In Krisenzeiten stellen die Massenmedien die wichtigste und häufig einzige Informationsquelle dar. Medien-Frames erlauben in diesem Zusammenhang, bestimmte Aspekte einer Krise zu vernachlässigen, andere hingegen zu betonen und folglich die Interpretationen und Entscheidungen des Publikums zu beeinflussen.
Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise des Jahres 2008 drohte sich zur Systemkrise westlicher Marktwirtschaften zu entwickeln. Das Framing der berichtenden Journalisten erhielt hier einen hohen Stellenwert. Durch die Bedrohung der Wohlfahrt ganzer Staaten forderte die Finanzkrise den Regierungen das Treffen von Entscheidungen unter Zeitdruck ab. Krisenzeiten bedeuten für Politiker jedoch gleichzeitig die Chance, der Öffentlichkeit ihre Glaubhaftigkeit und Kompetenz im Krisenmanagement zu signalisieren. Dies erfolgt bevorzugt über die Plattform der Massenmedien. Jenen wird durch die Annahmen des Kaskaden-Modells (Entman 2003) unterstellt, ihre Nachrichteninhalte anhand elitärer politischer Deutungen auszurichten.
Inwiefern dies für die Berichterstattung der Finanzkrise zutrifft, soll Untersuchungsziel dieser Arbeit sein. Folgten die berichtenden Medien überwiegend den Deutungsmustern politischer Eliten, oder berichteten sie auf Basis eines unabhängigen und vielfältigen journalistischen Framings? Dies soll anhand der Befunde einer deutschen sowie dreier schwedischer Studien erfolgen. Dazu werden im ersten Teil zunächst Ursachen und Verlauf der Finanzkrise kurz erläutert, sowie aktuelle Auffassungen über die Rolle der berichtenden Journalisten dargelegt. Darüber hinaus wird die Bedeutung des Framing-Ansatzes insbesondere für die Finanzkrise ausgearbeitet und daran anknüpfend das Kaskaden-Modell nach Entman beleuchtet.
Der zweite Teil stellt die zentralen Ergebnisse von Geiß (2013), Nord und Olsson (2013) und Olsson und Nord (2014), sowie Falasca (2014) vor. Die genannten Studien untersuchten anhand von Inhaltsanalysen das Framing der Finanzkrise ausgewählter deutscher und schwedischer Printmedien unter Beachtung des Einflussgrades politischer Eliten. Ein abschließendes Fazit betrachtet neben der Analyse der empirischen Befunde die normativen Anforderungen der Berichterstattung zur Finanzkrise.
Inhalt
1 Einleitung
1.1 Vorgehen und Ziel der Untersuchung
1.2 Aktueller Forschungsstand
2 Was ist Doping?
2.1 Begriffsbestimmung
2.2 Definition
3 Theoretischer Bezugsrahmen
3.1 Doping im Spitzensport: Doping als Struktureffekt
3.2 Doping in anderen gesellschaftlichen Kontexten
4 Medientheoretische Einordnung
4.1 Realitätskonstruktion durch Medien
4.2 Doping in den Medien
5 Methode
5.1 Strukturierte Inhaltsanalyse nach Mayring
5.2 Durchführung
5.2.1 Bestimmung des Ausgangsmaterials
5.2.2 Analyse der Entstehungssituation
5.2.3 Formale Charakteristika des Materials
5.2.4 Das Kategoriensystem
6 Darstellung der Ergebnisse
6.1 Ursachen von Doping
6.1.1 Gesellschaftliche Strukturen
6.1.2 Individuelles Fehlverhalten
6.2 Gefahren durch Doping
6.2.1 Gesundheitliche Risiken/ Nebenwirkungen
6.2.2 Schäden für übergeordnete Systeme
7 Interpretation der Ergebnisse
7.1 Hypothese 1 - Die personalisierte Berichterstattung über Doping im Spitzensport
7.2 Hypothese 2 - Die strukturell geprägte Berichterstattung über Doping bei Studierenden und Arbeitnehmern
7.3 Hypothese 3 - Informationen über gesundheitliche Nebenwirkungen
7.4 Beantwortung der Forschungsfrage und Diskussion
8 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
1 Einleitung
Das Thema Doping erscheint heutzutage allgegenwärtig; nicht zuletzt die Skan- dale in Russland und Großbritannien im Vorfeld der olympischen Spiele in Rio 2016 haben dazu beigetragen, dass die Thematik erneut im Fokus medialer Auf- merksamkeit steht. Im Fernsehen, in den Zeitungen oder im Hörfunk wird von angeblich unwissentlich gedopten Spitzensportlern, aber auch von Betrügern unter den Athleten, Funktionären und Ärzten berichtet. Parallel zu den Dopingthematiken im Leistungssport, über die vor allem die Sportpresse beinahe tagtäglich berichtet, (sofern das Ausmaß des Skandals sowie der betroffene Athlet eine Berichterstattung rechtfertigt), findet man in den Tageszeitungen zunehmend häufiger Artikel zu Doping in anderen gesellschaftlichen Kontexten. So ist insbesondere von „Hirn-Doping“, „Brain-Doping“ oder „Neuro- Enhancement“ die Rede, die die medikamentöse Leistungssteigerung außerhalb des organisierten (Wettkampf-)Sports beschreiben (vgl. Bisol, 2009, S. 2). Besonders oft wird in diesem Zusammenhang von „gedopten“ Studierenden oder Arbeitnehmern berichtet, die sich von der medikamentösen Unterstützung mehr geistige Leistungsfähigkeit und Effektivität erhoffen (vgl. Bisol, 2009, S. 2). Doping im Spitzensport bietet insbesondere den Tageszeitungen, in denen der größte Teil der Sportberichterstattung innerhalb der Printmedien erscheint (vgl. Richter, 1995), vielfältige inhaltliche Möglichkeiten und verspricht hohe Absatz- zahlen durch Skandalpotenzial, deviantes Verhalten und Normverstöße (vgl. Bet- te & Schimank, 2000a, S. 91). So betiteln die Tageszeitungen gedopte Spitzen- sportler - dies sei vorweg genommen - oftmals als „Dopingsünder“, die aufgrund von individuellem Fehlverhalten allein für den Verstoß gegen den Anti-Doping Code verantwortlich gemacht werden, um mit reißerischen Überschriften Leser- zahlen zu erhöhen (vgl. Bette & Schimank, 2000a, S. 91). Da sowohl beim Do- ping im Spitzensport als auch bei der Einnahme leistungssteigernder Substanzen bei Studenten und Arbeitnehmern das erfolgsorientierte Handeln im Vordergrund steht, und beide Maßnahmen zur Leistungssteigerung Normverstöße sein können, stellt sich im Hinblick auf die Berichterstattung der Tageszeitungen die Frage, ob mit zweierlei Maß gemessen wird. Inwiefern sind Unterschiede in der printmedialen Berichterstattung über die Einnahme leistungssteigernder Substanzen durch Spitzensportler im Vergleich zu Studierenden und Arbeitnehmern vorhanden? Um die Forschungsfrage ausreichend beantworten zu können, wird zunächst der Begriff „Doping“ historisch hergeleitet, um ihn dann mithilfe zweier Definitionen genauer abgrenzen zu können. Es folgt die Darstellung des theoretischen Bezugsrahmens, der Doping im Spitzensport nach Theorie der Soziologen Bette und Schimank als strukturelles Phänomen erklärt. Anschließend wird die Theorie Hobermans erläutert, der Doping in anderen gesellschaftlichen Kontexten erforscht und neu definiert. Diese Auffassung von Doping bildet die theoretische Grundlage der vorliegenden Arbeit. Anknüpfend daran steht die medien- theoretische Einordnung, die die zugrunde liegenden Strukturen der printmedia- len Berichterstattung aufzeigt. Auf Basis dieser Strukturen werden drei mit der Forschungsfrage verknüpfte Hypothesen aufgestellt, die es zu überprüfen gilt. Ab Kapitel 5 beginnt der empirische Teil der Arbeit mit der Methodenauswahl- und Erläuterung, dem qualitativen Untersuchungsablauf - Auswahlkriterien, Analyse der Entstehungssituation, Auswertungsschritte - und schließt mit der Präsentation und Diskussion der Ergebnisse.
1.1 Vorgehen und Ziel der Untersuchung
Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden 16 Artikel der Süddeutschen Zei- tung (SZ) zum Dopingfall der Profi-Tennisspielerin Maria Scharapowa ausge- wählt. Diese wurde Anfang des Jahres bei den Australian Open positiv auf den herz- und kreislaufwirksamen Arzneistoff Meldonium getestet, der seit dem 01.01.2016 als verbotene Substanz auf der Liste der World Anti-Doping Agency (WADA) steht. Im Vergleich dazu stehen elf Artikel der SZ, die das Thema Hirn- doping und Neuro-Enhancement bei Studierenden und Arbeitnehmern behan- deln. Diese insgesamt 27 Artikel sollen mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2002, 2003) auf Unterschiede hinsichtlich der Berichterstattung untersucht werden. Die Wahl der Süddeutschen Zeitung als exemplarische Quel- le lässt sich mit dem umfangreichen Sportteil im Vergleich zu der Frankfurter All- gemeinen Zeitung oder anderen großen deutschen Tageszeitungen begründen. Eine Analyse der Boulevardpresse kam aufgrund der allgemein bekannten Sub- jektivität in der Berichterstattung nicht in Frage. Die TV-Berichterstattung wäre zwar ebenfalls durchaus interessant gewesen, doch zwischen Printmedien und Rundfunk gibt es den entscheidenden Unterschied, der in einer verstärkt reflektierenden und analysierenden Sichtweise der Printmedien besteht. Zudem ist die sprachliche Darstellung in der Presse eine andere: Der Journalist ist dazu in der Lage, auch „zwischen den Zeilen“ Kritiken, Würdigungen, Informationen etc. zu transportieren. Die genaueren Auswahlkriterien für das zu analysierende Material, sowie die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse werden in Kapitel 5 näher beleuchtet.
1.2 Aktueller Forschungsstand
Zum vorliegenden Thema gibt es bislang wenige bis keine relevanten For- schungsergebnisse. Rund um das Thema Doping im Allgemeinen existieren allerdings unzählige literarische Publikationen und empirische Untersuchungen, die verdeutlichen, wie viele unterschiedliche Disziplinen sich mit der Dopingthematik auseinandersetzen. Insbesondere Medizin und Pharmakologie beschäftigen sich mit der Frage nach körperlicher Leistungssteigerung durch Medikamente (Raschka & Hollmann, 2011); in der Rechtswissenschaft wird die Bestrafung der dopenden Athleten diskutiert (vgl. u. a. Schneider-Grohe, 1979; Figura, 2009) und die Soziologie beschreibt Doping als soziales Phänomen, als Konstellationsprodukt unserer modernen Gesellschaft (vgl. Bette & Schimank, 1999). Ebenso wie das Forschungsfeld des Dopings ist auch jenes der Sportberichterstattung in den Medien ein interdisziplinäres (vgl. Voegele, 2009, S. 9): So gibt es soziologische Studien zum Thema der Geschlechterkonstruktion in den Medien (vgl. u.a. Hartmann-Tews & Rulofs, 2003), und durch die wichtige Rolle der Massenmedien als Plattform für Marketing und Werbung, sowie durch die zunehmende Kommerzialisierung des Sports, rückte die Sportberichterstattung verstärkt ins Interessengebiet der Wirtschaft (vgl. Voegele, 2009, S. 10). Im Gegensatz zu den unzähligen, interdisziplinären Veröffentlichungen rund um das Thema Doping schenkte die wissenschaftliche Forschung der Beziehung zwischen Medien und Doping nur wenig Aufmerksamkeit; der Vergleich der medialen Darstellung von Doping im Spitzensport und derer von medikamentös gesteigerter Leistungsfähigkeit in an- deren gesellschaftlichen Teilbereichen ist noch von keiner Forschungsdisziplin aufgegriffen worden.
Die Arbeit „Die Konstruktion des medialen Dopingdiskurses. Struktur und Strate- gie“ von Malte Philipp aus dem Jahr 2002 stellt die einzige empirisch aussage- kräftige Ausnahme zum Thema Darstellung von Doping in den Massenmedien dar - wobei Philipp (2002) sich lediglich auf die mediale Darstellung von Doping im Spitzensport beschränkt. Das Zentrum seiner inhaltsanalytischen Betrachtung des printmedialen Dopingdiskurses bildet dabei die Frage nach Strukturen, die den Dopingdiskurs in unserer Gesellschaft ausmachen. Dazu entwickelt er sechs Dimensionen, von denen er annimmt, dass sie in der printmedialen Berichterstattung über Doping im Spitzen- und Wettkampfsport auftreten: Personalisierung, Normen und Werte, Medizin, Wissen und Wissenschaft, Ökonomie und Recht. Philipp (2002) kommt zu dem Ergebnis, dass lediglich eine spezifische Konstruktionsstrategie der Printmedien existiert, die sich auf der einen Seite in einer hierarchischen Häufigkeitsabstufung der verschiedenen Dimensionen und auf der anderen Seite in einem verhältnismäßig einheitlichen Beziehungsgeflecht der Dimensionen untereinander ausdrückt. Des weiteren überprüfte Philipp (2002) in seiner Arbeit die Hypothese, ob für Doping in der printmedialen Berichterstattung hauptsächlich individuelles Fehlverhalten von Seiten der Athleten verantwortlich gemacht wird. Er kommt zu dem Schluss, dass diese Annahme zwar bedingt für die Wochenmagazine gilt, für „die überregionalen Tageszeitungen ist sie jedoch zurückzuweisen“ (Philipp, 2002, S. 135).
2 Was ist Doping?
Um die Fragestellung nach der Darstellung von Doping in den Printmedien beantworten zu können, muss zunächst geklärt werden, was unter dem Begriff „Doping“ zu verstehen ist. Dazu folgt eine erste Herleitung des Begriffs aus historischen Kontexten sowie die Definition der Nationalen Anti-Doping Agentur (NADA) und deren kritische Betrachtung.
2.1 Begriffsbestimmung
Bereits im Jahr 1889 tauchte das Wort „Doping“ erstmals in einer englischen En- zyklopädie auf und beschrieb eine Mixtur aus Opium und verschiedenen Narkoti- ka, die bei Pferderennen zum Einsatz kamen (vgl. Clasing, 2004, S. 17). Bislang herrscht jedoch kein Konsens über die Entstehung und ursprüngliche Bedeutung des Dopingbegriffs. Der am häufigsten in der Literatur vertretene Ansatz geht da- von aus, dass das Wort aus der Sprache des indigenen Volks der „Kaffern“ aus Afrika stammt; diese bezeichneten mit dem Begriff „dop“ einen hochprozentigen, selbst hergestellten Schnaps, der bei verschiedenen Kulten und Ritualen als be- wusstseinserweiternde Substanz genutzt wurde (vgl. Weineck, 2004, S. 659). Ausgehend vom afrikanischen Volk der „Kaffer“ soll das Wort über Umwege schließlich nach England gelangt sein, wo es später auf andere stimulierende Substanzen ausgedehnt wurde. Um 1900 erhielt das Wort dann Einzug bei Pfer- de- und Hunderennen (vgl. Müller, 2004, S. 12), um letztendlich so in den allge- meinen Sprachgebrauch überzugehen (vgl. Schneider-Grohe, 1979, S. 24). We- niger populäre Ansätze der Begriffsbestimmung berichten vom „Doping“ als eine Herleitung vom englischen Wort „dope“, was wortwörtlich einen lackartigen Überzug beschreibt. Demnach handele es sich beim Doping um eine spezielle Art und Weise der Täuschung, bei der das Aussehen von Pferden und Rennhunden so verändert wurde, dass ihre Leistungsfähigkeit nicht durch das äußere Erscheinungsbild beurteilt werden konnte (vgl. Lünsch, 1991, S. 12). Die Ursprünge des Dopingbegriffs sind also vielfältig; heutzutage wird der Ausdruck sowohl im Sport als auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen verwendet und steht als Synonym für die Anwendung (verbotener) Substanzen zur physischen und psychischen Leistungssteigerung. Im folgenden Kapitel wird nun der Definitionsansatz des Dopingbegriffs näher beleuchtet.
2.2 Definition
Die Schwierigkeit einer Definition des Dopingbegriffs wird deutlich an den unzäh- ligen Versuchen einer einheitlichen Begriffsbestimmung in der Vergangenheit. Seit der ersten offiziellen deutschen Definition des Deutschen Sportbundes aus dem Jahr 1963 bis in die 1980er Jahre rangen nationale und internationale Ver- bände und Organisationen mit einer abstrakten Definition. Der größte Mangel beinahe aller bis zu diesem Zeitpunkt verfassten Definitionen zeigte sich beson- ders an verwendeten Wörtern wie „künstlich“ oder „unfair“, die eine kategorische Abgrenzung untereinander unmöglich machten. Damit verbunden waren in erster Linie rechtliche Grauzonen, die es den Behörden erschwerten, Dopingmissbrauch zu sanktionieren (vgl. Voegele, 2009, S. 12). Daher ist die Voraussetzung für eine „praktikable und justiziable Dopingbekämpfung“ (Haug, 2006, S. 27) im Spitzensport unter anderem eine klare Definition dessen, was unter dem Begriff „Doping“ zu verstehen ist. Bevor das Handeln eines Athleten als Normverstoß bestraft werden kann, muss rechtlich klar sein, was als Verstoß angesehen wird (vgl. Bette & Schimank, 2006b, S. 175). Als Konsequenz dieser willkürlich verfassten Definition des 20. Jahrhunderts und der damit erschwerten, wenn nicht nahezu unmöglichen Dopingbekämpfung, folgte eine numerative Definition durch Auflistung aller verbotenen Wirkstoffe und Methoden (vgl. Voegele, 2009, S. 12).
Zurzeit wird Doping daher von der Nationalen Anti-Doping Agentur (NADA) nach Vorgaben der World Anti-Doping Agency (WADA) wie folgt definiert:
Artikel 1: Definition des Begriffs Doping
Doping wird definiert als das Vorliegen eines oder mehrerer der nachfolgend in Artikel 2.1 bis Artikel 2.10 festgelegten Verstöße gegen AntiDoping-Bestimmungen.
Artikel 2: Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen Als Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen gelten:
2.1 Vorhandensein einer Verbotenen [sic!] Substanz, ihrer Metaboliten oder Marker in der Probe eines Athleten.
…
2.2 Der Gebrauch oder der Versuch des Gebrauchs einer Verbotenen Substanz oder einer Verbotenen Methode durch einen Athleten. …
2.3 Umgehung der Probenahme oder die Weigerung oder das Unterlassen, sich einer Probenahme zu unterziehen.
…
2.4 Meldepflichtverstöße: Jede Kombination von drei versäumten Kontrollen und/oder Meldepflichtversäumnissen im Sinne des Interna- tionalen Standards für Dopingkontrollen und Ermittlungen und/oder des Standards für Meldepflichten eines Athleten, der einem Registered Testing Pool oder dem Nationalen Testpool angehört, innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten.
…
2.5 Die unzulässige Einflussnahme oder der Versuch der unzulässigen Einflussnahme auf irgendeinen Teil des Dopingkontrollverfahrens …
2.6 Besitz einer Verbotenen Substanz oder einer Verbotenen Methode:
2.7 Das Inverkehrbringen oder der Versuch des Inverkehrbringens von einer verbotenen Substanz oder einer verbotenen Methode
2.8 Die Verabreichung oder der Versuch der Verabreichung an Athleten von verbotenen Substanzen oder verbotenen Methoden innerhalb des Wettkampfs oder Außerhalb des Wettkampfs die Verabreichung oder der Versuch der Verabreichung von verbotenen Methoden oder verbotenen Substanzen, die außerhalb des Wettkampfs verboten sind
2.9 Tatbeteiligung: Jegliche Form von Unterstützung, Aufforderung, Beihilfe, Anstiftung, Beteiligung, Verschleierung oder jede sonstige vorsätzliche Beteiligung im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen oder einem Versuch eines Verstoßes gegen Anti-Doping-Bestimmungen oder einem Verstoß gegen Artikel 10.12.1 durch eine andere Person.
2.10 Verbotener Umgang: Der Umgang eines Athleten oder einer anderen Person, die an die Anti-Doping-Regelwerke einer Anti-Doping- Organisation gebunden ist, in beruflicher oder sportlicher Funktion mit einem Athletenbetreuer.
(NADA, 2015, Abs. 1)
Die Konsequenzen einer solchen enumerativen Definition des Dopingbegriffs sind jedoch keinesfalls unproblematisch. Bette und Schimank (1995, S. 160) merken an, dass diese Art der Begriffsbestimmung auf die moralische Bewertung von Doping gänzlich verzichtet, und dies auch nach außen signalisiert. Sie sehen den Wandel zur enumerativen Definition eher als eine „Problemverschiebung“ und kritisieren, dass eine Auflistung von Verbotenem immer auch darauf hinweist, was nicht verboten ist; die Einnahme und der Gebrauch von leistungssteigernden Substanzen im Spitzensport ist demnach sanktionsfrei, solange diese nicht auf der Verbotsliste stehen. Demzufolge könnte dies als eine Aufforderung in Richtung der Athleten verstanden werden: „Nutze diejenigen Mittel und Verfahren, die nicht auf der Dopingliste genannt werden“ (Bette & Schimank, 2006b, S. 186). Unterschiedliche Sportorganisationen verfügen außerdem über voneinander abweichende Verbotslisten, die eine Sanktionierung zusätzlich erschweren (vgl. Pitsch, Emrich & Klein, 2008, S. 383). Abgesehen von der Dopingdefinition für den Spitzensport ist in dieser Arbeit die Definition von „Doping“ außerhalb des organisierten Wettkampfsports von Bedeutung. Seit einigen Jahren hat die Sportwissenschaft damit begonnen, Inhalte der klassischen Dopingforschung auch auf andere gesellschaftliche Kontexte zu übertragen (vgl. Bisol, 2009, S. 5). Führend in diesem Forschungszweig ist der amerikanische Dopingforscher John Hoberman, demzufolge der Konsum leistungssteigernder Substanzen inner- und außerhalb des Sports auf vergleichbare Strukturen des Leistungsoptimierungsprinzips zurückzuführen ist (vgl. Hobermann, 2008). Hoberman setzt Drogenkonsum, Medikamentenkonsum und den Konsum legaler Substanzen zur Leistungs- förderung mit Doping im Sport gleich und definiert es wie folgt: „Eine unkonven- tionelle oder zumindest ungewöhnliche Methode, die mentalen oder körperlichen Fähigkeiten eines Menschen zu steigern.“ (Hoberman, 2008, S. 234). Ausgehend von dieser Definition des Dopingbegriffs werde ich meine Forschungsfrage beantworten.
3 Theoretischer Bezugsrahmen
Im folgenden Kapitel werden die für diese Arbeit relevanten Theoriekonzepte vorgestellt, die der Frage nach den Gründen für Doping aus soziologischer Perspektive nachgehen; hier ist vor allem die Theorie der Soziologen Bette und Schimank zu nennen, die Doping als ein Konstellationsprodukt unseres gesellschaftlichen Systems verstehen. Außerdem wird Hobermans Ansatz des Dopings außerhalb des Spitzensports vertiefend erläutert.
3.1 Doping im Spitzensport: Doping als Struktureffekt
Bette und Schimank (1995, S. 52ff.) gehen davon aus, dass Doping im Spitzen- sport nicht aus individuellem Fehlverhalten des Athleten hervorgeht, sondern aus der Eigenlogik des heutigen Spitzensports und seinen Verflechtungen mit der gesellschaftlichen Umwelt entsteht. Im Zentrum ihrer Theorie steht nicht der dopende Athlet, sondern das System und dessen strukturelle Voraussetzungen, die ihn umgeben. Beim Doping handelt es sich folglich nicht um das Fehlverhalten charakterschwacher Individuen, sondern um ein „Konstellationsprodukt, das in der Systemlogik des Spitzensports und deren Entfesselung durch ein sportinteressiertes Umfeld strukturell angelegt ist“ (Bette & Schimank, 2000b, Abs. 1); Doping bildet nicht die Ausnahme, sondern ist vielmehr ein „normal accident“ (Bette & Schimank, 2000b, Abs. 1) im alltäglichen Spitzensport. Die Systemlogik des Hochleistungssports in Zusammenhang mit den Einflüssen anderer gesellschaftlicher Teilsysteme generiert solch einen enormen Erfolgsdruck, dass die Athleten mit hoher Wahrscheinlichkeit in die „Dopingfalle“ (Bette & Schimank, 2006b, S. 11) getrieben werden. In Anlehnung an die Systemtheorie nach Niklas Luhmann besteht unsere Gesellschaft aus verschiedenen, gleichrangigen Teilsystemen, die durch autonome Leitorientierungen charakterisiert sind (vgl. Luhmann, 2006). Diese Leitorientierungen existieren hauptsächlich in Form eines systemspezifischen binären Codes, der die Handlungsgrundlage für das jeweilige System darstellt. Während sich das Handeln der Akteure im Rechtssystem beispielsweise am Code Recht/Unrecht orientiert, ist der Code Sieg/Niederlage handlungsleitend für das (Spitzen-)Sportsystem (vgl. Bette & Schimank, 2006a, S. 37); das Siegen und damit verbunden die Vermeidung von Niederlagen ist Ziel eines jedes Athle- ten. Genau an dieser Stelle ergibt sich laut Bette und Schimank die Problematik des schrankenlosen Siegescodes. Dieser bestimmt zwar durch Platzierungen eine Hierarchie innerhalb der Sportler, beschränkt jedoch nicht das Leistungsniveau, was erreicht werden kann. Dem sportlichen Wettkampf sind demnach keine Grenzen gesetzt und eine Steigerung der Leistungen ist zu jedem Zeitpunkt denkbar und erstrebenswert und auch notwendig für den Athleten, um dauerhaft im Sportsystem bestehen zu können (vgl. Bette & Schimank, 2006a, S. 47). Besonders in Sportarten, in denen es objektive Messungen von Zeit-, Längen-, oder Gewichtsangaben gibt, wie etwa in der Leichtathletik, resultiert daraus ein Rekordstreben; die Aufstellung eines neuen Rekords fordert beinahe gleichzeitig seine Überbietung. Dieser Entfesselung des Siegescodes im Spitzensport steht die Begrenztheit der körperlichen Leistungsfähigkeit gegenüber. Der Athletenkörper selbst wird zur Ressource, die ebenfalls dem Code Sieg/Niederlage unterworfen ist. Dementsprechend dient jede Einwirkung auf den Körper dem Ziel der maximalen Leistungssteigerung, um dem Streben nach Rekorden und Siegen gerecht werden zu können (vgl. Bette & Schimank, 2006a, S. 53). Doch im Unterschied zur Grenzenlosigkeit des Siegescodes weist die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit sehr wohl Grenzen auf. Daher wird die Hilfe der Wissenschaft in Anspruch genommen, um dem Imperativ des Sportsystems nach endloser Leistungssteigerung nachkommen zu können und so dem Athleten eine dauerhafte Partizipation im Hochleistungssport zu ermöglichen (vgl. Bette & Schimank, 2006b, S. 53). Sportliche Erfolge sind aber keineswegs nur für den Athleten selbst von Notwendigkeit, um im Sportsystem bestehen zu können. Auch Akteure anderer gesellschaftlicher Teilsysteme haben Interesse daran. Bette und Schimank (2006b) definieren Publikum, Massenmedien, sowie Wirtschaft und Politik als Nutznießer sportlicher Erfolge. Aufgrund der Relevanz für die Beantwortung meiner Forschungsfrage werde ich den Einfluss des Systems der Mas- senmedien auf das Sportsystem genauer erläutern.
Die zunehmende mediale Sportberichterstattung hat dazu beigetragen, dass sich jede Art von sportlichen Wettkämpfen an einer steigenden Anzahl von Rezipienten erfreuen kann, da durch Zeitung, Rundfunk und insbesondere Fernsehen der Leistungssport einem immer breiteren Publikum zugänglich gemacht werden konnte (vgl. Digel, 1993, S. 74). Während der Leistungssport vom Popularitätsgewinn durch die Medien profitiert, erfüllt der Sport für die Medien wichtige Kriterien der Berichterstattung: Die Spannung und die Konfliktgeladenheit von sportlichen Wettkämpfen durch Siege und Niederlagen erhöhen den Wert der Berichterstattung, was wiederum Zuschauer generiert und so finanzielle Gewinne mit sich bringt (vgl. Bette & Schimank, 2006a, S. 92f.). Außerdem bietet der Sport nahezu unerschöpfliche und vielfältige Anlässe und damit stetig Material zur Berichterstattung. So hat sich zwischen Leistungssport und Massenmedien ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis entwickelt, dem der Leistungssport jedoch weitaus stärker untergeordnet ist. Die Abwendung der Medien vom Sport hätte schwerwiegende finanzielle Konsequenzen und aus dieser Abhängigkeit ergibt sich wiederum ein hoher Erfolgsdruck für den Sportler (vgl. Bette & Schimank, 2006b, S. 151). Da sich die Sportberichterstattung vornehmlich „am Prinzip der spektakulären Leistung“ (Digel, 1993, S. 75) orientiert, besteht die einzige Möglichkeit für den Athleten, mediale Aufmerksamkeit zu erlangen, in der Erbringung von Erfolgen und insbesondere dem Aufstellen von Rekorden, denn ein Sieg ohne Rekord wird schnell als Enttäuschung abgetan. Bette und Schimank (2006a, S. 1) gehen des Weiteren davon aus, dass das mediale Interesse am Hochleistungssport durch auf Doping basierende Höchstleistungen eher gesteigert wird, vorausgesetzt dieses bleibt unentdeckt. Die Forderung der Massenmedien nach spektakulären Erfolgen und Rekorden sehen sie als indirekte Aufforderung zur Verwendung von Dopingmitteln- und Methoden an.
3.2 Doping in anderen gesellschaftlichen Kontexten
Wie bereits in Kapitel 2.2 erwähnt, überträgt die internationale Sportwissenschaft seit einigen Jahren Strukturen der Dopingforschung auf andere gesellschaftliche Zusammenhänge, um mithilfe der Dopingkultur des Hochleistungssports den steigenden Gebrauch von leistungssteigernden Mitteln in der Gesamtgesellschaft erklären zu können (vgl. Hobermann, 2008, S. 231). „Hirndoping“ und „Neuro-Enhancement“ sind jene Schlagwörter, die sich einer verstärkten medialen Aufmerksamkeit erfreuen und das Konsumieren von Medikamenten umschreiben, die von Studenten und Arbeitnehmern zur kognitiven Leistungssteigerung und zur Erhöhung des psychischen Wohlbefindens eingesetzt werden. Die am häufigsten verwendeten Mittel im Hirndoping sind zurzeit Substanzen, die Wachheit und Konzentration steigern, beispielsweise Modafil und Methylphenidat (z. B. Ritalin) (vgl. Kreisel, 2008, S. 80). Durch Bezeichnungen wie „Lifestyle-Doping“, „Berufsdoping“ und „Alltagsdoping“ werden die Zusammenhänge und auch die Ziele dieser Dopingmethoden beschrieben (vgl. Bisol, 2009, S. 2). Der amerikanische Sozio- loge John Hoberman setzt Doping im Sport und Doping in anderen gesell- schaftlichen Teilsystemen gleich, indem er davon ausgeht, dass die heutige Ge- sellschaft ebenso wie der Spitzensport stark von erfolgsorientiertem Handeln ge- prägt ist. In den jeweiligen spezifischen Ausprägungen sind beide Systeme, Hochleistungssport und (Leistungs-)Gesellschaft, auf Leistung und Sieg ausge- legt (vgl. Hoberman, 2008, S. 234). Zwar hat die Geschichte des Dopings seinen Anfang im Sport, doch die medikamentöse Leistungssteigerung ist mittlerweile in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens präsent. Als Beispiel nennt Hoberman unter anderem die Einnahme des Medikaments „Prozac“, welches das Selbstbewusstsein fördert und so im Beruf oder im Studium eingesetzt werden kann, wo selbstbewusstes Auftreten vorteilhaft ist (vgl. Hoberman, 2008, S. 235). Die Aufzählung der alltäglichen Situationen, in denen Hirndoping praktiziert wird, ließe sich endlos fortführen; ausschlaggebend ist jedoch, dass sich Doping im Spitzensport und Doping in der Gesellschaft, aufgrund der in beiden Dopingkulturen existenten Muster des Leistungsoptimierungsprinzips, analog denken und bewerten lassen. Hoberman (2008) lehnt sowohl die pharmazeutische Leistungssteigerung im organisierten Sport als auch für alle anderen Bereiche der Gesellschaft ab und beurteilt sie als moralisch verwerflich. Plessner (1985, S. 166) merkt dazu an: „Der Sport ist nicht besser und nicht schlechter als die Gesellschaftsordnung, der er entstammt … . Man kann nicht sie bejahen und ihn verneinen.“ Doch gilt dies auch für die printmediale Berichterstattung über Doping im Sport sowie Doping in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen? Werden dort beide Dopingkulturen gleich dargestellt und bewertet?
4 Medientheoretische Einordnung
In diesem Kapitel steht die Darstellung von Doping in den Medien im Zentrum. Erläutert wird, wie die Medien durch ihre Berichterstattung an der Konstruktion der Realität des Rezipienten beteiligt sind und welche Strukturen medialer Be- richterstattung zugrunde liegen. Näher dargestellt wird, nach welchen Kriterien die Massenmedien bei der Auswahl von berichtenswerten Ereignissen vorgehen; mittels dieses theoretischen Rahmens erfolgt schließlich die Formulierung von drei zu überprüfenden Hypothesen.
4.1 Realitätskonstruktion durch Medien
Als essentieller Bestandteil des alltäglichen Lebens fällt es schwer, sich eine Welt ohne Massenmedien vorzustellen. So merkt Luhmann (1996, S. 9f.) an: „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt wissen, wissen wir durch die Massenmedien. Andererseits wissen wir so viel über die Massenmedien, dass wir diesen Quellen nicht trauen können.“ Als Folge für die Berichterstattung über Doping bedeutet dies, dass der öffentliche Diskurs zu einem Großteil durch die Medien bestimmt wird. Daher stellt sich die Frage, inwieweit das von den Medien vermittelte Bild tatsächlich der Realität entspricht. Um den realen und medial dargestellten Sport voneinander unterscheiden zu können, definiert Marschik (2007) den Begriff der „Medienrealität“, „die zwar auf den Vorgängen im Stadion aufbaut, aber eine zweite Realitätsebene überstülpt, die durch die technischen Produktionsbedingungen des Mediums (Wort, Bild, Schrift) wie durch die Einschätzungen der Journalisten entsteht“ (Marschik, 2007, S. 13). Der Prozess, in dem diese „zweite Realitätsebene“ entsteht, gliedert sich in mehrere Stufen.
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