Wenige hinterfragen Beweggründe, Ursachen und Wirkungen der Inquisition oder anders formuliert, was war die Inquisition? Was war die Aufgabe dieser Institution? Diente sie ausschließlich zum Machterhalt der Jurisdiktionsgewalt des Papstes? Würde man die Fragen weiter verfolgen, neue stellen oder vertiefen, wird einem deutlich, das die Inquisition sowohl als Institution als auch als Substitut zur Regulierung von Interpretationen der Heiligen Schrift als auch zur Glaubenskonformität, weitaus mehr beinhaltete und nach institutionellen Vorbild eine Dauer benötigte, um dieses Instrument religiöser und politischer „Gerichtsbarkeit“ zu werden.
Hierfür ist notwendig, dass man die Fragen nach rechtlicher Legitimation, nach strafrechtlicher Definition, Kumulationen innerhalb der Tatbestände sowie nach der Verfahrensweise stellt. Ähnlich wie im heutigen Strafprozessrecht, musste ein Tatbestand bestehen, um Anklage erheben zu können. Daher ist es im besonderen Maße notwendig, dass ein Tatbestand definitorisch erfasst ist. Denn sowohl Verfahrensweise als auch die Definition für eine strafrechtliche Verfolgung von Tatbeständen, sind im Verlauf des Mittelalters immer durch Anwendung geprägt, folglich durch regionale und situative Gegebenheiten, nicht durch allgemeine Festlegung. Im Inquisitionsverfahren muss der Tatbestand der Häresie vermutet werden, doch dieser musste definiert sein, um einen rechtsgültigen Charakter zum Tatbestand aufweisen zu können sowie die Differenzierungen nach Schwere der Tat, um dementsprechend ein Strafmaß festlegen zu können. Im Vergleich zu anderen Verfahrensarten im Mittelalter, wies das Inquisitionsverfahren gewissen Neuerungen auf, daher wird der Inquisitionsprozess und die Frage nach dem Inhalt und Verfahrensweg den Kern dieser Arbeit ausmachen, da eine Abgrenzung zu den anderen Verfahrensarten wie dem Akkusations- und Infamationsprozess notwendig ist, um die Innovation darzustellen sowie die spätere Institutionalisierung als Amt.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I.Kirchenrecht und gemeines Recht
1.1 Entwicklung des Kirchenrechts
1.2 Geimeinrecht
1.3 Unterschied zwischen Kirchenrecht und Gemeinrecht
II.Der Tatbestand der Häresie
2.1 Ableitung und Definition des Tatbestandes
2.2 Das crimen laesae maiestatis -Prinzip
2.3 Ketzerverfolgung durch die weltliche Autorität
2.4 Qualitätsbestimmung der Häresie
III.Gerichtliche Verfahrensweisen zur Ermittlung der Schuld
3.1 Das Akkusationsverfahren
3.2 Das Infamationsverfahren
3.3 Der Inquisitionsprozess
3.4 Der Inquisitionsprozess unter dem Tatverdacht der Häresie
3.5 Die Inquisitoren
3.6 Weitere Entwicklung
Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
Einleitung
Mit keinem anderen Wort wie dem der „Inquisition“ kann man Meinungen, Gefühle und Gedanken polarisieren und manipulieren. Denn schnell werden Gedanken zu den spanischen Autodafés, Hexenverfolgungen und eine „systematische“ Liquidierung von Glaubensabweichlern wach, geführt von fanatischen Geistlichen wie Tomás de Torquemada, die ihre pervertierten Ansichten um jeden Preis durchsetzen wollten.
So wäre zumindest die oberflächliche Betrachtungsweise zur Thematik „Inquisition“. Denn Wenige hinterfragen Beweggründe, Ursachen und Wirkungen oder anders formuliert, was war die Inquisition? Was war die Aufgabe dieser Institution? Diente sie ausschließlich zum Machterhalt der Jurisdiktionsgewalt des Papstes?
Würde man die Fragen weiter verfolgen, neue stellen oder vertiefen, wird einem deutlich, das die Inquisition sowohl als Institution als auch als Substitut zur Regulierung von Interpretationen der Heiligen Schrift als auch zur Glaubenskonformität, weitaus mehr beinhaltete und nach institutionellen Vorbild eine Dauer benötigte, um dieses Instrument religiöser und politischer „Gerichtsbarkeit“ zu werden.
Hierfür ist notwendig, dass man die Fragen nach rechtlicher Legitimation, nach strafrechtlicher Definition, Kumulationen innerhalb der Tatbestände sowie nach der Verfahrensweise stellt.
Ähnlich wie im heutigen Strafprozessrecht, musste ein Tatbestand bestehen, um Anklage erheben zu können. Daher ist es im besonderen Maße notwendig, dass ein Tatbestand definitorisch erfasst ist. Denn sowohl Verfahrensweise als auch die Definition für eine strafrechtliche Verfolgung von Tatbeständen, sind im Verlauf des Mittelalters immer durch Anwendung geprägt, folglich durch regionale und situative Gegebenheiten, nicht durch allgemeine Festlegung.
Im Inquisitionsverfahren muss der Tatbestand der Häresie vermutet werden, doch dieser musste definiert sein, um einen rechtsgültigen Charakter zum Tatbestand aufweisen zu können sowie die Differenzierungen nach Schwere der Tat, um dementsprechend ein Strafmaß festlegen zu können. Im Vergleich zu anderen Verfahrensarten im Mittelalter, wies das Inquisitionsverfahren gewissen Neuerungen auf, daher wird der Inquisitionsprozess und die Frage nach dem Inhalt und Verfahrensweg den Kern dieser Arbeit ausmachen, da eine Abgrenzung zu den anderen Verfahrensarten wie dem Akkusations- und Infamationsprozess notwendig ist, um die Innovation darzustellen sowie die spätere Institutionalisierung als Amt.
Darüber hinaus wird das Kirchenrecht definitorisch dargestellt, um sowohl die Inhalte als auch die Legitimation der rechtlichen Verfügungsgewalt des Papstes und die Entwicklung des Kirchenrechtes nachvollziehen zu können, des Weiteren dient das Kirchenrecht zu Herausbildung des Tatbestandes der Häresie, was in einen weiteren Kern dieser Arbeit ausmachen wird, um so die Fragestellung nach der rechtlichen Legitimation beantworten zu können.
Für die Abgrenzung und Kumulation zum und mit dem Gewohnheitsrecht bzw. dem Gemeinrecht werden unter anderem Quellen aus Jörg Oberstes Buch „ Ketzerei und Inquisition im Mittelalter“ dienen, welche zum einen die Problematik mit Ketzern durch die weltliche Autorität umreißen und zum anderen die Forderung an die Synoden nach einer Definition des Tatbestandes der Häresie darstellen sowie den in beiden Rechten kumulierenden Begriff der Majestätsbeleidigung mit der jeweiligen Definition.
Abschließend werden die Fragen, nach Inhalt, Aufgabe und Herkunft der Inquisition in einem Fazit zusammengefasst und beantwortet.
I.Kirchenrecht und gemeines Recht
Die Legitimation der Kirche eigenes Recht zu sprechen und letztlich zu gestalten, beruhte auf mehreren Faktoren. Dabei spielte die Anerkennung der christlichen Kirche als staatstragende Macht durch Kaiser Konstantin den Großen wohl den entscheidendsten Faktor in der Kirchengeschichte.
1.1 Entwicklung des Kirchenrechts
Mit der Anerkennung konnte die christliche Gemeinde strukturell unter dem Dach der Konzilien[1] vereint werden, welches bis zum Großen Schisma 1054 in Glaubensfragen und Interpretationen der Heiligen Schrift die höchste Autorität darstellte. Die Konziliarsbeschlüsse wurden als allgemeingültig in der Christianitas[2] erklärt. Hier ist zu beachten, dass die Konzilien letztlich rechtsinstitutionalisierenden Charakter hatten. Neben den Konziliarsbeschlüssen wurden Synodialbeschlüsse[3], Schriften und Stellungnahmen der Kirchenväter[4] zu einem Fundus kirchlichen Rechts.[5]
Allerdings stellte diese Ansammlung an kirchlichen Rechtstexten noch keine systematische und kodifizierte Form des Kirchenrechts dar, um Tatbestände und folglich Prozesse nach allgemeingültigem Vorbild führen zu können. Zwar bestand die Möglichkeit sich auf zivilrechtliche Texte mit dem Hintergrund des ius divinum zu berufen, doch boten auch diese nur eine regionale Rechtstradition, dementsprechend konnten nur Einzelfallentscheidungen getroffen werden, die je nach Schwere der Tat bestraft werden konnten.
Erst mit der Systematisierung der Beschlüsse und der im 11. und 12. Jahrhundert eintretende Reformierung des Kirchenrechts […] ergab sich durch den Rechtsgelehrten Gratian eine breit abwägende Rezeption der älteren kirchlichen Rechtsüberlieferungen […][6], dem sogenannten Decretum Gratiani im Jahre 1140. In vorgratianischer Zeit wurde die Panormia im Jahre 1095 des Bischofs Ivo von Chatres als rechtsverbindliches und gesamtkirchliches Rechtswerk verstanden.[7]
Mit der Zunahme von abweichenden Interpretationen der Heiligen Schrift und damit eine Abweichung vom päpstlichen Primat, musste auf die neue Situation mit einer […] Anpassung des normativen Apparates […][8] reagiert werden, so führten neue Vorschriften und Gesetze zu einer zuerst lokalen „Kodifizierung“ des Rechts bis es durch Innozenz III. zum systematischen Corpus iuris canonici zusammengefasst wurde und damit zum absoluten Recht wurde.
Die Kodifizierung des kirchlichen Rechts und der Ergänzungen durch die kanonisierten Konziliarsbeschlüsse schufen das ius canonicus als Rechtscorpus, welches zur direkten Anwendung in der Regelung innerkirchlichen und gesellschaftlichen Lebens geführt werden konnte und letztlich dazu diente, Tatbestände in Bezug auf Häresie zu definieren.
Neben dem positiven ius canonicus, also vom Menschen geschaffenem Recht, fand das ius divinum gleichermaßen Anwendung in der kirchlichen Gesetzgebung und Rechtsprechung. Per Definitionem ist das ius divinum ein überpositives Recht, folglich ein von Gott abgeleitetes Recht für das grundständige Verhalten des menschlichen Lebens, welches sich u.a. in den Zehn Geboten wiederfinden lässt.
1.2 Geimeinrecht
Ähnlich verhielt sich die Entwicklung im weltlichen Recht, welches wie das Kirchenrecht, auf den Traditionen des römischen Privatrechts und dem lokalen Gewohnheitsrecht basierte. Allerdings gibt es auch in der weltlichen Rechtstradition starke regionale Unterschiede in ihrer Anwendung und Auslegung.
Bereits in den antiken Gesellschaften wurden Gesetzestexte zur Regulierung des privaten, wirtschaftlichen und administrativen Lebens kodifiziert , u.a. die Gesetzestexte des Hammurapi im 18. Jahrhundert v. Chr. als bekanntestes Beispiel von Rechtsnormen. In christlicher Zeitrechnung lässt sich vor allem der Codex Iustinianus bzw. der Corpus iuris civilis aus dem Jahre 528 nennen, der das Römische Recht neu kodifizierte und für die Definition der Häresie im kirchlichen Recht von entscheidender Bedeutung wurde sowie im mittelalterlichen Europa u.a. das Leges Barbarorum ca. 9. Jhrdt. und der Sachsenspiegel im 13. Jhrdt.[9] Mit der Kodifikation des Corpus Iuris Civilis einhergehend wurden Tatbestände definiert und damit greifbar.
Im Besonderen spielte das sogenannte crimen laesae maiestatis eine Schlüsselrolle in der späteren Definition zur Häresie und damit in der Ketzerverfolgung. Das sogenannte Majestätsverbrechen im Codex Iustinianus war eine Art „Sammeldelikt“, welches alle Tatbestände, die gegen die Struktur und die Würde des Staates gerichtet waren, zusammenfasste[10] – vergleichbar mit dem im Rechtskatalog des Strafrechts vorhandenen Hoch – und Landesverrat §§ 81–83a StGB. Die Folge bei Nachweis der Tat waren Konfiskation, Exil, Deportation, Tod, Vernichtung der Grabstätte und Entziehung des ehrenden Gedenkens.[11]
Interessant bei der Qualifikation zur Straftat ist die Tatsache, dass unter anderem die Vernachlässigung der Pflichten bei Amtsgeschäften des Magistrates und des Priestertums fallen sowie die Versäumnisse der bürgerlichen und religiösen Pflichten.[12] Denn das sogenannte crimen laesae maiestatis fand sich im Dekret Vergentis in senium im Jahre 1199 von Innozenz III. wieder, welches zur Formalisierung des Inquisitionsprozess beitrug und damit zu einer Möglichkeit der Amtsenthebung von Bischöfen führte.
1.3 Unterschied zwischen Kirchenrecht und Gemeinrecht
Im Unterschied zum kirchlichen Recht waren die Folgen der Ahndung im weltlichen Recht rein materieller Natur gewesen, im gemeinen Strafmaß wurden die im Codex Iustinianus angesetzten Mittel zur Strafverfolgung, teils Generationsübergreifend, durchgeführt und von Blutgerichten abgeurteilt. Wobei zu beachten ist, dass nur die immaterielle Strafverfolgung im Kirchenrecht möglich war, denn im kirchlichen Kontext war es durch das Verbot der Weihegewalt beispielsweise untersagt die Blutgerichtsbarkeit auszuüben oder ihr beizuwohnen, hierzu begnügte man sich mit der Übergabe an die weltliche Gerichtsbarkeit oder an Vögte im Dienst der Kirche. Entscheidend war aber, dass es die Möglichkeit bot, von der altkirchlichen Darstellung der Häresie ein konkreteres Bild zu zeichnen.
II.Der Tatbestand der Häresie
Feuerbach prägte im modernen deutschen Strafgesetz die Theorie
nulla poena/nullum crimen sine lege
Was im Grundsatz der Straftheorie bedeutet, dass […] wer durch die Kenntnis der Ge- und Verbote Straftaten verhindern will, muss hinreichend klare und bestimmte Straftatbestände schaffen […].[13]
Diese Formulierung lässt sich in der gegenwärtigen Strafrechtstheorie aus dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip der Bundesrepublik Deutschland ableiten, jedoch haben wir im Mittelalter nicht die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit[14], was einem direkten Vergleich in Gesetzgebung und Verweis beider Epochen zum Verständnis nur bedingt möglich macht, aber zumindest die Entwicklung des Tatbestandes der Häresie und der damit verbundenen Ketzerverfolgung veranschaulicht.
[...]
[1] Hermann-Josef Sieben, Art. „Konzil“ in: LexMa 5, München/Zürich 1991, Spalte 1429-1431; Bischofsversammlung.
[2] Raoul Manselli, Art. „Christianitas“ in: LexMa 2, München/Zürich 1983, Spalte 1915-1916; Gesamtheit aller Christen; metaphorisch für Weltchristentum.
[3] Die Begriffe Konzil und Synode dienen zur Unterscheidung zwischen ökumenischen und regionalen Bischofsversammlungen.
[4] Augustin, Hieronymus und Isidor von Sevilla.
[5] Vgl. Jörg Oberste, Ketzerei und Inquisition im Mittelalter, Darmstadt 2007, S. 67.
[6] Vgl. Oberste, S. 65.
[7] Ebd.
[8] Ebd. S. 66.
[9] Das Reichskammergericht ab 1495, könnte als erster Schritt zu einem einheitlichen Landesrecht verstanden werden, allerdings hatte das Gericht nur formalen Charakter, weniger einen allgemeingültigen, da zu wenige Kompetenzen bei den Gerichtsherren lag.
[10] Winfried Trusen, Von den Anfängen des Inquisitionsprozesses zum Verfahren bei der Inquisitio Haereticae Pravitatis, in: Peter Segl/Adolf M. Birke/u.a. (Hgg.), Die Anfänge der Inquisition im Mittelalter. Mit einem Ausblick auf das 20. Jahrhundert und einem Beitrag über religiöse Intoleranz im nichtchristlichen Bereich, Köln 1993, S. 62.
[11] Ebd.
[12] Ebd.
[13] Wolfgang Joecks, Strafgesetzbuch. Studienkommentar, München 1999, S. 1-4.
[14] Außer man verweist auf das Jurisdiktionsprimat des Papstes im Kirchenrecht oder auf das Gewaltmonopol der kaiserlichen Autorität.