Im Rahmen der Vorlesung „Gott ist Liebe“ beschäftigten wir uns mit der Definition von Liebe. Diesbezüglich standen die Namen Eros sowie Agape im Raum. Diese wissenschaftliche Untersuchung soll einen Diskurs in die Kunsthistorische Thematik der Liebe in der Kunst ermöglichen. Aus diesem Anlass wird an Hand des Ölgemäldes von Tiziano Vecellios die „Himmlische und irdische Liebe“ untersucht; inwiefern Tizians Gemälde einen Ansatz einer Idee bietet, dem Werk einen Deutungsansatz einer integrativen Liebe zuzusprechen. Oder inwiefern das 1514/1515 entstandene Gemälde Auskunft darüber geben kann, wie der Künstler sowie aber auch die zeitgenössische Sichtweise der Renaissance eine Integration des Eros verstand.
Einleitend soll eine detaillierte Bild-beschreibung an das Gemälde heranführen. Darauf aufbauend erfolgt eine kunsthistorische Bildanalyse die verschiedene Deutungsansätze zulässt. Das Gemälde wurde vielfach analysiert, sodass die referierten Meinungen und Deutungen sehr variabel sind.
Diese Arbeit legt ihren Schwerpunkt auf die Deutungsansätze, das Gemälde als ein Hochzeitbild oder als eine Hommage an das Brautpaar zu analysieren. Im An-schluss folgt eine Definition der Begriffe Eros sowie Agape. Im weiteren Verlauf soll diese Bildanalyse weiter ausgeführt werden und die Eingangsfrage, inwiefern Tizians Auffassung einer integrativen Liebe mit dem Werk der „Himmli-schen und irdischen Liebe“ übereinstimmen lässt, eingehend geklärt werden.
Inhaltsverzeichnis
1.0 Einleitung
2.0 Bildbeschreibung
3.0 Kunsthistorische Bildanalyse
4.0 Definition Eros sowie Agape
5.0 Bildanalytische Untersuchung in Hinblick auf die Thematik der himmlischen und irdischen Liebe
6.0 Fazit
7.0 Literaturverzeichnis
8.0 Abbildungsverzeichnis
9.0 Abbildungen
1.0 Einleitung
„Der Anfang aller Kunst ist die Liebe …“1 so schreibt Hermann Hesse und gibt damit Anlass, die Thematik der Liebe genauer zu betrachten. Im Rahmen der Vorlesung Gott ist Liebe beschäftigten wir uns mit der Definition von Liebe. Diesbezüglich standen die Namen Eros sowie Agape im Raum. Diese wissenschaftliche Untersu- chung soll einen Diskurs in die Kunsthistorische Thematik der Liebe in der Kunst ermöglichen. Aus diesem Anlass wird an Hand des Ölgemäldes von Tiziano Vecellio2 die „Himmlische und irdische Liebe“ untersucht; inwiefern Tizians Gemälde einen Ansatz einer Idee bietet, dem Werk einen Deutungsansatz einer integrativen Liebe zuzusprechen. Oder inwiefern das 1514/ 1515 entstandene Gemälde Auskunft darüber geben kann, wie der Künstler sowie aber auch die zeitgenössische Sichtweise der Renaissance eine Integration des Eros verstand. Einleitend soll eine detaillierte Bild- beschreibung an das Gemälde heranführen. Darauf aufbauend erfolgt eine kunsthisto- rische Bildanalyse die verschiedene Deutungsansätze zulässt. Das Gemälde wurde vielfach analysiert, sodass die referierten Meinungen und Deutungen sehr variabel sind. Diese Arbeit legt ihren Schwerpunkt auf die Deutungsansätze, das Gemälde als ein Hochzeitbild oder als eine Hommage an das Brautpaar zu analysieren. Im An- schluss folgt eine Definition der Begriffe Eros (ἔȡωȢ) sowie Agape (ἀγάπη). Im wei- teren Verlauf soll diese Bildanalyse weiter ausgeführt werden und die Eingangsfrage, inwiefern Tizians Auffassung einer integrativen Liebe mit dem Werk der „Himmli- schen und irdischen Liebe“ übereinstimmen lässt, eingehend geklärt werden.
2.0 Bildbeschreibung
Tizians querformatiges Gemälde mit den Maßen 118 mal 278 cm trägt den Namen „Himmlische und irdische Liebe“ und wurde 1515 gefertigt.3 Im Mittelpunkt der Komposition befindet sich eine Konstellation aus drei Figuren in einer freien antiki- sierenden Landschaft (Abb. 1). Mittig befindet sich ein Putto, der auf dem Bauch lie- gend, mit seiner rechten Hand in einem Brunnen plantscht (Abb. 2). Den linken Bildmittelgrund nimmt eine weibliche Figur mit langen, blond gewellten Haaren ein (Abb. 3). Ihren Kopf schmückt ein Myrtenkranz. Die Figur sitzt in einer labilen Sitz- haltung auf dem Brunnen, dabei ist ihr Kopf leicht nach rechts geneigt. Sie sucht den interagierenden Blick des Betrachters. Ihren Körper säumt ein imposantes weißes Kleid, welches bis auf den Boden reicht. Lediglich ihr linker Fuß blitzt aus dem Kleid am Boden hervor. Farblich sticht ihr roter rechter Ärmel hervor. Ihre Hände sind durch graue Handschuhe bekleidet. In ihrer rechten Hand hält sie ein Rosengesteck. Mit ihrem linken Arm stützt sie sich auf ein dunkles verschlossenes Gefäß welches sich auf dem Brunnenrand befindet auf. Auffällig ist der Gürtel der ihr Kleid unter- halb der Brust ziert. Die weibliche Pendantfigur4 in dem rechten Bildmittelgrund ist lediglich durch ein weißes Tuch bekleidet, welches ihren Scham bedeckt. Zusätzlich ragt ein wehendes, mit dem roten Ärmel der linken Frau korrespondierendes Tuch über die linke Schulter. Ein kleines Stück des Tuches blickt an der linken Seite ihres Gesäßes hervor und verläuft weiter entlang ihres linken Beines bis auf den Boden. Die blonde Figur lehnt halb sitzend, halb stehend in einer schrägen Körperhaltung ebenfalls an dem Brunnenrand und stützt ihren rechten Arm auf diesem ab. Sie wen- det ihren im Profil gezeigten Kopf, der bekleideten Figur zu. In ihrer linken Hand hält sie ein kleines Gefäß bzw. eine Feuerschale mit einer Flamme in die Höhe. Umgeben ist diese Feuerschale von einer rahmenden Wolkenformation. Der sich im Bildzent- rum befindende Brunnen5 auf dem die Figuren sitzen ist mit einem Dekor ge- schmückt. Betrachtet man diese Reliefverzierungen von links nach rechts, lässt sich ein geführtes Pferd erkennen, zudem eine Figurenkonstellation bestehend aus zwei Figuren, wobei eine auf dem Boden liegt. Zuletzt lässt sich eine weibliche Frau mit ausgebreiteten Armen erkennen. Der Bildhintergrund gliedert sich durch einen Blick in die Ferne, lediglich der Mittelgrund des Hintergrundes wird durch eine Baumfor- mation verdeckt, die sich hinter der Putto Figur erhebt. Die Baumformation wölbt sich baldachinartig nach links über die bekleidete weibliche Figur auf, sodass ihr Kopf zusammen mit dem Baumstamm eine Umrahmung erhält. Der Blick auf die linke Seite des Hintergrundes gibt eine Sicht auf eine Architektur frei. Hierbei handelt es sich eventuell um eine Burg oder ein Stadttor. Inmitten der grünen Landschaft lässt sich ein Reiter auf einem Schimmel erahnen, der den Weg hoch zur Architektur reitet. Zudem lassen sich zwei weiße Kaninchen erkennen. Der rechte Bildhintergrund glie- dert sich ebenfalls aus einem landschaftlichen Blick und einer architektonischen Dar- stellung. Der Betrachter erkennt einen auffällig geteilten See, dessen Blau sich im oberen Teil des Himmels wiederholt. Davor befindet sich eine Grünfläche auf der Hirten ihre Schafsherde hüten währenddessen sich ein Liebespaar davor vergnügt. Es lassen sich zwei jagende Reiter erahnen, die ihren Hund auf ein fliehendes Kaninchen hetzen. Hinter dem See lassen sich ebenfalls mehrere Architekturen definieren, wobei es sich zum einen um einen runden Kirchturm handelt. Die Farblichkeit des Gemäl- des greift ineinander und ergibt mit diesem Prinzip eine Farbwiederholung.
3.0 Kunsthistorische Bildanalyse
Tizians sogenannte „Himmlische und irdische Liebe“ oder „Amor sacro e profano“ hat viele Deutungsansätze erhalten. Als prägnantesten Deutungsansatz kristallisiert sich die Idee, das Gemälde als ein Hochzeitsbildnis zu identifizieren heraus. Dabei stellt sich die Frage, was einen Künstler der Renaissance dazu veranlasst hat, anlässlich einer Hochzeit zwei Frauen auf einem Brunnen in einer ruhigen, antikisierten landschaftlichen Kulisse darzustellen? Um diese Frage klären zu können, bedacht es einer genauen Betrachtung der einzelnen Kompositionselemente.
Bei einer kunsthistorischen Analyse fällt zunächst die Schale auf dem geöffneten Sarkophag bzw. Brunnen auf, die sich durch ein Wappen charakterisiert. Ein Wappen hat in einem Gemälde drei Möglichkeiten bzw. Anlässe der Erscheinung. Zum einen kennzeichnet es eine religiöse Stiftung, zum anderen ist ein Wappen ein Indiz einer Familienzugehörigkeit in einem Porträt; die dritte Möglichkeit ist eine eheliche Ver- bindung. Somit liegt in diesem Fall die Hochzeit6 des Niccolo Aurelio und der Laura Bagarotto, als Anlass der Fertigung durch den Auftraggeber nahe. Zudem kommen Attribute die, die linke Figur als Jungvermählte identifizieren. Diese sollen im An- schluss genauer herausgearbeitet werden. Die bekleidete weibliche Figur (Abb. 2) trägt in ihrem offenen Haar einen Myrtenkranz, der als ein traditionelles Brautattribut gilt. Ebenfalls ihr offenes Haar ist ein Kennzeichen für den Stand einer Jungvermähl- ten. Weitere Parallelen die den Betrachter zu dem Entschluss bringen in der linken Figur die frisch vermählte Laura Bagarotto zu sehen, ist dass weiße Kleid; welches als Zeichen der Reinheit angesehen wird. Die Handschuhe sowie das Rosengesteck in ihrer rechten Hand unterstützen ebenfalls die aufgestellte These. Das Rosengesteck bzw. die Rose steht als Attribut für die Venus und symbolisiert die sinnliche Liebe. In diesem Zusammenhang kann ebenfalls der rote Ärmel der linken weiblichen Figur gesetzt werden. Wie bereits in der Beschreibung erwähnt, blitzt unter dem Kleid der linke Fuß hervor. Ein ausgezogener Schuh darf als weibliche Bereitschaft zur eheli- chen Liebe gedeutet werden.7 Die Frage bleibt jedoch, wie sich in diesen Zusammen- hang die nackte weibliche Figur in die Komposition gliedert. Die Literatur definiert die nackte Figur als Venus. Plausibel wird diese Definition unter Betrachtung des Putto. Der durch seine Anwesenheit in diesem Sujet als Amor identifiziert werden kann. Die als Venus identifizierte nackte Figur tritt nach ihrer Identifikation in Bezug mit der Braut. Das weiße Kleid der Braut nimmt Bezug auf das weiße Tuch im Schambereich der Venus und darf hier als Schamhaftigkeit und Reinheit gedeutet werden. Der rote Ärmel der Braut sowie die Rose in Korrespondenz mit dem Tuch der Venus, darf als sinnliche Eigenschaft gedeutet werden. Zudem muss ein zweiter Aspekt erwähnt werden. Das mit einer Flamme versehende Gefäß8 in der linken Hand der Venus. Dieses gab bereits mehrfach Grund zu Spekulationen. Bereits Erwin Panofsky sowie Edgar Wind beschäftigten sich mit der Frage nach der Bedeutung des Gefäßes. So kommt Wind zu dem Entschluss, dass das Gefäß nicht zu einer Venus passe und das man es allenfalls als eine brennende Fackel identifizieren und somit mit dem Zeichen göttlicher Liebe gleichsetzen kann.9 Borggrefe ergreift Stellung und dementiert, auch wenn Tizians Intention darin lag eine Flammenvase darzustellen, darf man dieses nicht als Hinweis auf die göttliche Liebe interpretieren; es darf eher als ein Indiz auf das Feuer der Wollust gezählt werden .10 Somit haben die Flamme und der Rauch in diesem Zusammenhang eine Symbolische Bedeutung und darf wie Borggrefe weiter ausführt als Keuschheitsritual definiert werden. Tizians Venus wird mit dem Gefäß in der Hand im übertragenen Sinne „Zügel angelegt“. Sie ist in dieser Position wie sie Tizian hier abgebildet hat, nicht die von sinnlichem Liebesverlangen bewegte Göttin, sondern zu einem Symbol der Keuschheit zu verstehen.11 Tizian er- höht den Ausdruck bildkompositorisch, indem er dem Gefäß eine rahmende Wolken- formation beifügt.
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1 Hesse, Hermann: Narziss und Goldmund. 1975.
2 Im weiteren Verlauf dieser wissenschaftlichen Ausarbeitung wird der Name Tiziano Vecellio unter Tizian aufgeführt.
3 Das Gemälde taucht ebenfalls in einer Galeriebeschreibung um 1693 mit dem Titel „L`amor sacro e profano“ auf. Aber auch davor gab es schon diverse Titel wie u.a. „Belta disornata e Beltaornata“ (ungeschmückte und geschmückte Schönheit), „Tre amori“ (Drei Liebesgestelten) oder „Donna divina e profana“ (Himmlische und weltliche Frau).
4 Pendantfigur erscheint hier erstmalig als ein falsch gewählter Ausdruck, jedoch klärt sich im späteren Verlauf, das hier eine Interaktion zwischen den beiden Figuren stattfindet und sie somit als Pendantfigur gewertet werden darf,
5 Brunnen wird als ein all`antica gearbeiteter Sarkophag ausgelegt. Sarkophage faszinierten die Künstler der Renaissance.
6 Hochzeitsdatum war der 17.Mai 1514.
7 Dieses ist angelehnt an das Motiv aus Lukians Ekphrassis der Hochzeit von Alexander und Roxane.
8 Hier nun als Feuerschale bezeichnet.
9 Die Flamme wird hier als Symbol der Göttlichkeit analysiert. Ein Motiv das bereits aus der Antike überliefert ist. Eine Symbolik die damit gleichgesetzt wurde, dass die aufsteigende Flamme mit der Bewegung der Seele nach dem Tod in den Himmel vergleichbar ist. Auch Panofsky deutet nach neuplatonischer Auffassung die Flamme als göttliche Vernunft.
10 Borggrete, Heiner: Tizians sogenannte Himmlische und Irdische Liebe: Der Beistand der Venus im Hochzeitsbildnis der Laura Bagarotto in: Zeitschrift für Kunstgeschichte. 64. Bd., H3.
11 Vgl. Borggrete, Heiner: 2001. S. 347.