Die menschliche visuelle Wahrnehmung basiert auf komplexen Informationsverarbeitungsprozessen im Gehirn, deshalb liegt es nahe diese Prozesse als unsere visuelle Intelligenz zu bezeichnen. So folgen wir beim Konstruieren unserer visuellen Welt bestimmten Regeln.
Um der Frage auf den Grund zu gehen, ab welchem Alter wir Flächen und Konturen konstruieren, hat Gergely Csibra ein Experiment angelegt und herausgefunden, dass Babys bereits ab dem achten Monat in der Lage sind, diese Illusionen wahrzunehmen. Bei den oben genannten Flächen und Konturen stützt sich diese Arbeit auf Grundlagenkenntnisse über die Illusionen, wie sie erstmals von Kanisza und Ehrenstein ausgearbeitet werden.
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Vorwort
Grundlagen
Das Auge und der Weg zum Gehirn
Kodierungssystem visueller Informationen
Visuelle Illusionen
Gergely Csibra’s Experiment
Beschreibung
Ablauf
Auswertung
Diskussion
Schlusswort
Literaturverzeichnis
Zusammenfassung
Die menschliche visuelle Wahrnehmung basiert auf komplexen Informationsverarbeitungsprozessen im Gehirn, deshalb liegt es nahe diese Prozesse als unsere visuelle Intelligenz zu bezeichnen. So folgen wir beim Konstruieren unserer visuellen Welt bestimmten Regeln. Um der Frage auf den Grund zu gehen, ab welchem Alter wir Flächen und Konturen konstruieren, hat Gergely Csibra ein Experiment angelegt und somit herausgefunden, dass Babys bereits ab dem achten Monat in der Lage sind, diese Illusionen wahrzunehmen. Bei den oben genannten Flächen und Konturen stützt sich diese Arbeit auf Grundlagenkenntnisse über die Illusionen, wie sie erstmals von Kanisza und Ehrenstein ausgearbeitet werden
Vorwort
Wenn Sie diesen Satz lesen, dann sind Sie bereits am Konstruieren. Davon soll diese Arbeit handeln. Zu Beginn möchte ich allerdings einige Grundlagen klären um ein erweitertes Verständnis für die erörterten Themen aufzubauen. Abgesehen vom Tastsinn, dem Riechen und Schmecken, verfügen wir über den „Sehsinn“. Durch Lichtenergie die von unserem Auge wahrgenommen, über den Sehnerv ans Gehirn weitergeleitet und dort verarbeitet wird, sind wir in der Lage unsere Umgebung im dreidimensionalen Raum wahrzunehmen. Auf die angeführten einzelnen Schritte werde ich im weiteren Verlauf noch genauer eingehen. Wieso sehen wir das was wir sehen? Welchen Teil trägt das Auge dazu bei? Was passiert auf dem Weg vom Auge zum Gehirn? Was genau macht das Gehirn mit diesen Informationen? Wieso nehmen wir Illusionen wahr obwohl wir uns bewusst sind, dass es sich um eine Illusion handelt und somit keinen wirklichen Bezug zur Realität haben? Die Beantwortung dieser Fragen wird sich über mehrere Seiten erstrecken. Die beschriebenen Vorgänge an sich, finden allerdings in Sekundenbruchteilen statt. Ich finde das erstaunlich und habe mich deswegen entschieden diese Prozesse genauer unter die Lupe zu nehmen.
An dieser Stelle besteht meine Hauptintention darin, Ihnen zu vermitteln, dass unser Auge nur wenige Informationen aufnimmt und unser Gehirn für das verantwortlich ist, was wir sehen. Nach der Geburt erblicken Babys zum ersten Mal ihre Umgebung. Die Funktion des Auges ist an dieser Stelle schon weitgehend ausgeprägt, jedoch kann das Gehirn noch nichts damit anfangen. Wie wir Erwachsene unsere Welt wahrnehmen muss sich also zuerst entwickeln. Hierfür werden komplexe intelligente Prozesse erlernt, allerdings nicht bewusst. Unsere visuelle Intelligenz folgt einigen wichtigen Regeln um eine – für uns optimierte – Repräsentation der Umgebung aufzubauen. Auf einige davon werde ich später genauer eingehen. Sehr gute Arbeit zu diesem Thema hat Donald D. Hoffman in seinem Werk „Visuelle Intelligenz – Wie die Welt im Kopf entsteht“ geleistet. Die von Hoffman beschriebenen Regeln müssen allerdings erst gelernt werden. Dieser Lernprozess beginnt schon relativ früh im Kindesalter. Da ich mich hauptsächlich auf die Illusion oder auch Konstruktion von Konturen beschränken will, werde ich eine Studie von Gergely Csibra von 2001 vorstellen, in der sie versucht herauszufinden in welchem Alter die Entwicklung dieser Fähigkeit anzusiedeln ist. Als Letztes bleibt noch eine Frage offen: Wieso konstruieren wir überhaupt Konturen, wo eigentlich keine sind? Diese Arbeit soll eine Antwort darauf hervorbringen. Wieso hat sich diese Konstruktionsregel – und auch viele andere – überhaupt etabliert? Welche Rolle spielen oder spielten diese „Täuschungen“ in der natürlichen Entwicklung des Menschen?
Grundlagen
Das Auge und der Weg zum Gehirn
Die Anatomie von unserem Auge ist schon seit ca. 129-199 n.Chr. bekannt[1]. Über die Jahrhunderte gab es zahlreiche Erklärungsansätze wie das Auge funktioniert – auf die ich nicht näher eingehen will, da diese nach heutigen Ansichten eher an Märchen erinnern. Eine knappe Beschreibung sollte ausreichen um ein Basisverständnis zu erlangen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Schematischer Aufbau des menschlichen Auges
Quelle: http://www.si-journal.de/index2.php?artikel=jg13/heft1/sij131-1.html (Stand: 26.02.2016)
Das Licht gelangt durch die Linse in den Glaskörper. Der Glaskörper sorgt dafür, dass das Bild leicht gestreut wird und auf der Netzhaut(Retina) landet. Auf der Netzhaut befinden sich zwei verschiedene Typen von Photorezeptorzellen: die Zapfen, welche hauptsächlich bei Tag aktiv sind, für das Farbsehen zuständig und eine hohe Auflösung und somit schärfe liefern, und die Stäbchen(ca. 18-mal so viele wie Zapfen), welche hauptsächlich bei Nacht aktiv sind und somit für schwarz-weiß sehen verantwortlich. Wenn wir ein Objekt fokussieren, wird das Auge so bewegt, dass das Bild auf dem gelben Fleck, der Fovea, landet. Hier ist die größte Ansammlung von Zapfen in der Netzhaut. Somit wird eine maximale Schärfe und Farbtiefe gewährleistet. Über den optischen Sehnerv in dem sich die Ganglienzellen befinden, zuständig für die Enkodierung der Informationen über die Lichtstärke auf der Netzhaut. Visuelle Informationen die über das rechte Auge aufgenommen werden, gelangen in die linke Hirnhemisphäre und die des linken Auges in die Rechte. Fasern der Ganglienzellen sind mit subkortikalen Strukturen(unterhalb des Kortex) verbunden. Die zwei wichtigsten dieser Strukturen sind der Nucleus geniculatum laterale und der Colliculus superior. Zusammenfassend als „Was – Wo?“ bezeichnet, da man davon ausgeht, dass der Nucleus geniculatum laterale zuständig für das Erkennen von Objekten ist, die Aufgabe des Colliculus superior besteht darin, erkannte Objekte im Raum zu lokalisieren[2]. Diese neuronalen Strukturen münden an den primären visuellen Kortex. Die Informationsweiterleitung geht von hier aus in zwei Richtungen. Je nachdem ob es sich um eine „Wo“ oder eine „Was“ Information handelt, muss diese anders verarbeitet werden. Anderson fasst zusammen:
„Lichtenergie wird durch einen photochemischen Prozess in neuronale Aktivität umgewandelt. Diese Information wird über verschiedene neuronale Bahnen zur Sehrinde und von dort entlang der „Was – und „Wo“ – Pfade durch das Gehirn weitergeleitet.“[3]
Kodierungssystem visueller Informationen
Ganglienzellen feuern mit einer so genannten Spontanrate. Das bedeutet, egal ob Licht auf die Netzhaut fällt, sie senden Signale mit einer „Standardrate“. Hier werden grob zwei Kategorien unterschieden: On-Off Zellen und Off-On Zellen. On-Off Zellen feuern mit erhöhter Rate, wenn Licht in ihr Zentrum fällt, und weniger, wenn Licht in die nähere Umgebung fällt. Bei den Off-On Zellen ist dies genau umgekehrt. Studien an Katzen von Hubel und Wiesel (1962) zeigten, dass die kortikalen visuellen Zellen im primären visuellen Kortex ähnlich, jedoch komplexer funktionieren. Man spricht hier von Kanten- und Balkendetektoren. Kantendetektoren reagieren, wie der Name schon beschreibt, auf der einen Seite positiv und auf der anderen negativ. Balkendetektoren reagieren entweder im Zentrum positiv und in der Peripherie negativ oder anders herum. Sowohl Balken- als auch Kantendetektoren können durch eine bestimmte Anordnung von On-Off bzw. Off-On Zellen erzeugt werden. Hubel und Wiesel (1977) fanden diese Anordnungen im primären visuellen Kortex und haben sie als Hypersäulen bezeichnet. Durch intelligente Anordnungen mehrerer Hypersäulen können viele verschiedene Merkmale herausgebildet werden[4]. Die drei Hauptmerkmale sind Farbe, Ausrichtung und die Lokalisierung im Raum.
Visuelle Illusionen
Oft bezeichnen wir Illusionen auch als optische Täuschungen. Aber wieso sehen wir optische Täuschungen wenn es sich, wie das Wort schon beschreibt, um eine Täuschung handelt? Und wieso können wir, trotz dem Bewusstsein darüber, dass es sich um eine Illusion handelt, diese Wahrnehmung nicht „umlenken“ und sie somit nicht wahrnehmen.
Für die Beantwortung dieser Fragen muss man sich vor Augen führen, was der Grund für eine Illusion ist. Man könnte allgemein sagen, dass es sich um einen Mechanismus handelt, der eigentlich dazu dient den Alltag zu vereinfachen, bzw. zu vervollständigen. Da dieser Mechanismus bzw. diese Mechanismen in der Regel ihren Zweck erfüllen, sie durchaus als positiv zu bewerten sind. Wie die meisten Dinge die wir versuchen zu vereinfachen folgen wir dem Prinzip des Automatisierens. Haben wir also einen Vorgang, eine variierende Anzahl von Durchläufen, wiederholt so neigen wir dazu nicht mehr bewusst darüber nachzudenken. Es geschieht automatisch. Nun sehen wir im alltäglichen Leben eine Unmenge an Objekten. Würden wir alle Objekte bewusst wahrnehmen, so wäre unser visueller Kortex pausenlos damit beschäftigt und hätte kaum Ressourcen zur Verfügung für andere, wichtigere Dinge. Befindet sich nun ein Objekt vor oder hinter einem anderen, so können wir dennoch, durch unser Erfahrungswissen, eine Repräsentation davon erstellen, wie das Objekt im Hintergrund aussieht, bzw. zumindest deren weiterführende Konturen „erahnen“. Die Gestalt Psychologen gehen davon aus, dass wir danach streben, von einfachsten Objekten auszugehen. In der Kanisza Illusion müssen wir also davon ausgehen, dass es sich nicht um Pacman Figuren handelt, sondern um unvollständige Kreise. Wenn die Kreise unvollständig sind, so kann man davon ausgehen, dass sie von etwas verdeckt werden (in diesem Fall von einem davor befindlichen Quadrat, s. Abb. 2). Eine andere Begründung liefert Hoffman dafür: „Regel 11. Konstruiere subjektive Figuren, die andere Elemente nur dann verdecken, wenn es konvexe Zacken gibt.“[5]
Da die Tiefenwahrnehmung in der Natur überlebensnotwendig ist, hat sie sich über die Evolution bewährt. Wenn man sich darauf konzentriert diese Illusion nicht wahrzunehmen, hat das kaum Auswirkungen darauf, da schon längst durch unbewusste, automatisierte Prozesse (unter Einhaltung verschiedener Konstruktionsregeln) die Tiefenwahrnehmung dazu geschaltet ist. Die bewussten Instanzen können somit keine Auswirkung auf die elementareren Konstruktionsregeln nehmen.
[...]
[1] Vgl. Hoffman, S. 94
[2] Vgl. Anderson, S. 51
[3] Siehe Anderson, S. 52
[4] Vgl. Anderson, S. 54f
[5] Siehe Hoffman, S. 84