Unterrichtssituationen zeichnen sich durch eine enorme Komplexität und permanente Interaktionen zwischen Lehrenden und Lernenden aus (zu den Dimensionen des Klassenraumes vgl. Doyle 2006: 98f). Die Rekonstruktion des Unterrichtsablaufs aus den Lehrer-Schüler-Interaktionen ist daher aus wissenschaftlicher Sicht eine Herausforderung. Zudem benötigen Lehrende ein Feedback zu ihrer Unterrichtsqualität, und auch für die Motivation der Lernenden ist es wichtig zu wissen, welchen Anteil sie an der Unterrichtsgestaltung haben.
Welche Methoden zur Beobachtung des Unterrichtsgeschehens im Klassenraum gibt es also, und welche Kriterien sollten sie erfüllen? Diesen Fragen wird in der vorliegenden Hausarbeit anhand eines Vergleiches zwischen der Methode der mikroethnographischen Videographie und der Methode der pädagogischen Tatsachenforschung nach Else Müller-Petersen nachgegangen.
Die Methode der mikroethnographischen Videographie nutzt ein modernes technisches Medium. Dieses wird kontrastiert mit der Pädagogischen Tatsachenforschung, die zu einer Zeit entstanden ist, in der es bereits das Bestreben gab, Unterricht zu evaluieren, aber die technischen Möglichkeiten der Videoaufzeichnung noch nicht existierten. Ergänzt wird dies durch die Darstellung der Rolle Peter Petersens zur Zeit des Nationalsozialismus, da dessen Kollaboration die Fortführung der Studie zur pädagogischen Tatsachenforschung überhaupt ermöglichte. Dabei entfernte sich Petersen von seinem ursprünglichem Ziel der Verbesserung der Unterrichtsqualität und begann, Schüler zu selektieren und damit zu diskriminieren.
Durch die Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile beider Methoden kann ein Fazit gezogen werden, welche Methode für welchen Einsatz geeignet ist. Mit der Methodendiskussion wird ein Stück Geschichte und Entwicklung der Disziplin der Erziehungswissenschaft lebendig.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- 1. Einleitung
- 2. Entstehung und Ziele der Pädagogischen Tatsachenforschung von Else Müller-Petersen
- 2.1 Die pädagogische Tatsachenforschung im Rückblick
- 2.2 Die Lehreraufnahme, die Tatsachenliste und der Tatsachenspiegel als methodisches Instrumentarium
- 3. Video, Transkriptionen und Stills: Technik zum Verstehen
- 3.1 Entstehung und Ziele des mikroethnologischen Ansatzes der Interaktionsforschung
- 3.2 Zum Vergleich der methodischen Ansätze
- 4. Bibliographie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Arbeit befasst sich mit einem Vergleich der Pädagogischen Tatsachenforschung von Else Müller-Petersen und der mikroethnographischen Videographie. Sie untersucht die Entstehung, Ziele und methodischen Ansätze beider Forschungsansätze und analysiert ihre Eignung für die Beobachtung und Analyse von Unterrichtssituationen.
- Vergleich der historischen Entwicklung der Pädagogischen Tatsachenforschung und der modernen mikroethnographischen Interaktionsforschung.
- Analyse der methodischen Stärken und Schwächen der beiden Ansätze.
- Diskussion der Rolle der Technik im Kontext der Unterrichtsbeobachtung.
- Bewertung der Eignung der Methoden für die Erforschung von Unterrichtsqualität und Schülermotivation.
- Einbezug der historischen Entwicklung der Disziplin der Erziehungswissenschaft.
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Die Einleitung beleuchtet die Komplexität von Unterrichtssituationen und die Bedeutung der Rekonstruktion von Lehrer-Schüler-Interaktionen für die wissenschaftliche Analyse. Sie führt die beiden Forschungsansätze, die Pädagogische Tatsachenforschung und die mikroethnographische Videographie, ein und stellt die Forschungsfrage nach der Eignung der Methoden für die Unterrichtsbeobachtung.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Entstehung und den Zielen der Pädagogischen Tatsachenforschung von Else Müller-Petersen. Es beschreibt die historische Entwicklung des Ansatzes im Kontext der "Bewegung der Neuen Erziehung" und stellt die zentralen Figuren wie Peter Petersen, Elsa Köhler und Alfred Andreesen vor. Die Forschungsarbeiten von Adolf Bär und F.E. Otto Schultze werden als Vorläufer der Pädagogischen Tatsachenforschung betrachtet.
Schlüsselwörter (Keywords)
Pädagogische Tatsachenforschung, mikroethnographische Videographie, Unterrichtsforschung, Lehrer-Schüler-Interaktion, Unterrichtsqualität, Schülermotivation, Methodenvergleich, Erziehungswissenschaft, Geschichte der Erziehungswissenschaft.
- Quote paper
- Tanja Schmidt (Author), 2014, Pädagogische Tatsachenforschung früher und heute, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/310152