Die Nobelpreisträgerin 2004, Elfriede jelinek, inszeniert sich bewusst selbst - öffentlich wie im eigenen Werk. Weil auch ihre Gegner und konstruktiven Kritiker immer ein Stück Jelinek-Inszenierung wagen. Wechselwirkungen zeigen und Ursachenforschung sind Ziel dieser Arbeit.
So sehr Jelinek die Zustände in der modernen Gesellschaft, vornehmlich in ihrer Heimat Österreich, mittels brutal anmutender Bilder anprangert und mit dem literarischen Finger auf jene zeigt, die ihrer Ansicht nach eine Schuld an den Missständen tragen, muss man doch davon ausgehen, dass sie keine Lehrfigur im Sinne einer Moralpredigerin sein will. Schon gar nicht ist sie ein Star im Boulevard-Sinn. Vielmehr geht es der Autorin darum, das, was ihrer Meinung nach ful ist im Staate Österreich, beim Namen zu nennen, es laut auszusprechen, um eben nicht zuzulassen, dass das passiert, was in Österreich als Negativbeispiel nach dem Zweiten Weltkrieg geschehen ist: Verdrängung und Vertuschung.
Das Moralisieren, das Lehren ist zwar nicht Jelineks Sache. Trotzdem kann man gerade in den neueren Texten wie Ein Sportstück und Das Werk beobachten, dass Autorin-Figuren auftreten. Diese heißen entweder explizit „Autorin“ oder im Sportstück Elfi Elektra. Solche Auftritte legen nahe, dass Jelinek bestimmten Inhalten eine besondere Stellung zu geben wünscht. Die teilweise übertrieben sarkastisch wirkenden Bühnenanweisungen bekräftigen diese Vermutung. Jelinek will Einfluss nehmen, allerdings zeigt die Ironie, mit der das geschieht, wie schwierig ihr diese Mission erscheint. Die Auftritte der Autorin-Figuren sowie die Regieanweisungen stellen deshalb einen wichtigen Aspekt bei der Selbstkonzeption Jelineks dar. An ihnen lässt sich ein interessantes Bild ablesen über ihre Selbstsicht, ihre Wahrnehmung der öffentlichen Sichtweise ihrer Person sowie ihre Auffassung der eigenen Position im Theater.
In den ersten beiden Abschnitten dieser Arbeit wird das literarische Werk Jelineks auf Merkmale von Selbstinszenierung untersucht. Dabei ist auch eine möglichst umfassende Interpretation der fraglichen Textstellen zu leisten, weil aus dem unmittelbaren Kontext Rückschlüsse zur Frage nach der Selbstinszenierung entstehen. Im dritten Teil folgt eine Beleuchtung Elfriede Jelineks als öffentlicher Person. Darin wird untersucht, wie und in welchem Maß das öffentliche Auftreten der Autorin auf eine Selbstinszenierung auch abseits der Bühne schließen lässt. Denn alles Leben ist immer auch Schauspiel.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Grundsätzliches zu den Auftritten der Autorin-Figuren in Jelineks Stücken
- 1.1. Quantität der Auftritte
- 2. Ein Sportstück, Das Werk, Regieanweisungen – Wie sich Jelinek im Theater selbst inszeniert
- 2.1. Ein Sportstück – Elfi Elektra/Die Autorin
- 2.1.1 Ein Mischwesen
- 2.1.1.1. Die Problematik autobiografischer Bezüge
- 2.1.1.2. „Künstliche Natürlichkeit“ – Die moderne Sage
- 2.1.1.3. Jelineks Gebrauch antiker Vorbilder
- 2.1.2. Antiker Krieg und Moderner Sport
- 2.1.3. Hektor und Achill – Angriffe auf die Autorin
- 2.1.3.1. Vorwurf der Aggressivität
- 2.1.3.2. Akzeptanz im eigenen Land
- 2.1.4. Elfi Elektra als Voyeurin in der Welt des Sports
- 2.1.4.1. Selbstkonzeption im ersten Monolog
- 2.1.4.2. Gleichmacher Sport
- 2.1.4.3. Elfi Elektra als Opfer
- 2.1.4.4. „Eine Göttin die nicht und nicht gebären kann“
- 2.1.5 Sport-Welt: lebendige und Tote
- 2.1.5.1. Die Welt der lebenden – eine geschlossene Gesellschaft
- 2.1.5.2. Zuschauer als Lebende - Sportler als Tote
- 2.1.5.3. Widerstand innerhalb der Masse
- 2.1.5.3.1. Die gegnerische Masse
- 2.1.6. Elfi Elektra auf der Suche
- 2.1.7. Der zweite Elektra-Monolog: Kampf dem „unseligen Geschlecht“
- 2.1.7.1. Der abgeschobene Vater
- 2.1.7.2. Jelineks Sicht des Matriarchats
- 2.1.7.3. Zuschreibung von geschlechtlicher Identität
- 2.1.7.4. Fiktionalität der Geschlechter
- 2.1.7.5. Elfi Elektra als Mörderin
- 2.1.7.6. Das Nicht-Opfer
- 2.1.7.7. Sex und Tod
- 2.1.7.8. Abschluss des zweiten Elektra Monologs
- 2.1.8. Der Auftritt der „Autorin“
- 2.1.8.1. Sprache und Stil
- 2.1.8.2. Ein Schlusswort
- 2.2. Das Werk - Die Rolle der Autorin
- 2.2.1. Die Autorin schaltet sich ein
- 2.2.2. Struktur des Monologs
- 2.2.2.1. Prinzip der Verdichtung und Verflechtung
- 2.2.2.2. Ein gelungenes Sprachspiel – Jelineks Auffassung vom Schreiben
- 2.2.3.,,Von jetzt an gehts bergab“
- 2.2.4. Peters Antwort
- 2.2.5. Vergleich zur Autorin-Figur in Ein Sportstück
- 2.3. Regieanweisungen – Wie Jelinek (mit dem) Theater spielt
- 2.3.1. Ältere Stücke: Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte oder Stützen der Gesellschaft und Krankheit oder moderne Frauen
- 2.3.2. Auswüchse der Ironie: Szenenanweisungen in Ein Sportstück, In den Alpen und Das Werk
- 2.3.3. Der Diskurs in den Szenenanweisungen
- 3. Öffentliche Auftritte - Extravaganz, Idealismus und Provokation
- 3.1. Agitation und Aufführungsboykott - Reaktionen zur Regierungsbeteiligung der FPÖ
- 3.1.1.,,Kultur-Alarm\"\
- 3.1.1.1. Salzburger Festspiele 1999
- 3.1.1.2. Kampf dem Kulturkampf
- 3.1.2. Demonstrationen auf dem Stephansplatz
- 3.1.3. Widerstandslesungen
- 3.1.4. Das zweite Aufführungsverbot
- 3.2. Jelinek-Interviews: Über Politik, Sexualität, Selbstauslöschung und das Schreiben
- 3.2.1. Interviews zu Politik und Literatur
- 3.2.2 Vermischung von Privatem Literatur und Politik
- 3.3. Bilder
- Nachbemerkung
- Die Rolle der Autorin-Figur in Jelineks Stücken: Wie und in welchem Maße werden diese Figuren als Projektionsfläche für die Selbstinszenierung der Autorin genutzt?
- Die Verwendung von Sprache und Stil: Wie spiegeln die sprachlichen Mittel in Jelineks Werken ihre Selbstdarstellung wider?
- Die Inszenierung der Autorin im Theater: Welche Rolle spielen Regieanweisungen und die Bühnenpräsenz in Jelineks Selbstinszenierung?
- Das öffentliche Auftreten von Elfriede Jelinek: Wie gestaltet die Autorin ihre öffentliche Persona und welche Botschaften vermittelt sie durch ihr Auftreten?
- Die Vermischung von Privatem, Literatur und Politik: Inwiefern beeinflussen Jelineks private Ansichten und Erfahrungen ihre öffentliche Person und ihre literarische Arbeit?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Selbstinszenierung der Autorin Elfriede Jelinek, sowohl in ihren literarischen Werken als auch in ihrem öffentlichen Auftreten. Ziel ist es, das Bild zu erforschen, das Jelinek von sich selbst zeichnet, wie sie ihre öffentliche Wahrnehmung gestaltet und welche Rolle die Selbstinszenierung in ihrer künstlerischen Arbeit spielt.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel der Arbeit behandelt das grundsätzliche Auftreten der Autorin-Figur in Jelineks Stücken. Dabei wird die Häufigkeit ihres Auftretens untersucht und die unterschiedlichen Formen ihrer Darstellung analysiert. Das zweite Kapitel konzentriert sich auf die Selbstinszenierung Jelineks im Theater, insbesondere in den Stücken „Ein Sportstück“ und „Das Werk“. Es werden die sprachlichen Mittel, die Regieanweisungen und die Charakterisierung der Autorin-Figur im Detail betrachtet. Das dritte Kapitel widmet sich schließlich Jelineks öffentlichem Auftreten, den Reaktionen auf ihre Provokationen und ihren Interviews, in denen sie ihre Positionen zu Politik und Literatur vertritt.
Schlüsselwörter
Selbstinszenierung, Elfriede Jelinek, Autorin-Figur, Theater, Regieanweisungen, Sprache, Stil, öffentliches Auftreten, Politik, Sexualität, Provokation, Österreich, Kulturkampf.
- Arbeit zitieren
- Guido Scholl (Autor:in), 2004, Elfriede Jelinek als literarische Figur und öffentliche Person, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/34930