Europaweit steigt die Lebenserwartung stetig. Einen großen Einfluss werden dabei den medizinischen Innovationen zugeschrieben. Der folgende Forschungsbericht untersucht, inwieweit die Brustkrebssterblichkeit durch die Einführung des Mammographie-Screenings beeinflusst wird.
Eurostat zufolge ist die Lebenserwartung in Europa in den letzten 50 Jahren gestiegen. Hintergrund dieser Erhöhung ist der epidemiologische Übergang, welcher die Veränderung von Infektionskrankheiten hin zu chronischen Erkrankungen beschreibt. Die ersten Phasen des Übergangs waren von hoher (Säuglings-) Sterblichkeit und einer niedrigen Lebenserwartung gekennzeichnet. Diese wurde durch Epidemien und schlechte hygienische Bedingungen verursacht. Im Zeitalter der degenerativen und gesellschaftlich verursachten Krankheiten sank die Sterblichkeit auf ein niedriges Niveau, verknüpft mit einer steigenden Lebenserwartung von über 50 Jahren. Seuchen und Epidemien wurden von chronischen Krankheiten, wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs, abgelöst. Die „Cardio-Vascular-Revolution“ zeichnet sich durch den Rückgang von Herz-Kreislauferkrankungen aus.
Einen großen Einfluss haben hierbei neue Innovationen und Technologien der Medizin. Sie dienen nicht nur der Behandlung, sondern auch der Prävention von Erkrankungen. Akute Symptome am Herzen können mit Herzschrittmachern oder Bypass-Operationen behoben werden. Mithilfe von neuem Wissen bezüglich Risikofaktoren, wie Bluthochdruck oder Cholesterin, ist es möglich, solche Operationen zu vermeiden. Weitere Innovationen sind in der Krebsforschung zu finden. Neben der Chemotherapie werden pharmazeutische Medikamente, wie Tamoxifen gegen Brustkrebs, entwickelt und verwendet. Innovationen verschaffen dem Anwender einen gewissen Mehrwert, sonst werden sie nicht als solche definiert. Des Weiteren führen moderne Vorsorgeuntersuchungen zu einer Reduzierung von Krankheiten. Hierzu gehören auch die kostenlosen Mammographie-Screening-Programme zur Brustkrebs-Früherkennung, welche bereits in vielen Ländern Europas Anwendung gefunden haben. Aus der daraus resultierenden Senkung der Sterberaten, folgt eine Erhöhung der Lebenserwartung, verbunden mit einer stetigen Alterung der Bevölkerung.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theorieteil
3. Daten und Methoden
4. Ergebnisse
5. Störvariablen
6. Diskussion
7. Schlussfolgerung
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Eurostat zufolge ist die Lebenserwartung in Europa in den letzten 50 Jahren gestiegen. Hintergrund dieser Erhöhung ist der epidemiologische Übergang, welcher die Veränderung von Infektionskrankheiten hin zu chronischen Erkrankungen beschreibt. Die ersten Phasen des Übergangs waren von hoher (Säuglings-) Sterblichkeit und einer niedrigen Lebenserwartung gekennzeichnet. Diese wurde durch Epidemien und schlechte hygienische Bedingungen verursacht. Im Zeitalter der degenerativen und gesellschaftlich verursachten Krankheiten sank die Sterblichkeit auf ein niedriges Niveau, verknüpft mit einer steigenden Lebenserwartung von über 50 Jahren. Seuchen und Epidemien wurden von chronischen Krankheiten, wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs, abgelöst. Die „Cardio-VascularRevolution“ zeichnet sich durch den Rückgang von Herz-Kreislauferkrankungen aus.
Einen großen Einfluss haben hierbei neue Innovationen und Technologien der Medizin. Sie dienen nicht nur der Behandlung, sondern auch der Prävention von Erkrankungen. Akute Symptome am Herzen können mit Herzschrittmachern oder Bypass-Operationen behoben werden. Mithilfe von neuem Wissen bezüglich Risikofaktoren, wie Bluthochdruck oder Cholesterin, ist es möglich, solche Operationen zu vermeiden. Weitere Innovationen sind in der Krebsforschung zu finden. Neben der Chemotherapie werden pharmazeutische Medikamente, wie Tamoxifen gegen Brustkrebs, entwickelt und verwendet. Innovationen verschaffen dem Anwender einen gewissen Mehrwert, sonst werden sie nicht als solche definiert. Des Weiteren führen moderne Vorsorgeuntersuchungen zu einer Reduzierung von Krankheiten. Hierzu gehören auch die kostenlosen Mammographie-Screening-Programme zur Brustkrebs-Früherkennung, welche bereits in vielen Ländern Europas Anwendung gefunden haben. Aus der daraus resultierenden Senkung der Sterberaten, folgt eine Erhöhung der Lebenserwartung, verbunden mit einer stetigen Alterung der Bevölkerung.
Die Wirksamkeit solcher Sreenings ist jedoch umstritten. Die Frage wie groß der Beitrag der Medizin und der Innovationen zur Erhöhung der Lebenserwartung ist, motivierte mich diese Untersuchung durchzuführen. Die zentrale Forschungsfrage lautet: „Senkt die Einführung des Mammographie-Screenings 1986 in Schweden die Brustkrebssterblichkeit?“
Dazu wird die weibliche Brustkrebssterberate nach Altersgruppen zwischen 40 und 74 Jahren, sowohl vor als auch nach der Einführung des Screenings, eruiert. Um voreilige Rückschlüsse einer möglichen Senkung der Brustkrebssterblichkeit in Schweden auf das Mammographie-Screening zu vermeiden, wird das Nachbarland Norwegen als Vergleichsland herangezogen. Die beiden Länder besitzen ein ähnlich gut ausgebautes Gesundheitssystem, einen vergleichbaren Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten, sowie eine annähernd gleiche Bevölkerungsstruktur und eignen sich somit sehr gut zum Vergleich. Des Weiteren ist Norwegen sehr gut als Vergleichsland geeignet, da das Mammographie-Screening erst deutlich später eingeführt wurde. Für Norwegen werden dann ebenfalls die Brustkrebssterberaten eruiert und auf einen Effekt der Einführung des Mammographie-Screening untersucht. Bei einem unveränderten Sterbetrend im jeweiligen Land, nach der Einführung des Screenings, kann der Einfluss dessen widerlegt werden.
Einschränkungen und Störvariablen müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Beispielsweise muss beachtet werden, dass das Mammographie-Screening ein freiwilliges Angebot ist und nicht jede Frau dran teilnimmt. Näher wird darauf nochmal im Theorieteil und im Anschluss an die Analyse eingegangen. Darüber hinaus wird die Methode des MammographieScreenings beschrieben und der Forschungsstand beider Länder zu dem Thema skizziert. Aus diesem Forschungsstand ergeben sich die Hypothesen die im Praxisteil untersucht werden sollen. Das verwendete Datenmaterial und die angewandten Methoden werden in einem eigenen Teil genauestens beschrieben. Eine anschließende Analyse gibt Aufschluss über den Beitrag der Einführung des Mammographie-Screenings an der gestiegenen Lebenserwartung in Schweden und Norwegen im Zeitraum zwischen 2000 und 2013. Die Einführung der Vergleichstodesursache „Herz-Kreislauf-Erkrankungen“ führt zu einer umfassenden Analyse.
2. Theorieteil
Brustkrebs ist europaweit die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Er kann entstehen, wenn sich Zellen im Brustgewebe unkontrolliert teilen, in gesundes Gewebe eindringen und Ansiedlungen, sogenannte Metastasen, bilden (vgl. Kooperationsgemeinschaft Mammographie GBR). Die Brustkrebssterblichkeit ist in den letzten Jahrzehnten jedoch kontinuierlich gesunken. Da die Chancen Brustkrebs zu heilen besser sind, wenn er früh erkannt wird, sehen viele diesen Rückgang als Erfolg des Mammographie-Screenings. Im Allgemeinen versteht man unter Screenings landesweite Vorsorgeuntersuchungen an „gesunden“ Personen einer bestimmten Altersgruppe. Sie dienen der Früherkennung von Krankheiten, um eine erfolgreiche Behandlung zu gewährleisten.
Das Mammographie-Screening ist eine Früherkennungsmethode von Brustkrebs. Es handelt sich dabei um eine Röntgenuntersuchung der weiblichen Brust, wobei schon sehr kleine, nicht tastbare Tumore sichtbar gemacht werden können. Die Vorteile sind klar: Frauen, bei denen Brustkrebs früh erkannt wird, können meist schonender behandelt werden. Eine Chemotherapie ist nur selten nötig und die Brust kann bei einer Operation oft erhalten werden. Des Weiteren kann der operative Eingriff genau geplant werden, da sowohl Lage, Größe, als auch Ausmaß mittels Mammographie genauestens bestimmt werden können. Allerdings kommt es beim Mammographie-Screening häufig zu sogenannte „falsch-positiven“ Befunden oder Überdiagnosen. Dabei handelt es sich beispielsweise um Tumore die nicht streuen und keine gesundheitlichen Risiken oder Probleme mit sich bringen und somit unnötig behandelt werden. Diese Befunde können bei den Patientinnen unnötige Angst auslösen (vgl. Kooperationsgemeinschaft Mammographie GBR). Derzeit gibt es allerdings noch keine alternativen Methoden zur Brustkrebsfrüherkennung. „Weder eine Ultraschalluntersuchung noch eine Kernspinoder Magnetresonanztomographie (MRT) sind ähnlich aussagekräftig und gleichzeitig für regelmäßige Reihenuntersuchungen geeignet. Beide kommen nur als ergänzende Untersuchungen infrage“ (dkfz. 2015). Auch das Selbstabtasten ist keine Früherkennungsmethode, da es sich bei den gefundenen Knoten häufig um gutartige Tumore handelt. Sind sie jedoch bösartig, haben sie höchstwahrscheinlich schon gestreut und wurden somit nicht früh genug erkannt. Bislang gibt es sehr unterschiedliche Meinungen über die Wirksamkeit von Screenings. Zwar ist die Bruststerblichkeit europaweit in den letzten Jahrzehnten gesunken, dennoch lässt sich dieser Trend häufig nicht mit den Vorsorgeuntersuchungen erklären.
Eine Vergleichsstudie zum zytologischen Screening beim Gebärmutterhalskrebs beweist allerdings, dass Screenings durchaus die Krebssterblichkeit senken können (vgl. Läära 1987). Verglichen wurden Island und Finnland, die bereits in den 1960er Jahren das Screening-Programm einführten mit Norwegen, indem das Screening erst 15 Jahre später begann. Während bei Island und Finnland die Sterblichkeit zwischen 1970 und 1980 um 50% sank, verzeichnete Norwegen im gleichen Zeitraum nur einen Rückgang von 8% (vgl. Autier 2011, S. 343). Diese Daten beweisen überzeugend die Wirksamkeit des zytologischen Screenings zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs und galten als Ansatz um auch die Wirksamkeit des Mammographie-Screenings zu überprüfen. In Folge dessen, beschäftigten sich viele Expertengruppen mit diesem Thema und führten zahlreiche Studien durch. Philippe Autier, der Forschungsdirektor des International Prevention Research Institute und sein Team untersuchten die Tendenzen der Brustkrebssterblichkeit nach Einführung von MammographieScreenings (vgl. Autier 2011, S. 343-353). Dazu wählten sie europäische Länderpaare, die sie miteinander verglichen. Wichtig dabei war, dass die Länderpaare benachbart sind, eine ähnliche Bevölkerungsstruktur aufweisen und sie einen qualitativ gleichwertigen Zugang zu medizinischen Behandlungen haben. Des Weiteren war es wichtig, dass in einem der beiden Länder das Screening deutlich später eingeführt wurde, um die Kausalität des Rückgangs der Brustkrebssterblichkeit eindeutig der Einführung des Screenings zuzuordnen. Aus diesen Kriterien wurden die Länderpaare Schweden und Norwegen, Niederlande und Belgien sowie Nordirland und Irland ausgewählt. Besonders interessant ist die Betrachtung von Schweden und Norwegen, da diese Länder auch der Bestandteil unserer Arbeit sind. In Schweden wurde das Mammographie-Screenings 1986 eingeführt. Bereits 1990 nahmen 90% der schwedischen Frauen die Einladung an. Alle 24 Monate werden alle Frauen zwischen 50 und 69 eingeladen. In manchen Landesteilen sind die Altersgruppen 40-49 und 70-74 ebenfalls eingeladen. Die landesweite Abdeckung wurde 1997 erreicht. Die Teilnahme ist freiwillig und kostenlos. Jede Frau muss letztendlich selbst entscheiden, ob sie dieses Angebot in Anspruch nehmen will. Die durchschnittliche Teilnehmerquote in unserem Untersuchungsland Schweden lag 1995/1996 bei 81% (vgl. Jonsson 2005, S.842). In Norwegen hingegen wurde das Mammographie-Screening erst 1996 eingeführt. Betroffen waren auch nur die sogenannten AORH-Länder, also alle Gebiete um Akershus, Oslo, Jogaland und Hordaland. Diese Gebiete decken nur etwa 40% der norwegischen Bevölkerung ab. Eingeladen wurden ebenfalls alle Frauen im Alter von 50-69, alle 24 Monate. Die landesweite Abdeckung wurde erst 2005 erreicht. Das bedeutet, dass der Zeitunterschied für die Umsetzung des landesweiten Screenings zwischen Schweden und Norwegen 12 Jahre beträgt.
Als Datenquelle diente die WHO mortality database on cause of death. Die altersstandardisierten Daten wurden mittels Joinpoint Regression analysiert, um zu ermitteln, in welchem Jahr sich die Entwicklungstendenzen der Mortalität von Brustkrebs zu ändern begannen. Ungewöhnlich ist jedoch das Ergebnis: „From 1989 to 2006, breast cancer mortality decreased by 16% in Sweden and by 24,1% in Norway“ (Autier 2011, S. 345). Obwohl Schweden das Screenings deutlich früher eingeführt hat, die Teilnehmerquote deutlich höher war und auch die Altersgruppe weiter gefasst wurde, ist der Rückgang der Brustkrebssterblichkeit in Norwegen stärker. Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass die Einführung des Mammographie-Screenings keine besondere Auswirkung auf die Brustkrebssterblichkeit hat. Den Rückgang der Brustkrebssterblichkeit erklärten die Forscher mit einer allgemeinen Verbesserung der medizinischen Versorgung sowie einem effektiverem Gesundheitssystem (vgl. Autier 2011, S. 347).
Eine weitere Studie untersuchte die Zunahme der altersspezifischen BrustkrebsInzidenzraten im Zeitraum 1971-2001 für Norwegen und Schweden. Ziel war es zu bestimmen, ob ein Anstieg der Inzidenzen von Brustkrebs erkannt wird und ob dieser dann durch einen Rückgang der Inzidenzen in einem Alter über 69 ausgeglichen wird (vgl. Zahl 2004, S. 921). Bei dieser Studie handelt es sich um eine prospektive, bevölkerungsbasierte KohortenStudie. Mittels der Daten des landesweiten Krebsregisters, analysierten sie jeweils für beide Länder die Brustkrebssterblichkeit der Altersgruppen 30-49, 50-69 und 69 und älter im Zeitraum von 1971-2000.
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