Die Soziologie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Phänomen des abweichenden Verhaltens und hat verschiedene Modelle und Theorien hierzu entwickelt. Eine viel diskutierte Theorie stellt hierbei die Subkulturtheorie dar, welche in dieser Hausarbeit am Beispiel der Ultrakultur im deutschen Fußball untersucht werden soll. Dieser bietet sich aufgrund seiner medialen Präsenz und des hohen gesellschaftlichen Stellenwertes hervorragend für eine nähere Betrachtung an, denn beim Fußball sind diese Subkulturen nicht nur sehr präsent, sondern auch oft prägend für große Vereine, da sie zum Beispiel Machtstrukturen ändern wollen oder durch ihre Unterstützung zum Erfolg beitragen. Inwiefern dies zum abweichenden Verhalten von Subkulturen passt, gilt es zu klären.
Zunächst stellt sich die Frage, was überhaupt unter dem Begriff "Subkultur" zu verstehen ist und wie genau er sich definieren lässt. Weiterhin wird die Subkulturtheorie, die maßgeblich von Albert K. Cohen geprägt wurde, diskutiert, um eine Basis für die Subkultur der Ultras zu legen. Als zentrale Erscheinung werden außerdem die Ultras vorgestellt und die Entwicklung der Ultraszene in Deutschland aufgezeigt, um den Stellenwert dieser Gruppierungen unter Fußballfans zu prüfen.
Für die genaue Untersuchung der Ultras muss ferner festgestellt werden, ob es sich bei der Ultrakultur überhaupt um eine Subkultur handelt. Abschließend wird die Subkulturtheorie auf die Ultrakultur im deutschen Fußball angewendet, um die Bedeutung der Theorie in der heutigen Praxis festzustellen und um zu erfahren, ob diese (eventuelle) Subkultur zusätzlich einer anderen Logik folgt. Auf Basis dessen soll zum Schluss eine Aussage über die Anwendbarkeit der Subkulturtheorie im Hinblick auf die Ultras getroffen werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Subkulturen
2.1 Definition des Begriffs Subkultur
2.2 Die Subkulturtheorie nach Cohen
2.2.1 Die konfliktorientierte Subkultur
2.2.2 Die Subkultur der Rauschgiftsüchtigen
3 Die Ultras – eine Fangruppierung im Fußball
3.1 Die Entwicklung der Ultraszene in Deutschland
3.2 Charakterisierung der Ultras
3.2.1 Die organisatorische Ebene
3.2.2 Die inhaltliche Ebene
3.2.3 Die strukturelle Ebene
3.3 Ultras – eine Subkultur?
4 Die Ultrasubkultur im Hinblick auf die Subkulturtheorie
4.1 Das Nutzen der Subkultur
4.2 Der Charakter der (Basis-)Subkultur
4.3 Die Eigenschaften der konfliktorientierten Subkultur
4.4 Die Eigenschaften der Subkultur der Rauschgiftsüchtigen
5 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
"Der von uns gewählte Gruppenname Deviants steht hierbei im Grunde genommen für unsere allgemein kritische Geisteshaltung. Das Wesen von devianten Personen ist die vom normalen, regulären und somit vom alltäglichen Einerlei abweichende Verhaltensweise. Diese Blickrichtung sehen wir als Fundament des Ultràgedankens an." (Deviants Münster, 2009). Mit diesen Worten beschreibt eine Fangruppierung von Preußen Münster ihre Namensfindung. Es macht den Eindruck, als sei abweichendes Verhalten ein fester sowie wesentlicher Bestandteil der Ultrakultur, bei der man unter Umständen von einer Subkultur sprechen kann.
Die Soziologie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Phänomen des abweichenden Verhaltens und hat verschiedene Modelle und Theorien hierzu entwickelt. Eine viel diskutierte Theorie stellt hierbei die Subkulturtheorie dar, welche in dieser Hausarbeit am Beispiel der Ultrakultur im deutschen Fußball untersucht werden soll. Dieser bietet sich aufgrund seiner medialen Präsenz und des hohen gesellschaftlichen Stellenwertes hervorragend für eine nähere Betrachtung an, denn beim Fußball wären diese Subkulturen nicht nur sehr präsent, sondern auch oft prägend für große Vereine, da sie zum Beispiel Machtstrukturen ändern wollen oder durch ihre Unterstützung zum Erfolg beitragen (vgl. Lehmkuhl & Witt, 2011). Inwiefern dies zum abweichenden Verhalten von Subkulturen passt, gilt es zu klären.
Zunächst stellt sich die Frage, was überhaupt unter dem Begriff "Subkultur" zu verstehen ist und wie genau er sich definieren lässt. Weiterhin wird die Subkulturtheorie, die maßgeblich von Albert K. Cohen geprägt wurde, diskutiert, um eine Basis für die Subkultur der Ultras zu legen. Als zentrale Erscheinung werden außerdem die Ultras vorgestellt und die Entwicklung der Ultraszene in Deutschland aufgezeigt, um den Stellenwert dieser Gruppierungen unter Fußballfans zu prüfen.
Für die genaue Untersuchung der Ultras muss ferner festgestellt werden, ob es sich bei der Ultrakultur überhaupt, um eine Subkultur handelt. Abschließend wird die Subkulturtheorie auf die Ultrakultur im deutschen Fußball angewendet, um die Bedeutung der Theorie in der heutigen Praxis festzustellen und um zu erfahren, ob diese (eventuelle) Subkultur zusätzlich einer anderen Logik folgt. Auf Basis dessen soll zum Schluss eine Aussage über die Anwendbarkeit der Subkulturtheorie im Hinblick auf die Ultras getroffen werden.
2 Die Subkulturen
Subkulturen scheinen in unserer Gesellschaft allgegenwertig zu sein: Seien es die Punks am Hauptbahnhof, Personen, die sich den verschiedenen Musikrichtungen verschrieben haben oder die Hipster, die durch besondere Mode auffallen wollen. Auch im Fußballstadion "kann keinesfalls von einer Fankultur gesprochen werden. Zu sehr haben sich inzwischen unterschiedliche Lager und Fanszenen differenziert [...]." (Schmidt-Lux, 2009, S. 58). Es macht den Eindruck, dass sich Subkulturen in allen gesellschaftlichen Teilbereichen etabliert haben. Doch was ist eine Subkultur eigentlich? Was macht sie aus und wie lässt sich der Begriff definieren? Um das Phänomen der Subkultur zu verstehen, müssen diese Fragen zunächst beantwortet werden.
2.1 Definition des Begriffs Subkultur
Bei einem Blick in die wissenschaftliche Literatur zum Begriff Subkultur fällt auf, dass es viele unterschiedliche Ansätze zur Definition gibt. Es wird sogar davon gesprochen, dass es sich bei dem Unterfangen um "eine bislang nicht bewältigte Herausforderung" (Sack, 1971, S. 261) handelt. Trotzdem sollen einige Ansätze hier dargelegt werden.
Sack greift zur Annäherung zunächst den "Mutterbegriff der Kultur" (1971, S. 262) auf: Um den Begriff zu der Subkultur zu verstehen, muss man zunächst die Kultur analysieren. Er geht davon aus, dass das Konzept der Kultur Ergebnis einer Konfrontation von westlichen mit fremden Gesellschaften ist, wobei durch die Begrifflichkeit der Kultur dem Neuen und Unbekannten eine Ordnung sowie Struktur zugeordnet werden kann. Es ist somit eine Art Schutz und grenzt das Gefühl von Bedrohung und Unberechenbarkeit ein. Diese Idee überträgt Sack nun auf die Subkultur, welche die gleichen Funktionen innerhalb einer Gesellschaft hat, wie die Kultur zwischen Gesellschaften. Ein Unterschied besteht nur darin, dass den Mitgliedern aus unterschiedlichen Gesellschaften andersartige kulturelle Kontexte zuzuordnen sind, wobei bei Mitgliedern einer Subkultur und der restlichen Gesellschaft eine "weitgehende kulturelle Identität" (Sack, 1971, S. 269) unterstellt werden kann (vgl. Sack, 1971, S. 262–269). Es wird deutlich, dass, laut Sack, Subkulturen dem abweichenden, andersartigen oder unbekannten Verhalten nahe stehen und dies in enger Verbindung mit der Definition durch den "normalen" Teil der Gesellschaft steht.
Neben der Außensicht durch die Gesellschaft spielt auch die Innensicht und die Selbstwahrnehmung der Subkultur eine wichtige Rolle. Schäfer sieht zunächst die Grundzüge von Subkulturen ähnlich. Er spricht jedoch das abweichende Verhalten etwas offensiver als "Gegenkultur, Alternativkultur" an, welche "bewusst und gewollt anders als die ‹offizielle› (hegemoniale) Kultur" (Schäfers, 2001, S. 144) ist. Der Begriff Subkultur wird auch mit dem Begriff der "gesellschaftlichen Teilkultur" (Schäfers, 2001, S. 144) gleichgesetzt. Es gibt jedoch Variationen in der Ausprägung dieser Teilkultur, die von einem Selbstverständnis als Teil der offiziellen Kultur bis hin zu einem bewussten und aggressiven Abspalten von dieser reichen. Schäfer schlägt folgende Ausdrucksmöglichkeiten zur Einordnung vor:
"[..] Inhalte und Stile, die teilweise oder völlig von der dominanten Kultur abweichen (Sprache, Kleidung, Körpersprache, Gewohnheiten, Verhaltensweisen, Anerkennung gesellschaftlicher Werte wie Eigentum, Leistung etc.);
[..] Größe der Gruppe;
[..] Aktions-Bereitschaft, […] Aggressivität;
[..] alters- und schichtspezifische Besonderheiten.".
An diesen Ausdrucksmöglichkeiten von Subkulturen wird deutlich, dass der Kulturbegriff bezüglich der Subkulturen, laut Schäfer, weiter zu fassen ist, als der "bürgerliche Kulturbegriff" (Schäfers, 2001, S. 145). In einer Subkultur umfasst er "die gesamte Lebensweise einer bestimmten Gruppe" (vgl. Schäfers, 2001, S. 144–145).
Diese beiden gewählten Auseinandersetzungen von Sack und Schäfer sind in keinem Fall ausreichend, um die Fülle an verschiedenen Ansätzen zur Definition des Begriffs Subkultur zu repräsentieren. Trotzdem sind sie hilfreich zwei zentrale Punkte für die vorliegende Hausarbeit zu illustrieren. Erstens, dass Subkulturen von außen betrachtet anders als der "Mainstream" der Gesellschaft zu sein scheinen und dass allein durch die Wahl des Begriffs eine Art Abgrenzung durch den Rest der Gesellschaft stattfindet. Genauso wichtig ist aber zweitens, dass die Mitglieder einer Subkultur das Selbstverständnis haben von Normen und Werten der Gesellschaft, in gewissem Maße, abzuweichen. So wird deutlich, dass das abweichende Verhalten nicht von der Gesellschaft forciert wird, sondern dass es Teil der Subkultur ist um sich abzugrenzen. Diese Feststellungen lassen sich passend durch eine der ersten Definitionen von Subkultur ergänzen, die Robert R. Bell veröffentlichte:
"Unter Teilkulturen verstehen wir relativ kohärente kulturelle Systeme, die innerhalb des Gesamtsystems unserer nationalen Kultur eine Welt für sich darstellen. Solche Subkulturen entwickeln strukturelle und funktionale Eigenheiten, die ihre Mitglieder in einem gewissen Grade von der übrigen Gesellschaft unterscheiden." (Bell, 1965, S. 83).
Um die Eigenheiten von Subkulturen besser zu verstehen und um diese Ansätze von einer Definition zu vervollständigen sowie mit Inhalt zu füllen, braucht es eine gänzliche Theorie. Daher wird im folgenden Abschnitt die Subkulturtheorie nach Cohen vorgestellt.
2.2 Die Subkulturtheorie nach Cohen
In seinem in Deutschland 1961 erschienenen Werk stellt sich Cohen dem Problem der Jugendverwahrlosung in den USA. Er geht davon aus, dass "das Phänomen der Jugendverwahrlosung alle Merkmale einer Gruppenkultur aufweise" und führt den Begriff "Kultur der Bande" (vgl. Cohen, 1961, S. 7) ein. Er erforscht die Jugendkriminalität und stellt fest, dass vor allem männliche Jugendliche aus der Unterschicht, die in Banden organisiert sind, Verbrechen begehen. Dies nimmt Cohen zum Anlass die Strukturbedingungen zu untersuchen, die für die Entstehung solcher Subkulturen verantwortlich sind. Grundlegend für seine Überlegungen ist die Annahme, dass ein Spannungszustand besteht, welcher zu Anpassungsproblemen führt. Vor allem der Status einer Person in der Gesellschaft steht im Mittelpunkt. Zum Beispiel kann es zu einer Frustration kommen, wenn Jugendliche aus der Unterschicht wahrnehmen, dass sie keinen höheren Status erreichen können. Der Spannungszustand lässt sich auf drei verschiedene Arten lösen. Zunächst können Personen versuchen an ihren statusorientierten Zielen festzuhalten und versuchen diese auf legale Weise zu erreichen. Eine zweite Möglichkeit besteht im Wechsel der Bezugsgruppe und eine damit verbundene Veränderung des Ziels. Falls es Personen mit ähnlichen Spannungszuständen gibt, können sich die Personen zusammenschließen. Bei dieser dritten Lösung kann, laut Cohen, eine Subkultur entstehen, die gemeinsame Normen und Werte sowie Verhaltensweisen entwickelt. Die Subkultur kann also eine kollektive Lösung für ein gemeinsames Problem darstellen (vgl. Lamnek, 2007, S. 157–159).
An diesen Gedanken anschließend ist es wichtig das Nutzen der Subkultur für die Mitglieder zu thematisieren. Cohen schlägt drei aussagekräftige Punkte vor. Zum einen können Subkulturen den Mitgliedern einen Status verleihen, den sie in der Hauptgesellschaft nicht erreichen würden. Weiterhin rechtfertigt die Subkultur Feindseligkeit und Aggression gegen die Personen, die dafür sorgen, dass die Selbstachtung der Mitglieder der Subkultur leidet. Letztlich werden so auch Angst- sowie Schuldgefühle verringert, da man die anderen Gruppenmitglieder als Bezugsgruppe nutzen kann (vgl. Lamnek, 2007, S. 161–162).
Durch die Überlegungen von Cohen wird deutlich, dass er die Entstehung von Subkulturen auf die unterschiedliche Lage von Personen in einer Gesellschaft zurückführt. Nun ist es weiterhin wichtig, wie sich die Personen, die sich in der Subkultur zusammenschließen, gegenüber der Gesellschaft verhalten. Cohen unterstellt der Subkultur hierbei einen negativistischen Charakter. Er führt das abweichende Verhalten der Gruppenmitglieder auf eine bewusste Verneinung der vorherrschenden Kultur und das Verbot der Handlungen zurück. Außerdem charakterisiert Cohen die Subkultur als nichtutilitaristisch. Dies bedeutet, dass die Gruppenmitglieder keinen Vorteil oder Nutzen von ihrem abweichenden Verhalten erwarten. Passend dazu nennt er den Aspekt der Böswilligkeit, welcher das Ärgern anderer Personen beschreibt (vgl. Lamnek, 2007, S. 161). Diese Eigenschaften werden der Basis-Subkultur zugeordnet, aus welcher noch weitere Subkulturen hervorgehen, da Cohen feststellt, "daß [sic!] es nicht nur eine delinquente Subkultur, sondern eine Vielfalt delinquenter Subkulturen gibt." (Cohen & Short, 1974, S. 374).
2.2.1 Die konfliktorientierte Subkultur
Diese Subkultur wird in der Öffentlichkeit als die am häufigsten auftretende Subkultur bezeichnet. Sie unterscheidet sich in einigen Punkten von der Basis-Subkultur. So ist ein Merkmal die Größe der Gruppe, welche mehrere hundert Mitglieder umfassen kann. Weiterhin weist diese Form der Subkultur eine komplexe Organisation auf, in der offizielle Ämter vergeben werden.
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