Joseph von Eichendorffs Protagonist zieht es in seiner 1836 erschienen, romantischen Erzählung „Aus dem Leben eines Taugenichts“ nach Italien. Viele Protagonisten seiner Romane führt Eichendorff in dieses Land. So ist dies neben „Aus dem Leben eines Taugenichts“ auch in den Romanen „Ahnung und Gegenwart“ und „Dichter und ihre Gesellen“, sowie in der Novelle „Das Marmorbild“ und dem Drama „Ezelin von Romano“ der Fall.
Interessanterweise bereiste der Autor jedoch selbst nie in dieses Land und hat auch sonst keine anderen Beziehungen nach Italien. Lediglich die Kupferstiche und Venusbilder von Tizian und Correggio inspirieren ihn und bieten ihm Einblicke in diese Landschaft. Außerdem hört Eichendorff während seiner Gymnasialzeit in Breslau italienische Opern, nimmt Italienischunterricht und erhält so Zugang zu den Werken von Boccaccio, Dante und Petrarca in der Orginalsprache. Aber auch deutsche Autoren, wie beispielsweise Johann Wolfgang von Goethes „Lied Mignons“ in „Wilhelm Meisters Lehrjahre“, oder Ludwig Tiecks „Franz Sternbalds Wanderungen“, künstlerische Einflüsse, wie die Gemälde des Malers Philipp Veit, sowie die Tagebuchaufzeichnungen Carl Albert Eugen Schaeffers, regen Eichendorffs Italien-Inspiration an.
Doch wie sieht dieses Italienbild aus, welches Joseph von Eichendorff in seiner Novelle generiert? Wieso zieht es den Taugenichts in dieser Erzählung nach Italien, insbesondere in die Hauptstadt Rom? Folgt der Taugenichts einem vorgegebenen Ziel, oder führt ihn seine Reise zufällig in dieses Land? Wie beschreibt Eichendorff eine Landschaft, welche er selbst nie mit eigenen Augen gesehen hat?
Diese Fragen sollen in der vorliegenden Arbeit beantwortet werden. Dazu wird zunächst analysiert, wie das Italienbild in der Romantik dargestellt wird, um im zweiten Schritt das Italienbild in „Aus dem Leben eines Taugenichts“ näher zu betrachten. Daran anschließend wird die Bedeutung von Eichendorffs Italien anhand von drei verschiedenen romantischen Hauptaspekten untersucht: Zunächst wird das Italienbild hinsichtlich des von Eichendorff generierten Venusbildes betrachtet, um im zweiten Schritt aufzuzeigen, inwieweit Eichendorff Italien als Land der Sehnsucht darstellt. Anschließend wird die Rolle Roms als Schauplatz zwischen Antike und Moderne näher beleuchtet. Ein Fazit, sowie meine eigene Meinung soll am Ende der Arbeit stehen und diese nochmals zusammenfassen und bewerten.
Inhaltsverzeichnis
„nach Italien, wo die Pomeranzen wachsen“
1. Das Italienbild in der Romantik
2. Italienbilder in „Aus dem Leben eines Taugenichts“
2.1 Das Italienbild des Portiers
2.2 Das Bild Oberitaliens
2.3 Das Bild Roms
3. Bedeutung der Italienbilder in der Novelle
3.1 Rom zwischen Antike und Moderne
3.2 Italien im Sinne der Venus
3.2 Italien als Land der Sehnsucht
4. Eichendorffs Italienbild
Fazit und eigene Meinung
Appendix
5. Bibliographie
6. Abkürzungsverzeichnis
„nach Italien, wo die Pomeranzen wachsen “
Joseph von Eichendorffs Protagonist zieht es in seiner 1836 erschienen, romantischen Erzählung „Aus dem Leben eines Taugenichts“ nach Italien. Viele Protagonisten seiner Romane führt Eichendorff in dieses Land.1 So ist dies neben „Aus dem Leben eines Taugenichts“ auch in den Romanen „Ahnung und Gegenwart“ und „Dichter und ihre Gesellen“, sowie in der Novelle „Das Marmorbild“ und dem Drama „Ezelin von Romano“ der Fall.2 Interessanterweise bereiste der Autor jedoch selbst nie in dieses Land und hat auch sonst keine anderen Beziehungen nach Italien. Lediglich die Kupferstiche und Venusbilder von Tizian und Correggio inspirieren ihn und bieten ihm Einblicke in diese Landschaft. Außerdem hört Eichendorff während seiner Gymnasialzeit in Breslau italienische Opern, nimmt Italienischunterricht und erhält so Zugang zu den Werken von Boccaccio, Dante und Petrarca in der Orginalsprache.3 Aber auch deutsche Autoren, wie beispielsweise Johann Wolfgang von Goethes „Lied Mignons“ in „Wilhelm Meisters Lehrjahre“, oder Ludwig Tiecks „Franz Sternbalds Wanderungen“, künstlerische Einflüsse, wie die Gemälde des Malers Philipp Veit, sowie die Tagebuchaufzeichnungen Carl Albert Eugen Schaeffers, regen Eichendorffs Italien-Inspiration an.,4
Doch wie sieht dieses Italienbild aus, welches Joseph von Eichendorff in seiner Novelle generiert? Wieso zieht es den Taugenichts in dieser Erzählung nach Italien, insbesondere in die Hauptstadt Rom? Folgt der Taugenichts einem vorgegebenen Ziel, oder führt ihn seine Reise zufällig in dieses Land? Wie beschreibt Eichendorff eine Landschaft, welche er selbst nie mit eigenen Augen gesehen hat?
Diese Fragen sollen in der vorliegenden Arbeit beantwortet werden. Dazu wird zunächst analysiert, wie das Italienbild in der Romantik dargestellt wird, um im zweiten Schritt das Italienbild in „Aus dem Leben eines Taugenichts“ näher zu betrachten. Daran anschließend wird die Bedeutung von Eichendorffs Italien anhand von drei verschiedenen romantischen Hauptaspekten untersucht: Zunächst wird das Italienbild hinsichtlich des von Eichendorff generierten Venusbildes betrachtet, um im zweiten Schritt aufzuzeigen, inwieweit Eichendorff Italien als Land der Sehnsucht darstellt. Anschließend wird die Rolle Roms als Schauplatz zwischen Antike und Moderne näher beleuchtet. Ein Fazit, sowie meine eigene Meinung soll am Ende der Arbeit stehen und diese nochmals zusammenfassen und bewerten.
Die vorliegende Arbeit begrenzt sich auf die Darstellung Italiens in „Aus dem Leben eines Taugenichts“. Andere Werke Eichendorffs, welche ebenfalls Italien zum Inhalt haben, können nicht berücksichtigt werden.
1. Das Italienbild in der Romantik
Die Sehnsucht nach dem Süden ist nicht epochenspezifisch und ausschließlich in der Romantik zu finden. Hervorzuheben ist aber, dass diese Grundstimmung des ruhelosen Sehnens nach der Ferne, in dieser speziellen Epoche besonders stark ausgeprägt ist.5 Dabei ist die Reiselust der Romantiker nicht nur auf Italien beschränkt, doch dieses Land erfährt eine besondere Aufmerksamkeit. Italien ist weniger fern als die Länder des Orients und auch für Studienreisen mit der Pferdekutsche zu erreichen. Trotzdem umhüllt dieses Land ein besonderer Zauber, da es sich landschaftlich und kulturell von Mitteleuropa und der schlichten, wenig verzauberten deutschen Landschaft, unterscheidet. Darüber hinaus ist in Italien die antike Kultur zum Greifen nahe und vermittelt den deutschen Dichtern dadurch das römische Erbe dieser fernen Epoche. Rom steht in diesem Zusammenhang stellvertretend für die antike Welt und als Wohnsitz des Papstes für den christlichen Glauben. Dieses Nebeneinander von Antike und Christentum erzeugt eine ganz besondere Anziehungskraft auf die deutschen Romantiker. In vielen Werken wird, aus diesem Grund, Italien zum Schauplatz des Ringens zwischen Christentum und Antike.
Italien löst im 18. Jahrhundert Frankreich als neues Kunstideal ab.6 Geprägt wird dies hauptsächlich durch Johann Joachim Winckelmann, welcher während seiner Italienreise die klassische Kunstgeschichte Deutschlands begründet, indem er beginnt, durch die dort vorhandenen frühzeitlichen Kunstschätze, seine Vorstellung von der antiken Kunst zu erweitern.7 In der Klassik prägt Johann Wolfgang von Goethe das Italienmotiv und bezeichnet Italien als „Land der Wiedergeburt“8. Goethe rekonstruiert in Italien das Bild der Antike, um dadurch die Geschichte Roms lebendig werden zu lassen.9 Dabei muss jedoch beachtet werden, dass Goethe mit seinem Bild der Antike nicht um die Vergangenheit trauert, sondern dadurch eine schöpferische Wiedergeburt generiert. Dieses klassisches Italienbild vermittelt Goethes Helden vor allem Klarheit und Zugang zu einer neuen Form von Bildung, während die Helden der Romantik Italien als Land des Schwärmens und Träumens ansehen.10 Italien liegt dabei außerhalb der politischen Wirklichkeit, da es nicht als das eigentliche geographische Land gesehen, sondern idealisiert dargestellt wird. Es ist aus diesem Grund nicht verwunderlich, dass fast alle romantische Romanhelden in dieses Idealland Italien wandern, um dort, umgeben von Ruinen, in den Tag hineinzuleben und poetisch zu träumen.11
Im Zentrum der Italienbegeisterung stehen in der Romantik Bildungsreisen nach Rom, Florenz und Venedig. Während Rom, als Hauptstadt der Christenheit und Ewige Stadt, schon durch alle Epochen hindurch hoch angesehen ist, standen die anderen beiden Städte lange Zeit im Schatten. Mit dem Bildungsreisen deutscher Romanhelden, vordergründig durch Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“, wird das Interesse an dieser Orte erstmalig geweckt.12 Im Hinblick auf die Geschichte dieses Landes, scheint es nicht verwunderlich, dass auch Joseph von Eichendorff von diesem Land begeistert war und diesen Ort als Basis zahlreicher Werke verwendet hat. Inwiefern Eichendorff, welcher selbst dieses Land nie bereist hat, Italien in seiner Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ charakterisiert, wird im Folgenden analysiert.
2. Italienbilder in „Aus dem Leben eines Taugenichts“
Italien ist für Eichendorff ein „ Garten, der ü ber den gefallenen G ö tterstatuen verwildert, in dem s üß e, und wirre Stimmen d ä monischer M ä chte vom Wege verlocken und ü ber dem [ … ] nur das hohe Symbol des Glaubens rettend aufgeht “13. Interessant ist dabei, dass innerhalb der Novelle keine andere Ortsbezeichnung erwähnt wird, außer der Italiens. Andere geographische Orte werden lediglich mit Initialen erwähnt, wie Beispiels der Name Wiens, welcher mit dem Buchstaben „ W “ abgekürzt wird.14 Im Gegensatz dazu wird Italien an vielen Stellen der Novelle namentlich aufgeführt und zusätzlich noch genauere, lokale Ortsbezeichnungen, wie der Name der Hauptstadt Rom und regionale Provinzen wie die „ Lombardei “15, erwähnt.
2.1 Das Italienbild des Portiers
Die Reiselust des Taugenichts zieht diesen zunächst ohne Grund Richtung Italien.16 Im weiteren Text wird jedoch deutlich, dass der Taugenichts seine Inspiration in dieses Land zu reisen, vom Portier seines früheren Arbeitgeber erhalten hat. Dieser beschreibt Italien wie folgt:
„ Italien ist ein sch ö nes Land, da sorgt der liebe Gott f ü r alles, da kann man sich im Sonnenschein auf den R ü cken legen, so wachsen einem die Rosinen ins Maul, und wenn einen die Tarantel bei ß t, so tanzt man mit ungemeiner Gelenkigkeit, wenn man auch sonst nicht tanzen gelernt hat. “ 17
Diese erste Charakterisierung Italiens in „Aus dem Leben eines Taugenichts“ stellt dieses Land als Ort, „ wo die Pomeranzen wachsen “18 dar und spielt unvermittelt an Goethes Ballade „Lied der Mignon“19 an, welche in seinem Bildungsroman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ veröffentlicht wurde. Der Anfang dieser Ballade beschreibt jedoch, im Vergleich zu der Aussage des Portiers, einen enormen Gegensatz:
„ Kennst du das Land, wo die Zitronen bl ü h'n, Im dunkeln Laub die Goldorangen gl ü h'n, Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht, “ 20
Während Goethes Italienmotiv feierlich und ehrfurchtsvoll erscheint, wirkt Eichendorffs Beschreibung wie eine Verspottung. Anstatt blühenden Zitronen und Goldorangen, erwarten den Taugenichts lediglich Pomeranzen, die bittere Form der Orange, sowie Rosinen, was plump und parodiert auf den Leser wirkt. Goethes Italien versprüht einen paradiesischen Zauber und erweckt den Eindruck eines paradiesischen Ortes. Das Italien des Portiers wird ebenfalls wie ein Garten Eden beschrieben, jedoch scheint es so, als ob man in diesem Land alle Ziele ohne Anstrengung erreichen kann. Darüber hinaus ist, laut dem Portier, Italien begünstigt vom warmen Klima. Immer warme Sonnen-Tage fördern das reiche Wachstum der Zitrusfrüchte, welche in Hülle und Fülle wachsen und ohne Anstrengung geerntet werden können.
Neben diesen klimatischen Besonderheiten, führt der Portier auch die italienische Lebensfreude an. Egal wo her man kommt, man wird von dieser Art zu leben angesteckt, ein Ziel, welches auch ein Grund für die Italienreise des Taugenichts darstellen kann. Dabei spielt er auf den süditalienischen Tanz Tarantella an, durch welchen, laut einer Volksüberlieferung, Menschen, die von einer Tarantel gebissen wurden, geheilt worden sind.21
Die Italienbeschreibung des Portiers stimmt weder mit dem Italienbild des späten 18. Jahrhunderts überein, noch mit dem der frühen Romantik. Vielmehr basiert es auf einem Wunschdenken, welches jedem realistischen Italienbild enthoben ist.22 Doch dieses Bild erweckt im Taugenichts den Drang, in dieses Land zu reisen.
2.2 Das Bild Oberitaliens
Die Reise des Taugenichts führt diesen, von Wien kommend, zunächst nach Oberitalien, wo er erstmalig mit der italienischen Landschaft in Berührung kommt. Dabei bestreitet er diesen Reiseabschnitt mit den beiden Malern auf dem Postillon. Anstatt jedoch die fremde, neuartige Landschaft zu bestaunen und in sich aufzusaugen, überwiegt beim Taugenichts seine Müdigkeit:
„ Ich wollte mir doch Italien recht genau besehen, und riss die Augen alle Viertelstunden weit auf. Aber kaum hatte ich ein Weilchen so vor mich hingesehen,[ … ] geriet ich in ein solches entsetzliches und unaufhaltsames Schlafen, dass gar kein Rat mehr war. Da mocht es Tag oder Nacht, Regen oder Sonnenschein, Tirol oder Italien sein, ich hing bald rechts, bald links, bald r ü cklings ü ber dem Bock herunter [ … ]. 23
Die landschaftliche Schönheit imponiert dem Taugenichts in diesem Fall nicht und auch die fremden Orte können ihn nicht begeistern. Erst im Wirtshaus in der Lombardei kommt er mit der italienischen Kultur in Berührung. Dabei fallen ihm die Menschen jedoch negativ auf. Mägde
mit „ zerzottelten Haaren “24 und „ offnen Halst ü cher[n] “25, die „ unordentlich um das gelbe Fell
h ä ngen “26 bewirten ihn in der Gaststätte und die Knechte haben „ kurze, dicke Haarz ö pfe “ 27
[...]
1 Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts, Stuttgart 2001, S. 27.
2 vgl.: Bianchi, Lorenzo: Italien in Eichendorffs Dichtung, Bologna 1937, S.3.
3 vgl.: ebd., S. 5.
4 vgl.: Hughes, Glyn Tegai: Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts, London 1961, S. 45.
5 vgl.: Häusler, Regina: Das Bild Italiens in der deutschen Romantik, Bern-Leipzig 1939, S. XI.
6 vgl.: Emrich, Wilhelm: Geist und Wirklichkeit. Wahrheit und Lüge der Literatur Studien, Frankfurt a. M. 1965, S. 269.
7 vgl.: Heymann, Jochen: Gian Lodovico Bianconi und Johann Joachim Winkelmann. Anmerkungen zur Entstehung des klassischen deutschen Italienbildes, in: Heitmann, Klaus & Scamardi, Teodoro (Hrsg.): Deutsches Italienbild und italienisches Italienbild im 18. Jahrhundert, Tübingen 1993, S. 49.
8 vgl.: Emrich: Geist & Wirklichkeit (wie Anm. 6), S. 259.
9 vgl.: Emrich: Geist & Wirklichkeit (wie Anm. 6), S. 274.
10 vgl.: ebd., S. 278.
11 vgl.: ebd., S.276.
12 vgl. ebd., S. 261.
13 Bianchi: Italien in Eichendorffs Dichtung (wie Anm. 2), S. 31.
14 vgl.: Eichendorff: Taugenichts (wie Anm. 1), S. 6-7.
15 Eichendorff: Taugenichts (wie Anm. 1), S. 41.
16 vgl.: ebd., S. 27.
17 ebd., S. 28.
18 vgl.: Eichendorff: Taugenichts (wie Anm. 1), S. 27.
19 vgl.: Goethe, Johann Wolfgang: Wilhelm Meisters Lehrjahre, Stuttgart 1982, S. 148.
20 ebd.
21 vgl.: Schultz, Hartwig: Joseph von Eichendorff. Aus dem Leben eines Taugenichts. Erläuterungen und Dokumente, Stuttgart 1994, S. 16.
22 vgl.: Hachmeister, Gretchen: Italy in the German Literary Imagination. Goethe’s „Italian Journey“ and its Reception by Eichendorff, Platen, and Heine, Rochester 2002, S 97.
23 Eichendorff: Taugenichts (wie Anm. 1), S. 41.
24 ebd., S. 42.
25 ebd.
26 ebd.
27 ebd.