Tim, Karl, Klößchen, Gaby – kurz TKKG. Stefan Wolf, der Autor der TKKG-Bande, der mit bürgerlichem Namen Rolf Kalmuczak heißt, hat Figuren erschaffen, mit denen sich die Leser identifizieren können.
In dieser Hausarbeit möchte ich mich mit den Figuren und dem Identifikationspotential der Rezipienten mit diesen auseinandersetzen. Dabei werde ich genauer auf den Begriff Figur eingehen und auf die Frage, was genau unter Identifikation zu verstehen ist, wobei ich der psychologischen Definition besondere Aufmerksamkeit schenken werde. Auch eine genauere Betrachtung der vorgesehene Zielgruppe ist Inhalt meiner Arbeit und spielt eine wesentliche Rolle bei diesem Thema.
Alle vier Figuren weisen ein hohes Maß an Anständigkeit auf und sind die perfekten Vorbilder. Sie erleben Abenteuer und das Besondere ist, dass sie sich gegen die Erwachsenenwelt beziehungsweise die Verbrecher behaupten können. Dabei setzen sie sich stets für die Schwächeren ein und wirken nicht arrogant oder überheblich. Trotzdem weisen die Figuren auch Schwächen auf, sie sind mehrdimensional konzipiert und wirken dadurch realistischer. Rolf Kalmuczak hat hier Figuren kreiert, bei denen es sich lohnt, näher auf sie einzugehen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Die Figur
Identifikation/Empathie
Die Figuren Tarzan,Karl, Klösschen, Gaby
Zielgruppe
Zusammenführung
Fazit
Bibliographie
Einleitung
Tim, Karl, Klößchen, Gaby. kurz TKKG. Sei es als Hörspiel oder als Buch, diese vier Detektive begleiten mich seit meiner Kindheit. Während ich als Kind noch gemeinsam mit den Detektiven rätselte, wer denn der Bösewicht ist und ich mitfieberte, wenn die Vier mal wieder in eine heikle Situation gerieten, so finde ich die Geschichten auch heute noch spannend und unterhaltsam. Stefan Wolf, der Autor der TKKG-Band, der mit bürgerlichem Namen Rolf Kalmuczak heißt, hat mit Tim, Karl, Klößchen und Gaby 1979 Figuren erschaffen, mit denen sich eine bestimmte Leserschaft identifizieren soll.
Es sollen Figuren und eine Umgebung geschaffen werden, in denen sich der Leser wieder erkennen kann.
Alle vier Protagonisten weisen ein (über) hohes Maß an Anständigkeit auf und sind die perfekten Vorbilder. Sie erleben Abenteuer und das Besondere ist, dass sie sich gegen die Erwachsenenwelt bzw. die Verbrecher behaupten können. Dabei setzen sie sich stets für die schwächeren ein und wirken nicht arrogant oder überheblich. Trotzdem weisen die Figuren auch Schwächen auf, sie sind mehrdimensional konzipiert und wirken dadurch realistischer.
Einige Einträge in TKKG- Foren zeigen jedoch auch, dass mit steigendem Alter der Fangemeinde auch Missmut bezüglich der Eintönigkeit und Redundanz der Figuren laut wird. Rolf Kalmuczak hat hier Figuren kreiert, bei denen es sich durchaus lohnt, näher auf sie einzugehen.
Aus diesem Grund möchte ich mich in dieser Hausarbeit mit den Figuren und ihrer Rolle zur Identifikation auseinandersetzen. Dabei werde ich genauer auf den Begriff Figur eingehen und auf die Frage, was genau Identifikation ist, wobei ich der psychologischen Definition besondere Aufmerksamkeit schenken werde. Auch eine genauere Betrachtung, der vorgesehene Zielgruppe ist Inhalt meiner Arbeit und spielt eine wesentliche Rolle bei diesem Thema. Schlussendlich werde ich anhand meiner Ergebnisse die Leitfrage dieser Arbeit „TKKG als Vorbilder? Inwiefern dienen die Detektive der Identifikation und welche Zielgruppe sprechen sie dabei an?“ beantworten.
Die Figur
Grundlegen für meine Arbeit ist eine genaue Definition der literarischen Figur an sich. Unter einer literarischen Figur versteht man, eine fiktive Gestalt in einem literarischen Text, welche sich besonders durch ihre Charakterisierung auszeichnet. Genauer wird der Begriff durch Matías Martínez und Michael Scheffel dargelegt. Hier heißt es:
Die Bewohner der fiktiven Welten fiktionaler Erzählungen nennt man <Figuren>, um den kategorialen Unterschied gegenüber <Personen> oder <Menschen> hervorzuheben. […] Literarische Figuren müssen nicht menschlich sein. Viele Akteure besitzen phantastische Qualitäten, die mit dem Begriff einer Person unvereinbar sind- man denke an tierische Handlungsträger in Fabeln.1
Der in diesem Zusammenhang verwendete Begriff Charakterisierung, ist in diesem Kontext jedoch genauer zu verdeutlichen.
Bezogen auf Menschen ist unter ‚Charakterisierung’ eine Summe typischer psychischer Eigenschaften zu verstehen, beschreibbar unter charakterpsychologischen Stichworten wie z.B. ‚extrovertiert’. Diese umgangssprachliche Verwendung von ‚Charakterisierung’ ist für erzähltheoretische Zwecke nur beschränkt brauchbar, da nicht-psychische Merkmale so unberücksichtigt bleiben.2
Da es schwer ist die verschieden Eigenschaften einer Figur nach diesem Kriterium festzulegen, ist es sinnvoll nur Eigenschaften unter einer Charakterisierung zu erfassen, die auf den Zeitverlauf der erzählten Welt bezogen, stabil bleiben.
Zudem wird unterschieden in der Art ihrer Anlage. Dabei gibt es unterschiedliche Modelle der Figurenkonzeption.3 Die statische und dynamische Figurenkonzeption, die ein- und mehrdimensionale Figurenkonzeption, die Unterscheidung in Personifikation-Typ-Individuum, die geschlossene und offene Figurenkonzeption, die transpsychologische und psychologische Figurenkonzeption und den Identitätsverlust. Es würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen, alle Figurenkonzeptionen zu berücksichtigen. Somit wird im weiteren Verlauf lediglich auf die Dynamik und die Komplexität näher eingegangen.
Betrachtet man die Komplexität einer Figur, „anknüpfend an E.M. Forsters bekannte Unterscheidung zwischen flat und round characters“4 oder ein- und mehrdimensionalen Figuren, so wird die Menge der Wesenszüge in Augenschein genommen. Ist die Anzahl an Wesenszügen gering, so spricht man von einer flachen Figur, erhält der Rezipient eine höhere Anzahl an Informationen zu der Figur, so ist sie rund.
Eindimensionale Figuren sind dadurch gekennzeichnet, daß sie durch einen kleinen Satz von Merkmalen definiert werden. In der extremsten Form reduziert sich dieser Satz auf eine einzige Idiosynkrasie, die, isoliert und übertrieben, die Figur zur Karikatur werden läßt.[…] Im Gegensatz dazu wird eine mehrdimensional konzipierte Figur durch einen komplexeren Satz von Merkmalen definiert, die auf den verschiedensten Ebenen liegen und zum Beispiel ihren biographischen Hintergrund, ihre psychische Disposition, ihr zwischenmenschliches Verhalten unterschiedlichen Figuren gegenüber, ihre Reaktion auf unterschiedlichste Situationen und ihre ideologische Orientierung betreffen können.5
Die zweite Konzeption gibt Aufschluss über die Dynamik einer Figur. Dabei gibt es die statisch angelegte Figur und eine dynamisch angelegte Figur. Wie der Begriff statisch schon vermuten lässt, findet bei einer statisch angelegten Figur keine oder nur wenige Veränderungen in Bezug auf ihre Merkmale statt.
Eine statisch konzipierte Figur bleibt während des ganzen Textverlaufs gleich; sie verändert sich nicht, wenn sie auch das Bild des Rezipienten von dieser Figur durch das notwendige Nacheinander der Informationsvergabe erst allmählich entwickelt, vervollständigt und dabei eventuell verändern kann.6
Das entsprechende Pendant hierzu stellt eine dynamisch angelegte Figur dar. Sie entwickelt sich durch den gesamten Text hindurch. Dabei verändert sich nicht nur das Bild des Rezipienten, sondern die Figur selber.
Im Gegensatz dazu entwickeltn sich dynamisch konzipierte Figuren über den Textverlauf hinweg, bleibt ihr Satz von Differenzmerkamlen nicht konstant, sondern verändert er sich entweder in einer kontinuierlichen Entwicklung oder diskontinuierlich- sprunghaft.7
Zur Gestaltung einer solchen literarischen Figur sind außerdem Figureninformationen nötig. Dabei handelt es sich um „Angaben zum Äußeren, zu mentalen und charakterlichen Eigenschaften, sprachliche Äußerungen der Figur und die Inhalte dieser Äußerungen und Handlungen.“8
Bezogen auf die Bücher von TKKG, lassen sich einige Figureninformationen in jedem Band auf den ersten Seiten erkennen. Hier werden die einzelnen Figuren kurz vorgestellt. Dabei wird auf die äußerliche Erscheinung eingegangen, aber auch auf ihre relevanten Fähigkeiten, die im Verlaufe der Ermittlungen wichtig sind.
Da jeder Band so eingeleitet wird, lässt sich zudem erkennen, dass es sich bei den vier Detektiven um statisch angelegte Figuren handelt. Weder altern sie, noch ändern oder verbessern sich ihre Fähigkeiten o.ä.. Nur noch sehr wenige charakterliche Eigenschaften werden dann im weiteren Hergang ergänzt. Nämlich eben diese, die durch das Verhalten der Figuren entstehen und von Jannidis, Spörl und Fischer im oben aufgeführten Zitat unter sprachliche Äußerungen und die Inhalte dieser Äußerungen und Handlungen beschrieben werden.
Grundsätzlich lässt sich trotz einer mehr oder weniger großen Dichte an Informationen sagen, dass fiktive Figuren unvollständiger bleiben als dramatische Figuren oder Personen aus der realen Welt. So fügt bei dramatischen Figuren der Schauspieler einige Eigenschaften bewusst oder unbewusst hinzu, die das Gesamtbild der Figur vervollständigen oder beeinflussen.
Fiktive Figuren sind, so wie die Inhalte fiktiver Welten generell, einerseits abgeschlossener, andererseits unvollständiger als reale Personen. Abgeschlossener sind sie, weil man keine anderen Informationen […] über sie erhalten kann als diejenigen, die der Text selbst mitteilt […]. Andererseits sind fiktive Figuren grundsätzlich unvollständig, weil sie im Text notwendigerweise unterdeterminiert bleiben.9
Es werden also niemals alle Details einer Figur erwähnt. Zum Beispiel wird nicht jedes Kleidungsstück genauestens beschrieben. Nur relevante Merkmale oder einzelne Details werden dem Leser präsentiert. Das restliche Bild, welches in der Phantasie des Lesers entsteht, setzt sich zusammen aus eben diesen gegebenen Informationen und Erfahrungen, Vorstellungen des Lesers.
Identifikation/Empathie
Identifikation wird unter psychologischen Gesichtspunkten, als ein Einfühlen in andere Personen beschrieben. Begrifflich leitet sich das Wort vom lateinischen „idem“ ab, was „derselbe“ bedeutet und „facere“: „machen“. Zusammengesetzt bedeutet das so viel wie „gleichsetzen“.
Grundlegend für die Identifikation ist, dass man das Gefühlsleben einer anderen Person als das eigene erkennt und somit, bewusst oder unbewusst, mit der anderen Person mitempfindet. Die Website des Duden schreibt hierzu in ihrer Bedeutungsübersicht: „(Psychologie) sich mit einer anderen Person oder Gruppe emotional gleichsetzen und ihre Motive und Ideale in das eigene Ich übernehmen.“10 Diese emotionale Gleichsetzung muss aber nicht gezwungenermaßen nur über eine Person erfolgen, ebenso ist es möglich sich mit einer Gruppe von Personen, Idee oder Organisationen zu identifizieren.
Kulturwissenschaftlich ist die Verwendung des Begriffs Identifikation jedoch sehr umstritten, da man sich letztendlich nicht selbst an die Stelle der Figur setzt, sondern lediglich mitempfindet mit der Figur, da einem ihr Handeln und Denken nachvollziehbar erscheint. Aus diesem Grund wird von vielen Kulturwissenschaftlern der Begriff Empathie bevorzugt.
Empathie ist die Erfahrung, der Gefühlslage oder Intention einer anderen Person unmittelbar teilhaftig zu werden und sie dadurch zu verstehen.11
Empathie ist also die Fähigkeit eines Menschen, einen anderen Menschen von außen möglichst ganzheitlich zu erfassen, dessen Gefühle zu verstehen, ohne diese jedoch notwendigerweise auch teilen zu müssen, und sich damit über dessen Verstehen und Handeln klar zu werden. Im Vergleich zur Identifikation steht also bei der Empathie nicht im Vordergrund, dass sich eine Person selbst an der Stelle einer anderen sieht, sondern viel mehr, dass man in der Lage ist, ihre Gefühle, Ideen und Handlungen nachzuvollziehen. Dieser Prozess des Verstehens einer Handlung ermöglicht es dann mitzuempfinden.
Bezogen auf eine literarische Figur bedeutet das also, dass wir die Handlungen des Protagonisten/der Protagonisten verstehen, aber vor allem nachvollziehen können. In diesem Prozess versetzt sich der Rezipient jedoch nicht selber in die Rolle des Protagonisten, sondern kann viel mehr sein Verhalten nachvollziehen und so mitempfinden.
Im Zusammenhang mit dieser Arbeit ist der Begriff der Identifikation jedoch passender. So soll herausgearbeitet werden, in welchem Maße sich die Leser der TKKG- Bücher mit den Figuren Tim, Karl, Klösschen und Gaby identifizieren können, also sich selber in den Figuren wieder erkennen und vielleicht sogar zu ihnen aufschauen und Verhalten nachahmen. Dabei spielt weniger das Einfühlungsvermögen im Sinne der Empathie eine Rolle, sondern viel mehr das Erkennen der Übereinstimmung bestimmter Wesenszüge und darauf basierend vielleicht sogar eine Art Bewunderung, die zum Nachahmen anregt.
Empathie […] liegt vor, „when the person shares the emotional state of the other“. Unter Identifikation, so wäre im Sinne Oatleys zu ergänzen, ist der Prozeß zu verstehen, in dem der Leser die Übernahme der Ziele und Pläne einer literarischen Figur simuliert. Was Oatley seiner Kategorie zugrunde legt, ist mithin der Prozeß, der zum Erleben von Empathie führt.12
[...]
1 Martínez/Scheffel 2012, S. 144-145
2 Jannidis, Fontis/ Spörl, Uwe/ Fischer, Katrin: Charakterisierung. http://www.li-go.de/definitionsansicht/prosa/tatsachendiezurcharakterisierungeinerfigurindererzaehltenweltbeitragen.html (Abrufadtum: 31.08.2015)
3 basierend auf den Figurenkonzeptionen nach Manfred Pfister
4 vgl. Forster, Edward M.: Aspects of the novel. Repr.. Harmondsworth : Penguin Books, 1974. S.75
5 Pfister, Manfred: Das Drama. 11. Auflage. München 2001. S. 243-244.
6 Ebd. S.241f.
7 Ebd. S.242
8 vgl.: Jannidis, Fontis/ Spörl, Uwe/ Fischer, Katrin: Figureninformationen im Discours. http://www.li-go.de/definitionsansicht/prosa/figureninformationenimdiscours.html (Abrufdatum: 29.08.2015)
9 Martínez/Scheffel 2012, S. 145
10 http://www.duden.de/rechtschreibung/identifizieren (Abrufdatum: 31.08.2015)
11 Bischof-Köhler, D. (1998). Zusammenhänge zwischen kognitiver, motivationaler und emotionaler Entwicklung in der frühen Kindheit. In H. Keller (Hrsg.), Lehrbuch Entwicklungspsychologie. Bern: Huber. S. 320.
12 Worthmann, Friederike: Literarische Wertungen. Vorschläge für ein deskriptives Modell, E-book, Universität Göttingen, 2002.