Heute erscheint das Sozialstaatsprinzip vielen Menschen als umfangreich ausgeprägt und sicher, anderen allerdings als zu stark bürokratisch und vor allem ungerecht. Seit einigen Jahren wird in Deutschland immer wieder über die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens diskutiert. Jeder Bürger würde hierbei, unabhängig von seiner erbrachten Leistung und seiner sozialen Lage, ein Mindesteinkommen erhalten. Die Gegner sprechen von einer unrealistischen Vorstellung von Sozialromantikern und fiskalischen Risiken, die Befürworter von einer unbürokratischen Möglichkeit, um soziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen und persönliche Freiräume zu schaffen.
Im Rahmen dieser kurzen Abhandlung werden das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens und die potentielle Berechnung dargestellt. Diese Darstellung beruht auf den Vorstellungen und Definitionen von Ronald Blaschke, der Mitglied des „Netzwerk Grundeinkommen“ ist.
Inhalt
Einleitung
Definition
Berechnung
Chancen und Risiken
Fazit
Quellen:
Einleitung
Das System der sozialen Sicherung in der BRD ist historisch gewachsen und wurde durch Persönlichkeiten (z. B. Bismarck) und soziale Bewegungen (sozialistische Arbeiterbewegung) in seiner Entwicklung vorangebracht. Das Gesamtsystem der sozialen Sicherung umfasst drei Grundprinzipien: Versicherungsprinzip, Versorgungsprinzip und Fürsorgeprinzip. Diese werden durch freiwillige und private Vorsorge- und Versicherungssysteme ergänzt. Das allgemeine Sozialstaatsprinzip ist inzwischen im Grundgesetz (Art. 20 Abs. 1 GG) der BRD verankert.
Heute erscheint das Sozialstaatsprinzip vielen Menschen als umfangreich ausgeprägt und sicher, anderen allerdings als zu stark bürokratisch und vor allem ungerecht. Seit einigen Jahren wird in Deutschland immer wieder über die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens diskutiert. Jeder Bürger würde hierbei, unabhängig von seiner erbrachten Leistung und seiner sozialen Lage, ein Mindesteinkommen erhalten. Die Gegner sprechen von einer unrealistischen Vorstellung von Sozialromantikern und fiskalischen Risiken, die Befürworter von einer unbürokratischen Möglichkeit, um soziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen und persönliche Freiräume zu schaffen.
Im Rahmen dieser kurzen Abhandlung werden das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens und die potentielle Berechnung dargestellt. Diese Darstellung beruht auf den Vorstellungen und Definitionen von Ronald Blaschke, der Mitglied des „Netzwerk Grundeinkommen“ (und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Linksfraktion im Deutschen Bundestag) ist. Blaschke gilt als ein Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens, daher muss man seine Ausführungen kritisch beurteilen, allerdings scheint er auch ein „Experte“ für die Thematik zu sein. Ziel dieser Abhandlung ist es anhand der Informationen von Ronald Blaschke und den Ausführungen von Prof. Dr. Christoph Butterwegge in APuZ (Aus Politik und Zeitgeschichte) eine Abwägung der Chancen und Risiken abbilden zu können. Butterwegge ist Politikwissenschaftler an der Universität Köln und war bis 2005 Mitglied in der SPD.
Definition
Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein sozialpolitisches Finanztransferkonzept in Form einer finanziellen Zuwendung, welche eine politische Gemeinschaft jedem Mitglied bereit stellt und welche nicht an Vorrausetzungen geknüpft ist. Diese monetäre Zuwendung soll die Existenz absichern und die gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Das Einkommen soll ohne Gegenleistung (z. B. vorangegangene Einzahlung in einen Sozialversicherungszweig) gezahlt werden und es soll ein individueller Rechtsanspruch auf die Zahlung garantiert werden (vgl. Blaschke 2008, S. 4). Wie aus dieser Definition abzuleiten ist, wird hierbei keine Arbeitsleistung oder Ausbildung von den Empfängern des Grundeinkommens vorausgesetzt. Weiterhin sind weder die soziale Lage, der Familienstand oder Vermögenswerte/Einkommen von Relevanz für den Bezug, da auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichtet werden soll. Außerdem soll das Grundeinkommen nicht an Haushalte (Bedarfsgemeinschaften), sondern an einzelne Personen gezahlt werden. Das bedingungslose Grundeinkommen soll allen Menschen in einem Land zustehen, damit sie ohne Ausnahme an dem Recht zur Teilhabe am Gemeinwesen partizipieren können.
Die Idee wird global diskutiert, wobei der Name und die Ausprägung des Konzeptes in den Ländern und je nach politischer Ausrichtung stark differieren. Hier sollen zwei Formen des bedingungslosen Grundeinkommens dargelegt werden: die Sozialdividende und die Negative Einkommensteuer.
Das „echte“ Grundeinkommen oder Sozialdividende wird vor einer Abgabe der Einkommen und Vermögen an alle Bürger/innen ausgezahlt.
Auf ein unechtes Grundeinkommen oder Negative Einkommensteuer hat man nachträglich im Rahmen einer steuerlichen Überprüfung einen Anspruch. Menschen deren Gehälter oberhalb einer bestimmten Einkommensgrenze liegen, bekommen kein Grundeinkommen ausgezahlt. Wer ein Einkommen unterhalb dieser Grenze oder gar kein Einkommen hat, erhält eine staatliche monetäre Leistung in Form einer Negativen Einkommensteuer (vgl. Blaschke 2008, S. 5).
Die Negative Einkommensteuer erfüllt daher nicht die Kriterien des bedingungslosen Grundeinkommens, wie es zum Beispiel vom Netzwerk Grundeinkommen gefordert wird, da es eben nicht bedingungslos ist.
Berechnung
Die Vorstellung von dem Begriff Existenzsicherung ist sicherlich stark subjektiv geprägt, und es erscheint schwierig, eine Objektivierung zu erreichen. Grundlegend sollte ein existenzsicherndes Einkommen die Dimensionen der Unterkunft, Nahrung und Bekleidung abdecken. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erstreckt sich auf viele Aspekte, zumindest aber auf die Partizipation an Kultur, Politik und Bildung.
Um eine Annäherung an eine konkrete Zahl für das Grundeinkommen zu ermöglichen, schlägt Blaschke in seinen Ausführungen folgende Eingrenzungen vor:
1. Nutzung der Armutsrisikogrenze
2. Nutzung des Statistikmodells (politisch festgelegtes soziokulturelles Existenzminimum)
3. Warenkorbmethode
4. Mindesteinkommensbefragung
5. Pfändungsfreigrenzen und Selbstbehalte bei Unterhaltsverpflichtungen (vgl. Blaschke 2008, S. 6).
Diese Vorschläge haben starke Grenzen bei der Aussagefähigkeit. Die Mindesteinkommensbefragung müsste flächendeckend durchgeführt werden, um repräsentativ zu sein, weiterhin könnten überdimensionierte Vorstellungen das Ergebnis verzerren. Das Statistikmodell und die Warenkorbmethode erfassen nur bestimmte Bevölkerungsgruppen oder die Parameter werden von „Experten“ festgelegt. Diese Verfahren scheinen ebenfalls keine aussagefähigen und verwendbaren Daten liefern zu können. Die Selbstbehalte bei Unterhaltsverpflichtungen gehen von Ersparnissen beim Zusammenleben aus und scheinen somit ebenfalls nicht den Blickwinkel eines bedingungslosen Grundeinkommens zu haben. Die Nutzung der Armutsrisikogrenze erscheint noch als die sinnhafteste Annäherung, um eine konkrete Höhe des Grundeinkommens zu ermitteln. Diese wird im europäischen Raum allgemein auf 60 Prozent des mediangemittelten Nettoäquivalenzeinkommens festgelegt. Danach gilt als von Einkommensarmut bedroht, wer als Alleinstehender ein Einkommen (Nettoeinkommen) unterhalb dieser Grenze erzielt. Je nach der gewählten Erhebungsmethode und dem Erhebungsjahr werden aber auch hier unterschiedliche Werte errechnet: EVS 2003, 1000,00 €; EU-SILC 2005, 781,00 €; SOEP 2006, 880,00 € (vgl. Blaschke 2008, S. 6). Diese Beträge liegen in den Bereichen der meisten Modelle des Grundeinkommens (wenige Modelle gehen bis 1.500,00 €).
Chancen und Risiken
Die grundlegende Idee hinter einem bedingungslosen Grundeinkommen ist nicht „nur“ die Vermeidung von materieller Armut, sondern auch die Schaffung von persönlichen Freiräumen und damit die Befreiung vom Arbeitszwang. Die Vorstellung klingt utopisch, aber dennoch ist sie nicht neu. Die Gruppe der Anhänger ist sehr heterogen, und die Thematik findet auch in den Diskursen der politischen Parteien seinen Platz. Hierbei muss erwähnt werden, dass jeweils unterschiedliche Modelle des Grundeinkommens präferiert werden. Die Erwartungen an ein utopisch klingendes Konzept sind naturgemäß hoch, insbesondere unter dem Aspekt der Schaffung von mehr sozialer Gerechtigkeit.
Kann die Idee vom Grundeinkommen diesen Ansprüchen überhaupt gerecht werden oder handelt es sich um eine nicht finanzierbare Fantasie von Sozialromantikern?
Dieter Althaus (CDU) war Ministerpräsident in Thüringen und legte im Jahr 2006 sein Konzept vom „Solidarischen Bürgergeld“ vor. Althaus schlägt vor, dass jedes Kind 300,00 €, jeder Erwachsene 600,00 € und jeder Rentner zusätzlich 600,00 € im Monat erhält. Ein Bürgergeldzuschlag, der sich nach individuellen Bedarfen richtet, kann zusätzlich beantragt werden. Weitere Sozialleistungen und Sozialversicherungsbeiträge entfallen, die Einkommenssteuer würde auf 50 Prozent steigen, und ab einem Einkommen von 1.600,00 € halbiert sich das Bürgergeld (vgl. Butterwegge 2007, S. 27). Zuerst ist zu bemerken, dass diese Sätze deutlich unter der o. g. Armutsrisikogrenze liegen, weiterhin erscheint das Modell durchaus komplex und nicht bedingungslos (Höhe der Zusatzrente hängt von der Erwerbstätigkeit ab). Weiterhin geht in diesem Modell die Halbierung des Bürgergeldes mit der Halbierung des Steuersatzes für Gutverdienende einher. Dieses Modell scheint nicht wirklich in der Lage zu sein, die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland zu schließen, es entsteht vielmehr der Eindruck, dass es die sozialen Sicherungen absenkt.
Auch bei neoliberalen Vertretern und der FDP (2005) finden sich Anhänger für Modelle des Grundeinkommens. Was auf den ersten Blick überrascht, leuchtet mit dem zweiten Blick auf die dahinter stehenden Motive ein. Die Reduktion oder sogar die Abschaffung von Sozialleistungen, die über Steuern oder Abgaben generiert werden, entsprechen den Vorstellungen neoliberaler Verfechter. Diese gehen sogar noch weiter und verbinden mit dem Grundeinkommen weitere Entkoppelungen von Tarifverträgen, Mindestlöhnen und dem Kündigungsschutz. Dies würde nicht für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen, sondern zur Entwertung von Gewerkschaften und zum Paradies von Unternehmern, sowie für „eine Verbilligung des Faktors Arbeit“ (Butterwegge 2008, S. 28).
Andere Protagonisten aus dem eher linksgerichteten politischen Lager sehen in dem Grundeinkommen auch die Möglichkeit, ohne Erwerbsarbeit ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Sie kritisieren die Zwänge des aktuellen Sicherungssystems und die Einschränkung der persönlichen Freiheit.
Mit der Begründung der Hartz IV Regelungen wurde auch das „Netzwerk Grundeinkommen“ (zu den Begründern zählt auch Ronald Blaschke) ins Leben gerufen, welches ein bedingungsloses Grundeinkommen fordert. Das bedeutet, dass dieses Grundeinkommen unabhängig von Erwerbstätigkeit an die Stelle der aktuellen Sicherungssysteme tritt (vgl. Butterwege 2008, S. 28). Die Details (Verzicht auf Bedürftigkeitsprüfung, etc.) zu diesem Konzept wurden bereits vorhergehend dargelegt. Die Vorteile bei diesem Konzept scheinen bestechend zu sein: Reduktion der Stigmatisierung, Entbürokratisierung (weniger Verwaltung, keine Kontrollen und Sanktionen), existenzsichernde Einkommen für alle Bürger sowie der bereits erwähnte Verzicht auf den Arbeitszwang.
Aber birgt diese Idee und damit die Abkehr vom aktuellen Sicherungssystem lediglich Lösungen oder auch Risiken in sich? Das aktuelle Prinzip der Absicherung von Risiken beruht auf dem Versicherungsprinzip und geht davon aus, dass man trotz laufender Einzahlungen lediglich im Bedarfsfall aus dem gemeinschaftlichen Topf profitiert. Das Grundeinkommen würde jedoch pauschal an alle Bürger gezahlt werden, ohne dass sie sich in einer entsprechenden Situation befinden müssen. Dies wirft die Frage nach der Finanzierung und Umsetzung des Grundeinkommens auf. Weiterhin würden auch Bürger das Grundeinkommen erhalten, obwohl sie nicht wirklich auf dieses angewiesen wären. Trivial ausgedrückt hätte dies zur Folge, dass auch Millionäre das Grundeinkommen erhalten würden. Um dies zu verhindern, könnte man im Rahmen der Steuerfestsetzung das Grundeinkommen wieder abziehen, dann erfolgt allerdings doch indirekt eine Bedürftigkeitsprüfung (nicht durch die ARGE oder das Sozialamt, sondern durch das Finanzamt) und das Grundeinkommen wäre eben nicht bedingungslos (vgl. Butterwegge 2008, S. 29). Außerdem kann die Befreiung vom Arbeitszwang auch dazu führen, dass eine geringere Anzahl an Erwerbstätigen einen höheren Leistungsaufwand betreiben muss, um den Wohlstand der Gesellschaft und das notwendige Finanzaufkommen zu erwirtschaften.
Fazit
Die Modelle des Grundeinkommens werden von Personen aus verschiedenen politischen Strömungen sehr unterschiedlich ausgelegt. Die Vorstellung eines Grundeinkommens zwischen 781,00 € - 1.000,00 €, oder sogar bis zu 1.500,00 € für jeden Bürger in Deutschland, ohne eine Bedürftigkeit nachweisen zu müssen oder eine Gegenleistung (Arbeitsleistung/Einzahlung in die Sozialversicherung) zu erbringen, erscheint sehr verlockend. Gleichzeitig klingt es utopisch, und das scheint es nach den vorliegenden Informationen auch zu sein. Das Versicherungsprinzip der Sozialversicherungen und die Sicherungen in Notlagen stellen eine große Herausforderung in puncto Verwaltung und Finanzierung dar. Sie sichern die Versicherungsnehmer (aufgrund der eigenen Einzahlung) oder Menschen in Notlagen ab. Seit der Einführung der Hartz IV-Reformen werden die Antragsformalitäten, Sanktionen und Regelsätze kritisiert. Die Höhe dieser Regelsätze soll hier nicht diskutiert werden, aber seit den Reformen im Jahr 2005 scheint der Wunsch nach „radikalen“ Veränderungen groß, und somit erhalten Modelle wie das Grundeinkommen immer mehr Anhänger. Allerdings erscheint die Finanzierung nicht darstellbar zu sein. Weiterhin kann ein Grundeinkommen nicht bedingungslos sein, da es sonst auch Menschen erhalten würden, die nicht auf Umverteilungen durch den Staat angewiesen sind. Auch für die Volkswirtschaft ergeben sich aus dem Modell Probleme, da ein Grundeinkommen ohne Erwerbstätigkeit höchst wahrscheinlich zu einer Reduktion der geleisteten Arbeit führen würde. Viele Menschen würden ihre Arbeitszeit reduzieren oder sogar aufhören zu arbeiten. Dies wird von den Befürwortern als positiv bewertet und dies kann auch positive Effekte generieren: mehr Zeit für Ausbildung und Studium, mehr Zeit für Familie und Partnerschaft und mehr Freiräume für Entfaltung und sogar Forschung! Aber auch diese positiven Effekte ändern nichts an der nicht möglichen Umsetzbarkeit der Modelle des Grundeinkommens.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass von weiteren Reformen in den Systemen der sozialen Sicherung und bei den Umverteilungsprozessen abzusehen ist. Die Schere zwischen Arm und Reich in der BRD darf nicht weiter auseinander gehen. Butterwegge bestätigt dies und spricht in seinem Buch „Armut in einem Reichen Land“ von einer extrem ausgeprägten sozialen Ungleichheit in der BRD.
Allerdings sollte hierbei wohl eher ein Reformansatz über das Steuersystem und Mindestlöhne verfolgt werden. Der Spitzensteuersatz (aktuell 45 Prozent ab einem Jahreseinkommen von 250.731 Euro) könnte zum einen erhöht werden und das zugrundeliegende Einkommen abgesenkt werden. Weiterhin könnte über die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer nachgedacht werden. Das Vermögenssteuergesetz ist weiterhin in Kraft, allerdings wird die Steuer seit 1997 in der BRD nicht mehr erhoben.
Der bereits beschlossene Mindestlohn muss flächendeckend ausgebaut und schrittweise erhöht werden. Weiterhin müssen die Regelsätze für Transferleistungsempfänger laufend geprüft und angepasst werden.
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- Quote paper
- B.A. David Deter (Author), 2014, Grundeinkommen als Alternative zum Sozialstaat, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/336927