Am 22. Dezember 1938 entdeckten Otto Hahn und Fritz Strassmann in Berlin die Kernspaltung, welche Robert Oppenheimer als Grundlage zur Forschung am Atomreaktor und der Atombombe diente. Im streng geheimen Manhattan-Projekt der USA stellte sich schnell der Erfolg Oppenheimers und seiner Gruppe ein. Nach einigen Tests warfen die US-Streitkräfte am 06. und 09. August 1945 zwei Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima (Stärke circa 20 Kilotonnen TNT) und Nagasaki ab und leiteten damit das atomare Wettrüsten der Supermächte ein.
1949 zündeten die UdSSR ihren ersten Atomsprengsatz, es folgten Großbritannien 1952, Frankreich 1960 und China 1964. Die USA erprobten ihre Atom- und Wasserstoffbomben (1954, maximale Stärke ca. 15 Megatonnen TNT) auf dem Bikini Atoll, während einige Jahre später (1961, ca. 50 Megatonnen TNT) die UdSSR auf der Insel Nowaja Semlja die stärkste jemals gezündete Wasserstoffbombe erfolgreich testeten. Jedoch wurde vielen Akteuren das unkalkulierbare Risiko solcher Nuklearwaffen bewusst, vor allem durch die direkten Konsequenzen wie Strahlenkrankheiten an Soldaten sowie an der zufällig beteiligten Zivilbevölkerung.
Nach einer Einführung in das Dilemma der Atomkraft analysiert die vorliegende Arbeit themenrelevante Verträge zu nuklearen Waffen, bevor die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs vom 8. Juli 1996 genauer untersucht werden. Anschließend werden positive und negative Aspekte einer Außenperspektive aufgedeckt.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Das Dilemma der Atomkraft
1.1. Interpretation des Theaterstücks „Die Physiker“
1.2. Die Situation der Akteure
1.3. Die Weltformel
1.4. Übertragung auf die Realität
1.4.1. Bildsprache des Theaterstücks
1.4.2. Das Gewissen der Wissenschaft
2. Völkerrechtlich relevante Verträge
2.1. Beginn der Eindämmung von Nuklearwaffen
2.2. Nichtverbreitungsvertrag von Kernwaffen
3. Die Verträge im Einzelnen
3.1. Kernwaffenfreie Zonen (KWFZ)
3.2. Nukleare Rüstungskontrolle
4. Die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs vom 8. Juli 1996
4.1. Der internationale Gerichtshof
4.1.1. Klageverfahren
4.1.2. Gutachtenverfahren
4.2. Das World Court-Project
4.3. Das Vorverfahren
4.3.1. Die Lotus- Rechtsprechung
4.3.2. Die de-Martens-Klausel
4.4. Herangehensweise des International Gerichtshofs
4.4.1. Völkervertragsrecht
4.4.2. Menschenrechte
4.4.3. Genozidverbot
4.4.4. Umweltrecht
4.4.5. Verbot bestimmter Waffen
4.4.6. Atomwaffenspezifische Verträge
4.4.7. Völkergewohnheitsrecht
4.5. Das Ergebnis des Gutachtens
5. Bewertung von Außen
5.1. Positive Aspekte
5.2. Negative Aspekte
Fazit
Einleitung
Am 22. Dezember 1938 entdeckten Otto Hahn und Fritz Strassmann in Berlin die Kernspaltung, welche Robert Oppenheimer als Grundlage zur Forschung am Atomreaktor und der Atombombe diente. Im streng geheimen Manhattan-Projekt der USA stellte sich schnell der Erfolg Oppenheimers und seiner Gruppe ein. Nach einigen Tests warfen die US-Streitkräfte am 06. und 09. August 1945 zwei Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima (Stärke ca. 20 Kilotonnen TNT) 1 und Nagasaki ab und leiteten damit das atomare Wettrüsten der Supermächte ein.
1949 zündeten die UdSSR ihren ersten Atomsprengsatz, es folgten Großbritannien 1952, Frankreich 1960 und China 1964. Die USA erprobten ihre Atom- und Wasserstoffbomben (1954, maximale Stärke ca. 15 Megatonnen TNT) 2 auf dem Bikini Atoll, während einige Jahre später (1961, ca. 50 Megatonnen TNT) 3 die UdSSR auf der Insel Nowaja Semlja die stärkste jemals gezündete Wasserstoffbombe erfolgreich testeten. Jedoch wurde vielen Akteuren das unkalkulierbare Risiko solcher Nuklearwaffen bewusst, vor allem durch die direkten Konsequenzen wie Strahlenkrankheiten an Soldaten sowie an der zufällig beteiligten Zivilbevölkerung.
Mit der „Kuba-Krise“ 1962 und den darauf folgenden Massenprotesten gegen Atomwaffen, schränkte der Teststoppvertrag (LTBT) 4 zwischen den USA, Großbritannien und der UdSSR die Tests ein, sodass ausschließlich unterirdisch und nicht mehr in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser getestet werden durfte. Bis zu den ersten Abrüstungsverhandlungen 1987 waren die Supermächte zusammen im Besitz von ca. 50.000 - 70.000 Nuklearsprengköpfen.5
Im Laufe der Jahre haben Staaten wie Pakistan, Indien, Israel, Nordkorea und der Iran ebenfalls an der Bombe geforscht und erfolgreiche Atomwaffentests (außer Iran) durchgeführt und sind aktuell im Besitz von Nuklearwaffen.
1. Das Dilemma der Atomkraft
1.1. Interpretation des Theaterstücks „Die Physiker“
Im 1962 veröffentlichten Theaterstück „Die Physiker“ von Dürrenmatt ist die Technologie der Kernkraft knapp 20 Jahre alt und die Entwicklung von Nuklearwaffen weltweit in vollem Gange. Im Stück selbst wird weder von den beiden Großmächten oder der Atombombe direkt gesprochen, die zeitgeschichtliche Interpretation mit ihren Figuren lässt dies aber zu.
1.2. Die Situation der Akteure
Unter der Leitung der psychiatrischen Koryphäe Fräulein Dr. h.c. Dr. med. Mathilde von Zahnd sind drei unzurechnungsfähige Physiker in einem Privatsanatorium untergebracht. Die Hauptfigur Johann Wilhelm Möbius hat in seiner Dissertation die „Weltformel“ entdeckt, welche die Wissenschaft vollkommen revolutionieren würde, aber auch zur Vernichtung der Menschheit führen könnte. Als ihm dieser Zustand klar wird, behauptet er, ihm erscheine König Salomon, damit er für unzurechnungsfähig erklärt wird und ihm seine Glaubwürdigkeit als Wissenschaftler für immer genommen ist. Zwei weitere eingewiesene Physiker Albert Einstein (Ernesti) und Isaac Newton (Beutler) sind von den kapitalistischen und kommunistischen Geheimdiensten eingeschleuste Agenten, welche Möbius überzeugen sollen sich ihrer jeweiligen Ideologie anzuschließen. Zu Beginn des Stücks sind die wahren Hintergründe der Figuren nicht ersichtlich. Die drei Männer sind offensichtlich Verrückte im Irrenhaus, welche von sich glauben sie seien weltberühmte Physiker und tun alles dafür dies auch verständlich zu machen. So bringt jeder von ihnen eine Krankenschwester um, da sie das Gefühl haben enttarnt zu werden. Möbius geht soweit, seine eigene Frau und Kinder nicht widerzuerkennen um die Geschichte seiner Geistesgestörtheit aufrecht zu erhalten. Als die Polizei wegen der Morde an den Krankenschwestern zu ermitteln beginnt, zerstört
Möbius seine Unterlagen zur Weltformel, damit diese niemals an die Öffentlichkeit kommen.6
1.3. Die Weltformel
Im Zuge der Ermittlungen unterhalten sich die drei Herren ungestört von ungewollten Zuhörern beim Abendessen und geben ihre wahren Motive zu erkennen. Ernesti und Beutler versuchen anfangs noch Möbius zu überzeugen, er sei der genialste Wissenschaftler aller Zeiten und die „Weltformel“ sei bahnbrechend für die Menschheit. Doch Möbius ist sich seiner Entscheidung bewusst und überredet die beiden Agenten ihr Wissen für sich zu behalten, da dies die beste Lösung für die gesamte Menschheit sei. In der unabsehbaren Wendung des Theaterstücks stellt sich heraus, dass Fräulein Dr. Zahnd die einzig echte Verrückte ist, welche ihren Auftrag, alle Dokumente der „Weltformel“ zu kopieren bevor Möbius sie vernichten konnte, von König Salomon selbst erhalten hatte. Mit den Dokumenten ist sie in der Lage die Weltherrschaft an sich zu reißen und die drei Physiker in ihrer Anstalt haben absolut keinen Einfluss auf das Geschehen, da diese ja als verrückt deklariert sind.7
1.4. Übertragung auf die Realität
1.4.1. Bildsprache des Theaterstücks
In die Bildsprache des Theaterstücks übersetzt vertritt das Irrenhaus die Welt, Möbius die Wissenschaft, die Weltformel die Erfindung der Kernspaltung, die Figuren Ernesti und Beutler die Großmächte USA und UdSSR und die Anstaltsleiterin Fräulein Zahnd die Machtansprüche von Dritten.8
Friedrich Dürrenmatt trifft mit „Die Physiker“ den Nerv der Zeit; die Entwicklung der Atom- und Wasserstoffbombe inklusive aller Tests und ungeahnten Auswirkungen auf die Menschheit in den 40er und 50er Jahren, den Ost- West- Konflikt mit dem Bau der Berliner Mauer und der Kuba-Krise Anfang der 60er prägten die damalige weltpolitische Lage und die Angst der Menschheit vor einem offenen Konflikt der Supermächte im Nuklearzeitalter.
1.4.2. Das Gewissen der Wissenschaft
Die Wissenschaft dient seit jeher der Menschheit um sich mit neu entdeckten Technologien weiterzuentwickeln, jedoch wurden diese oft nicht erstrangig zur Verbesserung des Lebensstandards, sondern zur effektiveren Nutzung von Waffensystemen in der Kriegsführung genutzt. Im Fall der Nuklearwaffen waren einige prominente Wissenschaftler wie Rutherford, Hahn, Straßmann, Meitner, Frisch, Bohr, Einstein, Heisenberg, Weizsäcker, Szilárd, Oppenheimer, uvm. beteiligt. Durch ihre Forschung war es durchführbar eine damals neuartige Waffentechnik zu entwerfen, ohne zu wissen, welche Konsequenzen diese auf die Welt haben wird. Erst im Zuge des Einsatzes und den Tests von immer gewaltigeren Bomben kam die Einsicht der Wissenschaftler, wie auch der Weltgemeinschaft, dass diese Technologie als Waffe die Auslöschung des gesamten Planeten bedeuten könnte. Wie im Theaterstück versuchten eine Vielzahl von Wissenschaftler die Menschheit davon zu überzeugen, in welchem Dilemma man sich mit der Technologie der Nuklearwaffen befindet.
Der Mensch hatte auch vor der Atombombe grausame und menschenverachtende Kriegsmethoden und Waffen im Einsatz. Mit diversen völkerrechtlichen Verträgen ächteten bereits im 19. Jahrhundert diverse Kriegsherren unmenschliches Handeln während der Kriegszeit. Die erste Genfer Konvention 1864 war der Start für das humanitäre Völkerrecht, welches ständig, u.a. durch Institutionen wie dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz und der internationalen Staatengemeinschaft weiterentwickelt wurde. Die Haager Abkommen und die UN-Charta erweiterten das Spektrum an völkerrechtlich geltenden Einschränkungen. Die Kombination der Verträge forcieren den Friedenszustand nach den Weltkriegen des 20. Jahrhundert und stellen klare Richtlinien im Kriegsfall her.
2. Völkerrechtlich relevante Verträge
Das in den vergangenen 150 Jahren gewachsene Völkerrecht beinhaltet den bedeutenden Part des humanitären Völkerrechts. In dem international gültigen
Rechtsgefüge genießt der Schutz der Zivilbevölkerung, die Beschränkung unnötigen Leids der an den Feindseligkeiten teilnehmenden Kombattanten als auch die Begrenzung von bestimmten Kriegsmitteln bzw. Methoden größte Bedeutung. Zum Thema der Atomwaffen existieren „bereits zahlreiche multilaterale und bilaterale Verträge, die eine Weitergabe von Nuklearwaffen verbieten, Nuklearwaffentests einschränken, die Stationierung von Nuklearwaffen verbieten, nuklearwaffenfreie Zonen schaffen, den Umfang der nuklearen Bewaffnung beschränken und den Ausbruch eines Nuklearkriegs verhüten sollen:“ 9
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (2013): Übersicht der nuklearen Verträge
2.1. Beginn der Eindämmung von Nuklearwaffen
Mit dem ersten Vertrag zur Eindämmung von Atomwaffen wurde am 01.12.1959 der Antarktis Vertrag10 unterzeichnet, welcher am 23.06.1961 in Kraft getreten ist und das Gebiet der Antarktis vor militärischer Nutzung, Atomwaffentests als auch der Lagerung von radioaktivem Abfall schützt. Drauf folgte 1963 der Limited or Partial Test Ban Treaty (LTBT)11 als Verbot von Nuklearwaffentests in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser, welcher ursprünglich von den USA, Großbritannien und der UdSSR unterzeichnet wurde und mittlerweile 131 Vertragspartner beinhaltet. Damit war der Weg für weitere internationale Abkommen geebnet und die Weltgemeinschaft machte sich aufrichtig Gedanken wie es auch während des Kalten Krieges und anderen politischen Brandherden möglich sein würde, die nukleare Bedrohung einzudämmen. Dazu zählt unter anderem die Göttinger Erklärung12 der 18 deutschen Atomwissenschaftler von 1957 oder das Russell-Einstein Manifest von 1955 welches einen Appell an die Menschheit und ihre Machthaber richten: „We appeal as human beings to human beings: Remember your humanity, and forget the rest. If you can do so, the way lies open to a new Paradise; if you cannot, there lies before you the risk of universal death.“13
2.2. Nichtverbreitungsvertrag von Kernwaffen
Den ersten größeren Schritt in Zukunft vernünftiger mit dem Thema Atomwaffen umzugehen erlangte die Weltgemeinschaft am 01.07.1968 mit dem Non-Proliferation Treaty. Dieser Nichtverbreitungsvertrag von Kernwaffen (NVV) ist das Fundament für die weitere Entwicklung der nuklearen Abrüstung. Bereits am 19. November 1965 wurde in der Resolution GA-Res. 2028 (XX) des United Nations General Assembly einige Eckpunkte zur Nonproliferation aufgegriffen und in der Präambel des NVV, wie auch den Artikeln wiedergegeben.14 In der Präambel des 11 Artikel umfassenden Vertrags betonen die Vertragsparteien: „Considering the devastation that would be visited upon all mankind by a nuclear war and the consequent need to make every effort to avert the danger of such a war and to make measures to safeguard the security of peoples, [] urging the co-operation of all States in the attainment of this objective“ 15 und dem allgemeinen Willen die Atomkraft friedlich zu nutzen, einen internationalen Austausch an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu fördern und die weltweite nukleare Abrüstung mit wirksamen Maßnahmen einzuleiten.
Die bis zum 01.01.1968 offiziellen Kernwaffenstaaten (USA, UdSSR, China, Frankreich, Großbritannien) verpflichten sich an keine anderen Staaten Nuklearwaffen oder deren Technologie weiterzugeben als auch auf das Ziel der vollständigen nuklearen Abrüstung.
[...]
1 Menzel, E.: Legalität oder Illegalität der Anwendung von Atomwaffen, S. 7
2 Webb, A.: Die mächtigste Bombe der Welt, Dokumentation, GB, 2011
3 ebd.
4 Hamburger Informationen zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik: Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik, S. 19
5 Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (2013): Übersicht der nuklearen Verträge, S. 1
6 vgl. Xlibris: Dürrenmatt, Interpretation: Die Physiker, S. 1
7 vgl. ebd.
8 vgl. ebd.
9 Bundesministerium der Verteidigung: Humanitäres Völkerrecht in bewaffneten Konflikten, S. 64
10 vgl. Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (2013): Übersicht der nuklearen Verträge
11 vgl. ebd.
12 vgl. Göttinger Erklärung (1957): Georg-August-Universität Göttingen - Text des Göttinger Manifests.
13 Einstein, A./Russell, B.: Das Russell-Einstein Manifest, S. 3
14 vgl. Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen, S. 1ff.
15 ebd. S.1