Der Erzählzyklus um Josef, der von seinen Brüdern an Händler verkauft wird und in Ägypten zum Zweitkönig unter dem Pharao aufsteigt, findet sich am Schnittpunkt zwischen den Erzelterngeschichten und den Exoduserzählungen. Auch wenn die Erzählung wie ein großes Ganzes erscheint, ist sie doch ein durchkomponiertes Gebilde aus redaktionell überarbeiteten Perikopen. Es handelt sich nicht um eine schlichte Geschichte mit Klimax, Peripetie und Ausgang, sondern um eine mehrgliedrige Forterzählung. Die Behandlung des Josefszyklus erfordert deshalb im Unterricht der Grundschule die Aufteilung in mehrere Einzelstunden.
Der Zyklus erscheint hierbei als abgeschlossenes System, das auf viele grundlegende Themen des Volkes Israel eingeht: die Vorstellung der Abstammung des Zwölfstämmeverbundes von zwölf Söhnen des eine Ahnherren Jakob; das im Alten Testament häufige Motiv des Abwanderns nach Ägypten in der Hungersnot; nicht zuletzt aber die Stellung des Israeliten in der Welt, der in der Figur Josef einen Prototypen findet.
Inhalt
1. Elementare Strukturen: Inhalte und Hintergrund zu „Josef als Sklave in Ägypten“
2. Elementare Zugänge
2.1 Soziokulturelle Voraussetzungen
2.2 Entwicklungspsychologische Voraussetzungen
3. Elementare Erfahrungen: Themen der Perikope
4. Elementare Wahrheiten
5. Lehrplananalyse
5.1 Stellung des Themas im Lehrplan
5.2 Stundensequenz des Josefszyklus
5.3 Formulierung der Feinziele/ Lehrintentionen
6. Elementare Lernwege: Stiller Impuls
8. Rezeption
9. Anlagen
10. Literaturangaben
1. Elementare Strukturen: Inhalte und Hintergrund zu „Josef als Sklave in Ägypten“
Der Erzählzyklus um Josef, der von seinen Brüdern an Händler verkauft wird und in Ägyptenzum Zweitkönig unter dem Pharao aufsteigt, findet sich am Schnittpunkt zwischen den Erzelterngeschichten und den Exoduserzählungen.[1] Auch wenn die Erzählung wie ein großes Ganzes erscheint, ist sie doch ein durchkomponiertes Gebilde aus redaktionell überarbeiteten Perikopen. Es handelt sich nicht um eine schlichte Geschichte mit Klimax, Peripetie und Ausgang, sondern um eine mehrgliedrige Forterzählung. Die Behandlung des Josefszyklus erfordert deshalb im Unterricht der Grundschule die Aufteilung in mehrere Einzelstunden. Der Zyklus erscheint hierbei als abgeschlossenes System, das auf viele grundlegende Themen des Volkes Israel eingeht: die Vorstellung der Abstammung des Zwölfstämmeverbundes von zwölf Söhnen des eine Ahnherren Jakob; das im Alten Testament häufige Motiv des Abwanderns nach Ägypten in der Hungersnot; nicht zuletzt aber die Stellung des Israeliten in der Welt, der in der Figur Josef einen Prototypen findet. Dem Exegeten Werner zufolge liegt darin auch die Grundaussage des Textes: Josef tritt als der vom Vater bevorzugte, privilegierte Sohn unter vielen Söhnen auf und entwickelt sich, nachdem er Läuterung in Sklaventum und Gefangenheit erfahren hat, vom verwöhnten jungen Mann zum völkerrettenden, vorbildlichen und Heil bringendem Staatsmann. Es finden sich, so Werner, unübersehbare Parallelen zur von Höhen und Tiefen geprägten Geschichte des auserwählten Volkes Israels.[2] Ganz offensichtlich ist der Text als weisheitliche Predigt angelegt. Er zeigt nicht nur den Beistand Gottes auf dem Lebensweg des Gläubigen, sondern legt dar, „wie zu allen Zeiten ein weiser Staatsmann und großer Seelsorger beschaffen sein sollte“[3].
Auf den Beginn der Josefsgeschichte (Gen 37,1-36), in dem Josef von seinen neidenden Brüdern an Händler verkauft wird, folgt die Perikope um Josefs Aufenthalt beim Hofbeamten Potifar in Ägypten, bei dem er als Sklave tätig ist (Gen 39,1-21). Die Perikope bildet einen eigenen Spannungsbogen. Dass „der Herr mit Josef war“ (Gen 39,3) und „der Segen des Herrn“ (Gen 39,5) auf allem ruhte, was Josef anvertraut wird, rahmt die Handlung und spiegelt das Leitmotiv wider. Spätestens an der Stelle, an der Josef sich in seiner Arbeit hervortut, kann er in den Augen der Kinder nicht mehr der verwöhnte Sohn des ersten Abschnittes sein, sondern wird zum sympathischen Hauptcharakter. Vom Sklaven zum Hausvorsteher aufzusteigen gelingt Josef durch das Mit-Sein Gottes, das sich nicht nur auf seine persönliche Arbeit, sondern wie selbstverständlich auch auf Haus und Besitz des Hausherren positiv auswirkt. Segen wird im Alten Testament als eine überströmende Kraft verstanden, die allem und jedem zu Gute kommt, solange er oder es zum Gesegneten in Kontakt steht. Das Mit-sein Gottesbedeutet insgesamt in der Josefserzählung nicht nur eine Begleitung auf einem Weg, wie es im Exodus der Fall ist, sondern dehnt sich bis auf den wirtschaftlichen und schließlich politischen Bereich aus, als Josef eine hohe und machtvolle Stellung erhält.[4] Der Aufstieg zum Hausvorsteher ist dabei der erste kleine Aufstieg.
Der Wendepunkt tritt ein, als Potifars Frau ein Auge auf Josef wirft (Gen 39,7) und er sich der befehlsartigen Aufforderung, mit ihm zu schlafen, widersetzt. Zum einenbegründet Josef seine Weigerung mit seiner Position als Hausvorsteher, der das Vertrauen seines Herren zu schätzen weiß, zum anderen sieht er in der Tat eine Sünde gegen den Herrn, seinen Gott. Ehebruch war auch zu Zeiten Josefs verwerflich. Es gibt an dieser Stelle Exegeten, die die Betonung hier auf die Verdorbenheit der Ägypterin im Gegensatz zum israelitischen Ideal sehen – tatsächlich aber scheint es vielmehr um das Treueverhältnis von Diener und Herr und Mensch und Gott zu gehen. Der Ehebruch würde einen Verrat in beide Richtungen bedeuten. So verbreitet die Frau schließlich nach erneuter Abweisungen die Lüge unter Angestellten und Ehemann, dass Josef versucht habe, sie zu missbrauchen. Ihr Begehren schlägt sich in kindlichen Zorn um und führt zur Katastrophe.Ihrem Mann bleibt keine andere Wahl, als Josef zu bestrafen, denn er befindet sich in einer Zwicklage: bestraft er Josef, so muss er ausgerechnet den Diener, dem er den Hausvorstand anvertraut hat, schlimmster Vergehen bezichtigen;bestraft er Josef nicht, stellt er seine Frau bloß und verdächtig sie der Lüge. Freilich muss die Ehefrau immer über dem Sklaven stehen. Josef landet somit im Gefängnis und steht damit wieder am selben Tiefpunkt wie zu Anfang der Perikope: fern von Familie und Heim, ohne Rechte und Vorzüge. Die Schüler wird diese Ungerechtigkeit mit Sicherheit entrüsten.Es erscheint mir daher wichtig, den Hinweis zu geben, dass Gott weiterhin bei Josef ist, wie es auch im letzten Vers der Perikope erwähnt wird (Gen 39,21).[5]
2. Elementare Zugänge
2.1 Soziokulturelle Voraussetzungen
Die Grundschule liegt im ländlichen bayerischen Bereich, dementsprechend finden sich in der Klasse 2 keine Schüler mit Migrationshintergrund. Es ist eine rein katholische Klasse, bestehend aus 24 Schülern, in der einige wenige Kinder vor allem im Bereich Bibelerzählungen ein hohes Maß an Hintergrundwissen aufweisen. Es ist also anzunehmen, dass der Josefszyklus einigen bereits aus dem Gemeindeleben oder der Kinderkirche bekannt ist. Die meisten Schüler sind durchschnittlich am Religionsunterricht interessiert.
Die Schüler der Klasse sind allesamt 7 bis 9 Jahre alt, wobei es zwei Jungen gibt, die die 2. Klasse wiederholt besuchen. Eben diese Schüler tun sich aber gerade im erzählenden, kreativen Bereich des Religionsunterrichts hervor und zeigen dort, wenn es gefördert wird, eine bessere Mitarbeit als in manch anderen Fächern. Unterrichtsstörend fällt in allen Fächern ein lebendiger Junge von 8 Jahren auf, der sehr unruhig und unkonzentriert sein kann. In der Klasse ist er integriert; es ist allerdings unsicher, wie er die jeweilige Unterrichtsstunde aufnimmt, da er an manchen Tagen sehr aufbrausend ist, sodass es nötig sein kann, ihn aus der Gruppenarbeit oder dem Sitzkreis auszuschließen, damit er sich beruhigt. Insgesamt aber ist die Klasse bereits gut an den Schulalltag gewöhnt und die Kinder betrachten den Religionsunterricht als willkommene Abwechslung, da er für sie immer in einem Sitzkreis mit Anschauungsmaterial und Lehrererzählung beginnt.
2.2 Entwicklungspsychologische Voraussetzungen
Welche Reaktionen sind auf die Josefsgeschichte zu erwarten, auf welcher Stufe der religiösen Urteilskraft sind die Grundschüler der 2.Klasse anzusetzen? Hält man sich an das Entwicklungsmodell nach Oser und Gmünder, erscheint die Stufe 2 „Orientierung an „do ut des““ wahrscheinlich. Viele Kinder sind bereits religiös sozialisiert und haben zumindest im Religionsunterricht Formen des Gebets kennen gelernt. Gott ist gerecht, er hört sich das an, was das Kind zu sagen hat, und erscheint zu einem gewissen Grade auch bestechlich. Gute Taten werden belohnt, schlechte Absichten können von Gott bestraft werden. Aus diesem Grund wird das Verhalten des fleißigen, klugen Josefs die Kinder darauf schließen lassen, dass Gott ihm beisteht und ihm bei seinen Aufgaben hilft. Es ist allerdings auch möglich, dass manche Schüler sich noch an einem bedrohlichen, unberechenbaren Gottesbild orientieren, dem nicht zu trauen ist, insbesondere dann, wenn sie negative Erfahrungen gesammelt haben. Gott könnte dann ebenso gut der „Deus ex Machina“ der Stufe 1 sein, dessen Eingriffe in das Leben nicht vorhersehbar sind. Aus diesem Grund sollte während der Erzählung vom Lehrer ein den Josef begleitenden und ihm freundlich gesinntem Gott vermittelt werden.[6]
Die Entwicklungstheorien des James W. Fowler gehen einen Schritt weiter und beschreiben nicht nur die individuelle Gottesbeziehung, sondern auch die das ganze Leben beeinflussende Sinnsuche und Grundhaltung zu einem Göttlichen. Das Symbolverständnis spielt dabei eine wichtige Rolle. Wenn im Unterricht eine Kerze, eingerahmt von einem Quadrat aus Steinen, auf einem schwarzen Tuch als Bodenbild verwendet wird, werden einige Schüler mit dem Hintergrundwissen der vergangenen Unterrichtsstunde sofort die Assoziation an Josef erhalten, der im Gefängnis sitzt. Das Licht steht hier stellvertretend für den Menschen, der im Dunkeln sitzt. Dieses metaphorische Verständnis ist allerdings noch nicht zu erwarten und das Bild kann, parallel zur Geschichte, höchstens erarbeitet werden. Auch Gott wird in der Vorstellung der Schüler in diesem mythisch-wörtlichem Glauben ein greifbares, menschenähnliches Wesen sein. Diese Entwicklungsstufe stellt aber kein Hindernis für den Inhalt der Perikope dar: fassbare, sichtbare Nähe zwischen zwei Wesen, wie es sich die Kinder vorstellen, drückt ebenso freundschaftliche Nähe aus wie die Gottesnähe auf metaphysischer Ebene eines bereits reflektierter Gottesglaube, der sich Gott in anderer Form vorstellt.[7]
3. Elementare Erfahrungen: Themen der Perikope
Wenn Gott bei Josef ist, bedeutet das nicht, dass er aktiv handelt; er greift nicht ein, er spricht nicht; es ist lediglich von „Segen“, „Mit-Sein“ und „Gelingen Lassen“ die Rede. Im Josefszyklus wird damit das Gottesbild eines begleitenden, sehenden Gottes vermittelt, der zu denen steht, die gerecht sind; und auch wenn er nicht aktiv handelt, so wendet er doch das Geschehnis zum Guten.Dieses positive Bild ist unter den Schülern bekannt. Die Erfahrungen dazu können sehr unterschiedlich sein. Ein Kind, dass den sehenden Gott fürchtet, misstraut dem Fortlauf der Geschichte, während ein Kind, das von den Eltern gelernt hat, vor dem Schlafengehen zu beten, eine ganz persönliche Verbundenheit zu dem Gott hat, der auch bei Josef ist. Es ist davon auszugehen, dass die Schüler aus diesem Grund mit einer gewissen Erwartungshaltung an die Geschichte herangehen: der Held, der immer richtig handelt, muss zum Schluss gewinnen. Nachdem der Josefzyklus in mehrere Teile geteilt wird, kann es vielleicht ein Schreck sein, wenn diese Erwartung nicht erfüllt wird und der Protagonist erneut im Dunkeln endet, obwohl doch Gott bei ihm ist.
Ein weiteres Grundthema, auf das in der Josefsperikope eingegangen werden sollte, ist das Thema der Ehe. Dabei befindet sich der Erwachsene natürlich auf einer anderen Erfahrungsstufe als der Schüler. Dass eine Ehe unter Gottes Schutz steht und ein Versprechen zwischen Eheleuten an Gott darstellt, zwischen das sich kein Dritter stellen darf, ist ein Wissen, von dem man in der zweiten Klasse nicht ausgehen darf. Vielen, aber nicht allen Kindern, dürfte dieses besondere Näheverhältnis aber zumindest z.B. von den eigenen Eltern oder Großeltern aus eigener Erfahrung bekannt sein. Die Ehe ist etwas, was Kinder im Idealfall zu Hause als harmonische Einheit von Vater und Mutter erleben. Es ist eine wünschenswerte, unreflektierte Grunderfahrung, sich zu Hause bei Mutter und Vater geborgen zu fühlen. Nicht alle Kinder aber leben in einer Familie, in der die Verhältnisse klar sind, sondern kennen wechselnde Beziehungsverhältnisse, mehrere Bezugspersonen oder getrennt lebende Eltern. Es wirkt sich auch auf die Erziehung aus, dass die Ehe in der Gesellschaft einen immer geringeren Wert hat und viele Paare gar nicht oder sehr spät heiraten. Dies kann mitunter problematisch sein, wenn es darum geht, zu begründen, warum eine Ehe nicht gebrochen werden darf, wenn gleichzeitig nicht verstanden wird, was eine Ehe ist und warum sie besteht. Als Lehrer ist dieser Moment vielleicht der geeignete Zeitpunkt, einmal auszusprechen, dass eine Ehe Liebe zwischen Mann und Frau bedeutet und dass diese Beziehung zerstört wird, sobald sich die Liebe eines Partners zu einem Dritten wendet. Das dürfte auch das Beziehungsgefüge der Freundschaft ansprechen: wenn zwei beste Freunde sind, kann der eine den anderen nicht einfach verlassen. Beinahe freundschaftlich lässt sich schließlich auch das Verhältnis von Potifar und Josef beschreiben.
Freilich ist in der Perikope auch von Sexualität und Begierde die Rede. Hier nimmt die Bibel kein Blatt vor den Mund (Gen 39,7). Freilich sollte der Fokus nicht auf das Verlangen der Frau gelegt werden. Einige Kinder werden in diese Richtung vielleicht schon Interesse zeigen, die meisten Schüler aber sind vermutlich noch unaufgeklärt oder haben nur eine vage Vorstellung davon. Wahrscheinlich ruft bereits das Wort „küssen“ Lachen oder Ekel hervor. Es ist auch gar nicht nötig, näher auf die Sexualität von Mann und Frau einzugehen: eine leichte Abänderung in der Geschichte, wie dass sich die Frau in Josef verliebt und ihn umarmen möchte, ändert nichts an den Grundinhalten, die von Vertrauen, Treue und Vertrauensbruch handeln. Von daher kann die Perikope von Josef bei Potifar in Ägypten auch trotz des prekären Inhaltes in den Grundschulunterricht aufgenommen werden.
Ein weniger gewichtiges Thema, auf das bei der Erzählung eingegangen werden kann, ist die Sklaverei, in der sich Josef zu Anfang befindet. In der Bibel wird diese Szene recht kurz behandelt (Gen 37,36). Es kann aber erforderlich sein, auf die Bedeutung des Wortes „Sklaverei“ einzugehen, da dieses Thema für Heranwachsende gerade in Deutschland weitestgehend unbekannt sein dürfte bzw. aus Filmen nur beschönigt bekannt ist. Dass ein Sklave an allem Mangel hat und obendrein eine ungewisse Zukunft hat, sollte besprochen werden. Josef lebt als verkaufter Sklave in extremen Kontrast zu seinem bisherigen Leben; die regelrechte Erlösung findet er erst bei Potifar, bei dem er so etwas wie ein Zu Hause und auch gewisse Anerkennung findet. Eine Erläuterung dazu ist wichtig, insbesondere um Josefs Aufstieg und später seinen Fall entsprechend vermitteln zu können.
[...]
[1] Vgl.:Staubi: Begleiter durch das Erste Testament. 2012, S.162 f.
[2] Vgl.: Werner: Joseph. Staatsmann und Seelsorger. 1967, S.127-134.
[3] Ebd., S.176 Z.28f.
[4] Vgl.: Westermann: Genesis. 1982, S.58.
[5] Vgl.: Ebd., S.55-67.
[6] Vgl.: Hilger: Religionsdidaktik Grundschule. 2006, S.98-102.
[7] Vgl.: Hilger, Georg; Ritter, Werner H.: Religionsdidaktik Grundschule. Handbuch für die Praxis des evangelischen und katholischen Religionsunterrichts. München: Kösel 2006, S.102-105.