Gegenstand dieser Arbeit ist die Analyse und Interpretation der "Falkennovelle" aus Giovanni Boccaccios "Il Decameron". Dabei liegt das Erkenntnisziel in der Beantwortung der Fragen, wie die Novelle aufgebaut und strukturiert ist, mit welchen Mitteln die Handlung dargestellt und welche Wirkung dadurch erzielt wird.
Dabei wird im zweiten Kapitel ein kurzer Überblick über verschiedene Novellentheorien gegeben. Auf Paul Heyses "Falkentheorie" wird etwas ausführlicher eingegangen. Anschließend wird "Il Decameron" von Boccaccio kurz vorgestellt und sein Aufbau und Inhalt beleuchtet. In Kapitel vier wird die Falkennovelle zunächst inhaltlich wiedergegeben. Es folgt eine Beschreibung des Aufbaus. Schließlich wird die Novelle hinsichtlich ihrer Darstellungs- und Wirkungsweise untersucht.
Im Schlusswort werden die Ergebnisse zusammengetragen und eventuell ein kurzer Ausblick gegeben.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Novelle
2.1 Begriffsklärung und Definitionsansätze
2.2 Die Falkentheorie Paul Heyses
3 Inhalt und Aufbau von Boccaccios Il Decamerone
4 Die Falkennovelle
4.1 Inhalt und Aufbau
4.2 Analyse und Interpretation
5 Schlusswort
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Gegenstand dieser Arbeit ist die Analyse und Interpretation der Falkennovelle aus Giovanni Boccaccios Il Decameron. Dabei liegt das Erkenntnisziel in der Beantwortung der Fragen, wie die Novelle aufgebaut und strukturiert ist, mit welchen Mitteln die Handlung dargestellt und welche Wirkung dadurch erzielt wird.
Dabei wird im zweiten Kapitel ein kurzer Überblick über verschiedene Novellentheorien gegeben. Auf Paul Heyses Falkentheorie wird etwas ausführlicher eingegangen. Anschließend wird Il Decameron von Boccaccio kurz vorgestellt und sein Aufbau und Inhalt beleuchtet. In Kapitel vier wird die Falkennovelle zunächst inhaltlich wiedergegeben. Es folgt eine Beschreibung des Aufbaus. Schließlich wird die Novelle hinsichtlich ihrer Darstellungs- und Wirkungsweise untersucht.
Im Schlusswort werden die Ergebnisse zusammengetragen und eventuell ein kurzer Ausblick gegeben.
2 Die Novelle
2.1 Begriffsklärung und Definitionsansätze
Der Begriff Novelle stammt von dem italienischen Wort novella ab, das Neuigkeit bedeutet. Da sich novella aus dem lateinischen novellus ableitet, was wiederum das Diminutiv von novus (neu) ist, bedeutet Novelle so viel wie eine kleine Neuigkeit.[1]
Zur Zeit des römischen Kaiserreiches wurde ein Gesetzesnachtrag mit dem Terminus Gesetzesnovelle bezeichnet, der sich heute noch in der Justizsprache wiederfindet.[2] Erst im italienischen Humanismus wird der Begriff in der Literatur aufgegriffen und bezeichnet seitdem eine bestimme Erzählgattung.[3]
Eine eindeutige Definition der Novelle ist allerdings schwierig. Es existieren verschiedene Novellentheorien, welche versuchen die Charakteristika des novellistischen Erzählstils aufzuzeigen.
Giovanni Boccaccio betont, dass die Novelle durch il caso, den Zufall bestimmt wird.[4] Dabei gibt es stets einen Wendepunkt, der meist auch der Höhepunkt der Handlung ist. In seinen Ausführungen stellt er die Novelle „als Erzählung eines fortunato avvenimento “[5] dar.
Nach Johann Wolfgang Goethe ist die Novelle „eine sich ereignete, unerhörte Begebenheit“.[6] Sie beschreibt ein völlig neues, überraschendes oder außergewöhnliches Ereignis, das sich wirklich zugetragen hat und somit Authentizität erwecken soll. Es gibt nur einen Handlungsstrang, der geradlinig zum Höhepunkt führt und sich nicht mit Nebenerzählungen aufhält.[7]
Theodor Storm hingegen bezeichnet die Novelle als „die Schwester des Dramas und die strengste Form der Prosadichtung“.[8] Seinen Ausführungen nach, beinhaltet die Novelle einen Spannungsbogen, der sich wie im Drama von der Exposition bis zum Schluss aufbaut. Sie beschreibt außerdem genauso die grundlegendsten Probleme des menschlichen Daseins und enthält einen Konflikt, der gelöst werden muss.[9]
2.2 Die Falkentheorie Paul Heyses
Paul Heyses Falkentheorie basiert auf der neunten Novelle des fünften Tages in Giovanni Boccaccios Il Decameron, auch Falkennovelle genannt, da er diese als Musterbeispiel ihrer Gattung ansieht.[10] Nach seiner Auffassung enthält sie alle wichtigen Merkmale, durch die sich der Charakter einer Novelle zusammensetzt: die Figuren und die äußere Umgebung werden nicht weiter beschrieben, als es zum Verständnis der Situation und der Handlung nötig ist. Dreh- und Angelpunkt der Erzählung ist der Falke, der das Leitmotiv darstellt und der den Wendepunkt herbeiführt.[11]
Heyse spricht von einer Wandlung der Novelle.[12] Wurde früher von einer außergewöhnlichen Begebenheit gesprochen, so behandelt die Novelle heute wichtige sittliche Fragen. Es können alle denkbaren Charaktere und Themen darin vorkommen und um diese angemessen auszudrücken, eignet sich der dramatische Aufbau am besten. Die Novelle behandelt nur einen einzigen Konflikt und eine ganz bestimmte Situation, die für sich steht und nicht im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Umständen dieser Zeit gesehen wird. Dabei soll sie immer etwas Außergewöhnliches enthalten.
Gleichwohl aber könnte es nicht schaden, wenn der Erzähler auch bei dem innerlichsten oder reichsten Stoff sich zuerst fragen wollte, wo „der Falke“ sei, das Spezifische, das diese Geschichte von tausend anderen unterscheidet.[13]
Der Falke, oft auch als Dingsymbol bezeichnet, wird zum Leitmotiv der Erzählung, das immer wieder aufgegriffen wird und stets das Dämonische, das Schicksalhafte, das Wunderbare und/oder die göttliche Fügung darstellt. Fehlt der Falke, handelt es sich nach Heyses Definition nicht um eine Novelle.[14]
3 Inhalt und Aufbau von Boccaccios Il Decamerone
Giovanni Boccaccios Il Decameron entstand von 1348 bis 1353.[15] Der Name setzt sich aus den griechischen Wörtern déka, zehn und heméra, Tag zusammen und bedeutet somit Zehntagewerk.[16] In der Renaissance gilt das Werk als Vorbild einer gepflegten Ausdrucksweise, die dem Lateinischen ebenbürtig ist. Es wird als „tesoro di lingua“[17] und „insuperabile dell’uso del volgare“[18] bezeichnet.
Il Decameron besteht aus hundert Novellen, die in eine Rahmenhandlung eingebettet sind. Dieser ist eine Proemio vorangestellt, in der Boccaccio über den Zustand, des von der Pest geplagten Florenz berichtet.[19]
Danach beginnt die Rahmenhandlung, die während der Pestepidemie im Jahre 1348 spielt und von „sette donne e […] tre giovani uomini“ erzählt.[20] Die Frauen sind alle befreundet oder miteinander verwandt. Keine von ihnen ist jünger als 18 Jahre und sie sind alle schön, klug, munter und sittsam.[21] Ihre Namen sind Pampinea, Fiametta, Filomena, Emilia, Lauretta, Neifile und Elisa.[22] Die drei Männer heißen Pamfilo, Filostrato und Dioneo, sind sittsam und gebildet und mit ein paar der Frauen verwandt.[23] Trotz der schrecklichen Erfahrungen durch die Pest, lieben sie drei von den Damen. Alle zusammen fliehen sie mit ihrer Dienerschaft vor der Pest aus Florenz auf ein naheliegendes Landgut,[24] verbringen dort insgesamt vierzehn Tage und vertreiben sich die Zeit mit Lust und Freude[25] und dem Erzählen von Geschichten. Da der Freitag heilig gehalten wird und die Damen sich an den Samstagen die Haare waschen, werden aber nur an zehn Tagen Geschichten erzählt. Jeden Tag wird ein „König“ gewählt,[26] der über den Zeitvertreib bestimmen darf und dem jeder Ehre und Gehorsam entgegen bringen muss. Die Gesellschaft versammelt sich jeden Nachmittag und erzählt reihum Geschichten,[27] die jeden Tag unter einem bestimmen Motto stehen, welches der König bestimmt.[28] Nur Dioneo kann sich dieser Regel auf eigene Bitte hin entziehen, weil er der lustigste Erzähler ist. Er darf immer die letzte Geschichte erzählen und sorgt damit für einen heiteren Tagesausklang.[29]
Hauptthema der erzählten Geschichten ist meist die Liebe in all ihren Facetten.[30] Es wird von aufopfernder Liebe, Eifersucht, Ehebruch, vorehelichen Beziehungen, Partnertausch und Homo- und Bisexualität erzählt. Durch Satire und ironische Darstellung macht sich Boccaccio außerdem über die Scheinheiligkeit und Sittenlosigkeit in den Klöstern lustig und stellt die menschliche Dummheit in all ihren Variationen dar.[31]
Der Erzähler einer jeden Geschichte gibt eine Einleitung, in der meist auf die Lehre des Folgenden hingewiesen wird.[32] Ab der zweiten Geschichte bewerten und reflektieren die Zuhörer das vorher Gehörte.[33] Am Ende der zehnten Erzählung schließen die jungen Leute den Tag mit Gesang ab und wählen einen neuen König.
Dieser Aufbau wird im ganzen Werk beibehalten. Eine Ausnahme bildet der vierte Tag, dem Boccaccio erneut eine Anrede an den Leser voranstellt, in der er sich gegen diverse Vorwürfe von Lesern verteidigt.[34]
[...]
[1] vgl. Degering, Thomas (1994): S. 7
[2] vgl. ebd.
[3] vgl. ebd.
[4] vgl. Pötters, Wilhelm (1991): S. 39
[5] Pötters, Wilhelm (1991): S. 39
[6] ebd. S. 40
[7] vgl. Aust, Hugo (1994):
[8] Karthaus, Ulrich (1990): S. 29
[9] vgl. ebd. S. 29ff
[10] vgl. ebd. S. 26
[11] vgl. ebd. S. 26ff
[12] vgl. ebd.
[13] Heyse, Paul; Kurz, Hermann (Hrsg.) (1871): S. XX
[14] vgl. Karthaus, Ulrich (1990): S. 26ff
[15] vgl. Papini, Giovanni (1940): S. 270
[16] vgl. Leube, Eberhard (1980): S. 134
[17] Brockmeier, Peter (1972): S. 6
[18] ebd.
[19] vgl. ebd. S. 15-16
[20] Boccaccio, Giovanni (1995): S. 13
[21] vgl. ebd. S. 23
[22] vgl. ebd. S. 24
[23] vgl. ebd. S. 26f
[24] vgl. ebd. S. 27
[25] vgl. ebd. S. 28
[26] vgl. ebd.
[27] vgl. ebd. S. 30
[28] vgl. ebd. S. 60
[29] vgl. ebd. S. 61
[30] vgl. ebd. S. 16
[31] vgl. Leube, Eberhard (1980): S. 133
[32] vgl. Boccaccio, Giovanni (1995): S. 30ff
[33] vgl. ebd. S. 39
[34] vgl. ebd. S. 191ff