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Projektarbeit, 2015
24 Seiten
1.Problemaufriss und zentrale Fragestellungen
2.Begriffsannäherung Beziehungsgewalt
3.Statistische Erhebungen zu Opfer-Täter-Zahlen
4.Erscheinungsformen von Bezie hungsgewalt
5.(Aus-)Wirkungen von Beziehungsgewalt
5.1.Gewaltverläufe in Paarbeziehungen
5.2.Verhaltensmuster der Opfer
5.3.Auswirkungen auf die Opfer
5.4.Auswirkungen auf die Täter
6.Erklärungsmodelle für die Ursachen von Beziehungsgewalt
7.Zwischenresümee: Schlussfolgerungen für den Mediationskontext
8.Einsatzfähigkeit von Familienmediation im 14 Kontext von Beziehungsgewalt
8.1.Risiken und Grenzen der Mediation vor einem Gewalthintergrund
8.2.Chancen von Familienmediation vor einem Gewalthintergrund
9.Ausblick und Fazit für die Eignung von Familienmediation 20 bei Beziehungsgewalt
Literaturverzeichnis
Anhang
Die öffentlich-mediale Thematisierung von Gewalt in Paarbeziehungen liegt noch nicht lange zurück, im Gegenteil. Beziehungsgewalt war lange „privat“- etwas, das die Öffentlichkeit „nichts anginge“. Gewaltausübungen in der Partnerschaft wurde lange tabuisiert, zum Teil war häusliche Gewalt sogar gesellschaftlich legitimiert. Die noch sehr junge Auseinandersetzung mit diesem Thema und die dabei gleichzeitig stetig wachsende Anzahl an Unterstützungsangeboten zeigt, dass eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema Gewalt in Paarbeziehungen vor allem für professionelle Helfer von großer Bedeutung ist.
Mediation als Vermittlungsverfahren zweier (oder mehrerer) Konfliktparteien ist sehr nah an Themen wie Machtausübung eines Partner auf den anderen, eskalierende Streits in Paarbeziehungen usw. Teilweise gehen diese auch mit körperlichen Auseinandersetzungen und/oder psychischen Misshandlungen einher. Doch die Medianden tragen kein Aushängeschild mit sich, auf dem steht: „Ich schlage meine Frau.“ Oder: „Ich sperre meinen Partner ein“.
Intention dieser Arbeit ist somit, eine besondere Aufmerksamkeit für das Thema zu gewinnen und einen genaueren Blick auf die unterschiedlichen Formen und Dynamiken von Gewalt zu fördern. Darüber hinaus sollen Aussagen getroffen werden, ob und in welcher Form eine Mediation sinnvoll für Paare ist, bei denen ein Gewalthintergrund zu vermuten ist.
Im ersten Teil soll die Thematik Gewalt innerhalb einer Partnerschaft in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen (körperlich, sexuell, psychisch und deren fließende Übergänge) dargestellt werden. Weiterhin werden die Gewaltdynamik, Entstehung und Gewaltverläufe beleuchtet und die Auswirkungen auf die Opfer sowie Täter dargestellt. Es folgt eine kurze Zwischenbilanz, die auf den zweiten Abschnitt dieser Arbeit heranführt.
Der zweite Teil befasst sich intensiv mit den Fragen, weshalb die Auseinandersetzung mit dem Thema Beziehungsgewalt für Mediatoren und Mediatorinnen von großer
Bedeutung ist, inwiefern Mediation als Interventionsmöglichkeit zur
Konfliktbewältigung vor dem Hintergrund Gewalt zwischen den Medianden tragbar ist und unter welchen Aspekten Mediation an Grenzen gelangt.
Literarisch habe ich mich überwiegend auf das Werk von Ulla Gläßer konzentriert (siehe Literaturverzeichnis), da sie ganz konkret auf das Thema Möglichkeiten und Risiken von Familienmediation im Zusammenhang mit einem Gewalthintergrund der Medianden eingeht. In der empirischen Forschung gibt es bisher nur sehr wenige Studien, die Mediation im Zusammenhang mit Beziehungsgewalt beleuchten, weshalb ich keine unterschiedlichen Ansätze miteinander vergleichen konnte.
Eine allgemeine Definition von Gewalt könnte u.a. so lauten:
„ Unter Gewalt versteht man die Anwendung von physischen und/oder psychischen Zwang gegen ü ber anderen Personen mit dem Ziel, diese dem eigenen Willen zu unterwerfen und ihre Willensbildung und Handlungsf ä higkeit auszuschalten. “ 1
Diese Arbeit widmet sich einer bestimmten Form von Gewalt: der Beziehungsgewalt. Damit ist die Gewalt innerhalb einer Partnerschaft gemeint. Die Frage, nach dem was als Gewalthandlungen definiert wird, ist sehr komplex und soll in dieser Arbeit nur knapp beleuchtet werden.
Die Auseinandersetzung sowie die gesellschaftliche Sensibilisierung mit dem Thema Gewalt in Paarbeziehungen liegt erst einige wenige Jahrzehnte zurück. Viele Fragen zu einer klaren Definition sind offen und unterliegen Wertevorstellungen und dem sozialen Wandel. Wie eng oder auch weit bestimmt man den Begriff „Gewalt“? Werden die Grenzen der Begriffsdefinition zu eng gesteckt, etwa wenn Gewalt ausschließlich unter Einwirkung physischer Gewalt verstanden wird, dann werden andere Erscheinungsformen von Gewalt außer Acht gelassen. Wird der Begriff Gewalt zu konturenlos definiert, besteht die Gefahr der inflationären Anwendung dieses Begriffes. So könnten sämtliche gesellschaftliche Probleme als strukturelle Gewalt benannt werden.2 Das wäre fatal, denn nur basierend auf einer Definition von Gewalt können Untersuchungen zu Häufigkeit, Ursachen, Auswirkungen und letztlich Entwicklung von Unterstützungsangeboten gemacht werden.3
Die Schwierigkeit, Gewalt zu definieren, liegt vor allem darin, dass sie von kulturellen, gesellschaftlichen und sozialen Wertevorstellungen abhängig ist. So empfinden Familien aus nicht westlichen Kulturen die separaten Schlafräume von Eltern und Kleinkindern als Vernachlässigung, während diese Praxis hierzulande die Selbstständigkeit des Kindes fördern soll.4 Aber auch historisch betrachtet, war Gewalt in Paarbeziehungen auch in der westlichen Kultur legitimiert. So heißt es in einer Rechtsnorm aus dem 13. Jahrhundert:
Es ist rechtsm äß ig f ü r einen Mann, seine Frau zu schlagen, wenn sie ihm Unrecht tut
( … ) 5
Ein relativ aktuelles Beispiel kursiert in den Medien: Eine christlich-fundamentalistische Gruppierung publiziert das Schlagen von Kindern als erzieherisch notwendige Maßnahme, die dazu beitragen soll, dass Kinder lernen, wie sie sich in einer Gemeinschaft zu verhalten haben. Kinderschutzbund und Jugendämter reagieren darauf mit der Herausnahme der betroffenen Kinder. Begründung: Ein klarer Fall von Kindesmisshandlung und öffentlicher Demütigung. Oder? Bezugnehmend auf fachliche Standards und rechtliche Grundlagen zum Kindeswohl bzw. Kindeswohlgefährdung (und auch diese stehen immer wieder in Diskussion und unterliegen sozialem Wandel!) eindeutig JA. Daran zeigt sich nochmals, dass Definitionen von Gewalt abhängig sind von Kultur, Politik und Gesellschaft.
In dieser Arbeit soll Beziehungsgewalt vor allem vor dem Hintergrund und im Zusammenhang mit Mediation beleuchtet werden. Das kann nur gelingen, wenn neben dem normativen, allgemeinen Verständnis von Gewalt auch immer das unmittelbare Erleben von Gewalt im Einzelfall betrachtet wird. Beziehungsgewalt hat demnach eine Doppeldeutigkeit: einerseits wird sie subjektiv und damit immer spezifisch erlebt, andererseits ist sie gesellschaftliches Konstrukt. Beides ist miteinander verknüpft.6
Im Rahmen dieser Arbeit wird eine Definition vorgeschlagen, die sich am meisten an der Subjektivität der Betroffenen orientiert und weniger an normativen Definitionen, da dies vor dem Hintergrund von Mediation als Interventionsmöglichkeit am sinnvollsten erscheint:
( … ) jeder Angriff auf die k ö rperliche und seelische Integrit ä t eines Menschen unter Ausnutzung einer ( … ) relativen Machtposition “ 7
Im folgenden Kapitel wird sich auf die Studie vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bezogen, die 2004 im Rahmen des Aktionsplanes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, genauere Untersuchungen zu den subjektiven Gewalterfahrungen von Frauen gemacht hat. Kritisch zu benennen sei an dieser Stelle, dass sich die Zahlen und Fakten einschlägig auf Gewalt gegenüber Frauen beziehen. Dies impliziert eine klare Täter(Männer) Opfer(Frauen) Verteilung, wie sie laut statistischer Untersuchungen überwiegend vorkommt. Männer als Opfer häuslicher Gewalt werden noch zu wenig in den Fokus der Forschung gerückt, jedoch kann im Rahmen dieser Arbeit nicht näher auf diesen Umstand eingegangen werden.
Die Studie umfasst insgesamt 10264 befragte Frauen im Alter von 16 bis 85 Jahren.8
Erfasst wurden körperliche, sexuelle Gewalt sowie sexuelle Belästigung und psychische Gewalt mit jeweiligen Abstufungen. Bei körperlicher Gewalt bspw. angefangen bei Ohrfeigen und Schubsen bis hinzu Schlagen, Verprügeln und Waffengewalt. Bei sexueller Gewalt waren die Abstufungen weitaus enger gesetzt; es wurden lediglich strafrechtlich relevante Items (Missbrauch, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung) erfasst.9 An dieser Stelle wird wieder die Problematik einer einheitlichen Definition von Beziehungsgewalt deutlich.
- 37% der befragten Frauen erlebten mindestens einmal ab ihrem 16. Lebensjahr
körperliche Gewalt
- 16 % der befragten Frauen erlebten Formen sexueller Gewalt (erfasst wurden
„nur“ strafrechtlich relevante sexuelle Gewalthandlungen!)
- 58 %, also mehr als die Hälfte aller befragten Frauen erlebten bereits sexuelle
Belästigung
- 42 % der Frauen erlebten psychische Gewalt, darunter wurde Einschüchtern, aggressives Anschreien, Androhungen und Demütigung benannt10
Circa die Hälfte der Täter_innen von körperlicher sowie sexueller Gewalt gegenüber den befragten Frauen waren Partner oder Ex-Partner, gefolgt von anderen Personen aus der Familie. Dabei sind bei körperlicher Gewalt 71% der Täter männlich, bei sexueller Gewalt benannten 99% der Frauen ausschließlich Männer als Täter.11
Die hier aufgeführten Zahlen beruhen auf einer von der Verfasserin gewählten Studie. Es werden keine vergleichbaren Statistiken angeführt, die zu eventuell abweichenden Erhebungen gekommen wären. Zusammenfassend kann jedoch gesagt werden, dass Frauen Gewalterfahrungen überwiegend durch männliche Täter gemacht haben.
Wie bereits im Kapitel 3 zu erkennen war, hat Gewalt mehrere Facetten. Im ersten Moment denkt man jedoch meist an physische Gewaltszenarien. Körperliche Gewalthandlungen reichen von Schubsen, (leichten) Schlägen, bis hin zu massivem Verprügeln und sogar Anwendung von tödlichen Waffen. Aber auch psychische Misshandlungen gehen hier einher, etwa wenn während des körperlichen Angriffes Drohungen des Tötens der betroffenen Person oder ihr nahestehende Personen ausgesprochen werden.12
Das Spektrum psychischer Misshandlung ist ebenso breit und diese Form von Gewalt wird Studien zufolge von Frauen teilweise schlimmer oder aber genauso bedrohlich wahrgenommen wie körperliche Gewalt. Hierzu zählen Beleidigungen, systematische Erniedrigungen, Einschränkung der Autonomie, Verbot bestimmter Aktivitäten usw.
Eine besonders schwerwiegende Form von Beziehungsgewalt ist die sexuelle Gewalt, da sie sowohl körperliche Gewalt als auch psychische Gewalt impliziert. Die Demütigung, die die betroffenen Frauen erleben, kann schwere Traumatisierung hervorrufen. Sexuelle Gewalt beinhaltet Vergewaltigung, aber auch sexuelle Nötigung, das Missachten der Privatsphäre, in dem z.B. intime Aufnahmen an Dritte weitergeleitet werden.13
[...]
1 Gaede (2007)
2 Lamnek, Luedtke, Ottermann, Vogl (2013), 6ff
3 Lamnek, Luedtke, Ottermann, Vogl (2013, 11
4 Lamnek, Luedtke, Ottermann, Vogl (2013) ,7f
5 Gläßer (2008), 169
6 Gläßer (2008), 165
7 Gläßer (2008), 189
8 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. (2004), 7
9 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. (2004), 8
10 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. (2004), 9
11 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. (2004), 13-15
12 Gläßer (2008), 192f.
13 Gläßer (2008) , 193