.
[17] Ebd. S. 95.
[18] Mansilla, Hugo C. Felippe: Zwischen traditionellen partikularistischen Werten und modernenuniversalistischen Zwängen. Die Herausbildung der Nationalidentität Boliviens im Zeitalter der Globalisierung, in: Journal für Entwicklungspolitik 15, Frankfurt/Main 1999, S. 217-233, S.226.
[19] Goedeking, Ulrich: Bolivien: Zwei Versionen derselben Geschichte, in: Entwicklungspolitische Korrespondenz Jahrgang 20, Ausgabe 5-6, Frankfurt/Main 1988, S. 11-14, S. 13.
[20] Büschges, Christian und Potthast, Barbara, S. 615.
[21] Gisbert Mesa, Carlos D., S.361.
[22] Canessa, Andrew, S.123.
[23] Am 21. Juni 1976 kam es im Minenrevier von Llallagua zu dem Johannisnacht-Massaker, bei dem Militäreinheiten 27 Bergarbeiter erschossen, weil sie eine angeblich Kooperation mit der Guerilla von Che Guevara planten, die jedoch mehrere Hundert Kilometer entfernt in der Region von Vallegrande operierte.
[24] Vgl. dazu Canessa, Andrew, S. 123. Die PIB propagierte einen starken anti-westlichen und anti-christlichen Diskurs, sie traten für die Ausrottung der Weißen und Mestizen ein.