Zur optimalen Versorgung der Kunden oder der eigenen Fertigung mit Produkten aus dem Lagerbestand werden Sicherheitsbestände unter Berücksichtigung von verschiedenen Beschaffungs- und Absatzfaktoren festgelegt.
In Kapitel 2 werden die Begriffe definiert, die für die weiteren Ausführungen relevant sind. Die Ermittlung der Höhe der Sicherheitsbestände kann nach verschiedenen Methoden erfolgen. Diese werden im Kapitel 3 näher beschrieben. Die Auswirkungen von veränderten Einflussgrößen werden im Kapitel 4 vertieft. Den Abschluss bildet das 5. Kapitel in Form einer Zusammenfassung der Kernaussagen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Formelverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen
2.1 Sicherheitsbestand
2.2 Servicegrad
2.2.1 α-Servicegrad
2.2.2 β-Servicegrad
2.2.3 γ-Servicegrad
3 Ermittlungsverfahren des Sicherheitsbestandes
3.1 Berechnungen ohne Servicegrad
3.1.1 mit Bedarf der Wiederbeschaffungszeit
3.1.2 mit einem Drittel des Bedarfs der Wiederbeschaffungszeit
3.1.3 mit Bedarfsstreuung in der Wiederbeschaffungszeit
3.1.4 mit Bedarf, Wiederbeschaffungszeit und deren Streuungen
3.2 Berechnungen mit Servicegrad
3.2.1 und Bedarfsstreuung
3.2.2 und Bedarfsstreuung sowie der Wiederbeschaffungszeit
3.2.3 und Bedarfsstreuung sowie Streuung der Wiederbeschaffungszeit
3.2.4 und permanenter Lieferfähigkeit (dynamischer Sicherheitsbestand)
4 Auswirkungen bei veränderten Parametern
4.1 Servicegrad
4.2 Bedarf und Wiederbeschaffungszeit
4.3 Nachbestellmenge
5 Zusammenfassung
Anhang A
Anhang B
Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Aufbau des Lagerbestandes
Abb. 2: Verlauf des Servicegrades abhängig vom Sicherheitsbestand
Abb. 3: Optimaler Servicegrad im Minimum der Gesamtkosten
Abb. 4: Servicegrad als Wahrscheinlichkeit der Normalverteilung
Abb. 5: Inverse Standardnormalverteilung
Abb. 6: Permanenter Servicegrad
Abb. 7: Vergleich Sicherheitsbestand bei SG und SGperm
Abb. 8: Sicherheitsbestand bei Streuung der Wiederbeschaffungszeit
Abb. 9: Sicherheitsbestand bei verändertem Bedarf
Abb. 10: Sicherheitsbestand bei veränderter Nachbestellmenge
Abb. 11: Berechnungen Sicherheitsbestand nach allen Methoden
Formelverzeichnis
(1) α-Servicegrad
(2) β-Servicegrad
(3) γ-Servicegrad
(4) Sicherheitsbestand ohne Servicegrad mit Bedarf der Wieder- beschaffungszeit
(5) Sicherheitsbestand ohne Servicegrad mit einem Drittel des Bedarfs der Wiederbeschaffungszeit
(6) Sicherheitsbestand ohne Servicegrad mit Bedarfsstreuung in der Wiederbeschaffungszeit
(7) Sicherheitsbestand ohne Servicegrad mit Bedarf, Wiederbeschaffungs- zeit und Streuungen
(8) Näherungsformel zur inversen Standardnormalverteilung
(9) Sicherheitsbestand mit Servicegrad und Bedarfsstreuung
(10) Sicherheitsbestand mit Servicegrad und Bedarfsstreuung sowie der Wiederbeschaffungszeit
(11) Sicherheitsbestand mit Servicegrad und Bedarfsstreuung sowie Streuung der Wiederbeschaffungszeit
(12) permanenter Servicegrad
(13) Rückwärtsrechnung vom permanenten Servicegrad zum Servicegrad in der Wiederbeschaffungszeit
(14) Sicherheitsbestand mit Servicegrad und permanenter Lieferfähigkeit (dynamischer Sicherheitsbestand)
Alle Formeln sind im Anhang A als Übersicht dargestellt.
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Gegenüberstellung von Servicegrad und Sicherheitsbestand 20
1 Einleitung
Zur optimalen Versorgung der Kunden oder der eigenen Fertigung mit Produkten aus dem Lagerbestand, werden Sicherheitsbestände unter der Berücksichtigung von verschiedenen Beschaffungs- und Absatzfaktoren festgelegt.
In Kapitel 2 werden die Begriffe definiert, die für die weiteren Ausführungen relevant sind.
Die Ermittlung der Höhe der Sicherheitsbestände kann nach verschiedenen Methoden erfolgen. Diese werden im Kapitel 3 näher beschrieben.
Die Auswirkungen von veränderten Einflussgrößen werden im Kapitel 4 vertieft.
Den Abschluss bildet das 5. Kapitel in Form einer Zusammenfassung der Kernaussagen.
Der Anhang A stellt alle Formeln im Überblick dar und im Anhang B sind die Ergebnisse der verschiedenen Methoden zur Berechnung des Sicherheitsbestandes grafisch zusammengefasst.
2 Grundlagen
Zunächst werden die Begriffe Sicherheitsbestand und Servicegrad erläutert, um deren Verbindung zu verdeutlichen und den betriebswirtschaftlichen Aspekt der Betrachtung hervorzuheben.
2.1 Sicherheitsbestand
Als Bestandteil des Lagerbestandes verhindert der Sicherheitsbestand eine Lieferunfähigkeit durch Nullbestand, die infolge von Bedarfsschwankungen und unsicheren Lieferzeiten während der Wiederbeschaffung entstehen kann.[1] Ebenso müssen Fehlmengen in der Bestandsführung durch Schwund, Verderb oder Fehllieferungen aufgefangen werden.
Wie Abb. 1 veranschaulicht, bildet der Sicherheitsbestand den Sockel im Lager. Darauf setzt der Bestellpunkt auf, zu dem eine Nachbestellung erfolgt. Die Differenz von Sicherheitsbestand und Bestellpunkt dient zur Gewährleistung der Lieferfähigkeit des gewöhnlichen Bedarfs in der Wiederbeschaffungszeit. Der Sicherheitsbestand sichert die eingangs erwähnten Risiken ab.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Aufbau des Lagerbestandes[2]
Neben der Bestellmenge ist der Sicherheitsbestand ein unterschätzter Hebel von dem die Lagerbestandshöhe abhängt. Da der Lagerbestand gebundenes Kapital im Unternehmen darstellt und die Lagerhaltung weitere Kosten verursacht, ist eine adäquate Festlegung und kontinuierliche Aktualisierung der Sicherheitsbestände notwendig.[3]
2.2 Servicegrad
Trotz unterschiedlicher Definitionen des Begriffes Servicegrad in der Literatur wird dieser in Verbindung mit der Ermittlung des Sicherheitsbestandes auf die Kernfunktion der Lieferfähigkeit bzw. Lieferbereitschaft reduziert, weshalb auch die Bezeichnung Lieferbereitschaftsgrad Verwendung findet. Der Wert des Servicegrades bezieht sich auf den Grad, zu dem ein Bedarf vollständig aus dem Lagerbestand bedient werden kann. Somit nimmt der Servicegrad Einfluss auf die Höhe des Sicherheitsbestandes und umgekehrt beeinflusst der Sicherheitsbestand die Lieferbereitschaft (siehe Abb. 2).[4]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Verlauf des Servicegrades abhängig vom Sicherheitsbestand[5]
Aus dieser Abhängigkeit ergibt sich ein kostenoptimaler Service- bzw. Lieferbereitschaftsgrad, der sich im Minimum der Gesamtkosten, bestehend aus Lagerhaltungskosten des Lagerbestandes und Fehlmengenkosten für Lieferunfähigkeit, bildet (siehe Abb. 3). Ein hoher Servicegrad lässt die Lagerhaltungskosten überproportional ansteigen während ein niedriger Servicegrad den Sicherheitsbestand sinken und die Fehlmengenkosten ansteigen lässt.[6]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Optimaler Servicegrad im Minimum der Gesamtkosten[7]
In der Literatur wird ein Servicegrad von 95 bis 97 % empfohlen[8], mit der bewussten Risikoeinplanung eines Lagerfehlbestandes[9] zur Nichterfüllung eines Bedarfs.
Die Höhe der Lieferbereitschaft „der Lagerartikel ist eine unternehmerische Entscheidung“[10], die nach Service- und Kostenorientierung getroffen werden muss.
Rechnerisch lässt sich die vorhandene Lieferbereitschaft als Prozentsatz des vom Lagerbestand bedienten Bedarfs im Verhältnis zu der Gesamtzahl der Bedarfe einer Periode ermitteln.[11] Dazu gibt es drei unterschiedliche Ansätze mit entsprechend differenzierter Aussagekraft über die Leistung der Lagerhaltung, die in den nachfolgenden Kapiteln erläutert werden.
2.2.1 α-Servicegrad
Die Kennzahl α-Servicegrad ist die einfachste Ermittlung der Wahrscheinlichkeit, mit der ein Bedarf sofort und vollständig vom Lagerbestand gedeckt werden kann. Dabei erfolgt nur eine Betrachtung der Bedarfspositionen eines bestimmten Zeitraumes.[12] Die Formel zur Berechnung lautet:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[13]
Diese Methode ist jedoch sehr grob, da zum Beispiel ein Bedarf als nicht sofort bedient gilt, auch wenn eine Teillieferung möglich wäre. Wird der Bedarf zu Gunsten einer Teillieferung in zwei Bedarfe gesplittet, so ist der eine Bedarf zu 100 % sofort bedient, der andere jedoch gar nicht. Dies führt dazu, dass in Summe der Lieferbereitschaftsgrad 50 % beträgt.[14]
2.2.2 β-Servicegrad
Der β-Servicegrad stellt die Erweiterung des α-Servicegrades um eine mengenmäßige Betrachtung dar. Dafür wird die erfüllte Bedarfsmenge ins Verhältnis zur gesamten Bedarfsmenge eines bestimmten Zeitraumes gesetzt:[15]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[16]
In der Praxis wird diese Berechnung als bevorzugtes Leistungskriterium eines Lagers angewandt. Sie ist auch differenzierter im Gegensatz zum α-Servicegrad, da bei Teilung einer nicht komplett lieferbaren Bedarfsmenge zumindest die gelieferte Teilmenge genauer erfasst wird. Können bei einem Bedarf von 100 Stück zum Beispiel 80 Stück sofort bedient werden und 20 Stück verspätet, ergibt sich ein β-Servicegrad von 80 %.[17]
2.2.3 γ-Servicegrad
Die Verfeinerung des β-Servicegrades erfolgt mit dem γ-Servicegrad, der zur Mengenberücksichtigung noch die zeitliche Komponente hinzuzieht, durch die Wartezeit der rückständigen Bedarfsmengen bis zu deren Lieferung. Dafür wird die Fehlmenge einer Zeiteinheit immer in die nachfolgende Zeiteinheit fortgeschrieben.[18] Die erweiterte Formel lautet:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[19]
Die Fortschreibung in die folgende Periode, und somit erneute Zählung der Fehlmenge aus der vorherigen Periode, führt dazu, dass der Wert des γ-Servicegrades nie positiver als der des β-Servicegrades sein kann.
Diese Betrachtung wird hauptsächlich theoretisch vorgenommen und findet kaum Anwendung in der Praxis.[20]
3 Ermittlungsverfahren des Sicherheitsbestandes
Im Folgenden werden verschiedene Methoden zur Festlegung eines Sicherheitsbestandes beschrieben. Im Wesentlichen gibt es zwei Ansatzpunkte. Zum einen die Hinzunahme eines angestrebten Servicegrades (Kapitel 3.2), zum anderen bleibt dieser unberücksichtigt (Kapitel 3.1). Um die Verfahren an einem Musterfall vergleichbar zu machen, gilt folgende Annahme für die weiteren Ausführungen:
Der Artikel A wird im Lager für verschiedene Kunden bevorratet. Anhand der Analyse vergangenheitsbezogener Daten wurde ermittelt, dass der durchschnittliche Tagesbedarf 70 Stück beträgt und dieser um ± 11 Stück schwankt.
Der Artikel wird immer mit 1.200 Stück nachbestellt und die Wiederbeschaffungszeit liegt bei 5 Tagen mit einer Abweichung von ± 2 Tagen.
Das Unternehmen strebt einen Servicegrad von 97 % an.
Dies entspricht folgenden Parametern:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Anhang B sind die berechneten Werte für die nachfolgend beschriebenen Methoden zusammengefasst und grafisch dargestellt.
3.1 Berechnungen ohne Servicegrad
Die einfachsten Berechnungen lassen den erwähnten Servicegrad unberücksichtigt. Dies führt in der Regel zu ungenauen Sicherheitsbeständen, so dass entweder der Bedarf nicht ausreichend gedeckt werden kann oder für die Liefersicherheit zu hohe Kosten im Lager gebunden sind.
Nachfolgend werden die Berechnungsmethoden ohne Berücksichtigung eines Servicegrades vorgestellt.
3.1.1 … mit Bedarf der Wiederbeschaffungszeit
Olfert benennt grobe Näherungsrechnungen des Sicherbestandes anhand von Durchschnittswerten der vergangenen Monate.[21]
In der einfachsten Version wird der durchschnittliche Bedarf mit der durchschnittlichen Wiederbeschaffungszeit multipliziert:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[22]
Die Verwendung der Parameter aus dem Musterbeispiel ergibt:
Als Erweiterung bezieht Olfert noch einen Zuschlag für Verbrauchs- und Beschaffungsschwankungen ein, dessen Ermittlung bzw. Kriterien zur Festlegung nicht weiter erläutert werden. Ebenso verweist Olfert in einer weiteren Formel auf die Reichweite des Mindestbestandes, geht aber auch hier nicht auf Details zur Berechnung ein.[23] Daher erfolgt an dieser Stelle keine Vertiefung der übrigen Formeln von Olfert.
3.1.2 … mit einem Drittel des Bedarfs der Wiederbeschaffungszeit
Ein in der Praxis zweckmäßiges Verfahren, gemäß Vahlens großem Logistiklexikon, ist die Festlegung des Sicherheitsbestandes in Höhe von einem Drittel des Bedarfs während der Wiederbeschaffungszeit des Artikels.[24] Daraus resultiert folgende Formel:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[25]
Die Verwendung der Parameter aus dem Musterbeispiel ergibt:
3.1.3 … mit Bedarfsstreuung in der Wiederbeschaffungszeit
Vorausgesetzt es lässt sich ein ziemlich sicherer maximaler und durchschnittlicher Bedarf je Zeiteinheit ermitteln, dann kann nach Pfohl auf diese Formel zurückgegriffen werden:[26]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[27]
Der Sicherheitsbestand spiegelt hier die gesamte Bedarfsabweichung während der Wiederbeschaffungszeit wieder.
Die Verwendung der Parameter aus dem Musterbeispiel ergibt:
3.1.4 … mit Bedarf, Wiederbeschaffungszeit und deren Streuungen
Eine weitere Formel zur Berechnung des Sicherheitsbestandes liefern Kluck/Pietschmann/Vahs unter Berücksichtigung von Streuungen. Diese sind benannt als Bedarfsschwankungen, Abweichungen in der Wiederbeschaffungszeit, Unsicherheit im Lagerbestand sowie Abweichungen bei Eintreffen der Nachbestellmenge.[28]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[29]
Laut Verfasser können einzelne Elemente der Additionskette vernachlässigt werden, sofern deren Höhe gering ausfällt, da diese Parameter dann kaum Einfluss auf das Ergebnis haben. Dies gilt hauptsächlich für , und . [30]
Die Verwendung der Parameter aus dem Musterbeispiel ergibt:
3.2 Berechnungen mit Servicegrad
Nachfolgende Ausführungen dienen zum Verständnis der Methoden für die Berechnung des Sicherheitsbestandes unter Berücksichtigung eines Servicegrades.
Der unter Kapitel 2.2 erläuterte Service- bzw. Lieferbereitschaftsgrad gibt die Quote an Bedarfen oder Bedarfsmenge an, die vom Lagerbestand vollständig bedient werden kann. Diese Kennzahl kann umgewandelt werden in einen Sicherheitsfaktor, dieser wiederum wird bei der Ermittlung der Höhe des Sicherheitsbestandes eingesetzt.
Grundlage für die Umrechnung in einen Sicherheitsfaktor ist die Annahme, dass sich der Bedarf mit seiner Schwankung als Standardnormalverteilung verhält, mit dem durchschnittlichen Bedarf als Mittelwert und der Bedarfsschwankung als Streuung um den Mittelwert.[31]
Die Abb. 4 zeigt die Kurve der Standardnormalverteilung mit einseitig statistischer Sicherheit (Servicegrad) von der der Sicherheitsfaktor (k) abgeleitet wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Servicegrad als Wahrscheinlichkeit der Normalverteilung[32]
Der Sicherheitsfaktor lässt sich mathematisch berechnen durch die inverse Standardnormalverteilung , die auch in Microsoft Excel® als Funktion NORM.S.INV( SG ) implementiert ist, oder deren folgende Näherungsfunktion:[33]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[34]
Dies gilt jedoch nur für einen Servicegrad von über 50 %, denn bei SG<0,5 würde ein negativer Sicherheitsfaktor ermittelt werden. Zu erklären ist diese Bedingung durch die Tatsache, dass bei einem geringen Servicegrad eine Wahrscheinlichkeit der Streuung von geringeren Werten als dem Mittelwert angenommen wird, also eine negative Schwankung. Ein geringerer Bedarf als der durchschnittliche Bedarf bedeutet, dass bei einem Sicherheitsbestand, der den durchschnittlichen Bedarf abdeckt, auch alle Bedarfe abgedeckt werden, die negativ schwanken, also geringer als erwartet sind.[35] Der Sicherheitsfaktor entspricht der Standardabweichung.
Die Abb. 5 stellt den Verlauf der inversen Standardnormalverteilung als Kurve mit dem entsprechenden Sicherheitsfaktor zum Servicegrad dar. Für den Servicegrad 97 % aus dem Musterbeispiel beträgt der Sicherheitsfaktor k=1,88.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Inverse Standardnormalverteilung[36]
3.2.1 … und Bedarfsstreuung
Die einfachste und am häufigsten genannte Methode zur Berechnung des Sicherheitsbestandes unter Berücksichtigung eines Sicherheitsfaktors lautet:[37]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[38]
Unter der Annahme einer Standardnormalverteilung des durchschnittlichen Bedarfs wird der durch den Servicegrad bestimmte Sicherheitsfaktor mit der durchschnittlichen Abweichung des Bedarfs multipliziert.[39] Je genauer die Bedarfsprognose ist, desto geringer ist der Wert der Abweichung und somit der benötigte Sicherheitsbestand.[40] Jedoch bleibt die Wiederbeschaffungszeit unberücksichtigt und wird in Weiterentwicklungen der Formel in den nächsten Kapiteln ergänzt.
Die Verwendung der Parameter aus dem Musterbeispiel ergibt:
3.2.2 … und Bedarfsstreuung sowie der Wiederbeschaffungszeit
Bei der Formel (9) aus Kapitel 3.2.1 wird unterstellt, dass die Lieferzeit nur eine Zeiteinheit beträgt. Daher ergänzt Alicke die Formel um die Wurzel aus der Wiederbeschaffungszeit.[41]
Dabei kann in der Darstellung der Formel die Streuung des Bedarfs mit der Wurzel aus der Wiederbeschaffungszeit multipliziert werden oder die Streuung zum Quadrat als Multiplikator in das Wurzelzeichen gebracht werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[42]
Die Verwendung der Parameter aus dem Musterbeispiel ergibt:
3.2.3 … und Bedarfsstreuung sowie Streuung der Wiederbeschaffungszeit
Die Formel (10) unter Kapitel 3.2.2 geht von einer konstanten durchschnittlichen Wiederbeschaffungszeit aus. Dies ist in vielen Fällen nicht realistisch, daher hat Gudehus eine Streuung der Wiederbeschaffungszeit in die Berechnung einbezogen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[43]
Die Erweiterung um die Streuung der Wiederbeschaffungszeit, zusätzlich zur Streuung des Bedarfs, besteht in der Annahme, dass sich beide Parameter unabhängig voneinander verhalten.[44]
Die Verwendung der Parameter aus dem Musterbeispiel ergibt:
3.2.4 … und permanenter Lieferfähigkeit (dynamischer Sicherheitsbestand)
Nach Gudehus führt die Formel (11) aus Kapitel 3.2.3 zur Berechnung des Sicherheitsbestandes mit dem Servicegrad SG zu überhöhten Sicherheitsbeständen. Grund ist, dass sich der gewünschte Servicegrad nur auf das Risiko innerhalb der Wiederbeschaffungszeit bezieht. Jedoch in dem Zeitraum außerhalb der Wiederbeschaffungszeit, während der Lagerbestand noch oberhalb des Bestellpunktes liegt und noch kein Nachbestellprozess läuft, entspricht die Lieferfähigkeit 100 %. Erst in der Zeit zwischen Beginn des Nachbestellprozesses und Eintreffen der neuen Lieferung, besteht die Gefahr eines Fehlbestandes und somit ein Risiko zur Lieferunfähigkeit. Dies führt in der ganzheitlichen Betrachtung zu einem zu hohen Sicherheitsbestand, denn wenn zum Beispiel der Servicegrad für 12 Tage außerhalb der Wiederbeschaffungszeit 100 % beträgt und für 5 Tage während der kritischen Zeit der Wiederbeschaffung 97 %, ergibt sich ein gewichteter, permanenter Servicegrad von 99,1 %, obwohl als Ziel nur 97 % über alle Perioden angestrebt wird (siehe Abb. 6). Der erhöhte Servicegrad bedingt einen höheren Sicherheitsbestand und somit höhere Lagerkosten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Permanenter Servicegrad[45]
Daher wurde folgende Formel entwickelt, um den Wert für den permanenten Servicegrad zu ermitteln, der zum Servicegrad während der Wiederbeschaffungszeit führt:[46]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[47]
In der Rückwärtsrechnung kann mit einem bekannten bzw. gewünschten permanenten Servicegrad der Servicegrad berechnet werden, der in der Wiederbeschaffungszeit erreicht werden würde:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[48]
Die Verwendung der Parameter aus dem Musterbeispiel ergibt:
Das bedeutet, dass ein permanenter Servicegrad von ca. 89,714 % benötigt wird, um für die Wiederbeschaffungszeit einen Servicegrad von 97 % sicherzustellen.
Der permanente Servicegrad über alle Perioden, und somit der benötigte Sicherheitsbestand, ist immer geringer als der gewünschte Servicegrad auf Basis der Wiederbeschaffungszeit (siehe Abb. 7), solange die Reichweite der Nachbestellmenge länger als die Wiederbeschaffungszeit ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 7: Vergleich Sicherheitsbestand bei SG und SGperm [49]
Die berechneten Sicherheitsbestände zu beiden Werten nähern sich durch Reduzierung der Nachbestellmenge, Verlängerung der Wiederbeschaffungszeit oder Erhöhung des Bedarfs einander an, bis der berechnete Wert für den permanenten Servicegrad den geforderten Servicegrad übersteigt. In diesem Fall, wird der geforderte Servicegrad für die Wiederbeschaffungszeit für die weiteren Berechnungen verwendet. Erläuterungen zu Änderungen der Parameter werden in Kapitel 4 vorgestellt.
Daraus folgt folgende Formel und Bedingung zur Ermittlung des von Gudehus als dynamisch bezeichneten Sicherheitsbestandes:[50]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[51]
Die Verwendung der Parameter aus dem Musterbeispiel ergibt:
Bedingung: ist erfüllt
Laut Gudehus ist diese Berechnungsmethode sehr praxisnah und wird von Softwarelösungen wie SAP, J. D. Edwards und Navision angewendet.[52] Der dynamische Sicherheitsbestand muss ständig aktualisiert werden, damit die Höhe des Sicherheitsbestandes an die aktuellen Kennzahlen der Beschaffung und des Bedarfs angepasst wird.[53]
Gudehus schränkt die Anwendbarkeit der Formel auf die Bedingung ein, dass der durchschnittliche Bedarf Vt > 0 entspricht. Sollte für längere Zeit kein Bedarf bestehen, dann ist der Sicherheitsbestand SB = 0 zu setzen.[54]
Gudehus verfeinert die Parameter dieser Formel weiter unter Berücksichtigung eines Glättungsfaktors, der sich dynamisch an Veränderungen des Bedarfs und der Wiederbeschaffungszeit sowie deren Streuungen anpasst. Über eine sogenannte exponentielle Glättung erfolgt eine schnellere Angleichung der Berechnungen an die sich kontinuierlich verändernden Kennzahlen. Diese Prognosewerte können für Berechnungen über kürzere Perioden von wenigen Tagen bis zu ein paar Wochen verwendet werden. Die Ermittlung des Glättungsfaktors ist ein aufwendiges Verfahren mit Bedingungen zu minimalen und maximalen Werten.[55]
Für detaillierte und formelbasierende Ausführungen sei im Rahmen dieser Hausarbeit auf die Fachbücher von Timm Gudehus [56] und den Fachartikel von Wiebke Hartmann et al. [57] verwiesen.
4 Auswirkungen bei veränderten Parametern
Wie schon aus den Definitionen und Beschreibungen der Ermittlungsverfahren in Kapitel 3 hervorgegangen ist, sind die wesentlichen Einflussfaktoren auf den Sicherheitsbestand: der Servicegrad, der Bedarf mit dessen Schwankung sowie die Wiederbeschaffungszeit mit deren Streuung und die Nachbestellmenge.[58]
Die genannten Parameter werden vereinzelt in den bisher vorgestellten Formeln verwendet, jedoch nur die Formel (14) zum dynamischen Sicherheitsbestand aus Kapitel 3.2.4 vereint in ihrer Komplexität alle Parameter.
In den nachfolgenden Kapiteln sind die Auswirkungen der Veränderung der Parameter in Bezug auf Formel (14) beschrieben.
4.1 Servicegrad
Die gebrochenrationale Funktion aus der Formel (8) zur Berechnung des Sicherheitsfaktors steigt exponentiell mit zunehmendem Servicegrad, so dass der Sicherheitsbestand entsprechend stark ansteigt bzw. bei reduziertem Servicegrad fällt der Sicherheitsbestand rasch ab. Daher ist ein Servicegrad von 100 % ungeeignet, da dabei der berechnete Sicherheitsbestand gegen unendlich läuft und die Lagerkosten erhöht.[59]
[...]
[1] Vgl. Gudehus (2010), S. 339.
[2] In Anlehnung an Pfohl (2010), S. 91.
[3] Vgl. Gudehus (2010), S. 340.
[4] Vgl. Gudehus (2012), S. 56; sowie Vgl. Pfohl (2010), S. 35 ff.; sowie Vgl. Gudehus (2010), S. 351.
[5] In Anlehnung an Bichler (2011), S. 165.
[6] Vgl. Olfert (2013), S. 170 ff.
[7] In Anlehnung an Bichler (2011), S. 113.
[8] Vgl. Bichler (2011), S.165.
[9] Vgl. Olfert (2013), S. 370.
[10] Gudehus (2012), S. 87.
[11] Vgl. Pfohl (2010), S. 37.
[12] Vgl. Gudehus (2010), S. 353.
[13] In Anlehnung an Olfert (2013), S. 170.
[14] Vgl. Tempelmeier (1999), S. 370.
[15] Vgl. Tempelmeier (1999), S. 370.
[16] In Anlehnung an Tempelmeier (1999), S. 370.
[17] Vgl. Tempelmeier (1999), S. 370.
[18] Vgl. Tempelmeier (1999), S. 370 f.
[19] In Anlehnung an Tempelmeier (1999), S. 370.
[20] Vgl. Tempelmeier (1999), S. 371.
[21] Vgl. Olfert (2013), S. 165 f.
[22] In Anlehnung an Olfert (2013), S. 165.
[23] Vgl. Olfert (2013), S. 165.
[24] Vgl. Bloech/Ihde (1997), S. 963.
[25] In Anlehnung an Bloech/Ihde (1997), S. 963.
[26] Vgl. Pfohl (2010), S. 98 f.
[27] In Anlehnung an Pfohl (2010), S. 99.
[28] Vgl. Kluck/Pietschmann/Vahs (2002), S. 203.
[29] In Anlehnung an Kluck/Pietschmann/Vahs (2002), S. 203.
[30] Vgl. Kluck/Pietschmann/Vahs (2002), S. 203.
[31] Vgl. Pfohl (2010), S. 101.
[32] In Anlehnung an Pfohl (2010), S. 102.
[33] Vgl. Gudehus (2010), S. 354.
[34] In Anlehnung an Gudehus (2012), S. 93 f.
[35] Vgl. Pfohl (2010), S. 101.
[36] In Anlehnung an Gudehus (2010), S. 354.
[37] Vgl. Pfohl (2010), S. 102 f.; sowie Vgl. Hartmann et al. (2011), S. 902 f.
[38] In Anlehnung an Pfohl (2010), S. 102; sowie Vgl. Hartmann et al. (2011), S. 902 f.
[39] Vgl. Hartmann et al. (2011), S. 902.
[40] Vgl. Pfohl (2010), S. 102.
[41] Vgl. Alicke (2005), S. 62 f.; sowie Vgl. Hartmann et al. (2011), S. 903.
[42] In Anlehnung an Alicke (2005), S. 62 f.
[43] In Anlehnung an Gudehus (2010), S. 353 f.
[44] Vgl. Hartmann et al. (2011), S. 903 f.
[45] In Anlehnung an Hartmann et al. (2011), S. 903.
[46] Vgl. Gudehus (2010), S. 355; sowie Vgl. Hartmann et al. (2011), S. 904.
[47] In Anlehnung an Gudehus (2010), S. 355.
[48] In Anlehnung an Gudehus (2010), S. 355.
[49] In Anlehnung an Gudehus (2010), S. 357.
[50] Vgl. Gudehus (2010), S. 355.
[51] In Anlehnung an Gudehus (2010), S. 355 f.; sowie in Anlehnung an Gudehus (2012), S. 97 f.
[52] Vgl. Gudehus (2010), S. 358.
[53] Vgl. Gudehus (2012), S. 97 f.
[54] Vgl. Gudehus (2012), S. 92 f.
[55] Vgl. Gudehus (2010), S. 273-276; sowie Vgl. Hartmann et al. (2011), S. 904 f.
[56] Gudehus (2010), S. 273-276 und 355-358; sowie Gudehus (2012), S. 91-94.
[57] Hartmann et al. (2011), S. 901-906.
[58] Vgl. Gudehus (2012), S. 94 ff.
[59] Vgl. Gudehus (2010), S. 358.