In der folgenden Arbeit wird ein Gedicht Dámaso Alonsos analysiert, wobei das Hauptaugenmerk sich auf die Stimme des Gedichts richtet; wer sie ist, was sie tut und an wen sie sich richtet. Da sich die Stimme mit dem Thema der Erinnerung befasst und dabei keine spezifische Erinnerung angesprochen wird, kann man von einer der wichtigsten Erinnerungen ausgehen: der Erinnerung nach dem Anfang. Es wird hier die Frage nach dem Anfang gestellt, weshalb sie auch an Gott gerichtet ist, denn sie kann einzig an Gott, den Schöpfer, der das Wissen vom Anfang an besitzt, gestellt werden.
Inhalt
Vorwort ... 3
Dámaso Alonso: Cómo era ... 4
A. Erinnern
Juan R. Jiménez ... 5
B.
Gedichtanalyse ... 9
C. Fransen
Alonso, Benn, Hegel ... 23
MANIFIESTO
Todos somos «poetas de transición»: la poesía jamás se queda inmóvil. (José Emilio Paceco)
Vorwort
Die diesem Vorwort vorangehenden Worte aus der Feder des mexikanischen Dichters José Emilio Pacheco mit dem Titel Manifiesto stehen am Eingang dieser Arbeit und bilden damit schon eine Art Torbogen und Durchgang – transición.
Die Mobilität der Poesie, die in ihrem Wesen waltende Dynamik und Unruhe, die Doppelbödigkeit und Mehrschichtigkeit jener Worte, die unter der prekären Gattung Poesie firmieren, sollen den Themenkern bilden. Dynamik ist Aktion, im Falle von Texten Interaktion, namentlich unter und zwischen den Wörtern. Jedes Labyrinth hat einen Eingang, der selber noch nicht labyrinthisch sein kann. So verhält es sich auch in diesem Fall. Das erwähnte Tor, Pachecos Zweizeiler, spricht bloß aus, was andere Gedichte vorführen, verweist rein semantisch auf die der Poesie eigensten Eigenschaft (ähnlich den skizzierten Tanzschritten im Verhältnis zum eigentlichen Tanz). Indem es oben heisst „la poesía jamás se queda inmóvil”, die Poesie stehe also niemals still, wird die Poesie allerdings inmóvil gemacht, demobilisiert und determiniert, an diese ganz bestimmte Eigenschaft festgemacht. Einerseits schreibt er der Poesie eine nomadische Eigenschaft zu, andererseits bindet er die Poesie an das ewige Nomadisieren. Doch ist ein Nomade tatsächlich ein Nomade, oder widerspricht sich das Wort als ein Wort nicht schon sich selbst? Pachecos Aussage ist hier fatal. Soll die Poesie wirklich inmóvil sein, dann muss man sie lassen. Zieht man ausserdem noch den Titel, Manifest, hinzu, gerät das Ganze in einen strudelnden Widerspruch.
Und dennoch, vielleicht ist gerade dieser Widerspruch der Antrieb und das Wesen der Poesie: der stetige Kampf zwischen einer starren Ordnung der Lettern und der Unruhe, die innerhalb dieser Ordnung zittert und auch diese erzittern lässt. Die Umkehrung des Gleichnis vom Poeschen Seemann, der dem Strudel dadurch entkommt, indem er in ihm eine Ordnung feststellt: Die Poesie entflieht der starren sprachlichen Ordnung, indem sie sie in einen reissenden Strudel verwandelt.
Dámaso Alonso: Cómo era
Cómo era
¿Cómo era, Díos mío, cómo era?
Juan R. Jiménez
La puerta, franca. ----------------------
------------------- Vino queda y suave.
Ni materia ni espíritu. Traía
una ligera inclinación de nave
y una luz matinal de claro día.
No era de ritmo, no era de armonía
ni de color. El corazón la sabe,
pero decir cómo era no podría
porque no es forma, ni en la forma cabe.
Lengua, barro mortal, cincel inepto,
deja la flor intacta del concepto
en esta clara noche de mi boda,
y canta mansamente, humildemente,
la sensación, la sombra, el accidente,
mientras Ella me llena el alma toda!
A. Erinnern
Das oben abgedruckte Gedicht von Dámaso Alonso, um das es auf den kommenden Seiten gehen soll, führt zwischen Titel und Gedichtkorpus das Zitat „¿Cómo era, Dios mío, cómo era?“ und darunter den Namen Juan Ramón Jiménez an. Es entstammt dessen Gedicht mit dem Titel „Retorno fugaz“ und bildet seine erste Zeile. Wir wollen einen Blick auf dieses Gedicht werfen:
Retorno fugaz
¿Cómo era, Dios mío, cómo era? 1
-¡Oh, corazón falaz, mente indecisa!-
¿Era como el pasaje de la brisa? 3
¿Como la huida de la primavera?
Tan leve, tan voluble, tan ligera 5
cual estival vilano…¡Sí! Imprecisa
como sonrisa que se pierde en risa… 7
¡Vana en el aire, igual que una bandera!
¡Bandera, sonreír, vilano, alada 9
primavera de junio, brisa pura!…
¡Qué loco fue tu carnaval, qué triste! 11
Todo tu cambiar trocóse en nada
-¡memoria, ciega abeja de amargura!- 13
¡No sé cómo eras, yo que sé que fuiste!-
Der Titel –dt. Flüchtige Rückkehr– bezieht sich, wie im Laufe des Gedichts deutlich wird, nicht auf eine körperliche, sondern auf eine mentale Rückkehr, eine Erinnerung. Es wird danach gefragt, wie ein unbestimmtes weibliches Etwas (siehe die Deklination Ajektivs „ligera“, Z.5) war, cómo era. Wie man in der letzten Zeile liest, scheitert die Erinnerung. Es konnte nicht ergründet werden, wie Sie war. Das Gedicht handelt also bloß von dem Versuch einer Erinnerung.
Die in der ersten Zeile gestellte, an Gott gewandte Frage kann nicht beantwortet werden. Dasjenige, wessen sich zu erinnern versucht wird, scheint von einem zu unbeständigen, flatterhaften und flüchtigen Wesen zu sein. Eine hierfür bezeichnende Metapher ist vielleicht „alada / primavera de junio“ – flügeltragender Junifrühling– (Zeile 9 und 10). Der Juni ist der Monat, in dem Frühling in Sommer übergeht. Er verkörpert beide Jahreszeiten, mit der Besonderheit allerdings, dass währenddessen der Frühling vergeht und er als Sommer endet. alada primavera de junio steht also für Wechsel und Umschwung und, gewissermaßen, nämlich auf den Titel rekurrierend, für Flucht. Im Monat Juni entflieht der Frühling.
Das Attribut alada versinnbildlicht das flügelschlagende Abheben des Frühlings mitten im Juni, um genau zu sein, in seinem letzten Drittel: Nach den ersten zwei Silben ala (span.Flügel), nachdem dem Frühling also Flügel gegeben worden, und der dritten da, findet kalendertreu der Umschwung statt.
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