Der 15. November 2014 war ein schwarzer Tag für Offenbach. Zwei junge Menschen, Sanel M. und Tuğçe Albayrak, geraten aneinander. Es beginnt ein Streit, der für Tuğçe Albayrak tödlich endet. Die vorliegende Studienarbeit versucht diesen Konflikt näher zu beleuchten und zu analysieren. Die Arbeit gliedert sich hierbei in zwei Teile. Der erste beschreibt den Fall beziehungsweise den Konflikt anhand eines ausführlichen Artikels von Timo Frasch aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.).
Ausgehend von der Fallbeschreibung soll im zweiten Teil, dem Hauptteil, die Konfliktanalyse vorgenommen werden. Dazu wird im ersten Abschnitt eine Begriffsbestimmung vorgenommen. Der zweite Abschnitt analysiert nachfolgend den Konflikt auf drei Ebenen: die Konfliktvorstufe, die Analyse des eigentlichen Konflikts sowie die Konfliktregulation bzw. -bearbeitung. Hierbei wurde versucht, die gewonnen Erkenntnisse in der jeweilig anschließenden Ebene zu verarbeiten und in Beziehung zum Fall zu setzen. Die Schlussbetrachtung fasst abschließend die gewonnen Erkenntnisse zusammen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Hinweis zur weiblichen und männlichen Sprachform
1 Einleitung
2 Fallbeschreibung nach Frasch (F.A.Z.)
3 Analyse
3.1 Begriffsbestimmungen
3.1.1 Konflikt
3.1.2 Aggression, Aggressivität und Gewalt
3.2 Konfliktanalyse
3.2.1 Ebene 1: Konflikt- und gewaltaffine Vorstufen
3.2.2 Ebene 2: Analyse der Konfliktarena mit Konfliktartikulation bzw. Konfliktausbruch
3.2.3 Ebene 3: Konfliktregulation/Konfliktbearbeitung
4 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Eskalationsgrade nach Glasl
Abbildung 2: Gewalt und ihre Entstehungszusammenhänge
Hinweis zur weiblichen und männlichen Sprachform
Aus Gründen der Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit nur die männliche Sprachform verwendet (Ausnahmen können in wörtlichen Zitaten auftreten). Verwendete Personenbezeichnungen betreffen jedoch immer männliches und weibliches Geschlecht.
1 Einleitung
Der 15. November 2014 war ein schwarzer Tag für Offenbach. Zwei junge Menschen, Sanel M. und Tuğçe Albayrak, geraten aneinander. Es beginnt ein Streit, der für Tuğçe Albayrak tödlich endet. Die vorliegende Studienarbeit versucht diesen Konflikt näher zu beleuchten und zu analysieren. Die Arbeit gliedert sich hierbei in zwei Teile. Der erste beschreibt den Fall bzw. den Konflikt anhand eines ausführlichen Artikels von Timo Frasch aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.).
Ausgehend von der Fallbeschreibung soll im zweiten Teil, dem Hauptteil, die Konfliktanalyse vorgenommen werden. Dazu wird im ersten Abschnitt eine Begriffsbestimmung vorgenommen. Der zweite Abschnitt analysiert nachfolgend den Konflikt auf drei Ebenen: die Konfliktvorstufe, die Analyse des eigentlichen Konflikts sowie die Konfliktregulation bzw. -bearbeitung. Hierbei wurde versucht, die gewonnen Erkenntnisse in der jeweilig anschließenden Ebene zu verarbeiten und in Beziehung zum Fall zu setzen. Die Schlussbetrachtung fasst abschließend die gewonnen Erkenntnisse zusammen.
2 Fallbeschreibung nach Frasch (F.A.Z.)
Die Fallbeschreibung nach Frasch, auf die sich diese Konfliktanalyse stützt, kann aus urheberrechtlichen Gründen in dieser Arbeit nicht komplett abgebildet werden. Sie ist jedoch unter der URL im Literaturverzeichnis zum jetzigen Zeitpunkt vollständig abrufbar.1
Kurze Beschreibung der beteiligten Akteure:
Im Folgenden sollen die wichtigsten beteiligten Akteure anhand der Fallbeschreibung näher beschrieben werden, so dass sich ein überschaubareres Bild ergibt.
Sanel M.:
Der Täter Sanel M. ist zum Zeitpunkt der Tat gerade 18 Jahre alt geworden. Seine Familie stammt aus Serbien, Sandschak. Das familiäre Verhältnis scheint belastet. Der Vater, als Bauarbeiter tätig, wurde laut Fallbeschreibung gegenüber der Mutter von Sanel M. als auch gegenüber Sanel M. selbst gewalttätig. Sanel M. schloss im Sommer 2014 erfolgreich die Hauptschule mit einem Schnitt von 2,9 erfolgreich ab. Anschließend bewarb er sich, vermutlich erfolglos, bei mehreren Unternehmen und war zum Tatzeitpunkt ohne Beschäftigung. Zudem scheint es so, dass er von seinen Eltern finanziell abhängig war.
Sanel M. ist strafrechtlich schon in Erscheinung getreten. So wurde er in 14 Ermittlungsverfahren als Beschuldigter geführt und hatte zum Tatzeitpunkt vier Eintragungen im Strafregister. Mit seinem Freund, dem Lagerlogistiker, verbüßte er Freizeitarrest und Arbeitsleistungen, da sie die Herausgabe von Handys erzwungen hatten. Laut polizeilicher Angaben war Sanel M. zunehmend gewaltbereit, jedoch noch kein Intensivtäter.2
Tuğçe Albayrak:
Die zum Tatzeitpunkt 22-jährige3 Lehramtsstudentin hatte einen türkischen Hintergrund. Sie scheint sozial gut integriert, den Aussagen ihres Bruders zufolge sei sie kein „extremer Feiermensch“ gewesen. Laut Aussagen ihrer Freundinnen war Tuğçe Albayrak couragiert und verhielt sich loyal.4
Amin S.:
Amin S., vermutlich auch aus Serbien stammend, ist ein Freund von Sanel M., beide kennen sich schon länger. Jedoch sind sie erst seit der Schule befreundet. Von Sanel M. ist noch bekannt, dass sein Vater im Gefängnis sitzt.5
Lagerlogistiker:
Der 18 Jahre alte Lagerlogistiker hat seine Wurzeln ebenfalls in Serbien, Sandschak. Der Lagerlogistiker ist ebenfalls schon strafrechtlich in Erscheinung getreten Bekannt ist von ihm, dass er mit Sanel M. Freizeitarrest und Arbeitsleistungen verbüßte, da beide die Herausgabe von Handys erzwungen hatten.6
3 Analyse
Die Analyse, der Hauptteil dieser Arbeit, setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Der erste Teil widmet sich hierbei der Begriffsbestimmung, während der zweite Teil den Konflikt auf drei Ebenen in Bezug auf die vorwiegenden Konfliktbeteiligten Sanel M. und Tuğçe Albayrak analysiert. Dabei soll auf die Konfliktvorstufe, dem eigentlichen Konflikt sowie deren mögliche Regulation bzw. Bearbeitung Bezug genommen werden.
3.1 Begriffsbestimmungen
Der folgende Abschnitt soll sich zum grundsätzlichen Verständnis den Begrifflichkeiten Konflikt, Aggression, Aggressivität und Gewalt nähern. Dabei soll versucht werden, eine Begriffsbestimmung vorzunehmen, die jedoch nicht abschließend ist.
3.1.1 Konflikt
Die Sozialpsychologie unterscheidet zwischen intrapersonellen (in einer Person) und interpersonellen (zwischen zwei oder mehreren Personen) Konflikten,7 wobei ausgehend von der Fallbeschreibung das Hauptaugenmerk auf dem interpersonellen oder sozialen Konflikt liegt. Friedrich Glasl definiert einen sozialen Konflikt wie folgt, wobei er sich auch auf verschiedene Definitionen bezieht und mehrere Aspekte hervorhebt:
Sozialer Konflikt ist eine Interaktion
– zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisationen usw.),
– wobei wenigstens ein Aktor
– eine Differenz bzw. Unvereinbarkeiten
im Wahrnehmen
und im Denken bzw. Vorstellen
und im Fühlen
und im Wollen
– mit dem anderen Aktor (den anderen Aktoren) in der Art erlebt,
– dass beim Verwirklichen dessen,
was der Aktor denkt, fühlt oder will eine Beeinträchtigung
– durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolge.8
Erwähnenswert scheint im Rahmen der Begriffsbestimmung, dass intrapsychisch erlebte Widersprüche der Akteure, die jedoch nicht kommuniziert werden, also latent vorhanden sind, keinen sozialen Konflikt ausmachen.9
Konflikte können u. a. zwischen einem heißen und einem kalten Konflikt unterschieden werden. Im Ersteren ist die Emotionalität sehr deutlich zu erkennen, Gefühle werden nicht zurückgehalten, Angriff und Verteidigung sind offensichtlich. Heiße Konflikte eskalieren leichter. Kalte Konflikte können hingegen schwieriger zu erkennen sein, da eher ein feindseliges Verhalten anstelle direkter Kommunikation auftritt. Die Gefühlslage der Konfliktparteien wird von Frustration, innerer Leere und Kälte bestimmt, eine überwiegend rationale Kommunikation findet statt.10
Reibungen und Spannungen in einem Konflikt können stufenweise anwachsen, so dass sich das Konflikt- und Gewaltniveau erhöht. Die Konfliktparteien müssen zu härteren Waffen greifen bzw. ihr Gewaltniveau erhöhen, um sich bzw. ihre Position durchzusetzen. Die stufenweise Steigerung der Konfliktintensität wird dabei durch Wendepunkte gekennzeichnet.11 Diese Schwellen bzw. Wendepunkte werden dabei von den Konfliktparteien als ein „point of no return“ erlebt, der den Eskalationsprozess in deutliche Stufen gliedert. Das Überschreiten der Wendepunkte markiert dabei ein jeweils intensiveres Konfliktniveau, wobei für jede Stufe eigene Normen, Maße und Regeln gelten.12 Friedrich Glasl unterscheidet dabei zwischen neun Eskalationsstufen,13 wobei die Konfliktlösungsmöglichkeiten mit steigendem Eskalationsgrad ab- und die Verluste auf Seiten der Konfliktparteien zunehmen,14 siehe Abbildung 1.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Eskalationsgrade nach Glasl 15
3.1.2 Aggression, Aggressivität und Gewalt
Aggression, Aggressivität und Gewalt als Begrifflichkeiten lassen sich nicht eindeutig voneinander abgrenzen und auch nicht klar definieren. Sie sind auch immer in einem historischen und sozialen Kontext zu sehen, so dass deren Bedeutung einem Wandel unterliegt.16 Im Folgenden soll versucht werden, die Begriffe näher zu bestimmen.
Dem Duden nach entstammt der Begriff Aggression dem Lateinischen aggressio, welches die Bedeutung Angriff hat.17 Der Duden beschreibt Aggression unter psychologischen Gesichtspunkten ein „durch Affekte ausgelöstes, auf Angriff ausgerichtetes Verhalten des Menschen, das auf einen Machtzuwachs des Angreifers bzw. eine Machtverminderung des Angegriffenen zielt“.18 Im Sinne einer Arbeitsdefinition bestimmt Klaus Wahl den Begriff Aggression als ein
Ensemble von aus der Naturgeschichte stammenden bio-psycho-sozialen Mechanismen, die der Selbstbehauptung oder Durchsetzung gegen andere mit schädigenden Mitteln dienen. Form und Stärke der Aggression werden durch die genetische Ausstattung des Individuums, seine Sozialisation und gesellschaftliche Umstände gestaltet, aktiviert oder gehemmt.19
[...]
1 Vgl. Frasch, T. (2015). Fall Tuğçe Albayrak: Unselige Nacht.
2 Vgl. ebenda.
3 Vgl. Die Welt (2014). "Die Maschinen wurden abgeschaltet".
4 Vgl. Frasch, T. (2015). Fall Tuğçe Albayrak: Unselige Nacht.
5 Vgl. ebenda.
6 Vgl. ebenda.
7 Vgl. Kraimer, K. (2011). Sozialer Konflikt (S. 804).
8 Glasl, F. (2010). Konfliktmanagement (S. 17).
9 Vgl. Buck, G. (2011). Konflikt (S. 528).
10 Vgl. Heigl, N. J. (2014). Konflikte verstehen und steuern (S. 9).
11 Vgl. Glasl, F. (2002). Konfliktmanagement (S. 211).
12 Vgl. ebenda (S. 214).
13 Vgl. ebenda (S. 216).
14 Vgl. Heigl, N. J. (2014). Konflikte verstehen und steuern (S. 20).
15 Ebenda (S. 21).
16 Vgl. Kilb, R. (2011). Jugendgewalt im städtischen Raum (S. 17).
17 Vgl. Duden. Aggression.
18 Ebenda.
19 Wahl, K. (2010). Aggression und Gewalt (S. 10).