Obwohl man meinen sollte, dass der Begriff der Wahrheit nach so vielen Jahrhunderten der Menschheitsgeschichte geklärt sein sollte, finden wir doch immer noch aktuelle Diskussionen, Theorien und Bücher rund um dieses Thema. Ganze Generationen von Philosophen, Wissenschaftlern, Theologen und Schriftstellern haben sich mit der Wahrheit beschäftigt und neue Theorien aufgestellt, alte entkräftet oder die Suche nach ihr gar gänzlich aufgegeben und als sinnlos abgestempelt. Dabei ist die Frage nach der Wahrheit eng mit der Frage nach dem Sein und der Erkenntnis und somit gänzlich mit dem Menschsein verbunden. Die Antwort, was Wahrheit ist, wird mit Selbstverständlichkeiten, mit denen wir leben abgetan: dies ist das Sein; dies weiß ich; dies ist wahr.
Doch wie können wir überhaupt so etwas komplexes wie „Wahrheit“ beschreiben? Ist es möglich Kriterien aufzustellen, die festlegen, ob eine Aussage wahr oder falsch ist?
Zunächst möchte ich in meiner Abhandlung den Wahrheitsbegriff definieren, dann mittels der gängigen Theorien über Wahrheit einen Überblick über das Thema erlangen und letztendlich durch Schlussfolgerungen aus diesen klären, ob es überhaupt möglich ist, eine Wahrheit zu definieren, die absoluten Charakter hat. An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass hier keine historische Entwicklung dieser Theorien dargestellt werden soll. Vielmehr möchte ich auf die gängigen Ansätze eingehen, diese Beschreiben und Kritikpunkte dazu aufführen und mich so systematisch der Fragestellung „Gibt es eine allgemein gültige Wahrheit?“ nähern. Aufgrund des Umfangs dieser Arbeit möchte ich mich auf die wichtigsten Wahrheitstheorien beschränken.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Zum Wahrheitsbegriff
2 Wahrheitstheorien
2.1 Korrespondenztheorie
2.2 Kohärenztheorie
2.3 Konsenstheorie
2.4 Redundanztheorie
3 Wahrheit und Falschheit
4 Skeptizismus
Resümee
Literaturverzeichnis
Obwohl man meinen sollte, dass der Begriff der Wahrheit nach so vielen
Jahrhunderten der Menschheitsgeschichte geklärt sein sollte, finden wir doch immer noch aktuelle Diskussionen, Theorien und Bücher rund um dieses Thema. Ganze Generationen von Philosophen, Wissenschaftlern, Theologen und Schriftstellern haben sich mit der Wahrheit beschäftigt und neue Theorien aufgestellt, alte entkräftet oder die Suche nach ihr gar gänzlich aufgegeben und als sinnlos abgestempelt. Dabei ist die Frage nach der Wahrheit eng mit der Frage nach dem Sein und der Erkenntnis und somit gänzlich mit dem Menschsein verbunden. Die Antwort, was Wahrheit ist, wird mit Selbstverständlichkeiten, mit denen wir leben abgetan: dies ist das Sein; dies weiß ich; dies ist wahr (vgl. JASPERS 1947, S. 29).
„Wir leben in der Geborgenheit dieser Selbstverständlichkeiten. Beginnen wir aber nach dem Ganzen zu fragen, so wird das Selbstverständliche in Frage gestellt.“ (ebd., S. 29) Doch wie können wir überhaupt so etwas komplexes wie „Wahrheit“ beschreiben? Ist es möglich Kriterien aufzustellen, die festlegen, ob eine Aussage wahr oder falsch ist?
Zunächst möchte ich in meiner Abhandlung den Wahrheitsbegriff definieren, dann mittels der gängigen Theorien über Wahrheit einen Überblick über das Thema erlangen und letztendlich durch Schlussfolgerungen aus diesen klären, ob es überhaupt möglich ist, eine Wahrheit zu definieren, die absoluten Charakter hat. An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass hier keine historische Entwicklung dieser Theorien dargestellt werden soll. Vielmehr möchte ich auf die gängigen Ansätze eingehen, diese Beschreiben und Kritikpunkte dazu aufführen und mich so systematisch der Fragestellung „Gibt es eine allgemein gültige Wahrheit?“ nähern. Aufgrund des Umfangs dieser Arbeit möchte ich mich auf die wichtigsten Wahrheitstheorien beschränken.
1 Zum Wahrheitsbegriff
Bevor wir die verschiedenen Wahrheitstheorien aufführen, ist es nötig eine Vorstellung vom Begriff „Wahrheit“ zu erlangen. Allgemein kann festgestellt werden, dass der Begriff „[...] meist ausschließlich zur Kennzeichnung des Zutreffens von Aussagen bzw. Urteilen verwendet wird.“ (BROCKHAUS 2009, S. 446) Diese können entweder „wahr“ oder „falsch“ sein (Wahrheitswerte). Von dieser Definition ist die Wahrhaftigkeit, die als Haltung der Aufrichtigkeit bzw. als Sachwahrheit, die einen Gegenstand als seinem Wesensbegriff entsprechend kennzeichnet (z.B. „ein wahrer Freund“), zu unterscheiden. Das Problem, welches sich hier bei einer genaueren Bestimmung auftut, ist, dass jeder Versuch einer näheren Definition bestimmte Wahrheitstheorien mit einschließt und somit der Begriff der Wahrheit immer mit der ihr zugehörigen Theorie über die Auffassung der Wahrheit konform geht (vgl. ebd., S. 446). JAMES beschreibt die Situation folgendermaßen:
„Es besteht ein interner Zusammenhang zwischen der Frage, was Wahrheit ist, und der Frage, wie wir Wahrheit erreichen. Oder, noch kürzer: die Definition von Wahrheit hängt mit dem Wahrheits kriterium zusammen“ (JAMES 1977, S. 13)
Wir sehen, dass es für die Bestimmung der Wahrheit notwendig ist, ein Kriterium einzuführen, welches die Wahrheitswerte bestimmt. Jedoch ergibt sich hier wieder das gleiche Problem. Denn: „Welche Kriterien jeweils zugrunde gelegt werden, um die Wahrheit von Aussagen zu überprüfen, richtet sich nach der Wahrheitstheorie [...]“ (HILBER 2009, S. 412).
2 Wahrheitstheorien
Wahrheitsauffassungen können nach folgenden Gesichtspunkten klassifiziert werden: „(A) epistemisch,
(B) nicht-epistemisch,
(B1) relational,
(B2) nicht-relational.“ (KÜNNE 1998, S. 122)
Epistemische (anti-realistische) Theorien unterschieden sich von nicht-epistemischen (realistischen) in ihrer Auffassung von Wahrheit dahingehend, dass diese unmittelbar mit Erkenntnis verbunden sind (vgl. BROCKHAUS 2009, S. 180). Demzufolge ist nur das wahr, was vernünftige Menschen nach ausreichender Nachforschung f ü r wahr halten. In diese Rubrik gehören Evidenz-, Kohärens- und Konsenstheorien der Wahrheit (vgl. KÜNNE 1998, S. 122)
Nicht-Epistemische Theorien dagegen sehen Wahrheit unabhängig von Erkenntnis, Bewusstsein und der Sinneswahrnehmung (vgl. BROCKHAUS 2009, S. 348). Diese sind relational, wenn sie in ihrer Explikation von „wahr“ eine Beziehung zwischen etwas, was wahr ist, und etwas anderem außerhalb seiner Beziehung, ausdrücken. Sozusagen eine Relation zwischen Wort und Welt. Alle Versionen der
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Korrespondenztheorie sind dieser Rubrik zuzuordnen.
Die Versionen der Redundanztheorie sind in die nicht-relationale Klassifikation einzuordnen (vgl. KÜNNE 1998, S. 123). Diese Theorien erklären die Begriffe „wahr“/“falsch“ für logisch überflüssig (vgl. HILBER 2009, S. 412).
2.1 Korrespondenztheorie
Die Korrespondenztheorie oder Übereinstimmungstheorie, welche von Thomas von Aquin (1225 oder 1226 bis 1274) verfasst und auf Aristoteles zurückzuführen ist, definiert Wahrheit als Übereinstimmung von Denken und Sein. Kriterium dieser Theorie ist, dass Aussagen, Urteile oder Behauptungen dann wahr sind, wenn sie mit dem übereinstimmen, worüber die Aussage getroffen wird (vgl. HILBER 2009, S. 411).
Voraussetzung dieser im Realismus begründeten Auffassung ist eine „[...]
selbstständige, objektive und sprachunabhängige Wirklichkeit […] ,deren Erkenntnis meist im Rahmen einer Abbildtheorie als getreue Wiedergabe ihrer Strukturen verstanden wird.“ (BROCKHAUS 2009, S. 446) In dieser Abbildtheorie wird Erkenntnis als Widerspieglung der Wirklichkeit, unabhängig vom Subjekt beschrieben (vgl. ebd., S. 9). Wenn wir nun versuchen, ein Kriterium für eine allgemein gültige Wahrheit zu finden, besteht die einzige Möglichkeit darin, die Wahrheit einer Proposition auf ihre Korrespondenz mit der Realität zu prüfen (vgl. RESCHER 1977, S. 344). Hier treten jedoch erhebliche Probleme auf. Die Korrespondenztheorie versteht unter einer wahren Proposition so etwas wie eine genaue Kopie eines Textes. Das Original (die Tatsache) wird mit der Kopie (der Proposition) verglichen. Beispielsweise lässt sich der Satz: „Die Katze liegt auf der Matte“ überprüfen, indem man hingeht und nachsieht, ob es sich so verhält. Als Kriterium finden wir somit eine Konfrontation mit einer Situation. Diese Konfrontation ist leider in vielerlei Hinsicht unbrauchbar (vgl. ebd., S. 344). RESCHER führt hierfür folgende Beispiele auf:
(1) Es funktioniert nicht bei All-Sätzen: Wie sollte man die Korrespondenz mit den Tatsachen mit seinen potentiell unendlichen Anwendungsfällen prüfen? (Beispiel: Alle Löwen sind Fleischfresser.)
(2) Es funktioniert nicht bei Propositionen über Vergangenes, bei denen keine Vergleichsmöglichkeit zur Verfügung steht.
(3) Es funktioniert nicht bei Propositionen über Wahrscheinlichkeit (ausgenommen hiervon sind logische Wahrscheinlichkeiten).
[...]