In der Bildungsdiskussion ist die Inklusion heutzutage ein sehr zentrales Thema. Denn durch die Ratifizierung der UN-Konvention über Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen entstanden rechtliche Verpflichtungen, welche Deutschland der Inklusion einen Schritt näher gebracht haben (vgl. Erbring et al. 2011, S. 7). Alle Schülerinnen und Schüler besitzen also das gleiche Recht auf Bildung. Die wichtigste Zielsetzung auf der berufsbildenden Ebene ist es somit, eine rasche, an persönlichen Wünschen orientierte, entsprechende Beteiligung am Erwerbsleben zu ermöglichen. Hierzu sollten mitgebrachte Eigenschaften und Fertigkeiten der Jugendlichen aus verschiedenen Bevölkerungsschichten, sozialen Umfeldern, Behinderungsgrad und/ oder Migrationshintergrund berücksichtigt werden und in den neuen Erwerbsberuf mit einfließen (vgl. Baaden 1997, S. 59).
Es scheint allerdings so, dass der Inklusionsgedanke gerade in den anspruchsvollen kaufmännischen Ausbildungsberufen, wie dem der Bankkaufleute, noch nicht verankert ist. Vielen Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird ein Zugang zu diesen Ausbildungsberufen allein schon durch die harten Auswahlkriterien der Betriebe verwehrt. In dieser Arbeit wird deshalb überprüft, inwieweit das Thema Inklusion in der Bankausbildung bereits gelebt wird und welche Rolle die Zugangsvoraussetzungen zu dieser Ausbildung dabei spielen. Es soll die Frage beantwortet werden, wie die Zugangsvoraussetzungen verändert werden müssten, um eine Inklusion von SuS mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Ausbildung zum Bankkaufmann zu ermöglichen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Vorgehensweise
2 Definition und Verständnis von Behinderung
3 Definition von Inklusion
4 Die Ausbildung zum Bankkaufmann
4.1 Gestaltung der Ausbildung
4.2 Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung
5 Inklusion in der Ausbildung zum Bankkaufmann
6 Mögliche Optimierungen der Zugangsvoraussetzungen
6.1 Grundvoraussetzungen für die Inklusion in der Bankausbildung
6.2 Optimierte Zugangsvoraussetzungen für die Bankausbildung
7 Schlussbetrachtung
7.1 Fazit
7.2 Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Seit dem Behindertenkongress 2002 in Madrid wird jedem Menschen, egal ob mit oder ohne Behinderung, das Recht auf volle gesellschaftliche Zugehörigkeit zugesprochen. Dabei gibt es keinerlei Einschränkungen (vgl. Schwalb &Theunissen 2009, S. 21). Dieses Recht beginnt bei der Geburt und inkludiert, dass Menschen mit Behinderungen keinerlei gesellschaftliche Einschränkungen in ihrem Leben erfahren dürfen. Dies kann allerdings nur dann erfolgreich verlaufen, wenn die Menschen mit Behinderungen in ihrer vertrauten Lebenswelt das volle Maß an Unterstützung erhalten, um die Individuation, die Sozialisation und die Partizipation am gesellschaftlichen Leben anschließend erfolgreich erleben zu dürfen. Menschen mit Behinderungen sollten also durch Inklusion als gleichwertige Bürger anerkannt werden und außerdem die gleichen Rechte genießen wie Menschen ohne Behinderung (vgl. Hinz 2013).So sehen es auch die Vereinten Nationen in ihren internationalen Übereinkommen vor, welche 2007 mit den UN-Konventionen über die Rechte behinderter Menschen veröffentlicht wurden (vgl. Aichele 2008, S. 3 f.). Es wird hierbei also eine Lebensumgebung suggeriert, in der jeder Mensch mit Lernschwierigkeiten oder Behinderung vollständig in die Gesellschaft inkludiert ist.
In der Bildungsdiskussion ist die Inklusion heutzutage ein sehr zentrales Thema. Denn durch die Ratifizierung der UN-Konvention über Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen entstanden rechtliche Verpflichtungen, welche Deutschland der Inklusion einen Schritt näher gebracht haben (vgl. Erbring et al. 2011, S. 7). Alle Schülerinnen und Schüler[1] besitzen also das gleiche Recht auf Bildung. Die wichtigste Zielsetzung auf der berufsbildenden Ebene ist es somit, eine rasche, an persönlichen Wünschen orientierte, entsprechende Beteiligung am Erwerbsleben zu ermöglichen. Hierzu sollten mitgebrachte Eigenschaften und Fertigkeiten der Jugendlichen aus verschiedenen Bevölkerungsschichten, sozialen Umfeldern, Behinderungsgrad und/ oder Migrationshintergrund berücksichtigt werden und in den neuen Erwerbsberuf mit einfließen (vgl. Baaden 1997, S. 59).
Es scheint allerdings so, dass der Inklusionsgedanke gerade in den anspruchsvollen kaufmännischen Ausbildungsberufen, wie dem des Bankkaufmannes[2], noch nicht verankert ist. Vielen Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird ein Zugang zu diesen Ausbildungsberufen allein schon durch die harten Auswahlkriterien der Betriebe verwehrt. In dieser Arbeit wird deshalb überprüft, inwieweit das Thema Inklusion in der Bankausbildung bereits gelebt wird und welche Rolle die Zugangsvoraussetzungen zu dieser Ausbildung dabei spielen. Es soll die Frage beantwortet werden, wie die Zugangsvoraussetzungen verändert werden müssten, um eine Inklusion von SuS mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Ausbildung zum Bankkaufmann zu ermöglichen.
1.2 Vorgehensweise
Nachdem die Problemstellung dargelegt wurde, wird an dieser Stelle ein kurzer Überblick über die Vorgehensweise in dieser Arbeit gegeben, welche die Frage klären soll, wie die Zugangsvoraussetzungen für SuS geändert beziehungsweise optimiert werden müssten, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, eine Ausbildung zum Bankkaufmannzu absolvieren. Hierfür wird in Kapitel 2 zunächst definiert, was unter einer Behinderung verstanden wird und darauf aufbauend in Kapitel 3 beschrieben, wie sich Inklusion definiert. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird in Kapitel 4 die genaue Ausgestaltung der Ausbildung der Bankkaufleute in Hamburg in den Fokus genommen. In Abschnitt 4.1 wird beschrieben, wie lange die Ausbildung dauert, aus welchen Bausteinen sie besteht und wie die Abschlussprüfungen von statten gehen. Im Anschluss daran werden in Abschnitt 4.2 die Zugangsvoraussetzungen zu diesem Ausbildungsberuf genau unter die Lupe genommen, um herauszufinden, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten potentielle Auszubildende mitbringen müssen, beziehungsweise welche Hürden sie überwinden müssen, um überhaupt einen Zugang zu dieser Ausbildung zu erhalten. Im folgenden Kapitel 5 wird überprüft, inwieweit eine Inklusion in der Ausbildung zum Bankkaufmann zum heutigen Zeitpunkt schon stattfindet und wo eventueller Optimierungsbedarf besteht. Dieser Optimierungsbedarf wird im darauf folgenden Kapitel 6 explizit benannt und es werden in Abschnitt 6.1erste Anregungen zur Optimierung der Ausbildung im allgemeinen und in Abschnitt 6.2 insbesondere der Zugangsvoraussetzungen im Hinblick auf eine gelungene Inklusion von Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf gegeben. Kapitel 7 bietet eine allgemeine Schlussbetrachtung und es wird in Abschnitt 7.1 ein Fazit gezogen und in Abschnitt 7.2 geschaut, in wieweit die vorgeschlagenen Optimierungen in Zukunft umsetzbar und wie hoch die Chancen sind, dass diese Umsetzung auch wirklich zeitnah angegangen wird.
2 Definition und Verständnis von Behinderung
Laut Aussage der Brockhaus Enzyklopädie ist es sehr schwierig, eine wissenschaftlich fundierte und verbindliche Definition von Behinderung festzulegen. Der Grund dafür liegt in den verschiedenen sozialen, kulturellen, medizinischen, historischen und politischen Zusammenhängen, aufgrund dessen der Begriff aus vielen differenten Perspektiven betrachtet werden kann. Trotz der benannten Schwierigkeiten wurde der Versuch unternommen, die Begrifflichkeit der Behinderung zu definieren. Demnach sind behinderte Menschen, „die in ihren physischen, intellektuellen und psychischen Funktionsfähigkeiten nicht nur vorübergehend beeinträchtigt sind und einen individuell spezifischen Unterstützungsbedarf haben, um selbstbestimmt und gleichberechtigt am Leben der Gesellschaft teilhaben zu können“ (Brockhaus 2006, S. 497). Die rechtliche Feststellung von Behinderung erfolgt in Deutschland durch die Versorgungsämter. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in ihrer 1980 veröffentlichten ICIDH (International ClassificationofImpairments, Disabilitiesand Handicaps) eine Definition von Behinderung veröffentlicht, die anschließend von einer Vielzahl der Mitgliedsstaaten übernommen wurde. Hiernach seien Menschen als behindert[3] zu betrachten, „wenn eine Schädigung (engl. Impairment) festgestellt wird, aus der sich eine Fähigkeitsstörung (Disability) ergibt, die zu einer Beeinträchtigung (Handicap) bei der Lebensgestaltung führt“ (Brockhaus 2006, S. 497). Durch die Beeinträchtigung kann die entsprechende Person eine gesellschaftliche Benachteiligung erfahren, die schlimmsten Falles zu einer Isolation innerhalb der Gesellschaft führen könnte.
3 Definition von Inklusion
Der Begriff „Inklusion“ gründet sich aus der Bezeichnung des „Inklusiven“ und der etymologische Ursprung dieses Begriffes geht aus der mittellateinischen Sprache hervor. Dort wurde „Inklusion“ zur Beschreibung der Situation des „eingeschlossen seins“ verwendet. Da der Sinngehalt dieser Definition aus heutiger Sicht eher negativ konnotiert ist, entwickelte sich im Laufe der Zeit die gebräuchliche Bedeutung „einschließlich“ oder auch „inbegriffen“ (vgl. Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion 2001, S. 363).Bei Betrachtung der lateinischen Bedeutung „Inclusio“ lässt sich die „Inklusion“ als „Beziehung des Enthaltenseins“ in einer Menge beziehungsweise als Dazugehörigkeit in dieser interpretieren (vgl. Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion 2003, S. 622). „Exklusion“ stellt das Gegenteil der „Inklusion“ dar und bezeichnet somit das „ausgeschlossen sein“ von einer Menge. Nach Hinz (2009 S. 172) steht der Begriff Inklusion „für eine Berücksichtigung der individuellen Unterschiede aller Menschen, ohne dass eine Kategorisierung und Zuordnung zu einer bestimmten Gruppe stattfindet und eine Aussonderung in besonderen Institutionen erfolgt“. Dies bezieht sich nicht nur auf den Aspekt der Behinderung, sondern auch auf verschiedene Komponenten der Heterogenität wie beispielsweise die ethnische Zugehörigkeit, das Geschlecht oder die soziale Lebenslage.
Bezogen auf das Ausbildungssystem bedeutet dies, dass die Inklusion nicht in erster Instanz eine Angelegenheit der Sonderpädagogik darstellt, sondern sowohl auf der Ebene der Regelschulenals auch der Ausbildungsbetriebe umgesetzt werden muss (vgl. Lütje-Klose et al. 2011, S. 11).
4 Die Ausbildung zum Bankkaufmann
4.1 Gestaltung der Ausbildung
In diesem Abschnitt wird ein kurzer Überblick über den Ausbildungsberuf des Bankkaufmannes gegeben. Die Tätigkeiten von Bankkaufleutenumfassen alle Geschäftsbereiche von Kreditinstituten. Überwiegend bearbeiten sie Aufträge und beraten Kunden über die gesamte Palette von Finanzprodukten. Diese beinhaltet verschiedene Formen der Geld- und Vermögensanlage, Kredite sowie Baufinanzierungen und Versicherungen (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2015). In erster Linie finden Bankkaufleute Beschäftigung in Kreditinstituten wie Banken und Direktbanken, Girozentralen, Sparkassen und Bausparkassen sowie an Börsen oder im Wertpapierhandel. Darüber hinaus finden sie ebenfalls Beschäftigungbei Versicherungsunternehmen und Immobilienvermittlungen (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2015).
Die Ausbildung zum Bankkaufmann dauert in Hamburg je nach Schulabschlusszwei bis drei Jahre. Sie setzt sich aus praktischen Erfahrungen in den Bankfilialen und einer theoretischen Ausbildung in der Berufsschule zusammen (vgl. Haspa 2015a). Während in der Berufsschule die Fächer Sprache und Kommunikation, Bankwirtschaftliches Handeln, Rechnungslegung und Controlling, Wirtschaft und Gesellschaft sowie Fachenglisch behandelt werden, bieten viele ausbildende Betriebe darüber hinaus Seminare, Lerngruppen, E-Learning und Verkaufstrainings an (vgl. Haspa 2015a).Die Abschlussprüfung erfolgt sowohl schriftlich in den Fächern Bankwirtschaft, Wirtschaft und Gesellschaft sowie Rechnungslegung und Controlling als auch mündlich in einem simulierten Kundengespräch (vgl. IHK 2015).
4.2 Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung
Der Beruf des Bankkaufmannes gehört zu den anspruchsvollsten Berufsfeldern in Deutschland. Die Ausbildungsplätze sind begehrt und es müssen ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, um einen solchen zu erlangen (vgl. bildung-news.com 2015). Es muss ein guter bis sehr guter Schulabschluss vorzuweisen sein, wobei bei einem gymnasialen Abschluss die Durchschnittsnote 3,0 und bei einem Realschulabschluss die Durchschnittsnote 2,0 Mindestvoraussetzung sind (vgl. Haspa 2015a). Neben den guten Schulnoten wird bei der Bewerbung insbesondere auf eine gute mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeit, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein, Team- und Kontaktfähigkeit sowie Zielstrebigkeit geachtet (vgl. Haspa 2015a).
Um eben diese Eigenschaften bei den Bewerbern zu überprüfen, müssen diese ein ausgeklügeltes Einstellungsverfahren durchlaufen. Nach der strengen Prüfung der schriftlichen Bewerbung, welche ein Motivationsschreiben und einen Lebenslauf beinhaltet, folgt ein Einstellungstest, in dem die Rechenfähigkeiten, das Leseverständnis, die Merkfähigkeit, das fehlerfreie Formulieren von Texten sowie Wirtschaftskenntnisse abgefragt werden (vgl. Haspa 2015b). Wichtig sind aber nicht nur die Schulnoten und Testergebnisse. Auch die persönlichen Voraussetzungen werden akribisch überprüft (vgl. bildung-news.com 2015). Haben die Jugendlichen den schriftlichen Test bestanden, so werden sie zu einer Gruppendiskussion eingeladen, in der überprüft wird, wie Sie sich geben, wie Sie sich ausdrücken, wie Sie sich in ein Team einbringen können und ob Sie kritikfähig, durchsetzungsfähig und kreativ sind. Wenn die Bewerber auch diese Hürde gemeistert haben, müssen sie in einem Vorstellungsgespräch beweisen, dass sie pünktlich sind, ihr persönliches Erscheinungsbild stimmt, sie sich eloquent ausdrücken können und ihre Nervosität im Griff haben (vgl. Haspa 2015b).
Die Formulierung der Zugangsvoraussetzungen, so wie sie im Moment gehandhabt wird, führt immer zum Ausschluss bestimmter Personengruppen. Dies ist nicht im Sinne des Inklusionsgedankens und es stellt sich daher die Frage, was geeignet formulierte Voraussetzungen sind, die diesem Spannungsverhältnis standhalten können. Dieser Aspekt soll in den folgenden Kapiteln näher betrachtet werden. Hierfür wird zunächst einmal geschaut, welche Rolle der Inklusionsgedanke bisher überhaupt in der Bankausbildung spielt.
5 Inklusion in der Ausbildung zum Bankkaufmann
Eine repräsentative Studie der Bertelsmann-Stiftung belegt, dass das gemeinsame Lernen von Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf und Menschen ohne sonderpädagogischen Förderbedarf in der Berufsausbildung in der deutschen Wirtschaft kaum eine Rolle spielt (vgl. n-tv.de 2014). Denn während die Inklusion in der Schulpolitik schon ein zentrales Thema ist, findet sie in der Berufsausbildung kaum statt (vgl. n-tv.de 2014). Die Ausbildung zum Bankkaufmann in Hamburg stellt hierbei ein besonderes Negativbeispiel dar. Ein erfahrener Ausbildungsleiter einer großen Hamburger Privatbank sagt dazu: „Inklusion findet in der Ausbildung durch unsere Bank eigentlich gar nicht statt. Das ist kaum möglich.“ (A2). Zu den Zugangsvoraussetzungen zur Bankausbildung meint er: „Wir haben sehr harte Einstellungskriterien und Ausbildungsbewerber, die den Auswahlkriterien nicht entsprechen, werden nicht eingestellt.“(A2). Die Bank sieht sich nicht in der Pflicht, Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf einen Zugang zur Ausbildung zu ermöglichen. Und es gibt weder interne, noch externe Regelungen, die die Einstellung benachteiligter Menschen erzwingen: „Es gibt keinerlei Quoten. Eine Eignung für die Ausbildung muss gegeben sein, sonst wird nicht eingestellt.“ (A4). Und sollten doch einmal Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Chance auf einen Ausbildungsplatz geboten bekommen, dürfen Sie auf keinerlei besondere Unterstützung durch den ausbildenden Betrieb hoffen: „[...] momentan bilden wir einen Azubi mit einer starken Sehbehinderung aus. Er bekommt aber keine besondere Unterstützung und hat große Schwierigkeiten mit der Arbeit an Dokumenten [...]“ (A6).
Ein möglicher Grund für die Zurückhaltung der Banken beim Thema Inklusion stellt sicherlich deren geringe Erfahrung auf diesem Gebiet dar: „Ich habe da keinerlei weitere Erfahrungswerte [...]“ (A6). Die mangelnde Erfahrung der Betriebe bei der Ausbildung von Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf bestätigt auch die Bertelsmann-Stiftung. Die Studie zeigt als Gründe für den Mangel an Inklusion im deutschen dualen Ausbildungssystem zu starre Regelungen auf (vgl. n-tv.de 2014). Außerdem haben die ausbildenden Betriebe zu wenig Informationen über staatliche Unterstützungsangebote wie Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung oder Kostenübernahmen für Umbauten am Arbeitsplatz (vgl. n-tv.de 2014).Ein weiterer Aspekt aus betriebswirtschaftlicher Sichtist, dass viele Menschen in unserer Gesellschaft eine Behinderung mit Krankheit assoziieren. Arbeitgeber befürchten häufigArbeitsausfälle, obwohl sich dieses als Irrtum herausgestellt hat (vgl. Jacobs 1997, S 95).Aus psychologischer Sicht ergibt sich zudemdie Schwierigkeit, dass viele Menschen eine Interaktion mit Menschen mit Behinderung nach Möglichkeit vermeiden, da diese als belastend empfunden wird. Arbeitgeber umgehen daher in vielen Fällen solcheBegegnungen, indem sie Bewerber gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch einladen (vgl. Döling 2014, S. 84).
6 Mögliche Optimierungen der Zugangsvoraussetzungen
6.1 Grundvoraussetzungen für die Inklusion in der Bankausbildung
Bevor sich diese Arbeit mit einer Optimierung der Zugangsvoraussetzungen zur Bankausbildung auseinandersetzt, muss an dieser Stelle gesagt werden, dass geänderte Zugangsvoraussetzungen keinerlei Wirkung haben, wenn nicht auch die allgemeinen Bedingungen während der Bankausbildung angepasst werden. Um die Inklusion in der Bankausbildung erfolgreich voranzutreiben, müssen einerseits die Lehrkräfte und Ausbilder in ausreichendem Maße pädagogisch geschult werden, um inklusiv ausbilden zu können, andererseits müssen auch rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine Verwirklichung der inklusiven Ausbildung ermöglichen (vgl. Speck 2011, S. 132). Innerhalb der Bank und der Berufsschule müssten zudem Unterstützungsmaßnahmen, beispielsweise zur Barrierefreiheit, getroffen werden. Erst dann ist die Grundlage für eine erfolgreiche Ausbildung von Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf geschaffen.
Eine inklusive Berufsausbildung sollte idealer Weisezu einem Ausbildungsabschluss führen. Deshalb sollte die Ausbildung so strukturiert werden, dass auch dann, wenn die Jugendlichen keinen vollständigen Ausbildungsabschluss erreichen, die erfolgreich absolvierten Teile aus dem Ordnungsrahmen eines anerkannten Ausbildungsberufs geprüft, zertifiziert und dokumentiert werden (vgl. Euler &Severing 2014, S. 24).Es würde sich anbieten, wie in einigen Berufsfeldern, wie beispielsweise den Pflegeberufen, schon geschehen, Hilfs- oder Assistenzberufe in der Bankausbildung einzuführen. Hierfür müsste die Ausbildung modularisiert werden und Ausbildungsteilleistungen müssten anerkannt werden (vgl. Galiläer 2011). Ein gemeinsames Lernen könnte so trotzdem sichergestellt werden. Für die Umsetzung einer solchen Modularisierung sind Experten aus Schule, Verwaltung und Wirtschaft nötig (vgl. Erbring et al. 2011, S. 7). Die Ausarbeitung eines Modularisierungs-Planes würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und deshalb wurde der Fokus auf die Optimierung der Zugangsvoraussetzungen zur Bankausbildung gelegt.
6.2 Optimierte Zugangsvoraussetzungen für die Bankausbildung
Die Bankausbildung sollte in Zukunft so ausgerichtet sein, dass deutlich mehr Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine Ausbildung in diesem anerkannten Ausbildungsberuf absolvieren können (vgl. Euler &Severing 2014, S. 10).Die Auswahl- und Einstellungskriterien der Unternehmen sind dabei besonders für die Ausbildung von Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf bedeutsam (vgl. Enggruber&Rützel 2014, S. 58). Damit mehr Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine Bankausbildung absolvieren können, müssen die Betriebe davon überzeugt werden, dass diese jungen Menschen Potenzial mitbringen, das vielfach aufgrund eingeengter Zugangsvoraussetzungen unentdeckt bleibt. Diese Potenziale müssen jedoch, ebenso wie geeignete Zugangsvoraussetzungen, konkreter als bisher herausgearbeitet werden (vgl. Enggruber&Rützel 2014, S. 58).Die Berücksichtigung nicht nur leistungsbezogener Auswahlkriterien und die Erweiterung auf alle Jugendlichen als potenzielle Bewerber, würden die Chancen auf einen Ausbildungsplatz für diejenigen mit sonderpädagogischem Förderbedarf enorm erhöhen (vgl. Enggruber&Rützel 2014, S. 58).
Es sollen deshalb an dieser StelleAnregungen entwickelt werden, die aufzeigen, wie die Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung zum Bankkaufmann optimiert werden könnten. Aufbauend auf dem Plan einer Modularisierung der Ausbildung sieht diese Arbeit vor, dass auch die Zugangsvoraussetzungen in verschiedene Themengebiete unterteilt werden müssen. Es sollte also differenzierter betrachtet werden, welche Beeinträchtigung vorliegt, wo aber eben auch Stärken vorhanden sind.
Hierfür muss zunächst betrachtet werden, welche Personen aufgrund der bisher formulierten Zugangsvoraussetzungen ausgeschlossen und an welcher Stelle diese ausgeschlossen werden.Es hat sich gezeigt, dass für die Einstellung zur Ausbildung die Art der vorliegenden Behinderung eine wichtige Rolle spielt. Körperliche Beeinträchtigungen können in Bezug auf die Auswirkung auf die Arbeitsleistung besser eingeschätzt werden als psychische oder geistige Behinderungen (vgl. Mühling 2000, S 138).
Jugendliche mit körperlichen Einschränkungen könnten alle Tests, Gruppendiskussionen und Vorstellungsgespräche genauso gut bestehen, wie Jugendliche ohne körperliche Einschränkungen, da sie keine kognitiven Einschränkungen haben. Sie benötigen allerdings unter Umständen einige spezielle Unterstützungsmaßnahmen, um das Einstellungsverfahren komplikationslos durchlaufen zu können. Körperliche Behinderungen wie Einschränkungen des Sehens oder des Hörens könnten zukünftig beispielsweise so berücksichtigt werden, dass sämtliche Auswahlverfahren durch den Einsatz der Gebärdensprache und Blindenschrift an die kommunikativen Voraussetzungen der Bewerber angepasst werden (vgl. Kaul et al. 2013).Des Weiteren könnten technische Hilfsmittel, wie sprachgesteuerte Computerprogramme beim Einstellungstest, oder herunterfahrbare Tische im Einstellungsverfahren hilfreich sein.
Die Chancen von Jugendlichen mit geistiger Behinderung sind deutlich niedriger. Siekönnten innerhalb des Bewerbungsverfahrens durch die Anpassung der Auswahlnormen und Auswahlverfahren wesentlich verbessert werden. Je nach Art der Behinderung muss genau geprüft werden, welche Maßnahme passend erscheint. Bei Jugendlichen mit einer Lernschwächekönnte beispielsweise eine geringere Gewichtung der Schulnoten zugunsten praktischer Kompetenzen, wie beispielsweise der Teamfähigkeit, das tatsächliche Leistungsvermögen der Bewerber realistischer widerspiegeln (vgl. Kaul et al. 2013). Zusätzlich könnten schriftliche Tests dem Leistungsstand der Jugendlichen sprachlich angepasst werden, ohne dass der Informationsgehalt des Ergebnisses verloren geht (vgl. Kaul et al. 2013). Bei Jugendlichen mit autistischen Neigungen wäre hingegen eine stärkere Gewichtung der Testergebnisse gegenüber der Interaktion mit anderen Menschen in der Gruppendiskussion angebracht. Im Allgemeinen bietet sich zudem eine Teilnahme von Assistenten oder Betreuern während der Einstellungsphase an.
Die Liste möglicher Optimierungen könnte je nach vorliegender Behinderung beliebig lang fortgesetzt werden. Am aller wichtigsten ist es jedoch festzuhalten, dass es optimal wäre, wenn das Einstellungsverfahren jedem Menschen die Möglichkeit gibt, seine ganz individuellen Stärken zu präsentieren. Das bedeutet, dass unter Umständen nicht alle Einstellungsmaßnahmen durchlaufen werden müssten, sondern nur bestimmte Teilmaßnahmen, die bestimmten Modulen der Ausbildung zugeordnet würden.Und in der anschließenden Ausbildung könnten die Jugendlichen dann die dementsprechenden Module absolvieren, ohne dass ihre Schwächen gleich zu einem Ausschluss von der Ausbildung führen.
[...]
[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit die Abkürzung SuS (Schülerinnen und Schüler) verwendet.
[2] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit ausschließlich die männliche Form verwendet, welche die weibliche Form stets mit einschließt.
[3] Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird nicht mehr von Behinderten gesprochen, sondern von Personen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, da dieser Begriff der Autorin dieser Arbeit weniger stigmatisierend erscheint.