Im Folgenden wird zunächst ein kurzer historischer und pädagogischer Überblick geboten, der das Werk in seine Entstehungszeit einzuordnen vermag. Daraufhin sollen sowohl die Rolle eines Lehrers als auch die Rolle eines Schülers individuell betrachtet werden, um daraus den Lehr- und Lernprozess zu definieren.
In einem nächsten Schritt wird der Fokus auf die Rhetorik eines Lehrers gelegt und exemplarisch ein Ausschnitt aus dem zu untersuchenden Werk sprachlich und stilistisch analysiert. Letztendlich soll das Lehrer-Schüler-Verhältnis erfasst werden und eine Einschätzung des Werkes stattfinden.
Inhalt
1. Einleitung
2. Bildung zur Zeit Augustins
3. Lehrer- und Schülerrollen in Augustins „De catechizandis rudibus“
3.1 Darstellung des Lehrers
3.2 Darstellung des Schülers
3.3 Lehr- und Lernprozess
4. Die Rhetorik eines Lehrers
4.1 Sprachliche und stilistische Untersuchung
4.2 Sprache als Grundstein der Bildung
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
6.1 Primärliteratur
6.2 Sekundärliteratur
1. Einleitung
Seit je her wird Wissen in mündlicher oder schriftlicher Form an die Nachkommen weitergegeben, sodass diese Verhaltens- und Handlungsmuster die Grundsätze einer Gesellschaft prägen. Solch einem Wissensaustausch vorausgesetzt ist die Existenz eines Lehrers sowie eines Lerners.
Aktuelle Auseinandersetzungen thematisieren zumeist das Lehren und Lehren im schulischen Kontext. In der deutschen Forschung beschreibt der Hirnforscher Gerhard Roth das Grundkonzept des institutionellen Lernens:
Der Lehrer sendet sprachlich gefasste bedeutungshafte Informationen aus, die in das informationsverarbeitende System des Schülers eindringen, dort in ihrer Bedeutung entschlüsselt, mit Vorwissen verbunden und nach bestimmten Denkregeln verarbeitet werden, um dann als Wissen im Langzeitgedächtnis abgelegt und […] abgefragt zu werden.[1]
Diese Definition des Lernens kann ebenso auf außerschulische Kontexte übertragen werden. Nicht nur die Schule hegt ein Interesse an erfolgreichem Lehren sowie Lernen, sondern in großem Maße auch die christliche Kirche. Sie ist seit Beginn ihrer Geschichte bemüht […], die Menschen zu Jüngern Christi zu machen; sie will ihnen zum Glauben verhelfen, dass Jesus der Sohn Gottes ist, damit sie durch den Glauben das Leben haben in seinem Namen. Durch Unterweisung sucht sie, die Menschen zu diesem Leben heranzubilden […]. All diese Bemühungen wurden schon früh als Katechese bezeichnet.[2]
Der katechetische Unterricht hat eine lange Tradition und dient in der alten Kirche als vorbereitender Unterricht auf die Taufe. Bereits um 400 n. Chr. legt der Kirchenvater Aurelius Augustinus diese Unterweisung exemplarisch schriftlich nieder. Mit der Schrift „De catechizandis rudibus“ kommt er der Bitte des Diakons Deogratias von Karthago nach einen methodischen Leitfaden der Glaubenslehre zu verfassen. Er schafft eine Einführungskatechese für Nichtchristen, die einerseits einen methodischen Teil, andererseits einen praktischen Teil in Form von zwei Musterkatechesen enthält. Es stellt sich die Frage, ob dieses Werk einen gelungenen Beitrag für den christlichen Bildungsprozess darstellt. Hierzu muss das Verhältnis von Lehrer und Schüler genau betrachtet werden.
Im Folgenden wird zunächst ein kurzer historischer und pädagogischer Überblick geboten, der das Werk in seine Entstehungszeit einzuordnen vermag. Daraufhin sollen sowohl die Rolle eines Lehrers als auch die Rolle eines Schülers individuell betrachtet werden, um daraus den Lehr- und Lernprozess zu definieren. In einem nächsten Schritt wird der Fokus auf die Rhetorik eines Lehrers gelegt und exemplarisch ein Ausschnitt aus dem zu untersuchenden Werk sprachlich und stilistisch analysiert. Letztendlich soll das Lehrer-Schüler-Verhältnis erfasst werden und eine Einschätzung des Werkes stattfinden.
2. Bildung zur Zeit Augustins
Mit seinem Titel des Werkes „De catechizandis rudibus“ definiert Augustins den Inhalt, der ungebildeten Menschen, d.h. allen Außenstehenden zum Christentum, den Kontakt zum Christentum verschaffen soll. Augustin, der derzeitige Bischof von Hippo in Nordafrika, sieht es als seine Aufgabe die Menschen zum christlichen Glauben zu bekehren, denn nach ihm führe allein die Liebe zu Gott zu einem erfüllten Leben. Der Begriff Bildung wird umgehend mit dem Christentum gleichgesetzt, sodass die Bildung der christlichen Kirche als die einzige Bildung verstanden werden soll. Unter dieser Voraussetzung schafft Augustin ein Werk, dass die Menschen dieser Zeit und auch über diese Zeit hinaus sehr prägt.
Noch immer unter dem Einfluss des römischen Reiches wurde zu der Zeit Augustins die essentielle Bildung eines Mannes an seiner Kompetenz über die artes liberales, die sieben freien Künste, gemessen. Dieser Kanon wurde in der christlichen Antike unterteilt in drei elementare Fächer, die das Trivium bildeten, sowie vier Fächern, aus denen das Quadrivium bestand. Trivium heißt ‚dreifacher Weg‘. Der Weg umfasst die Fächer Grammatik, Rhetorik und Dialektik oder Logik. Auf ihm gelangt der Lernende zur Sprache und ihrer Anwendung. ‚Sprache‘ meint Latein und nicht Muttersprache. Der vierfache Weg, das Quadrivium, führt ein in die Welt der Zahlen und stellt die göttliche Ordnung dar, so wie sie Antike, Mittelalter und frühe Neuzeit verstanden haben. Dieser Weg umfasst die Fächer Arithmetik, Musik, Geometrie und Astronomie.[3]
Dem Trivium wurde allerdings eine größere Bedeutung zugeteilt und antike Lehrwerke gestalteten den Unterricht. Die Schüler mussten unzählige antike Werke lesen und sicherten sich auf diese Weise die Zugehörigkeit zu der Oberschicht. Auch den Christen war es wichtig dazuzugehören, doch Augustin beklagt, „dass es auch im frühen 5. Jahrhundert immer noch Vergil und nicht etwa Paulus war, der die Zugehörigkeit zu den oberen Zehntausend in Hippo garantierte.“[4] Die Lehre durch antike, mythologische Inhalte wurde vom Christentum als problematisch und gar gefährlich angesehen, da „der Besuch der Schule […] Christen also unweigerlich in Kontakt mit dem Irrglauben ihrer Mitmenschen“[5] brachte.
Da die bildungswilligen Christen jedoch nicht auf die schulische Bildung verzichten wollten, wurde schon um 200 n. Chr. eine Glaubensbildung der Schulbildung vorangesetzt. Die sogenannte Katechese war für einen Christen obligatorisch und wichtig, denn sie befähigte „die antiken Götter im Unterrichtsstoff zu erkennen und abzulehnen“[6].
Nach Augustin zu urteilen ist diese Katechese als elementare, unverzichtbare Bildung zu erkennen. Er schreibt einen Leitfaden für die Lehre, der die Aufgaben und Pflichten der Lehrperson definiert und in Form von Musterkatechesen beispielhaft eine gelungene Lehre aufzeigt.
3. Lehrer- und Schülerrollen in Augustins „De catechizandis rudibus“
3.1 Darstellung des Lehrers
In seiner theoretischen Anweisung definiert Augustin die Rolle eines Lehrers und widmet sich explizit seinen Aufgaben. Nach ihm soll ein guter Lehrer, der ohne Einschränkungen über Kenntnisse der zu vermittelnden Inhalte sowie eine grundlegende Redekunst verfügt, nicht widerwillig seiner eigenen Lehre gegenüberstehen. Er soll die Inhalte in einer zusammenfassenden Darstellung, die nicht vollständig und komplex sondern anschaulich und verständlich ist, vermitteln. Ein Lehrer darf weder abgeneigt sein fortlaufend dieselben Themen zu rezipieren, noch diese Themen in eigene Worten zu verfassen. Desweiteren darf ihn die Teilnahmslosigkeit eines Lerners nicht kränken und er soll nicht zu anspruchsvoll sein. Häufig ist Schafsinn und Feingefühl im Umgang mit den Lernern gefragt, denn diese müssen lernen ihre persönliche oder religiöse Schüchternheit abzulegen. Augustin rät deshalb zu einem fröhlichen Vortrag, aus dem erkenntlich wird, dass der Vortragende liebt, was er erzählt[7] sowie zu lernerbezogenen Gesprächen, die sowohl inhaltlich als auch persönlich auf den Lerner eingehen.[8] Desweiteren soll der Lehrer rhetorisch geschickt Emotionen auf der Lernerseite hervorrufen, sodass ihrerseits die Aufmerksamkeit erhalten bleibt. Trotzdem muss sich der Lehrer bewusst machen, dass die Lehre kein schematischer Prozess ist. Die Verschiedenartigkeit von Lernen und Umgebungen beeinflussen die Umstände so stark, dass jede Lernsituation eine neue Herausforderung definiert. Es macht einen Unterschied, „ob man gewissermaßen privat zusammensitzt und ein lebhaftes Gespräch miteinander führt oder ob ein Publikum gespannt auf den einen blickt, der vom erhöhten Standort aus zu sprechen anfängt […], ob nur wenige da sind oder viele, ob es Gebildete oder Ungebildete sind oder eine Mischung von beiden, ob es Stadt- oder Landbewohner sind oder beides zugleich, ob sich das Publikum aus allen Schichten zusammensetzt.“[9]
Das Publikum beeinflusst die Stimmung des Lehrers sehr stark.
Als weiteres wichtiges Element beschreibt Augustin die Liebe, die Gott fördert und bestimmt sie als Motivationselement für den Lehrer, der in mutlosen Momenten aus ihr die Kraft und die Begeisterung für seine Lehre nehmen soll. Der Lehrer muss es als ein Geschenk betrachten, wenn Menschen zu ihm kommen, „um Gott selber kennenzulernen“[10]. Eine unbedingte Folge sollen Eifer, Hilfsbereitschaft und Freude sein. Desweiteren legt Augustin dem Lehrer nahe weniger die formale Vermittlung zu beachten als die inhaltliche Wahrheit. Die Formulierung eines Gedankenganges kann auf verschiedene Weise geschehen und dient allein dem Zweck den Inhalt zu lehren. Der Lehrer soll sich bewusst werden, dass die Richtigkeit des Inhaltes von größter Bedeutsamkeit ist. Zwar sind Fehler seinerseits toleriert, doch sie sollten niemals mutwillig verbreitet werden. Irrtümer und Verwirrungen müssen möglichst schnell aus dem Weg geräumt werden und die Lehre kann nur gut werden, „wenn die Absicht des Handelnden von der Liebe ausgeht und gleichsam an seinen Ausgangspunkt zurückkehrend wieder in der Liebe zur Ruhe kommt.“[11] Ein Lehrer handelt niemals aus eigenem Vorteil, sondern „aus barmherzigen Sinn und aus der Pflicht zur selbstlosen Liebe“[12]. Er bereitet seine Schüler auf das Leben vor, indem er ihnen den Weg „vom Hören zum Glauben, vom Glauben zur Hoffnung, von der Hoffnung zur Liebe“[13] eröffnet.
In diesem Sinn zieht Augustin einen Vergleich zwischen Jesus Christus und der Lehre. Mit der Menschwerdung seines Sohnes verkündigt Gott den„Endzweck des Gebotes“[14], welches noch immer das Ziel der Lehre beschreibt: „Liebe aus reinem Herzen, aus gutem Gewissen und aus ungeheucheltem Glauben.“[15] Augustin schafft das Sinnbild einer vorausgestreckten Hand, die die Situation vor der Menschwerdung Jesus Christus festsetzt. Die Hand geht dem menschlichen Körper – der Menschwerdung Jesus Christus – voraus und kündigt die Geburt an. Im übertragenen Sinn sind die heiligen Patriarchen und Propheten die vorausgestreckte Hand, denn sie sind die Lehrer vor der Ankunft Jesus Christus. Sie handeln, da sie ein Teil von Jesus Christus sind, nach seiner Auffassung und stehen in fester Verbindung zu ihm.[16] Die Ankunft und der Tod Jesus Christus steht nun völlig im Zeichen der Liebe. Jesus Christus erwidert und schenkt Liebe und öffnet sich somit allen Personen. Die Menschen sollen die Liebe Gottes erkennen lernen und die Liebe zu ihren Nächsten forttragen. Mit seinem Tod sind die menschlichen Sünden vergeben und er schenkt den Menschen einen neuen Weg, die Liebe zu Gott zu finden.
Auf diese Weise präsentiert Augustin dem Lehrer sein Ziel. Augustin ist sich bewusst, dass der Weg zu diesem Ziel nicht musterhaft dargelegt werden kann, da jede Lernsituation einen Lehrer vor verschiedene Herausforderungen stellt, doch solange die Lehre ihr Ziel erreicht, erfüllt sie ihren Zweck.
3.2 Darstellung des Schülers
Grundlegend für einen Schüler sind nach Augustin sein Respekt und sogar seine Furcht vor Gott. Es muss davon ausgegangen werden, dass jeder Mensch sich in wahrer Absicht ein Christ werden zu wollen der Lehre unterzieht. Dennoch wird jeder Schüler vor Beginn der Lehre nach seinen Einstellungen und Beweggründen befragt. Dies dient dazu die Menschen auszufiltern, die Christ zu sein wünschen, um sich Vorteile bei anderen Menschen zu erhaschen oder um Unannehmlichkeiten jeglicher Art und Weise zu vermeiden. Allerdings ist Augustin sicher, dass diese Menschen, die nicht aus völliger Überzeugung kommen, diese entweder nach der ersten Unterweisung gewinnen oder, falls dies nicht der Fall ist, von den Lehrern „ganz höflich und mild als unerfahren und unwissend zurechtgewiesen“[17] werden müssen und kurz und eindringlich den „eigentlichen Sinn der christlichen Lehre“[18] aufgezeigt bekommen.[19] Als weiteres schafft Augustin einen Lasterkatalog an Menschen, denen der Zugang zum Christentum verwehrt bleiben soll:
„Trinker[ ], Habgierige[ ], Betrüger[ ], Glücksspieler[ ], Ehebrecher[ ], Unzüchtige[ ], Theaterliebhaber[ ], Träger[ ] von gottlosen Amuletten, Zauberer[ ], Sterndeuter[ ] und Vertreter[ ]“[20].
Hiermit warnt Augustin vor den Problemen der Zeit.
[...]
[1] Roth, Gerhard: Warum sind Lehren und Lernen so schwierig? Vortrag in Bremen, 20.06.2002. S. 20. URL:http://www.uni-regenburg.de/Fakultaeten/phil_Fak_II/Grundschul_Paedagogik/content/Warum%20sind%20Lehren%20und%20Lernen%20so%20schwierig%20%28Gerhard%20Roth%29.pdf [Stand: 06.10.2012].
[2] Katechismus der Katholischen Kirche. Neuübersetzung Aufgrund der Editio Typica Latina. München, 2005. S. 38.
[3] Oelkers, Jürgen: Mikroorganisation. Fächerkanon und Fachunterricht. In: Blömeke, Silke et al. (Hg.): Handbuch Schule. Stuttgart, 2009. S. 306.
[4] Gemeinhardt, Peter: "Dürfen Christen Lehrer sein? Anspruch und Wirklichkeit im christlichen Bildungsdiskurs der Spätantike". In: Jahrbuch für Antike und Christentum 51, Göttingen, 2008. S. 27.
[5] Ebd.
[6] Ebd. S. 28.
[7] Augustinus: Vom ersten katechetischen Unterricht. Neu übers. von Werner Steinmann. Bearb. von Otto Wermelinger, Schriften der Kirchenväter 7, München, 1985. 14 / S. 36f.
[8] Ebd. 18 / S. 44f.
[9] Ebd. 23 / S. 52.
[10] Ebd. 17 / S. 43.
[11] Ebd. 16 / S. 42.
[12] Ebd. 19/ S. 48.
[13] Ebd. 8 / S. 25.
[14] Ebd. 6 / S. 19.
[15] Ebd.
[16] Vgl. ebd. 6 / S. 19 – 21.
[17] Ebd. 9 / S. 27.
[18] Ebd.
[19] Vgl. ebd. 9 / S. 25 – 27.
[20] Ebd. 11 / S. 29.