„Verkauft Griechenland seinen Tourismus?“ Diesen provokativen Titel stellte die Online-Ausgabe der Tagesschau am 10. September ihrem Bericht zur geplanten Privatisierung der griechischen Flughäfen durch den deutschen Flughafenbetreiber Fraport voran. Hintergrund ist die in den Bedingungen zum dritten Hilfspaket fixierte Gründung eines Privatisierungsfonds, der nach Planungen der EU-Kommission einen Erlös zur Schuldentilgung i. H. v. 40 Mio. Euro generieren soll. Manólis Kalimákis, Chef der Gewerkschaft der Flughafenangestellten Griechenlands, kritisiert die geplante Privatisierung als Verscherbelung „unseres Tafelsilbers“.
Entzieht sich die Privatisierung also wirklich jeglicher volkswirtschaftlicher Begründung und schadet lediglich dem Staatsvermögen? Oder kann eine Privatisierung auch einen wertschöpfungsoptimierenden Effekt hervorrufen? Dieser und weiterer Fragen soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden. Die Überprüfung der Privatisierungshypothese werden ich dabei am Beispiel der Norddeutschen Landesbank Girozentrale, kurz NORD/LB, durchführen.
Zunächst erscheint es jedoch essentiell, sich eingehender mit den Rechtsformen von Banken zu beschäftigen und folglich die Rechts- und Eigentümerstruktur der NORD/LB zu analysieren. Im Anschluss möchte ich zwei verschiedene Modelle der Ausgliederung staatlicher Aufgaben charakterisieren, nicht jedoch, ohne vorher die staatlichen Kernaufgaben definiert zu haben. In diesem Kontext erscheint es mir zudem sinnvoll, die Privatisierung durch einen kurzen historischen Überblick in das richtige Umfeld zu rücken.
Weiterhin werde ich die grundlegende Pro/Contra-Diskussion zur Privatisierung wiedergeben, ehe ich mich mit der Effizienzanalyse ausgewählter Banken in den selbstschaffenden Bereich begebe. Nach einer kleiner Ist-Analyse der Effizienzsteigerungsmaßnahmen durch die NORD/LB sollen neben der Privatisierung mögliche andere Handlungsoptionen zur Erhöhung der Effizienz und somit zur Optimierung der Wertschöpfungskette abgeleitet werden. Abschließend soll in der Zusammenfassung die Antwort auf die Grundfrage nach der Privatisierung der NORD/LB herausgestellt werden und das erlangte Ergebnis kritisch gewürdigt werden.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung.
2. Rechtsformen von Banken.
2.1. Rechtsformen in der Theorie.
2.2. Rechtsform der NORD LB.
3. Grundlagen der Staatstheorie.
3.1. Staatsaufgaben.
3.2 Möglichkeiten der Ausgliederung von staatlichen Aufgaben.
4. Staat oder Markt? Zur Grundfrage der Privatisierung.
4.1. Erklärungsversuche der Ineffizienz öffentlicher Unternehmen.
4.2. Argumentation für die Sinnhaftigkeit öffentlicher Unternehmen.
5. Komparative Betrachtung ausgewählter deutscher Banken hinsichtlich der Effizienz.
5.1 Vorüberlegungen.
5.2 Studie.
6. Exkurs: Einsparprogramme in der NORD LB..
7. Ableitung von Handlungsoptionen.
8. Zusammenfassung der Ergebnisse, kritische Würdigung und Ausblick.
Literaturverzeichnis.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Die Trägerverhältnisse der NORD/LB
Abb. 2: CIR 2012-2015 im Vergleich
Abb. 3: CIR 2014 nach Segmentbereichen
Abb. 4: Kostenlücke für ESP 3.0
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
„Verkauft Griechenland seinen Tourismus? “[1]
Diesen provokativen Titel stellte die Online-Ausgabe der Tagesschau am 10. September ihrem Bericht zur geplanten Privatisierung der griechischen Flughäfen durch den deutschen Flughafenbetreiber Fraport voran. Hintergrund ist die in den Bedingungen zum dritten Hilfspaket fixierte Gründung eines Privatisierungsfonds, der nach Planungen der EU-Kommission einen Erlös zur Schuldentilgung i. H. v. 40 Mio. Euro generieren soll. Manólis Kalimákis, Chef der Gewerkschaft der Flughafenangestellten Griechenlands, kritisiert die geplante Privatisierung als Verscherbelung „unseres Tafelsilbers“.[2]
Entzieht sich die Privatisierung also wirklich jeglicher volkswirtschaftlicher Begründung und schadet lediglich dem Staatsvermögen? Oder kann eine Privatisierung auch einen wertschöpfungsoptimierenden Effekt hervorrufen? Dieser und weiterer Fragen soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden. Die Überprüfung der Privatisierungshypothese werden ich dabei am Beispiel der Norddeutschen Landesbank Girozentrale, kurz NORD/LB, durchführen.
Zunächst erscheint es jedoch essentiell, sich eingehender mit den Rechtsformen von Banken zu beschäftigen und folglich die Rechts- und Eigentümerstruktur der NORD/LB zu analysieren. Im Anschluss möchte ich zwei verschiedene Modelle der Ausgliederung staatlicher Aufgaben charakterisieren, nicht jedoch, ohne vorher die staatlichen Kernaufgaben definiert zu haben. In diesem Kontext erscheint es mir zudem sinnvoll, die Privatisierung durch einen kurzen historischen Überblick in das richtige Umfeld zu rücken.
Weiterhin werde ich die grundlegende Pro/Contra-Diskussion zur Privatisierung wiedergeben, ehe ich mich mit der Effizienzanalyse ausgewählter Banken in den selbstschaffenden Bereich begebe. Nach einer kleiner Ist-Analyse der Effizienzsteigerungsmaßnahmen durch die NORD/LB sollen neben der Privatisierung mögliche andere Handlungsoptionen zur Erhöhung der Effizienz und somit zur Optimierung der Wertschöpfungskette abgeleitet werden. Abschließend soll in der Zusammenfassung die Antwort auf die Grundfrage nach der Privatisierung der NORD/LB herausgestellt werden und das erlangte Ergebnis kritisch gewürdigt werden.
2. Rechtsformen von Banken
2.1. Rechtsformen in der Theorie
Grundsätzlich wird bei Unternehmen zwischen Einzelfirmen und Gesellschaften unterschieden. Letztere werden weiter in Personen- und Kapitalgesellschaften unterteilt. Zu den sog. Personengesellschaften gehören die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die offene Handelsgesellschaft (oHG) sowie die Kommanditgesellschaft (KG). Bei den Kapitalgesellschaften wird differenziert zwischen Aktiengesellschaft (AG) und Gesellschaft mit begrenzter Haftung (GmbH), die ihrerseits unter einer Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt (UG) bzw. einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) firmieren kann.[3]
Der grundlegende Unterschied zwischen einer Personen- und einer Kapitalgesellschaft ist die Haftungsbeschränkung. Während bei einer Personengesellschaft der Gesellschafter persönlich haftet, sind die Kapitalgesellschaften juristische Personen, die nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen haften.[4]
Im Folgenden werden auszugsweise die für die Themenstellung relevanten Unternehmensformen dargestellt, die sich daher auf die Kapitalgesellschaften konzentrieren:
a) Die GmbH ist eine juristische Person, deren Eigentum der Gesellschaft gehört und nicht den Gesellschaftern. Sie ist eine Handelsgesellschaft und somit dem HGB unterworfen. Für die Gründung einer GmbH muss ein im Gesellschaftsvertrag festgeschriebenes Stammkapital von mindestens 25.000€ vorhanden sein.[5]
b) Für die Gründung einer Aktiengesellschaft ist mindestens eine Person erforderlich, die ein Mindest-Grundkapital von 50.000€ einbringen muss. Weiteres Kapital sammelt das Unternehmen, das immer die Bezeichnung Aktiengesellschaft im Namen tragen muss, über die Emission von Aktien ein, von denen stets mindestens 1€ des Emissionspreises in das Stammkapital der AG transferiert wird. Wie bei der GmbH haftet auch die Aktiengesellschaft mit dem Stammkapital, nicht aber die Aktionäre selbst.[6]
c) Die Anstaltöffentlichen Rechts (AöR) ist ebenfalls eine juristische Person, worin der Unterschied zu einer einfachen, nicht rechtsfähigen Anstalt (wie z.B. einer Schule) liegt, die weiterhin vollständig Teil der Verwaltung ist. Die AöR ist somit ein rechtlich, organisatorisch und wirtschaftlich vollständig eigenständiger, da vom Hoheitsträger persönlich ausgegliederter, Betrieb. Die Verbindung zum öffentlichen Träger (z.B. der Kommune oder dem Land) besteht gleichwohl - und hier liegt der Unterschied zur Kapitalgesellschaft - in dessen uneingeschrÄnkten Haftung für die Verbindlichkeiten der AöR.[7]
2.2. Rechtsform der NORD LB
Die Norddeutsche Landesbank ist eine wie oben charakterisierte Anstalt öffentlichen Rechts mit den Trägern Land Niedersachsen und Land Sachsen-Anhalt, Niedersächsischer Sparkassen- und Giroverband (NSGV), Sparkassenbeteiligungsverband Sachsen-Anhalt (SBV) und dem Sparkassenbeteilungszweckverbands Mecklenburg-Vorpommern (SVZ).[8] Sie entstand 1970 aus der Fusion der vier Vorgängerinstitute Niedersächsische Landesbank-Girozentrale, Braunschweigische Staatsbank, Hannoversche Landeskreditanstalt und der Niedersächsischen Wohnungskreditanstalt. Im Juli 2005 stieg Mecklenburg-Vorpommern aus der Trägerschaft aus.[9]
Demnach ist das Land Niedersachsen größter Träger der NORD LB mit 59,13%, dessen Finanzminister auch den Aufsichtsratsvorsitz inne hat. Das Land Sachsen-Anhalt vereint 5,57% der Anteile auf sich. Die übrigen Eigentumsanteile komplettieren die Sparkassenverbände Niedersachsen (26,36%), Sachsen-Anhalt (5,28%) und Mecklenburg (3,66%).[10]
Abb. 1: Die Trägerverhältnisse der NORD/LB
Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung an: NORD LB (2015b): http://nordlb.de…, am 11.08.2015.
3. Grundlagen der Staatstheorie
3.1. Staatsaufgaben
Für die Definition von Staatsaufgaben ist es zunächst essentiell, den Terminus Staatsaufgaben von dem weitaus umfassenderen Begriff der öffentlichen Aufgaben zu separieren. Zu den sog. öffentlichen Aufgaben gehören nämlich alle am Gemeinwohl orientierten Tätigkeiten, wie z.B. auch der Bäcker, die Presse oder Arzt. Hier wird bereits deutlich, dass der Begriff der Staatsaufgaben nicht mit den Aufgaben der Daseinsvorsorge korrespondieren kann.[11]
Staatsaufgaben beschreiben somit jene Aktivitätsbereiche, in denen der Staat tätig ist bzw. werden kann. Dabei bilden sie sozusagen ein Unterkategorie der öffentlichen Aufgaben, da es sich um Aktivitäten handelt, die per Definition ausschließlich vom Staat wahrgenommen werden können. Somit erfolgt eine staatliche Aufgabe aber auch immer imöffentlichen Interesse. Dabei finden Staatsaufgaben zunächst einmal keine demokratische Legitimation im Grundgesetz, sie lassen sich lediglich aus den im Grundgesetz vereinbarten Staatszielen derivativ ermitteln. Dementsprechend gibt es je nach Auslegung des Grundgesetzes einen mehr oder weniger umfangreichen Katalog von (vermeintlichen) Staatsaufgaben, wobei die beiden Pole zum einen durch ein liberales Streben nach Eigenverantwortung und Privatautonomie und somit wenig staatlichen Aufgaben und zum anderen durch einen Sozial- und Leistungsstaat mit entsprechend vielen staatlichen Aufgaben begründet werden.[12]
Unstrittig ist jedoch, dass sich Staatsaufgaben nach ihrem Zweck klassifizieren lassen. Demnach ergeben sich vier Kategorien:
a) Der fiskalische Zweck dient der Finanzierung von Staatsausgaben mit dem Ziel eines möglichst ausgeglichenen Haushalts.
b) Der Allokationszweck beschreibt die Versorgung des Volkes mit Kollektivgütern (Gemeingütern), also Gütern, die frei zugänglich und somit nicht-ausschließbar sind.
c) Ziel eines jeden Staates ist der sog. Distributionszweck, also die Umverteilung von reich zu arm im Sinne der Einkommensgerechtigkeit.
d) Mit dem StabilitÄtszweck versucht der Staat mithilfe ordnungspolitischer Maßnahmen Wirtschaftsförderung zu betreiben, um z.B. ökonomische Genesungs- oder Wachstumsprozesse zu beschleunigen und somit Wohlstand zu schaffen.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Staatsaufgaben also zum einen der Finanzverwaltung und zum anderen der Bereitstellung öffentlicher und meritorischer Güter dienen.[13] Nach dem US-Ökonom Richard Musgrave ist bei einem meritorischen Gut die Nachfrage geringer als das gesellschaftlich gewünschte Ausmaß, weshalb selbiges staatlich gefördert werden sollte. Jeder Mensch „verdient“ somit unabhängig von seiner Leistung meritorische Güter. Als Beispiele können Bildung, Sport, Kultur, aber auch Verkehr genannt werden. Dabei können meritorische Güter durchaus durch privatwirtschaftlich produziert werden.[14]
3.2 Möglichkeiten der Ausgliederung von staatlichen Aufgaben
Wie in 3.1 gezeigt wurde, ist es also Kernaufgabe des Staates, öffentliche und meritorische Güter und Dienstleistungen bereitzustellen. Hier eröffnen sich für die öffentliche Hand jedoch drei Wege der Erfüllung:
a) der Staat kann die sog. Kollektivgüter in öffentlichen Unternehmen selbst erstellen
b) die Produktion an Private auslagern und lediglich die Finanzierung und Bereitstellung übernehmen („contracting-out“)
c) den gesamten Wertschöpfungsprozess inkl. der Finanzierung der Privatwirtschaft überlassen und lediglich regulativ hinsichtlich Versorgungsgrad und -dichte, Preis und Qualität eingreifen
Aus Staatssicht sind jedoch stets die positiven externen Effekte sicherzustellen, also ein sozialer, volkswirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Nutzen, der nicht auf einzelne Wirtschaftssubjekte begrenzbar ist.[15]
Weiterhin besteht für den Staat auch die Möglichkeit, selbst privatwirtschaftlich tätig zu werden und private Güter für den Markt zu produzieren.[16]
Zweifelsohne gibt es staatliche Kernaufgaben, die sich einer Privatisierungslösung entziehen, wie z.B. die innere Sicherheit und die Verteidigung. Ansonsten haben sich historisch gesehen aber die Teil- bzw. Vollprivatisierung als durchaus adäquate Mittel bewiesen.[17]
Im Folgenden sollen die zwei Möglichkeiten der staatlichen Aufgabenauslagerung kurz charakterisiert werden:
Im Bereich der Teilprivatisierung haben sich in der Vergangenheit die sog. Public-Private-Partnership-Finanzierungen (kurz: PPP; zu deutsch ÖPP) durchsetzen können. Hierbei übernimmt ein Privatunternehmen den Bau und ggf. auch den Betrieb der Staatsaufgaben und bekommt seine Investition dann über den Projektlebenszyklus vergütet. Dies kann über unmittelbare Transferzahlungen des Bundes oder über mittelbare Abtretung von Einnahmen geschehen.
In letzter Zeit sind PPP-Projekte v.a. im Bereich der Infrastruktur populär geworden. Als Ausgleich für den zweifelsohne höheren Investitionszinssatz für den Bund sollten dafür die Investitionskosten sinken, die Projektdauer sich reduzieren und die Qualität mindestens gleich bleiben, im Idealfall optimiert werden.[18]
Dabei sollen PPP-Projekte v.a. positive Konjunkturimpulse schaffen und proklamieren zudem eine Win-Win-Situation für sich. Demnach ergibt sich für die Kommunen der sog. „Vorzieheffekt“, da sie Investitionen früher als geplant realisieren können, die Finanzierung ist zudem verträglicher mit den Maastricht-Regeln. Der Auftragnehmer eines PPP-Projekts sichert sich dabei langfristige Einnahmen und kann im Falle des Betriebes seine Gewinnmargen sogar selbst optimieren. Für den Nutzer ergeben sich am Ende im Idealfall günstigere Nutzungsgebühren (z.B. im Schienenverkehr) und eine bessere Infrastruktur.[19] Laut einer Studie aus dem Jahre 2005 erzielen PPP-Projekten Effizienzvorteile zwischen 9 und 19% gegenüber der konventionellen Realisierung.[20]
Eine andere Möglichkeit stellt die sog. Vollprivatisierung dar. Bereits Adam Smith schlug Ende des 18. Jahrhunderts die Privatisierung der englischen Kornländereien vor mit dem Zweck, den Staatshaushalt durch die Verkaufserlöse zu entlasten und zudem eine bessere Kultivierung durch Private zu erreichen.[21] Die Privatisierung folgt stets dem Grundideal eines „schlanken Staates“[22], Ziel ist die Wettbewerbsintensivierung. Letztere äußert sich in einer steigenden Zahl von Anbietern, einer niedrigen Marktkonzentration und der Abschaffung von Zugangsbarrieren. Bei einer Privatisierung verkauft der Staat (einen Teil) seiner Anteile (bspw. durch einen IPO), wodurch sich die Rechtsform häufig von einer AöR zu einer Holding, AG oder GmbH wandelt.[23]
Seinen historischen Ursprung hatte die Privatisierung v.a. im Wirtschaftsliberalismus des Milton Friedman und des Friedrich August von Hayek in den USA, wobei zur Implementierung derer Ideale der Machtzuwachs von EU, Weltbank und IWF entscheidend waren, da insbesondere letztere Kredite zur Staatenrettung nur gegen Zusagen zur Marktliberalisierung vergaben.[24]
In Europa gelang die Wende von der Plan- zur Marktwirtschaft ab den 1980er Jahren unter der Vorreiterrolle von Großbritanniens Premierministerin Margaret Thatcher. Ihre Privatisierungspolitik galt als wichtigster Exportschlager des „Thatcherismus“, unter ihrer Führung wurden 40 Staatsbetriebe privatisiert und damit 33 Milliarden Sterling eingenommen.[25]
Dabei war Thatchers Intention vor allem auch, aus den Briten ein Aktienvolk zu machen, weshalb sie nach der Privatisierung von BT die „capital owning democracy“ ausrief. Weiterhin begründete sie auch die sog. „Voucher-Privatisierung“, bei der eine Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter erwirkt wird.[26]
Als größter Treiber in Deutschland kann der wirtschaftsliberale Kurs Otto Grafs von Lambsdorff gesehen werden, der auch die bislang bedeutendste Privatisierung, die mit dem Poststrukturgesetz 1989 auf den Weg gebracht wurde, entscheidend vorantrieb. Mit dem Poststrukturgesetz wurde sowohl der Markt für Postzustellungen als auch der Telekommunikationsmarkt (die Telekom ging als Unternehmen hervor) liberalisiert.[27]
„ There is no alternative “ [28]
4. Staat oder Markt? Zur Grundfrage der Privatisierung
4.1. Erklärungsversuche der Ineffizienz öffentlicher Unternehmen
Jedes öffentliche Unternehmen muss sich, um seine Legitimation zu erhalten, mit folgenden zwei Grundfragen auseinandersetzen:
a) Ist der volkswirtschaftliche Aufwand geringer, wenn der Staat die öffentlichen und meritorischen Güter privatisiert und lediglich die positiven externen Effekte sicherstellt?
b) Ist die staatliche Produktion wirklich effizienter als die private? Hierbei muss jedoch stets berücksichtigt werden, dass im Falle einer Privatisierung Verwaltungskosten für die Auftragsausschreibungen hinzukommen.[29]
Wie man aus den obigen Grundfragen ableiten kann, ist das Argument für Privatisierung die (angeblich) höhere Effizienz privater Unternehmen. Hierzu sollen im Folgenden Ursachen ergründet werden.
a) Positive Theorie der Wirtschaftspolitik: Sie spielt auf einen möglichen Interessenkonflikt zwischen der betrieblichen Zielsetzung (wie z.B. die Produktionseffizienz) und der gesamtwirtschaftlichen Zielsetzung (z.B. Abbau von Arbeitslosigkeit) der Träger an. In diesem Beispiel verfolgen die Träger eher die Strategie ihres Wahlziels und bauen Arbeitslosigkeit durch Neueinstellung ab, was jedoch zu Lasten des Betriebserfolgs geht.[30]
b) Theorie der Eigentumsrechte: Öffentliche Unternehmen haben oftmals eine geringere Erfolgskontrolle, da der Träger nicht auch noch die ökonomische Verantwortung tragen muss. Daher haben öffentliche Unternehmen oftmals kein Zwang zur Gewinnerzielung, zur Dividendenausschüttung und schnellen Anpassung an die Nachfrage. Der Kapitalmarkt als Kontrollinstanz versagt hier, da sich die Unternehmen gar nicht oder vereinfacht über den Kapitalmarkt refinan-zieren.
c) Ökonomische Theorie der Bürokratie: Für die persönliche Leistungsmaximierung gelten die drei Ps Power, Pay und Prestige als essenziell. In öffentlichen Unternehmen ist der Pay-Faktor, also die Bezahlung, jedoch oftmals nicht als Motivation geeignet, da die Manager i.d.R. erfolgsunabhängig vergütet werden. Einkommensklassen werden eher nach Unternehmensgröße und Verantwortung verteilt, weshalb in öffentlichen Unternehmen eine Orientierung an Wachstumszielen somit oft lukrativer ist als an Effizienzzielen.
d) Theorie des Gewerkschaftseinflusses: Da Mitarbeiter öffentlicher Unternehmen i.d.R. gesicherte Arbeitsverhältnisse („Beamtenstatus“) haben, können sie oftmals höhere Reallöhne als normale Arbeitnehmer durchsetzen.[31]
4.2. Argumentation für die Sinnhaftigkeit öffentlicher Unternehmen
Auch wenn das öffentliche Unternehmen ineffizienter arbeitet als sein privatwirtschaftliches Pendant, ist das noch nicht per se ein Argument für die Privatisierung, da es auch Gründe geben kann, die dagegen sprechen:
Durch den Profitwillen der privaten Unternehmen geht eine Liberalisierung häufig mit Produktivitätssteigerung durch Kostensenkung einher. Diese wird jedoch mit Stellenabbau und Auslagerung der Produktion ins Ausland erkauft, was nicht selten zu Lasten der Qualität geht. Je wettbewerbsintensiver der Markt vor der Liberalisierung, desto zentraler die Rolle der Lohnkosten und desto größer ist das Risiko für Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Hier ist oftmals eine soziale Regulierung notwendig.[32]
Privatisierungskritisch äußert sich auch die deutsche Bevölkerung in einer kürzlich durchgeführten dimap -Studie, demnach sehen zwei Drittel der Befragten lieber öffentliche als private Unternehmen. Ein Grund hierfür könnte die als positiv empfundene Gemeinwohlorientierung des öffentlichen Trägers sein, die dem Gewinnmotiv der privater Anbieter entgegensteht.[33]
Der bekannte Kölner Politikwissenschaftler Rainer Liedtke warnt zudem, die Gesellschaft würde „zu Tode privatisiert“[34] werden.
a) Aspekt der Produktionseffizienz: Auch der Aktienmarkt als Kontrollinstanz privatwirtschaftlicher Unternehmen kann unter Marktversagen leiden, wenn kleine Aktionäre ihre Anteile bei ineffizienter Unternehmensführung nicht verkaufen somit den Großaktionären die Kontrollmehrheit verweigert wird.[35]
b) Aspekt der Allokationseffizienz: Die Privatisierung kann in bestimmten Fällen zur Monopolbildung führen; oftmals ist es ebenso nicht ratsam, eine Privatisierung, die mit Deregulierung einhergeht, in stark regulierten Marktbereichen durchzuführen, da es so zu keiner Effizienzsteigerung kommt. Auf oligopolistischen Märkten kann das öffentliche Unternehmen zudem als wettbewerbspolitische Instanz dienen.
Die Essenz dieser Privatisierungsdebatte kann daher keine einfache Antwort sein, da dies sonst der Natur der Sache widersprechen würde. Nichtsdestotrotz gelingt es Bauer, die vorangegangene Argumentationskette abzurunden:
„ Auf Grund des komplexen VerhÄltnisses zwischen der Eigentumsstruktur und der Effizienz von Unternehmen kann daher Privatisierung i. e. S. nur als begrenzte Patentlösung zur Erzielung einzel- und gesamtwirtschaftlicher Effizienzen angesehen werden. Die Schaffung starker wettbewerbsorientierter MarktverhÄltnisse oder kompetitiver Anreizsysteme dürfte in vielen FÄllen einüberlegeneres Instrument sein. “ [36]
5. Komparative Betrachtung ausgewählter deutscher Banken hinsichtlich der Effizienz
5.1 Vorüberlegungen
Da die Ineffizienz als einer der zentralen Gründe für die Privatisierung öffentlicher Unternehmen gesehen werden kann, soll in der Folge die Effizienz der Nord LB mit der anderer Banken verglichen werden.
Die Intention einer vergleichenden Leistungsdiagnostik ist es, eine eindeutige Rangordnung zwischen den Wettbewerbern zu generieren, wobei das leistungsstärkte Unternehmen den ersten Platz einnimmt und das leistungsschwächste den letzten. Um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten, ist eine Reduzierung der unternehmerischen
Leistung auf eine einzige Kennzahl zu reduzieren.[37] Man differenziert zwischen zwei Ansätzen:
Der Praktikeransatz ist ein pragmatischer Ansatz zur Gesamtbank-Betrachtung, die sich auf die publizierten bilanziellen Fundamentaldaten der Unternehmen stützt. Die Aussagekraft dieser komparativen Betrachtung auf Basis einfacher Produktivitätskennzahlen ist jedoch – aufgrund unterschiedlicher Geschäftsmodelle und Zielmärkten - eher geringer.[38]
Eine deutlich größere Aussagekraft besitzt dagegen der wissenschaftliche Ansatz. Die Produktivitätsanalyse erfolgt hierbei auf Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) unter Bereinigung von Preiseffekten. Ein typisches Beispiel für die wissenschaftliche Betrachtungsweise ist die Arbeitsproduktivität, bei der die Ausbringungsmenge (Output) zu den aufgewendeten Arbeitsstunden (Input) ins Verhältnis gesetzt wird.[39] Da diese Daten jedoch i.d.R. einen extrahierten Status des innerbetrieblichen Schutzes genießen und vertraulich behandelt werden, kann oftmals keine ausreichend große Datenbasis generiert werden.[40] Aus diesem Grund wird häufig dennoch auf den weniger geeigneten praktischen Ansatz zurückgegriffen, klassischerweise wird hier das Cost-Income-Ratio (CIR) verwendet.
Der CIR gibt das periodisierte Verhältnis aus Verwaltungskosten zu den operativen Erträgen an, es wird daher als Prozentzahl des Aufwandes angegeben, der nötig ist, um eine Einheit Ertrag zu generieren.[41] Je niedriger das CIR, desto effizienter also das operable Geschäft.
[...]
[1] Bormann, T. (2015): http.www.tagesschau.de..., am 10.09.2015.
[2] Bormann, T. (2015): http.www.tagesschau.de..., am 10.09.2015.
[3] Vgl. Klunzinger, E. (1985), S. 27.
[4] Vgl. Demmede, K. (2014), S. 12.
[5] Vgl. Hierl, S. / Huber, S. (2008), S. 44 ff.
[6] Vgl. Hüttner, M. (1995), S. 243 ff.
[7] Vgl. Mroß, M. (2015), S. 138f.
[8] Vgl. Nds. Ministerium für Finanzen (2007) et. al., S. 1.
[9] Vgl. NORD LB (2015a): http://nordlb.de…, am 11.08.2015.
[10] Vgl. NORD LB (2015b): http://nordlb.de…, am 11.08.2015.
[11] Vgl. Dreher, M. / Rittner, F. (2008), S. 201.
[12] Vgl. Krajewski, M. (2011), S. 263ff.
[13] Vgl. Bartel, R. (1990), S. 19ff.
[14] Vgl. Musgrave, R. A. (1957), S. 333f; Musgrave, R.A. / Musgrave, B. / Kullmer L. (1994), S. 87ff.
[15] Vgl. Bartel, R. (1990), S. 20f.
[16] Vgl. Rürup, B. (1982), S. 175ff.
[17] Vgl. Tegner, H. / Wachinger, L. (2006), S. 3.
[18] Vgl. Mietzsch, O. (2010), S. 24f.
[19] Vgl. Tegner, H. / Wachinger, L. (2006), S. 13.
[20] Vgl. Jacob, D. / Stuhr, C. (2005), S. 27.
[21] Vgl. Bartel, R. (1990), S. 20f.
[22] Frei, N. / Süß, D. (2012), S. 8.
[23] Vgl. FORBA (2009), S. 5ff.
[24] Vgl. Frei, N. / Süß, D. (2012), S. 15f.
[25] Vgl. Geppert, D. (2012), S. 51ff.
[26] Vgl. Geppert, D. (2012), S. 51ff.
[27] Vgl. Frei, N. / Süß, D. (2012), S. 15f.
[28] Conservative Party (1967), http://margaretthatcher.org, am 12.08.2015.
[29] Vgl. Bartel, R. (1990), S. 25.
[30] Vgl. Bartel, R. (1990), S. 30f.
[31] Vgl. Bartel, R. (1990), S. 31f.
[32] Vgl. FORBA (2009), S. 45ff.
[33] Vgl. Schluz-Nieswandt, F. (2011), S. 23ff.
[34] Vgl. Liedtke, R. (2007), S.1.
[35] Vgl. Yarrow, G. (1986), S. 323ff.
[36] Bauer, J.M. (1987), S. 584
[37] Vgl. Cantner, U. et. al. (2007), S. 27.
[38] Vgl. u.a. Moormann, J. et al. (2006), S. 40ff; Colwell, R. J. (1992), S. 116ff.
[39] Vgl. McKinsey (2002), S. 13
[40] Vgl. Berger, A. N. et. al. (1997), S. 197
[41] Vgl. Gischer, H. et. a. (2014), S. 6