Die Vergangenheit zeigt, dass Religionen einem Prozess des Wandels unterliegen. Auch der deutsche Religionswissenschaftler Günter Lanczkowski vertrat die These des Wandels von Religionen in seinem Buch „Begegnung und Wandel der Religionen“. Innerhalb des Kapitels „Wandel der Stadien“ werden die einzelnen, aufeinanderfolgenden Stadien, die in der Regel innerhalb jeder Religion auftreten sollen, erläutert.
Ziel der vorliegenden Proseminararbeit wird es sein, die besagten Erläuterungen Lanczkowskis darzustellen und zu überprüfen, inwieweit diese Stadien mit der Geschichte zweier Beispielreligionen übereinstimmen. Dabei soll so vorgegangen werden, dass die Stadien einzeln erläuternd dargestellt werden und daraufhin untersucht wird, ob und in welcher Form sich das jeweilige Stadium innerhalb der Geschichte einer Beispielreligion, dem Buddhismus, wiederfinden lässt.
In Anlehnung an Lanczkowskis Vorgehensweise werden innerhalb dieser Proseminararbeit vereinzelt konkrete Beispiele anderer Religionen als des Buddhismus bereits innerhalb der bloßen Erläuterung der Stadien genannt. Diese Beispiele dienen der Veranschaulichung innerhalb des Textflusses. Tritt ein solches Beispiel auf, wird der jeweilige Aspekt des Stadiums nach Möglichkeit auch in der folgenden, ausführlichen Betrachtung des Buddhismus beachtet und untersucht werden. Nur so kann ein komplettes Bild der Geschichte der Beispielreligion in Bezug zu Günter Lanczkowskis Stadien des Wandels entstehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Stiftung
2.1 Erläuterung
2.2 Stiftung dargestellt am Beispiel des Buddhismus
3. Entfaltung
3.1 Erläuterung
3.2 Entfaltung dargestellt am Beispiel des Buddhismus
4. Stabilisierung
4.1 Erläuterung
4.2 Stabilisierung dargestellt am Beispiel des Buddhismus
5. Untergang
5.1 Erläuterung
5.2 Untergang dargestellt am Beispiel des Buddhismus
6. Zusammenfassung
7. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Die Vergangenheit zeigt, dass Religionen einem Prozess des Wandels unterliegen. Auch der deutsche Religionswissenschaftler Günter Lanczkowski vertrat die These des Wandels von Religionen in seinem Buch „Begegnung und Wandel der Religionen“. Innerhalb des Kapitels „Wandel der Stadien“ werden die einzelnen, aufeinanderfolgenden Stadien, die in der Regel innerhalb jeder Religion auftreten sollen, erläutert.
Ziel der vorliegenden Proseminararbeit wird es sein, die besagten Erläuterungen Lanczkowskis darzustellen und zu überprüfen, inwieweit diese Stadien mit der Geschichte zweier Beispielreligionen übereinstimmen. Dabei soll so vorgegangen werden, dass die Stadien einzeln erläuternd dargestellt werden und daraufhin untersucht wird, ob und in welcher Form sich das jeweilige Stadium innerhalb der Geschichte einer Beispielreligion, dem Buddhismus, wiederfinden lässt.
In Anlehnung an Lanczkowskis Vorgehensweise werden innerhalb dieser Proseminararbeit vereinzelt konkrete Beispiele anderer Religionen als des Buddhismus bereits innerhalb der bloßen Erläuterung der Stadien genannt. Diese Beispiele dienen der Veranschaulichung innerhalb des Textflusses. Tritt ein solches Beispiel auf, wird der jeweilige Aspekt des Stadiums nach Möglichkeit auch in der folgenden, ausführlichen Betrachtung des Buddhismus beachtet und untersucht werden. Nur so kann ein komplettes Bild der Geschichte der Beispielreligion in Bezug zu Günter Lanczkowskis Stadien des Wandels entstehen.
2. Stiftung
2.1 Erläuterung
Das erste Stadium einer Religion - also ihr Beginn, ihr Grundstein – liegt in ihrer Stiftung und entspricht dieser. Eine Stiftung setzt einen Stifter voraus, demzufolge entsteht jede Religion durch einen Stifter, einen „Seher der Gottheit“, wie Lanczkowski es beschreibt. Manche Religionen werden als stifterlos bezeichnet. Dies liegt jedoch, Lanczkowskis Ausführungen folgend, meist nicht daran, dass in den betreffenden Religionen niemals ein Stifter existierte, sondern eher an dem Grund, dass die Ursprünge in der heutigen Zeit nicht mehr nachvollziehbar sind. Sollte man also von einer Unterscheidung zwischen gestifteten und stifterlosen Religionen sprechen, so kann es sein, dass die Einteilung davon abhängt, ob man etwas über den Stifter weiß oder nicht; dass es in beiden Fällen einen Stifter gab, ist hingegen nicht auszuschließen.[1]
Die Stiftung einer Religion erfolgt niemals innerhalb eines religiösen Vakuums, das heißt sie erfolgt nie „einfach so“, aus dem Nichts heraus. Dies lässt sich damit begründen, dass die Botschaft eines jeden Religionsstifters ein Grundmotiv besitzt. Dieses Grundmotiv entspricht den neuen Werten, die von dem Stifter offenbart werden; Werte also, die im Vergleich zu etwas vorher bereits Existentem eine Neuheit darstellen. Diese Werte bilden das Prinzip der Auslese des Überkommenen. Das bedeutet, dass sie die Abwehr, die Übernahme oder die Modifikation des bereits Vorhandenen bestimmen.[2]
Lanczkowski führt als Beispiel Mohammed in seiner Rolle als Stifter des Islams an. Da Mohammed, nach Lanczkowskis Ausführungen, die manichäische Offenbarungslehre übernommen haben soll und da biblische Stoffe in den Koran gekommen sein sollen, zeigt dieses Beispiel, dass auch im Islam die Stiftung nicht aus dem Nichts heraus geschah. Eine solche Übernahme des Vorhandenen bedeutet aber nicht, dass dadurch der jeweiligen Religion deren Originalität abgesprochen werden müsste. Warum dem so ist, versucht Lanczkowski am Beispiel der Mormonen aufzuzeigen. Er behauptet, dass der Stifter des Mormonentums, Joe Smith, einige Passagen wörtlich aus der Bibel in das Buch Mormon übernommen haben soll. Dabei soll Smith jedoch eine vollkommen neue religiöse Intention gehabt haben, was wiederum einen Beleg für Originalität darstelle.[3]
Eine Stiftung ist immer im Kontext des religiösen Umfelds, der die neu gestiftete Religion umgibt, zu betrachten. Das bedeutet, dass die zum Zeitpunkt der Stiftung bereits vorgefundene Religion nicht außer Acht gelassen werden darf. Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten, mit diesen vorhandenen, anderen Glaubensrichtungen umzugehen. Zum einen gibt es die Haltung, eine bestehende andere Religion als Entartung und Verderbnis einer vorher reinen Offenbarung aufzufassen. Eine zweite mögliche Herangehensweise ist das relative Anerkennen der vorgefundenen Lehren.[4]
Begründet werden beide Stiftungen in einem Verständnis von Offenbarung, bei welchem sich allerdings der eine von dem anderen Fall unterscheidet. Im Falle der Auffassung einer bereits bestehenden Religion als Entartung wird, wie bereits gesagt, von einer einst reinen Offenbarung ausgegangen, die verdorben wurde und darum nicht positiv gewertet werden kann. Die Stiftung der eigenen Religion wird demnach dadurch legitimiert, dass in ihr ein solches Verderbnis nicht auftritt. Bei der relativen Anerkennung wird hingegen von einer schrittweise verlaufenden, sich verbessernden Offenbarung ausgegangen; die bestehenden Religionen werden also nicht abgelehnt, aber die eigene Stiftung wird als eine Verbesserung in Hinblick auf die Offenbarung angesehen. In beiden Fällen muss daraus schlussfolgernd die Auffassung herrschen, selbst die endgültige Offenbarung gefunden zu haben.[5]
In Zeiten größerer religiöser Spannung ist es oft so, dass verschiedene Stiftungen recht zeitnah zueinander erfolgen und als Konkurrenten zueinander fungieren. Die Zeit, die benötigt wird, um eine neu gestiftete Religion als einen Erfolg oder als ein Scheitern einordnen zu können, ist unterschiedlich. Dies kann bereits zu Lebzeiten des Stifters, aber möglicherweise auch erst nach dessen Tod, zur Zeit des Wirkens seiner Jünger, festgestellt werden.[6]
2.2 Stiftung dargestellt am Beispiel des Buddhismus
Der Buddhismus hat seinen Ursprung in den Lehren eines Menschen; dieser ist demzufolge der Stifter des Buddhismus. Es handelt sich dabei um Siddhattha Gotama, genannt Buddha. Der Legende nach soll er 563 vor Christus in Nordindien geboren worden und wohlhabend aufgewachsen sein. Da seiner Ansicht nach Wohlstand nicht zwingend für ein glückliches Leben sorgen müsse, soll er mit 29 Jahren seine Familie verlassen haben. Im Alter von 35 Jahren soll er im Zuge einer Meditation zu einer Erkenntnis gekommen sein, durch welche er jegliches Unwissen abgelegt haben soll. Auf dieser Erkenntnis fußten seine Lehren.[7]
Es ist allerdings falsch, den Buddha, dadurch, dass man ihn als Stifter bezeichnen kann, nach Lanczkowski gleichzeitig „Seher der Gottheit“ zu nennen. Dies lässt sich damit begründen, dass der Buddha sich nie als Botschafter eines Gottes oder gar selbst als Gott bezeichnet haben soll.[8]
Bei der Frage nach dem den Buddhismus umgebenden religiösen Pluralismus sei in erster Linie das Verhältnis zum Hinduismus genannt, welches als eine Reformbestrebung in Form eines Wechselspiels angesehen werden kann. Dies ließe eine gegenseitige Anerkennung vermuten. Andererseits kritisiert der Buddhismus manche Ideen des Hinduismus. Er verurteilt diesen aber keineswegs insgesamt. Somit gestaltet sich Lanczkowsis Unterteilung in eine relative Anerkennung oder in eine Ansicht, die fremde Religion habe eine entartete Offenbarung, als sehr schwierig und eine eindeutige Zuordnung zu einer von beiden Ansichten ist nicht möglich.[9]
3. Entfaltung
3.1 Erläuterung
Das zweite Stadium der Entwicklung von Religionen kann als eine Entfaltung bezeichnet werden. Diese umfasst mehrere Teilaspekte. Als erster sei eine räumliche Ausdehnung genannt, innerhalb welcher die jeweiligen Stifter meist nur geographisch begrenzt aktiv waren. So wirkte beispielsweise Jesus Christus als Stifter des Christentums nur in Palästina, hauptsächlich in dem kleinen Landesteil Galiläa.[10]
Der folgende Punkt, der die Entfaltung der Religion betrifft, ist das Überschreiten und Zurücklassen der Grenzen, in welchen der Stifter selbst aktiv war. Dieser Impuls der Entfaltung sorgt nicht nur für eine reine geographische Änderung, sondern stellt auch einen geistigen Akt dar. Dies lässt sich gut am Beispiel des Christentums darstellen, das durch seine räumliche Trennung vom Judentum gleichzeitig einen geistigen Akt vollzog, da auch eine geistige Trennung, eine Trennung der religiösen Inhalte, damit einherging.[11]
Der dritte Aspekt der Entfaltung ist die Bildung der Religion zur eigenständigen und in sich geschlossenen Größe. Oftmals tritt dies auch erst nach der Lebenszeit der Stifter ein. Dem ist jedoch nicht in jedem Fall so, wie das Beispiel des Islams zeigt, der sich bereits zu Lebzeiten seines Stifters Mohammed zu einer geschlossenen Größe entwickelte.[12]
Der letzte hier aufgeführte Aspekt der Entfaltung von Religion wird als Kristallisation bezeichnet. Diese Bezeichnung geht auf Heinrich Frick zurück. Mit Kristallisation ist ein Vorgang gemeint, durch welchen eine einzige Stiftung die besten Elemente anderer übernimmt. Diese eine Stiftung, die die positiven Eigenschaften anderer Religionen übernimmt, gilt als Kristallisationsmitte und kann als eine wohlgelungene Stiftung bezeichnet werden.[13]
3.2 Entfaltung dargestellt am Beispiel des Buddhismus
Die räumliche Ausdehnung des Buddhismus durch den Stifter erfolge durch die Reisen in Nordindien, die der Buddha bis seinem Tod im Alter von 80 Jahren unternahm und in welchen er seine Erkenntnisse lehrte. So umfasste die buddhistische Lehre bereits während der genannten Phase der „Entfaltung“ mehrere tausend Anhänger.[14]
Das Überschreiten der Grenzen, in denen der Stifter selbst aktiv war, erfolgte um 262 vor Christus, als Asoka Mauriya, der damalige Herrscher Indiens, zum Buddhismus konvertierte und die Lehren in ganz Indien verbreitete. Der Einfluss des Buddhismus begann damit also sich weiter als ausschließlich in Nordindien zu verbreiten. Viele Menschen waren vom Buddhismus überzeugter als vom Hinduismus; sie blieben aber dennoch weiterhin Hindus. Durch Asoka Mauriya wurden weiterhin sogar Missionsbestrebungen durch Mönche in Nachbarstaaten und nach Europa unternommen.[15]
Die Möglichkeit, dass sich eine Religion erst nach dem Tod des Stifters zu einer in sich geschlossenen, eigenständigen Größe entwickelt, zeigt sich im Buddhismus an einer Besonderheit: Da der Buddhismus ohne Gottheit, die verehrt oder angebetet werden könnte, auskommt, fehlt ihm dieses religiöse Element. Die Verehrung Buddhas wurde schließlich von seinen Anhängern losgetreten und daraufhin kam es dann doch zu einer religiösen Verehrung, was diese Lücke füllte, auch wenn es sich dabei um keine Götterverehrung im eigentlichen Sinne handelt.[16]
Von einem Vorgang der Kristallisation kann bei der Entfaltung des Buddhismus keine Rede sein, da seine grundlegenden Lehren aus der Erfahrung des Buddhas stammen und nicht aus anderen Religionen übernommen wurden. Ähnliche ethische Ansichten und terminologische Gemeinsamkeiten mit dem Hinduismus sind zwar vorhanden, aber letzten Endes unterscheiden sie sich doch in ihrer Lehre[17] ; somit wäre es falsch dahinter einen Prozess der Kristallisation nach Heinrich Frick zu vermuten.
[...]
[1] Vgl. Lanczkowski, Günter, Begegnung und Wandel der Religionen, Düsseldorf u.a. 1972, S. 122. Fußnoten am Ende eines Absatzes beziehen sich innerhalb dieser Proseminararbeit stets auf Inhalte des ganzen Absatzes, nicht nur des letzten Satzes eines Absatzes. Sinn dieser Vorgehensweise ist es, eine Masse an übermäßig vielen Fußnoten zu vermeiden.
[2] Vgl. ebd., S. 122f.
[3] Vgl. ebd., S. 123.
[4] Vgl. ebd., S. 123f.
[5] Vgl. ebd., S. 124.
[6] Vgl. ebd., S. 125.
[7] Vgl. Dhammika, Bhante Shravasti, Was Sie schon immer über Buddhismus wissen wollten. Ausgewählte Fragen und Antworten, München 2010, S. 7f.
[8] Vgl. ebd., S. 9.
[9] Vgl. ebd., S. 20.
[10] Vgl. Lanczkowski 1971, S. 125.
[11] Vgl. ebd., S. 126.
[12] Vgl. ebd., S. 126f.
[13] Vgl. ebd., S. 128.
[14] Vgl. Dhammika 2010, S. 8.
[15] Vgl. ebd., S. 89.
[16] Vgl. Lanczkowsi 1971, S. 127.
[17] Vgl. Dhammika 2010, S. 20.