Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Verfahren und Methoden der Organisationskulturanalyse zu veranschaulichen. Zudem wird aufgezeigt, wie die Erkenntnisse aus der Analyse in eine Kulturentwicklung umgesetzt werden können. Hierzu wird zunächst auf die Theorie der Organisationsdiagnose und der Organisationskultur sowie auf den Einfluss der Organisationskultur auf den Unternehmenserfolg eingegangen.
Im Anschluss soll der Kulturaudit als Anwendungsbeispiel einer Organisationskulturanalyse beschrieben werden. Neben der Veranschaulichung der Instrumente und Methoden zur Erhebung der Organisationskultur, wird auch auf die Prozesse und Erfolgsfaktoren der Entwicklung einer Organisationskultur eingegangen. Abgeschlossen wird die Arbeit mit einer kritischen Reflexion aller Kapitel.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Kulturanalyse als Instrument der Organisationsdiagnose
2.1 Theorie zur Organisationsdiagnose
2.2 Theorie zur Organisationskultur
2.3 Einfluss der Organisationskultur auf den Unternehmenserfolg
3. Diagnose einer Organisationskultur
3.1 Instrumente zur Erhebung der Organisationskultur
3.2 Der Kulturaudit Anwendungsbeispiel einer Organisationskulturanalyse
3.3 Methoden zur Durchführung eines Kulturaudits
4. Entwicklung einer Organisationskultur
4.1 Der Prozess des Kulturwandels im Überblick
4.2 Erfolgsfaktoren der Organisationskulturentwicklung
4.3 Kritische Reflexion der Organisationskulturdiagnose und -entwicklung
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Aspekte der Organisation in Anlehnung an Pelzmann & Strümpf (2013, S.41)
Abbildung 2: Einteilung der O-Diagnostik in die Schwerpunkte der Struktur- bzw. Prozessdiagnostik sowie der integrativen Diagnostik, in Anlehnung an Büssing 2004, S. 45ff)
Abbildung 3: Abgrenzung der Organisationskultur zu Betriebsklima und Unternehmensethik, in Anlehnung an Otrebski (2013, 643) und Nerdinger, et al (2014, S. 151)
Abbildung 4: Das Drei-Ebenen-Modell, in Anlehnung an Schein 1984, S. 4 & Schein 1983, S.14)
Abbildung 5: Eisbergmodell nach Hall, in Anlehnung an Wien & Franzke (2014, S.41)
Abbildung 6: 7-S-Modell nach Peters und Waterman in Anlehnung an (Wien & Franzke 2014, S.42)
Abbildung 7: Beispiele von Instrumenten zur Erhebung von Organisationskulturen (eigene Darstellung)
Abbildung 8: Organizational Culture Inventory (Schuster 2006, S.21)
Abbildung 9: Prozess Kulturentwicklung in Anlehnung an Homma & Bauschke 2015, S. 54
Abbildung 10: Roll-out Ablaufplan in Anlehnung an Homma & Bauschke (2015, S.102)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht der Funktionen der Unternehmenskultur in Anlehnung an Homma, et al. 2014, S. 10
Tabelle 2: Auszug aus dem Selbstbewertungsinstrument des TOTAL E-QUALITY Zertifikats (2015)
1. Einleitung
Der Abgasskandal von VW hat weltweit Aufsehen erregt. Das Image der deutschen Autoindustrie, welche für Qualität, technische Perfektion und Verlässlichkeit steht, strahlt nicht mehr in demselben Glanz wie zuvor. Eine VW Software hat vorsätzlich die Abgaswerte seiner Dieselfahrzeuge manipuliert, sobald diese auf dem Prüfstand standen. Die Frage, wie es zu diesem Betrug kommen konnte, wurde schnell beantwortet. Die Unternehmenskultur von VW, deren Merkmale unter anderem mit Hierarchiehörigkeit und einer hohen Toleranz bei Regelverstößen beschrieben wird, ist schuld (Spiegel, 2015). Doch hat VW wirklich ein derart großes Kulturproblem? Betrachtet man den Skandal aus der Sicht der Spieltheorie, welche in der Wirtschaft eine immer bedeutendere Rolle spielt, hat VW rational gehandelt. Die Aussage des neuen VW Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller bestätigt diese Sichtweise: "Eigentlich haben wir nicht geschummelt und natürlich auch nicht gelogen. Wir haben das getan, was von uns verlangt wurde. Wir haben die sehr extremen Grenzwerte erfüllt - allerdings auf eine Art und Weise, die überraschenderweise nicht zulässig ist" (Scholz, 2016). In der Spieltheorie wird die Entscheidung nicht nur vom eigenen Verhalten sondern auch von dem Verhalten anderer "Mitspieler" abhängig gemacht (Rieck 1993, S.16). Der Umstand, dass die Abgaskontrollen mit Ankündigung und unter bekannten Gegebenheiten stattfanden, hat zu der rationalen Entscheidung geführt, nur für diese Situation die Abgaswerte anzupassen. Ist es nun ein Fehler der Kontrollbehörden, welche keine Kontrollen unter realen Bedingungen durchführen oder liegt der Fehler bei VW, dessen Verhalten nicht werteorientiert ist? Der öffentliche Druck und der Missmut vieler VW Mitarbeiter hat das Management nun dazu bewogen, einen kulturellen Wandel anzustreben. Doch wie kann eine Kultur bewusst weiterentwickelt werden? Genügt der bloße Appell, eine neue Verordnung oder muss mehr dafür getan werden, um neue Werte und Normen in eine Organisation zu integrieren?
Der erste Schritt um konkrete Aussagen über eine Kultur und mögliche Veränderungsmaßnahmen treffen zu können, ist eine Organisationskulturanalyse. Das Ziel dieser Arbeit ist es die Verfahren und Methoden der Organisationskulturanalyse zu veranschaulichen. Zudem wird aufgezeigt, wie die Erkenntnisse aus der Analyse in eine Kulturentwicklung umgesetzt werden können. Hierzu wird zunächst auf die Theorie der Organisationsdiagnose und der Organisationskultur sowie auf den Einfluss der Organisationskultur auf den Unternehmenserfolg eingegangen. Im Anschluss soll der Kulturaudit als Anwendungsbeispiel einer Organisationskulturanalyse beschrieben werden. Neben der Veranschaulichung der Instrumente und Methoden zur Erhebung der Organisationskultur, wird auch auf die Prozesse und Erfolgsfaktoren der Entwicklung einer Organisationskultur eingegangen. Abgeschlossen wird die Arbeit mit einer kritischen Reflexion aller Kapitel.
2. Die Kulturanalyse als Instrument der Organisationsdiagnose
Im folgenden Kapitel soll die Grundlage für das Verständnis der Theorien der Organisationsdiagnose und der Organisationskultur geschaffen werden. Die Organisationsdiagnose deckt ein breites Spektrum unterschiedlichster Analysemöglichkeiten ab. Diese gilt es in diesem Kapitel auf die konkreten Aspekte der Organisationskulturanalyse einzugrenzen. Zusätzlich dient dieses Kapitel zur Aneignung eines allgemeinen Verständnisses der Organisationskultur, dessen Bedeutung und Anpassungsmöglichkeiten.
2.1 Theorie zur Organisationsdiagnose
Die Diagnose ist ein Begriff, welcher hauptsächlich mit ärztlichen Befunden oder einer psychologischen Begutachtung im Zusammenhang steht. Körper bzw. Geist werden anhand beobachtbaren Symptomen untersucht und beurteilt. Ein Krankheitsbild kann erstellt werden, welches auf etwaige Ursachen zurückschließen lässt und maßgeblich für das weitere Vorgehen der Behandlung ist. Voraussetzung für die Durchführung einer Diagnose ist ein System, welches sich von seiner Umwelt abgrenzt. Ein System definiert sich über seine Operanten, welche einem Regelwerk unterliegen und immer in Wechselwirkung zueinander stehen. (vgl. Berghaus 2011, S. 33ff). Der Arzt kann den Zustand eines biologischen Systems somit anhand der Abweichungen dessen Operanten, den Zellen, diagnostizieren. Der Psychologe diagnostiziert das psychische System seines Patienten anhand dessen Wahrnehmung und Gedanken, die sich auch in seinem Verhalten äußern.
Nach der Systemtheorie Luhmanns, (1987) gilt eine Organisation bzw. ein Unternehmen auch als ein soziales Gebilde, dessen Operant die Kommunikation ist. "Organisationen sind folglich Körperschaften in dem doppelten Sinn, dass sie eine ausgewiesene raum-zeitliche Ausdehnung haben und Personen in sich aufnehmen können ... Organisationen bilden eine vorgegebene Ordnung aus, in die sich Personen einfügen können, um darin dann aufeinander abgestimmt und gemeinsam auf ein spezifisches Organisationsziel hin agieren und interagieren" (Bornewasser 2009, S.18). Wie der Körper oder Geist kann also auch eine Organisation anhand charakteristischen Symptomen untersucht und beurteilt werden. So könnte zum Beispiel eine schlechte Kundenorientierung diagnostiziert werden, dessen Ursache und notwendige Interventionen anhand der Ergebnisse einer Diagnose gefunden werden. Vor diesem Hintergrund wird angenommen, dass die Diagnose auch auf die Organisation angewandt werden kann, um deren Interaktionen und Dynamiken zu diagnostizieren (vgl. Bornewasser 2009, S.16).
Die Diagnose einer Organisation lässt sich in unterschiedliche Dimensionen, Ebenen, Aspekten und Sichtweisen untergliedern. Je nach Ziel der Organisationsdiagnose gibt es unterschiedliche Aspekte, die in den Vordergrund der Betrachtung rücken. Pelzmann & Strümpf (2013, S. 41) geben einen Überblick über die unterschiedlichen Aspekte einer Organisation, die Gegenstand einer Organisationsdiagnose sein können. Im Fokus dieser Arbeit steht die Kultur, deren Analyse auch weitere Aspekte einer Organisation mit einschließen kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Aspekte der Organisation in Anlehnung an Pelzmann & Strümpf (2013, S.41)
Neben den Aspekten einer Organisation kann diese auch in psychologischer, ökonomischer oder technischer Hinsicht analysiert werden. In dieser Arbeit wird lediglich die Dimension der psychologischen Organisationsdiagnose (O-Diagnose) näher betrachtet, welche in der Literatur wie folgt definiert werden kann:
"Die O-Diagnose ist eine systematische und wissenschaftlich fundierte Erfassung, Analyse und Darstellung des in einer Organisation oder einem abgegrenzten Organisationsteil regelhaft auftretenden Verhaltens und Erlebens ihrer Mitglieder einschließlich ihrer Wirkungszusammenhänge." (Kühlmann 1989, S. 632)
"Die O-Diagnose ist eine systematische Untersuchung des gegebenen Gesamtzustandes einzelner Organisationen mit dem Ziel der Aufdeckung vorhandener Organisationsprobleme und die Vorbereitung von Organisationsänderungen zum Zwecke der Verringerung oder Beseitigung dieser Probleme." (Klages 1980, S. 1459)
"Die O-Diagnose wird angewandt, um die Ursachen von Problemen organisierter sozialer Interaktion zu erkennen, die Wirkung möglicher Eingriffe zu prognostizieren und den Erfolg von Eingriffen zu überprüfen" (Brandstätter 1978, S. 43)
Die Definitionen zeigen die unterschiedlichen Sichtweisen der psychologischen Organisationsdiagnose. Kühlmann stellt das Erleben und Verhalten der Organisationsmitglieder in den Mittelpunkt. Klages, hingegen, stellt Aspekte der Struktur und Ordnung einer Organisation in den Vordergrund. Indessen legt Brandstätter seinen Schwerpunkt auf die soziale Interaktion und deren Ursache und Wirkung.
Die Unterscheidung dieser Dimensionen wird als Organisationsdiagnostik bezeichnet. Brand-stätter (1978, S.44) definiert die Organisationsdiagnostik als "die wissenschaftlich systematische Darstellung der Verfahrensgrundsätze und Verfahrensweisen psychologischer Beschreibung und psychologischer Bedingungsanalyse der sozialen Eigenart und der spezifischen sozialen Probleme einer Organisation, sowie der Prognose und Bewertung individueller und sozialer Wirkungen organisatorischer Eingriffe".
Die in der Organisationsdiagnostik beschriebenen Verfahrensgrundsätze und Verfahrensweisen können in drei Bereiche unterteilt werden. Büssing (2004, S. 451ff) weist in seinen Ausführungen darauf hin, dass die Analysen innerhalb der drei Bereiche sich überschneiden können und eine klare Abgrenzung daher nicht möglich ist. So sind die Verfahren der Prozessdiagnostik hauptsächlich Teil der Organisationskulturanalyse. Jedoch werden auch Elemente der integrativen Diagnostik angewandt, in der die Strukturdiagnostik mit einfließt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Einteilung der O-Diagnostik in die Schwerpunkte der Struktur- bzw. Prozessdiagnostik sowie der integrativen Diagnostik, in Anlehnung an Büssing 2004, S. 45ff)
Unabhängig der diagnostischen Verfahren kann eine Organisation in ihrer Komplexität unmöglich im Ganzen analysiert werden. So können zum einen auf der individuellen Ebene einer Organisation die persönliche Weiterentwicklung oder Leistungssteigerung das Ziel einer Diagnose sein, eine Leistungssteigerung bzw. Weiterentwicklung der gesamten Organisation ist damit jedoch noch nicht Genüge getan (vgl. Bornewasser 2009, S. 17). Vielmehr ist es erforderlich thematische Schwerpunkte zu setzten wie, zum Beispiel auf Diagnosen des Leistungsbereitschaft, der Lernkultur einer Organisation oder der Organisationskultur. Im Folgenden wird der Schwerpunkt auf die Verfahren und Methoden der Organisationskulturanalyse auf der Organisationsebene gesetzt. Die Arbeit orientiert sich hierbei auf kein theoretisches Diagnosemodell sondern argumentiert stattdessen Fallorientiert.
2.2 Theorie zur Organisationskultur
Wie in Kapitel 2.1 bereits erläutert sind Organisationen soziale Systeme, in denen unter bestimmten Bedingungen Menschen zusammenkommen und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Auf Basis dieser Zusammenarbeit bilden sich allgemein akzeptierte und erstrebenswerte Ansichten und Verhaltensweisen. Hieraus entwickeln sich Normen und ungeschriebene Gesetze, welche für Außenstehende oft nicht erkennbar sind (vgl. Nerdinger, et al. 2014, S. 151). Dieses organisationale Geschehen wird durch den Begriff Organisationskultur charakterisiert. Die Vielschichtigkeit der Organisation spiegelt sich auch in der Organisationskultur wider. Daher wird dem Organisationskulturbegriff häufig vorgeworfen, dass dieser alles bedeuten kann und im Umkehrschluss kein Aspekt der Organisation ausgeschlossen werden kann (siehe Abb. 1) und so keine konkreten Beobachtung beziehungsweise Rückschlüsse gezogen werden können (vgl. Mensching 2008, S47 ). Im Folgenden soll daher eine klare Abgrenzung der Begrifflichkeiten sowie die für diese Arbeit zugrunde liegenden Definitionen und Modelle beschrieben werden.
Im Hinblick auf die Organisationskulturanalyse ist eine klare Abgrenzung der Organisationskultur zur Unternehmensethik und dem Betriebsklima notwendig, da diese auch Gegenstand einer Organisationsdiagnose sein können und in keinem direkten Zusammenhang zueinander stehen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Abgrenzung der Organisationskultur zu Betriebsklima und Unternehmensethik, in Anlehnung an Otrebski (2013, 643) und Nerdinger, et al (2014, S. 151)
Die Organisationskultur bzw. Unternehmenskultur wurde insbesondere in den 80er- und 90er-Jahren eingehend in der Forschung untersucht. Die Kultur eines Unternehmens wurde ein Thema für das Management. Aus dieser Zeit bildeten sich viele Theorien und Definitionen, welche in zwei Lager eingeteilt werden können. Zum einen wird eine Unternehmenskultur als Variable angesehen, welche von außen wie zum Beispiel der regionalen Kultur beeinflusst wird oder aber innerhalb der Organisation nach Zielen ausgerichtet und gesteuert werden kann. Zum anderen wird Kultur nach dem Metaphernansatz als kontinuierliche selbstgesteuerte Entwicklung angesehen. Eine Unternehmenskultur kann nach diesem Ansatz nicht gezielt verändert werden. (vgl. Wien & Franzke 2014, S.11 & Raeder 2010, S.90)
Bleicher (2004) fasst in seiner Definition der Unternehmenskultur den Variablenansatz und den Metaphernansatz zusammen. Er argumentiert, dass eine Kultur sich zum einen aus kognitiven Prozessen sowie aus affektiven Prozessen entwickelt. Kultur kann demnach durch äußere Stimuli als auch anhand der gemeinsamen Präferenzen und einem geteilten Wahrnehmungsverständnis entwickeln:
Unter der Bezeichnung Unternehmenskultur werden allgemein das kognitiv entwickelte Wissen und die Fähigkeiten einer Unternehmung sowie die affektiv geprägten Einstellungen ihrer Mitarbeiter zur Aufgabe, zum Produkt, zu den Kollegen, zur Führung und zur Unternehmung in ihrer Formung von Perzeptionen (Wahrnehmungen) und Präferenzen (Vorlieben) gegenüber Ereignissen und Entwicklungen verstanden. (vgl. Bleicher 2004, S. 238)
Einer der bekanntesten Autoren im Gebiet der Organisationskultur teilt die Kultur in 3 Ebenen auf (siehe Abb. 4). Seine Definition zeigt, dass sein Kulturverständnis sich an dem Variablenansatz orientiert. Jedoch kann die dritte Ebene welche die unbewussten Grundannahmen einer Kultur beschreibt, auch als Einfluss des Metaphernansatzes bewertet werden. Die Kultur im Gesamten definiert Schein (1995) wie folgt:
Ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt; und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit diesen Problemen weitergegeben wird. (vgl. Schein 1995, S. 25)
Im Folgenden werden die Kulturmodelle nach Schein und Hall sowie das 7-S-Modell verglichen und hinsichtlich der Anwendungsmöglichkeiten bei der Kulturanalyse betrachtet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Das Drei-Ebenen-Modell, in Anlehnung an Schein 1984, S. 4 & Schein 1983, S.14)
Wie bereits in der Definition angedeutet, teilt das Modell von Edgar Schein eine Unternehmenskultur in drei Ebenen ein. Die erste Ebene ist für alle Menschen, auch außerhalb des Unternehmens sichtbar. Die Artefakte einer Unternehmenskultur sind leicht zu beobachten, benötigen jedoch oft einer Interpretation, um den Sinn und die Aussage zu verstehen. Die zweite Ebene verkörpert die Werte, an der eine Unternehmenskultur ihr Handeln ausrichtet. Wertvorstellungen können hierbei bewusst und unbewusst verankert sein. Beide Ebenen können gezielt gesteuert werden und manifestieren sich im Austausch und Erleben. Die dritte Ebenen umfasst die Grundannahmen einer Organisationskultur, welche die Individuellen Gefühle, Ansichten und Weltanschauungen vereinen. Diese Ebene wird von äußeren Einflüssen unbewusst geformt. In einem stetigen Prozess werden die gemeinsam getragenen Normen und Werte auf Basis der persönlichen Grundannahmen bewertet und entweder angenommen oder abgelehnt. (vgl. Wien & Franzke 2014, S. 29)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Eisbergmodell nach Hall, in Anlehnung an Wien & Franzke (2014, S.41)
Das Eisbergmodell nach Hall verdeutlicht, dass eine Unternehmenskultur zum größten Teil nicht sichtbar ist. Im Hinblick auf die Organisationskulturanalyse bedeutet dies, dass Verfahren und Methoden angewandt werden müssen, die unter die "Eisschicht" blicken können, um die verborgenen Werte, Ängste, Bedürfnisse und Beziehungen erkennen und diagnostizieren zu können. Bestehen in einer Organisation Konflikte oder Leistungsschwierigkeiten, lässt sich die Ursache dafür selten in den Zielen und Regeln einer Organisation finden. Vielmehr sind verdeckte Regeln, Beziehungen, Einstellungen und Denkhaltungen Grund der Störungen. (vgl. Wien & Franzke 2014, S.41)
Das 7-S-Modell nach Peters und Watermann beschreibt 7 Faktoren einer Organisation, die in Wechselwirkung zueinander stehen. Diese können in harte Faktoren (Strategy, Structure, Systems) sowie in weiche Faktoren (Shared Values, Skills, Staff, Style) unterschieden werden. Harte Faktoren zeichnen sich durch ihre Greifbarkeit in Form von Dokumenten oder Plänen aus, weiche Faktoren sind nur schwer greifbar und nicht leicht zu beeinflussen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: 7-S-Modell nach Peters und Waterman in Anlehnung an (Wien & Franzke 2014, S.42)
Bei Veränderungsvorhaben in Unternehmen werden oft ausschließlich die harten Faktoren berücksichtigt. Das 7-S-Modell veranschaulicht jedoch, dass die weichen Faktoren einen großen Einfluss auf die harten Faktoren haben. Wird ein Unternehmen zum Beispiel auf neue Geschäftsbereiche strategisch ausgerichtet, könnten Probleme entstehen, wenn diese nicht mit den in der Unternehmenskultur verankerten Werten und Normen vereinbar sind. Ziel ist es also auf die Kompatibilität aller Faktoren zu achten. Fehlgeschlagene Fusionen wie die Übernahme Chryslers durch Daimler-Benz haben gezeigt, dass ein stategisches alignment nicht für den Erfolg ausreicht. Der Einfluss der Kultur und die Welchselwirkungen dieser mit anderen Bereichen des Unternehmens machen es erforderlich bei Veränderungsvorhaben auch kulturelle Widersprüche aufzudecken. Die psychologische Organisationskulturanalyse ist demnach erforderlich, um die notwendigen Veränderungsmaßnahmen identifizieren zu können. (vgl. Wien & Franzke 2014, S.43)
In Kapitel 2.1 und 2.2 wurde veranschaulicht, dass die Unternehmenskultur ein wichtiger Aspekt einer Organisation darstellt und das Verhalten der Mitarbeiter einer Organisation beeinflusst. Zudem legen Theorien und Modelle der Unternehmenskultur nahe, dass diese einen direkten und indirekten Einfluss auf andere Bereiche eines Unternehmens haben, wie zum Beispiel die Struktur oder die Strategie. Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit eine Kultur einen Betrag zum Unternehmenserfolg leisten kann. Die Kenntnis der Erfolgsfaktoren einer Unternehmenskultur sind notwendig, um eine gezielte Organisationskulturanalyse durchführen zu können.
2.3 Einfluss der Organisationskultur auf den Unternehmenserfolg
Vor der Analyse einer Unternehmenskultur stellt sich die Frage, welche Funktionen diese in einem Unternehmen hat und welche Auswirkungen diese Funktionen auf den Unternehmenserfolg haben können. Folgende Tabelle zeigt eine Übersicht der Funktionen:
Tabelle 1: Übersicht der Funktionen der Unternehmenskultur in Anlehnung an Homma, et al. 2014, S. 10
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Unternehmenskultur kann mit ihren unterschiedlichen Funktionen wie ein Katalysator verstanden werden, der für die Zielerreichung des Unternehmens Unterstützung bietet. Ein Unternehmen mit einer schwach ausgeprägten Kultur hat demnach weniger Einfluss auf das Verhalten seiner Mitarbeiter. So kann eine fehlende Identifikation zu einer geringeren Motivation, Orientierungslosigkeit sowie zu unkoordinierten und fehlgeleiteten Verhalten führen. Folglich könnte eine schwache Kultur eine fehlende Abgrenzung zu konkurrierenden Unternehmen aufweisen und so zum Verlust der Loyalität führen. Ob der Zusammenhang zwischen der Unternehmenskultur und dem Unternehmenserfolg auch empirisch belegt werden kann, sollen folgende Vergleiche allgemein anerkannter Studien zeigen.
Einer der bekanntesten und meist zitierten Studien zu diesem Thema ist die von Peters & Waterman (1983). In ihrer Studie "In Search of Excellence" nahmen die Autoren als Ausgangspunkt das 7-S-Modell von McKinsey (siehe Abb. 6). Die Studie befasst sich mit der Leitfrage, was Unternehmen Exzellent macht. Das Ergebnis der qualitativen Untersuchung zeigt, dass vor allem die weichen Faktoren einen großen Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben. Erfolgsfaktoren der Unternehmen sind demnach: Nähe zum Kunden, Freiraum für Unternehmertum, Produktivität durch Menschen, sichtbar gelebtes Wertsystem, Bindung an das angestammte Geschäft, einfacher flexibler Aufbau und Straff-lockere Führung. Alle Faktoren beziehen sich auf ein Konstrukt aus Werten und Normen. Die Funktion der Kultur als Katalysator für den Unternehmenserfolg ist hier gut zu erkennen.
Die Studie von Daniel Denison (1984) "Bringing Corporate Culture to the Bottom Line" hat eine quantitative Erhebung zum Einfluss der Unternehmenskultur auf den Unternehmenserfolg durchgeführt und über 43 Tausend Personen aus amerikanischen Unternehmen befragt. Ergebnisse der Studien zeigen einen signifikanten Zusammenhang zwischen Unternehmen mit einer stark ausgeprägten Kultur und der Höhe bzw. Wachstum der Umsatz- und Kapitalrendite auf. Zum gleichen Ergebnis sind Kotter und Heskett (1992) in ihrer Studie "Corporate Culture and Performance" sowie Gordon & DiTomaso (1992) "Corporate Performance from Organizational Culture" gekommen. Demnach zeigen Unternehmen mit einer stark ausgeprägten Kultur deutlich höhere Gewinne und Umsatzwachstum als schwach ausgeprägte Kulturen. Anzumerken ist, dass aufgrund des begrenzten Umfangs der Studien eine Verallgemeinerung der Ergebnisse nur limitiert möglich ist. Zudem arbeiten die jeweiligen Studien mit unterschiedlichen Definitionen der Kultur, was eine Eingrenzung, ab wann eine Kultur stark bzw. schwach ausgeprägt ist, erschwert. (vgl. Homma, et al. 2014, S.25ff)
Gleichwohl belegen die Studien, dass eine Organisationskultur durchaus ein Erfolgsfaktor ist. Aufgrund seiner Wechselwirkungen mit anderen Bereichen des Unternehmens sowie der Beeinflussung des Verhaltens der Mitarbeiter ist die Unternehmenskultur auch empirisch gesehen relevant. Im Zuge von Veränderungsmaßnahmen und der Weiterentwicklung der Unternehmenskultur ist eine genaue Diagnose dieser daher unumgänglich.
3. Diagnose einer Organisationskultur
Folgendes Kapitel stellt dar, in welchen Situationen eine Organisationskulturanalyse notwendig ist und gibt einen Überblick über die diversen Diagnoseinstrumente zur Erhebung der Organisationskultur. Zudem sollen zwei dieser Instrumente näher beschrieben werden. Des Weiteren wird die Funktion und das Vorgehen eines Kulturaudits beschrieben und anhand von Anwendungsbeispielen näher erläutert. Abschließend wird ein Überblick über die populärsten Methoden zur Beschreibung, Interpretation und Deutung einer Unternehmenskultur gegeben.
3.1 Instrumente zur Erhebung der Organisationskultur
Wie in Kapitel 2.1 beschrieben geben Krankheitszeichen und Beschwerden, sogenannte Symptome, Anlass zu einer Diagnose von Körper oder Geist. Die Analogie zur Organisationsdiagnose kann auch in diesem Sinne angewandt werden. Eine Organisationskultur mit Defiziten zeigt ebenso Symptome, welche für das Management sichtbar sind. Homma, et al., (2014, S.49) nennen hierzu Symptome wie eine hohe Fluktuation der Führungskräfte und Mitarbeiter, lange Reaktionszeiten auf Kundenanfragen, hoher Krankheitsstand, mangelnde Kooperation der Abteilungen, Missachtung von internen Vereinbarungen, ausgeprägtes Sicherheitsdenken, ein Klima des Misstrauens bis hin zur Missachtung der Unternehmensziele und -strategien. Werden derlei Symptome beobachtet ist eine eingehende Organisationsdiagnose notwendig, um die konkreten Ursachen zu finden, die zu den Schwierigkeiten führen. Die Organisationskulturanalyse ist somit Voraussetzung, um eine Vorstellung von den notwendigen Veränderungen einer Kultur zu erhalten.
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