Erzählende Texte besitzen schon im Deutschunterricht der Grundschule eine sehr große Bedeutung. Um sich die Strukturen und Textmuster der verschiedenen Gattungen der erzählenden Texte (besonders auch der Fabel) aneignen und schließlich für eigene Schreibprozesse nutzen zu können, sind die Prozesse der Textrezeption, der Textproduktion und der Textreflexion bzw. der Überarbeitung entscheidend. Diese drei Prozesse müssen stets angemessen bei der Erstellung von Lernaufgaben miteinbezogen werden. In der vorliegenden Arbeit soll deshalb zunächst darauf eingegangen werden, in wie weit das Rezipieren, Verfassen und Überarbeiten von erzählenden Texten im LehrplanPLUS eine Rolle spielt, in welche Aspekte sich narrative Kompetenz gliedert und wie diese erworben wird, zudem auf die didaktischen Konsequenzen der genannten Theorien. Daraufhin werden die Gattung der Fabel und deren zentrale Textmuster genauer betrachtet und abschließend ein mögliches Praxisbeispiel für eine Lernaufgabe zu den Charakterzügen von Fabeltieren aufgezeigt.
Inhalt
1. Einleitung
2. Aussagen des LehrplanPLUS zum schriftlichen Erzählen– am Beispiel der Fabel
3. Aspekte narrativer Kompetenz
3.1 Kontextualisierung
3.2 Vertextung
3.3 Markierung
4. Erwerbsprozesse der schriftlichen Erzählentwicklung
4.1 Interne und externe Ressourcen
4.2 Interaktion
4.3 Modelle
4.4 Instruktion
5. Didaktische Konsequenzen
6. Die Fabel als schriftliche Erzählung
7. Textprozeduren der schriftlichen Erzählung - Fabel
8. Beispiel einer Lernaufgabe: Schriftliches Erzählen – Fabel
Literatur- und Quellenverzeichnis
Anhang*
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1. Einleitung
Erzählende Texte besitzen schon im Deutschunterricht der Grundschule eine sehr große Bedeutung. Um sich die Strukturen und Textmuster der verschiedenen Gattungen der erzählenden Texte (besonders auch der Fabel) aneignen und schließlich für eigene Schreibprozesse nutzen zu können, sind die Prozesse der Textrezeption, der Textproduktion und der Textreflexion bzw. der Überarbeitung entscheidend. Diese drei Prozesse müssen stets angemessen bei der Erstellung von Lernaufgaben miteinbezogen werden. In der vorliegenden Arbeit soll deshalb zunächst darauf eingegangen werden, in wie weit das Rezipieren, Verfassen und Überarbeiten von erzählenden Texten im LehrplanPLUS eine Rolle spielt, in welche Aspekte sich narrative Kompetenz gliedert und wie diese erworben wird, zudem auf die didaktischen Konsequenzen der genannten Theorien. Daraufhin werden die Gattung der Fabel und deren zentrale Textmuster genauer betrachtet und abschließend ein mögliches Praxisbeispiel für eine Lernaufgabe zu den Charakterzügen von Fabeltieren aufgezeigt.
2. Aussagen des LehrplanPLUS zum schriftlichen Erzählen – am Beispiel der Fabel
Betrachtet man die Gattung der erzählenden Texte - zu welchen auch die Fabel gezählt wird– genauer, so ist dieser im neuen Lehrplan zunächst der „ Kompetenzbereich Schreiben “[1] übergeordnet. Gleichzeitig stellen hierbei die Inhalte des Kompetenzbereichs „ Lesen – mit Texten und weiteren Medien umgehen “[2] eine wichtige Voraussetzung für das Erkennen von Textmustern und die Aneignung von typischen Strukturen erzählender Texte dar, wodurch diese erst für die eigenen Schreibprozesse genutzt werden können. Daher ist es zunächst wichtig, dass die Lernenden zu Beginn einer Unterrichtssequenz zum Thema Fabeln viele verschiedene Textbeispiele unter Anleitung der Lehrkraft oder in Zusammenarbeit mit den Mitschüler/innen rezipieren und in die Lage versetzt werden, diese Texte zu erschießen. „Um [dabei] lebendige Vorstellungen von Figuren, Orten, typischen Handlungen und Themen [in Fabeln] zu entwickeln, [ist es sinnvoll,] neben geschrieben Texten auch Bilder, Hörmedien oder Filme“[3] miteinzubeziehen. Im Teilgebiet „ Texte erschließen “[4] des Kompetenzbereichs Lesen wird dabei betont, dass Lesekompetenz auch immer die literarische Kompetenz der Lernenden miteinschließt und unter anderem darin besteht, Texte zu verstehen und für sich selbst zu nutzen.[5] Darunter fällt somit schließlich auch die Nutzung der vorhandenen Textmuster- und Prozeduren für den eigenen Schreibprozess, auf welche schließlich im Kompetenzbereich Schreiben im Rahmen des LehrplanPLUS näher eingegangen wird:
Texte zu planen, zu schreiben und zu überarbeiten sind keine streng nacheinander ausgeführten Arbeitsschritte, sondern greifen vielmehr ineinander. […] Aufbauend auf ihren Leseerfahrungen und Fähigkeiten zur Texterschließung vergegenwärtigen sich die Schülerinnen und Schüler, dass Texte verschiedene Absichten verwirklichen und dementsprechend unterschiedlich aufgebaut und sprachlich ausgestattet sind. Die grundlegenden Textmuster des Erzählens […] machen [sie] sich […] auch beim Sprechen und Zuhören immer wieder bewusst.[6]
Vor allem auch die oben genannte Überarbeitung der verfassten Texte erscheint hierbei enorm wichtig. Dabei reflektieren die Lernenden gemeinsam ihren Schreibprozess sowie das Endprodukt, geben ihren Mitschüler/innen Feedback über dessen Lesbarkeit und Wirkung und überarbeiten schließlich die erstellten Texte anhand ausgewählter Kriterien auf Grundlage der Rückmeldung von der Lehrkraft und/oder den Mitschüler/innen. Im Rahmen der Bewertung und gezielten Rückmeldung sollte sich hierbei am besten an den bereits bekannten bzw. einzuübenden Textmustern orientiert werden, da nur so den Lernenden Aufbau, Struktur, Sprache und Inhalt der Gattung „Fabel“ deutlich werden und die Erkenntnisse für künftige Schreibprozesse effektiv genutzt werden können.[7]
Auch in den Fachlehrplänen für alle vier Jahrgangsstufen der bayerischen Grundschule nehmen das schriftliche Erzählen und damit verbundene Aspekte einen wichtigen Stellenwert ein:
D1/2 2.4 Texte erschließen
Die Schülerinnen und Schüler…
- beschreiben eine Figur in der Kinderliteratur […] nach ihrem Äußeren und ihren Eigenschaften.
- finden in Kinderliteratur […] sich wiederholende Figuren […] oder Orte und ziehen Vergleiche.
- setzen ihre Leseeindrücke in andere künstlerische Ausdrucksformen um.
D1/2 3.2 Texte planen und schreiben
Die Schülerinnen und Schüler…
- schreiben eigene kreative Texte, indem sie kindgerechte literarische Formen und Textmuster variieren (z.B. Gedichte, literarische Kleinformen).
- sammeln für das eigene Schreiben, auch im Austausch mit anderen, typische Elemente aus erzählenden Texten (z.B. einleitende Redewendungen, Wörter zur Markierung überraschender Ereignisse, abschließende Sätze, typische Figuren und Ereignisse) und nutzen dafür auch bekannte Textvorbilder.
- verfassen kurz erzählende Texte, […] auch indem sie z. B. Vorgaben (Figuren, Orte, Gegenstände) variieren, und zeigen das Erzählenswerte an ihrem Text.
D3/4 2.4 Texte erschließen
Die Schülerinnen und Schüler…
- zeigen in Geschichten, welche Ereignisse die Handlung in Gang bringen und die Erzählung interessant machen (z.B. Auftauchen einer besonderen Figur) und nutzen ihre Einsichten beim Schreiben eigener Texte
- beschreiben eine Figur […] nach ihrem Äußeren, ihren Wesensmerkmalen, ihrem Handeln sowie ihren Beziehungen zu den anderen Figuren und nehmen ihre Sichtweise ein.
- fassen in eigene Worte, was Redewendungen oder Sprichwörter aussagen und erklären die Bedeutung bildhafter Ausdrücke […] aus dem jeweiligen Zusammenhang.
- übertragen denselben Stoff in andere Textsorten oder mediale Darstellungsformen (z.B. Fabeln in Comics)
D3/4 3.2 Texte planen und schreiben
Die Schülerinnen und Schüler…
- ziehen […] typische Elemente aus erzählenden […] Texten heran (z.B. Wortmaterial, typische Formulierungen oder Textbausteine) und erstellen für eigene Texte Sammlungen.
- bauen ihre eigenen erzählenden Texte sinnvoll auf […] und stellen ein erzählenswertes Ereignis ins Zentrum.
- Gestalten erzählende Texte lebendig, wirkungsvoll und anschaulich durch den gezielten Einsatz passender sprachlicher Mittel.[8]
3. Aspekte narrativer Kompetenz
Um herauszufinden, wie die Lernenden gezielt beim Erwerb von Textmustern und schließlich bei der eigenständigen Autorschaft von erzählenden Texten (hier im speziellen von Fabeln) unterstützt werden können, soll im Folgenden auf die Aspekte der narrativen Kompetenz allgemein bzw. deren Komponenten eingegangen werden. Prinzipiell gliedert sich diese in die drei Kompetenzaspekte Kontextualisierung, Vertextung und Markierung.
3.1 Kontextualisierung
„Der Aspekt der Kontextualisierung bezieht sich auf die Einbettung einer globalen sprachlichen Einheit in einen gegebenen bzw. erst zu schaffenden Kontext.“[9] Daher, dem Verfasser einer Erzählung muss es gelingen, den Bezugsrahmen der Entstehung dieser dem (möglichen) Leser ersichtlich zu machen und dadurch einen gemeinsamen Verstehenskontext zu schaffen. Neben kommentierenden Textpassagen sind es bei schriftlichen Erzählungen vor allem die rahmenden Textteile – also Einleitung und Schluss – die diesen Adressatenbezug entsprechend einer Kontextualisierung erzeugen.[10] Bei Schülertexten „sind [jene] häufig innerhalb von Textmustern konventionalisiert, [wobei es sich] v. a. um Anleihen bei literarisch geprägten Textmustern [handelt], die das Problem der Kontextualisierung zu Beginn der Textentwicklung lösen helfen.[11] „Im Laufe der Entwicklung scheint dabei der festgefügte, formelhafte Charakter der Wendungen zu Gunsten einer größeren Varianz der sprachlichen Form und einer besseren Einpassung in den Kontext der Erzählungen zurückzutreten.“[12] Hierbei ruft der Gebrauch von genretypischen Phrasen immer auch einen strukturellen Kontext hervor und steht somit in Bezug mit den Aspekten der Textstrukturierung im Rahmen der Vertextung.[13]
3.2 Vertextung
Unter dem Kompetenzaspekt der Vertextung versteht man „die Fähigkeit, einen Text kohärent zu organisieren und sich dabei an den jeweiligen Strukturen der Textsorte zu orientieren.“[14] Dabei kann man nach bisher vorliegenden Forschungsergebnissen zum Verfassen schriftlicher Erzählungen grob von einer Schreibentwicklung ausgehen, bei welcher die Lernenden zu Beginn noch weitgehend unverknüpft Textteile aneinanderreihen. Im weiteren Verlauf der Entwicklung weichen diese Erscheinungen dann einer linearen Verknüpfung behandelter Ereignisse, bis die Lernenden schließlich in der Lage sind, den Text global um ein entscheidendes Ereignis als Planbruch herum zu organisieren.[15]
3.3 Markierung
Die Markierung wichtiger struktureller Merkmale von Erzählungen steht im engen Verhältnis zu den bereits thematisierten Aspekten der Kontextualisierung und Vertextung. Prinzipiell kann man dabei nach August et al. (2007) eine Trennung zwischen inhaltlichen und sprachlich-formalen Gesichtspunkten unternehmen. Betrachtet man in diesem Kontext den sprachlich-formalen Aspekt der Markierung genauer, so fällt zunächst die entscheidende Rolle der „verbalen Explizitheit von Strukturmarkierungen“[16] auf, denn diese ist aufgrund der „zerdehnten Sprechsituation“[17] in schriftlichen Erzählungen von hoher Bedeutung: So müssen gestisch verwirklichte Markierungen aus dem mündlichen Sprachgebrauch im Rahmen einer schriftlichen Erzählung durch sprachliche Mittel ausgetauscht werden.[18] „Allgemein verläuft die Entwicklung des Markierungsaspekts von einer lokalen und z.T. impliziten Realisierung narrativer Strukturen hin zu einer expliziten Markierung globaler Merkmale an der sprachlichen Oberfläche.“[19] Speziell im Hinblick auf die „Affekt-Markierung“[20] - daher die emotionale Involvierung des Rezipienten in das Geschehen der Erzählung- wird von einer Entwicklung ausgegangen, bei welcher „auf eine starke, aber lokale emotionale Prägung zu Beginn […] (Involviertheit) eine Versachlichungstendenz [folgt], bevor es zu einer Integration emotionaler Markierungen in die globale Textstruktur (Involvierung) kommt.“[21] Dabei kann die Figurenrede als eine zentrale Form der emotionalen Markierung angesehen werden, deren Verwendung im Verlauf der Grundschulzeit immer häufiger wird und vor allem für die Fabel eine entscheidende Rolle spielt.[22]
[...]
[1] LehrplanPLUS – Kompetenzbereiche Deutsch.
[2] Ebd.
[3] Ebd.
[4] Ebd.
[5] Vgl. ebd.
[6] Ebd.
[7] Vgl. ebd.
[8] Ebd. – Fachlehrplan Deutsch.
[9] Ohlhus (2014): Schriftliches Erzählen. S. 218.
[10] Vgl. ebd. S. 218-219.
[11] Ebd. S. 219.
[12] Ebd. S. 225.
[13] Vgl. ebd. S. 225.
[14] Ebd. S. 219.
[15] Vgl. Ebd. S. 219.
[16] Ebd. S. 221.
[17] Ebd.
[18] Vgl. ebd.
[19] Ebd.
[20] Ebd.
[21] August et al. (2007): Text – Sorten - Kompetenz. S. 325-326.
[22] Vgl. Ohlhus (2014): Schriftliches Erzählen. S. 221-222.