Thema und Schwerpunkt dieser Arbeit ist die Darstellung des Transformationsprozesses des ostdeutschen Bildungssystems seit der 'Wende' im Jahr 1989. Um ein einheitliches Hintergrundverständnis erzeugen zu können, wird auf der Grundlage der Spaltung des deutschen Bildungssystems ab 1949 untersucht, in welchen historisch-politischen Kontext die beiden Staaten eingebunden sind, wie die beiden Bildungsapparate aufgebaut sind und welche Funktion sie verfolgen.Zudem wird eine tiefergehende Analyse des Transformationsprozesses der ostdeutschen Bildungslandschaft vorgenommen und Problematiken dieser Entwicklung aufgezeigt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Bildungssystem der DDR
2.1 Historische Einordnung
2.2 Aufbau und Funktion des Bildungssystems
3. Das Bildungssystem der BRD
3.1 Historische Einordnung
3.2 Aufbau und Funktion des Bildungssystems
4. Transformation des ostdeutschen Bildungssystems
4.1 Der Transformationsprozess und die Eingliederung in das westdeutsche Bildungssystem
5. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Die Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Westen und der Deutschen Demokratischen Republik im Osten Deutschlands im Jahre 1949 bedeutete eine Spaltung des deutschen Bildungsapparates.
Diese pädagogische Teilung Deutschlands findet ihren Ursprung in den unterschiedlichen bildungspolitischen Vorstellungen der alliierten Besatzungsmächte und in den konkreten Umsetzungen der deutschen Verantwortlichen im Rahmen des Wiederaufbau- und Reformprozesses des Bildungswesens nach der deutschen Kapitulation am 7. Mai 1945 (vgl. Anweiler 1990, S. 14-15).
Zu Beginn der beiden noch jungen deutschen Bildungssysteme bestimmten analoge materielle und personelle Dimensionen das Bildungsgeschehen. Hintergrund war eine vergleichbare Befehls- und Kontrollgewalt der Militärverwaltungen, die eine maßgebende Richtung der Bildungsarbeit vorgab. Doch bereits früh etablierten sich in beiden Staaten differente und künftig kontrovers arbeitende Bildungssysteme. Diese pädagogische Neugestaltung stand im Osten unter der Maxime einer radikalen Reform, die das Programm einer Einheitsschule und Gesellschaft nach sowjetischem Vorbild verfolgte. Im Westen hingegen wurde versucht ein Bildungssystem zu schaffen, das sich stark an den Schulstrukturen der Weimarer Republik orientierte und einer „inneren Schulreform“ zur Grundlage haben sollte (vgl. Anweiler 1990, S. 15).
Thema und Schwerpunkt dieser Arbeit ist die Darstellung des Transformationsprozesses des ostdeutschen Bildungssystems seit der „Wende“ im Jahre 1989. Um ein einheitliches Hintergrundverständnis erzeugen zu können, wird auf der Grundlage der Spaltung des deutschen Bildungssystems ab 1949 untersucht, in welchen historisch-politischen Kontext die beiden Staaten eingebunden sind, wie die beiden Bildungsapparate aufgebaut sind und welche Funktion sie verfolgen.
Nachfolgend wird eine tiefergehende Analyse des Transformationsprozesses der ostdeutschen Bildungslandschaft vorgenommen und Problematiken dieser Entwicklung aufgezeigt.
Zu Beginn der Arbeit wird eine kurze geschichtliche Einordnung der beiden deutschen Staaten vorgenommen. Hier soll der Fokus auf die Entstehung der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland, sowie deren staatspolitischer Aufbau gelenkt werden. Anschließend wird der Aufbau und die Funktion der Bildungssysteme anhand eines grundlegenden Überblicks veranschaulicht. Zudem werden nachfolgend mittels eines Abrisses der bildungssystematischen Entwicklungen, sowie politischer und ideologischer Einflüsse, Grundtendenzen im Bereich der Bildung der beiden deutschen Staaten aufgezeigt.
Für eine angrenzende explizite Auseinandersetzung mit dem Transformationsprozess des ostdeutschen Bildungssystems bedarf es einer interdisziplinären Betrachtungsweise. Eine Eingliederung eines politischen Systems in eine bestehende Staats- und Regierungsform hat nicht nur fundamentale Konsequenzen im bildungspolitischen Bereich, sondern betrifft und verändert ebenfalls gesellschaftliche, soziale und grundpolitische Dimensionen eines Staates.
Die Aufmerksamkeit hier wird der Bereich der Bildung einnehmen, allerdings sollen die zuvor genannten Rahmenstrukturen in diesem Kapitel der Untersuchung nicht vernachlässigt werden. Innerhalb des Bildungsbereichs sollen Strukturänderungen, bildungspolitische Maßnahmen, Anpassungen der Curricula, institutionelle Umschichtungen und Umschulungen, bzw. Wechsel von Lehrpersonal beleuchtet werden. Hierzu werden in erster Linie Dokumente zu gemeinsamen Bildungskommissionen der BRD und DDR, der endgültige Einigungsvertrag, sowie Forschungsbilanzen die Basis der Forschung bilden.
In der anschließenden Schlussbetrachtung wird auf die Herausforderungen und Probleme des Transformationsprozesse, bzw. der Integration des Bildungssystems eingegangen. Hier werden die bildungs- und sozialpolitischen Problemlagen den Mittelpunkt des Forschungskapitels einnehmen.
2. Das Bildungssystem der DDR
2.1 Historische Einordnung
Der ursprünglich beabsichtigte „deutsche Weg zum Sozialismus“ in der sowjetischen Besatzungszone im Osten Deutschlands seit der Konferenz von Jalta 1945, entwickelte sich in den Folgejahren de facto als eine Politik nach sowjetischen Vorstellungen. Grund für eine Abweichung des politischen Kurses der KPD/SED mit dem Ziel der eigenständigen Entwicklung der sowjetischen Besatzungszone 1945/46 war die Errichtung eines „Bollwerks“ gegen die mutmaßlichen imperialistischen Expansionsabsichten der alliierten Westmächte. Dieses „Bollwerk“ wurde mit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik 1949 erreicht und hatte eine weitreichende Sowjetisierung Ostdeutschlands in Form einer endgültigen Unterwerfung unter den Willen der sowjetischen Besatzungsmacht zum Ziel (vgl. Glaeßner 2006a, S. 208).
Bis zur Staatsgründung der DDR waren allerdings erhebliche politische Maßnahmen notwendig, um ein derartig autoritär arbeitendes Regime aufbauen zu können.
Die erste politische Grundsatzentscheidung ist die Einrichtung von deutschen Zentralverwaltungen, die der obersten Besatzungsbehörde, der SMAD, weitreichende Regierungs- und Kontrollstützpunkte in der gesamten sowjetischen Besatzungszone verschaffte. Durch diesen Befehl Nr. 5 vom 9. Juli 1945 wurden regionale Militäradministrationen aufgebaut, die zukünftig unterschiedlichen staatlichen Aufgaben, wie Inneres, Justiz, Finanzen, aber auch Beschlagnahmungen oder Umsiedlungen nachgehen sollten. Zudem teilten diese Verwaltungen die SBZ in fünf Verwaltungseinheiten auf, die dem sozialistischen Ziel eines zentralistisch gesteuerten Verwaltungs- und zugleich Regierungsapparats näher kommen sollte und eine einheitliche Umsetzung der Befehle gewährleisten sollte (vgl. Glaeßner 2006a, S. 209).
Nachdem die vom 25. November bis zum 15. Dezember 1947 getagte Londoner Außenministerkonferenz gescheitert war und dies einen Bruch unter den Alliierten, der USA und der Sowjetunion nach sich zog, trat in der SBZ bereits die zweite „Volkskongressbewegung für Einheit und gerechten Frieden“ zusammen.
Die Sozialistische Einheitspartei als Initiativkraft dieser Versammlung verfolgte das Ziel der Propaganda parteipolitischer Absichten zur Zukunft Deutschlands und schuf zugleich einen institutionellen Rahmen für die Konstitution eines neuen sozialistischen Staates.
Hierzu wurde auf dem zweiten Volkskongress ein „Deutscher Volksrat“ gewählt, dessen Aufgabe die Erarbeitung eines Entwurfs einer Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik war. Dieses Konzept, das am 7. Oktober 1949 einstimmig verabschiedet wurde, war durch die dominante Position der SED innerhalb des „Deutschen Volksrats“ ein Abbild ihrer Parteiprogrammatik und baute die politische Vormachtstellung der Organisation zu einer künftigen Ein-Parteien-Herrschaft aus (vgl. Glaeßner 2006a, S. 210).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nach dem politischen Verständnis der SED sollte der Staatsapparat die Gesellschaft organisatorisch und die Partei sie politisch-ideologisch zusammenhalten.
Alle staatlichen Handlungen sollten vom Willen und den Absichten der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands bestimmt werden. Dies bedeutete, dass die SED durch organisatorische Vorkehrungen dafür zu sorgen hatte, dass staatliche Institutionen kein „Eigenleben“ entwickeln konnten. Prinzipien, wie der demokratische Zentralismus oder das der Kaderpolitik garantierten, dass die „staatlichen Organe“ vollständig von der SED abhängig waren und die Weisungen der Partei ausführten (vgl. Glaeßner 2006a, S. 185).
Die SED definierte somit das gesamte politische System der Deutschen Demokratischen Republik. Inwiefern diese Organisation Einfluss auf bildungspolitische Entwicklungen innerhalb der DDR nahm, wird in dem kommenden Abschnitt dargestellt.
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