Bei Rassismus geht es um Aus- und Eingrenzung und um eine Klassifizierung nach Rassen. Doch was sind die Ursachen von Rassismus und welche Funktionen erfüllt er? Wie kann man Rassismus begegnen und bekämpfen? Wie können zukünftige Generationen für den Umgang mit Rassismus sensibilisiert werden?
Diesen Fragen soll in der vorliegenden Arbeit durch den Vergleich der Rassismustheorien Albert Memmis und Luigi Luca Cavalli-Sforzas nachgegangen werden. Hierzu werden beide Theorien dargestellt, kritisch hinterfragt, verglichen und auf die Praxis angewandt. Während Memmi einen interessenorientierten Ansatz vertritt, in welchem Rassismus dem Schutz und Erhalt von Privilegien dient und als Ursache die Angst vor Verlust besagter Privilegien benennt, sieht Cavalli-Sforza Rassismus als Hochmut vermeintlich erfolgreicher, gefestigt durch Gewohnheit und den Hang des Menschen an Bewährtem festzuhalten.
Albert Memmi führt die Auseinandersetzung mit Ursachen und Funktionen von Rassismus zu einer Philosophie des Antirassismus, aus welcher er praktische Schlüsse zieht um den Rassismus zu bekämpfen. Luigi Luca Cavalli-Sforza hingegen begibt sich auf die Suche nach den biologischen und kulturellen Wurzeln der menschlichen Zivilisation und beseitigt so die Vorstellung einer von Natur aus gegebenen Überlegenheit bestimmter Rassen.
In der vorliegenden Arbeit wird sich mit rassistischem Gedankengut auseinandergesetzt, Ursachen und Funktionen von Rassismus betrachtet und sich mit der Gegenmaßnahme der beiden genannten Autoren beschäftigt. Des Weiteren werden die Theorien am Beispiel der Zuwanderung infolge der Osterweiterung der EU und dem damit einhergehende Rassismus gegenüber Migranten aus Rumänien und Bulgarien dargelegt, erläutert und verglichen.
Auch werden mögliche bildungswissenschaftliche Schlüsse zur Rassismusprävention, die sich aus der jeweiligen Theorie ergeben, erörtert und Überlegungen angestellt, wie sich diese in die Praxis übertragen lassen. Abschließend werden die Theorien einer kritischen Betrachtung unterzogen in welcher untersucht wird, inwieweit jeweils die zugrundeliegende Theorie einen Beitrag zur Beschreibung des Phänomens Rassismus leistet. Die ersten beiden Kapitel dienen der Darstellung der beiden Theorien, bevor diese in einem dritten Kapitel miteinander verglichen und auf die Praxis angewendet werden.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Die Rassismustheorie Albert Memmis
II.1 Der Rassist und sein Rassismus bei Memmi
II.2 Die Angst Privilegien zu verlieren
II.3 Der Unterschied und dessen Bewertung
II.4 Philosophie des Antirassismus
III. Die Rassismustheorie Luigi Luca Cavalli-Sforzas
III.1 Der Rassist und sein Rassismus bei Cavalli-Sforza
III.2 Der Hochmut der Erfolgreichen
III.3 Festhalten an Gewohntem
III.4 Gleichheit trotz aller Unterschiede
IV. Die Zuwanderung in die BRD infolge der Osterweiterung der EU und der damit einhergehende Rassismus gegenüber Migranten aus Rumänien und Bulgarien
V. Die Rassimustheorien Albert Memmis und Luigi Luca Cavalli-Sforzas im Vergleich und Praxisanwendung
V.1 Auslegung der Theorien am Beispiel der Zuwanderung in die BRD infolge der Osterweiterung der EU
V.2 Mögliche Schlussfolgerungen aus bildungswissenschaftlicher Sicht
V.3 Direkter Vergleich und kritische Betrachtung der Theorien
VI. Fazit
VII. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
„Der rassistische Titel der rechtsextremen Wochenzeitung Minute sorgt in Frankreich für Empörung. Unter einem Foto der schwarzen Justizministerin Christiane Taubira titelt das Blatt […]: [‚]Gerissen wie ein Affe, Taubira findet die Banane[‘].“ (TAZ 2013) Nicht immer zeigt sich Rassismus so deutlich und für jedermann erkennbar. Rassismus ist komplex, mal offensichtlich, mal sub- til. Er zeigt sich in Politik, in Fußballstadien aber auch in der Schule. Rassis- mus bedient sich der Bewertung festgestellter Unterschiede und beinhaltet eine Dichotomisierung zwischen einem „wir“ und „die anderen“. Bei Rassis- mus geht es um Aus- und Eingrenzung und um eine Klassifizierung nach Rassen. Doch was sind die Ursachen von Rassismus und welche Funktionen erfüllt er? Wie kann man Rassismus begegnen und bekämpfen? Wie können zukünftige Generationen für den Umgang mit Rassismus sensibilisiert wer- den? Diesen Fragen soll in der vorliegenden Arbeit durch den Vergleich der Rassismustheorien Albert Memmis und Luigi Luca Cavalli-Sforzas nachge- gangen werden. Hierzu werden beide Theorien dargestellt, kritisch hinterfragt, verglichen und auf die Praxis angewandt. Während Memmi einen interessen- orientierten Ansatz vertritt, in welchem Rassismus dem Schutz und Erhalt von Privilegien dient und als Ursache die Angst vor Verlust besagter Privilegien benennt, sieht Cavalli-Sforza Rassismus als Hochmut vermeintlich Erfolgrei- cher, gefestigt durch Gewohnheit und den Hang des Menschen an Bewährtem festzuhalten. Albert Memmi führt die Auseinandersetzung mit Ursachen und Funktionen von Rassismus zu einer Philosophie des Antirassismus, aus wel- cher er praktische Schlüsse zieht um den Rassismus zu bekämpfen. Luigi Luca Cavalli-Sforza hingegen begibt sich auf die Suche nach den biologischen und kulturellen Wurzeln der menschlichen Zivilisation und beseitigt so die Vor- stellung einer von Natur aus gegebenen Überlegenheit bestimmter Rassen. In der vorliegenden Arbeit wird sich mit rassistischem Gedankengut auseinan- dergesetzt, Ursachen und Funktionen von Rassismus betrachtet und sich mit der Gegenmaßnahme der beiden genannten Autoren beschäftigt. Des Weite- ren werden die Theorien am Beispiel der Zuwanderung infolge der Osterweite- rung der EU und dem damit einhergehende Rassismus gegenüber Migranten aus Rumänien und Bulgarien dargelegt, erläutert und verglichen. Auch werden mögliche bildungswissenschaftliche Schlüsse zur Rassismusprävention, die sich aus der jeweiligen Theorie ergeben, erörtert und Überlegungen ange- stellt, wie sich diese in die Praxis übertragen lassen. Abschließend werden die Theorien einer kritischen Betrachtung unterzogen in welcher untersucht wird, inwieweit jeweils die zugrundeliegende Theorie einen Beitrag zur Beschreibung des Phänomens Rassismus leistet. Die ersten beiden Kapitel dienen der Darstellung der beiden Theorien, bevor diese in einem dritten Kapitel miteinander verglichen und auf die Praxis angewendet werden.
II. Die Rassismustheorie Albert Memmis
II.1 Der Rassist und sein Rassismus bei Memmi
Zu Beginn soll erläutert werden, was Albert Memmi unter Rassismus versteht und wie er Rassismus von anderen Begriffen unterscheidet. Des Weiteren wird sich im Folgenden mit dem rassistischen Gedankengut auseinanderge- setzt, was dazu beitragen soll, Rassismus in seinen Ursachen und Funktionen besser verstehen zu können. Rassismus als „[…] Terminus [bezieht sich] ausschließlich auf die Biologie; erst später ist ihm aus Gründen der Bequem- lichkeit eine umfassende Bedeutung zugewiesen worden“. (Memmi 1987, 121) Denn „[t]atsächlich stützt sich die rassistische Anklage bald auf einen biologi- schen und bald auf einen kulturellen Unterschied.“ (Memmi 1987, 165) Albert Memmi ist der Ansicht: „[…] [W]ir stehen einem Mechanismus gegenüber, der unendlich mannigfaltiger, komplexer und unglücklicherweise auch wesentlich stärker verbreitet ist, als der Begriff Rassismus im engen Wortsinn vermuten ließe“. (Memmi 1987, 166) Er versteht unter Rassismus „[…] ausschließlich die Ablehnung des anderen unter Berufung auf rein biologische Unterschiede […]“ (Memmi 1987, 124) und führt den Begriff „Heterophophie“ ein, um die Ablehnung anderer unter Berufung von Unterschieden jedweder anderen Art zu beschreiben. (Memmi 1987, 124) „Damit wird der Rassismus zu einem Sonderfall der Heterophobie.“ (Memmi 1987, 124) Mit Heterophobie meint Memmi die Ablehnung eines anderen mit Berufung auf Unterschiede jeglicher Art. (Memmi 1987, 124) Allerdings sind „[…] die grundlegenden Mechanismen aller Formen des Rassismus identisch [...]“. (Memmi 1987, 213, Hervorhebung i. O.)
Dem Rassisten im klassischen Sinne attestiert Memmi, dass er davon aus- geht, dass es eine reine Rasse gibt, welche sich von den anderen unterschei- det. „[…] [D]ie unreine und hassenswerte Rasse des anderen und die eige- nen, reine und bewundernswerte […]“. (Memmi 1987, 97) Der Rassist nimmt also biologische Unterschiede zwischen Individuen und Gruppen an. Er nimmt an, dass seine, die reine Rasse, anderen Rassen in biologischer Hinsicht überlegen ist, was sich für ihn in mannigfaltiger Weise äußert. Sei es in „[…] gesellschaftlicher, kultureller [oder] geistiger Hinsicht“. (Memmi 1987, 13) Auf- grund der angenommen Überlegenheit sieht der Rassist die Herrschaft und Privilegien der eigenen Rasse legitimiert. (Memmi 1987, 13) Bereits an dieser Stelle der vorliegenden Arbeit sei daraufhin gewiesen, das es eine „reine Ras- se“ nicht gibt.
Unter »Rasse« versteht man hinfort die Gesamtheit biologischer und psycholo- gischer Merkmale, die Vorfahren und Nachkommen innerhalb eines Stammes miteinander verbinden. Ursprünglich ein Begriff aus der Tierzucht, wird er [...] seit dem 17. Jahrhundert auf den Menschen angewendet. (Memmi 1987, 152)
Anders als bei der Tierzucht, in welcher die Nutzleistung bestimmter Tiere durch spezielle Zuchtverfahren verbessert werden sollte (Memmi 1987, 13), ist eine derartige Züchtung bei Menschen nicht vorgekommen. (Memmi 1987, 14) Es waren unteranderem „[d]er Zwang zum Überleben und die Erfordernisse des Krieges [die] […] zu einer fortwährenden Mischung der Rassen geführt […]“ (Memmie 1987, 14) haben. Es handelt sich hierbei also nur um ein Wunschbild, welches das Bedürfnis nach Vollkommenheit impliziert und das so nicht existiert. (Memmi 1987, 15) Daraus folgt, dass „[…] die Vorstellung von einer rassischen Überlegenheit im Namen dieser Reinheit […]“ (Memmi 1987, 20) und die Annahme daraus resultierender Privilegien sinnlos ist. „Kurzum, die Argumentation des Rassisten beruht weder auf stichhaltigen Prämissen, noch wird sie widerspruchsfrei entwickelt oder ist in ihren Schluss- folgerungen gerechtfertigt.“ (Memmi 1987, 27f., Hervorhebung i. O.)
Doch obwohl der Rassismus logisch nicht nachvollziehbar ist, scheint man ihm nicht beikommen zu können. „Statt zu verschwinden, scheint der Rassismus heute unausrottbarer denn je und gleicht dem Unkraut, dessen Wurzeln man vergeblich zu zerstören versucht […]“. (Memmi 1987, 29) Es genügt also nicht den Rassismus argumentativ zu entkräften. Es erscheint daher notwendig „[…] die Gesamtheit der Gefühle und Überzeugungen [freizulegen], von der seine Argumente und seine Verhaltensweisen diktiert werden“. (Memmi 1987, 30) Die soll im Folgenden geschehen.
II.2 Die Angst Privilegien zu verlieren
„Immer, wenn jemand mit einem anderen oder einer Gruppe von Individuen in Berührung kommt, die anders sind als er oder die er kaum kennt, reagiert er auf eine Weise, die den Rassismus anklingen läßt.“ (Memmi 1987, 31, Her- vorhebung i. O.) Jeder Mensch zeigt in Bezug auf andere, negative bzw. posi- tive Reaktionen, wobei in Anbetracht eines Fremden, negative Reaktionen wie Misstrauen, Abneigung und Angst, häufig überwiegen. Memmi versteht dies als Erbe aus grauer Vorzeit:
Die Angst vor dem anderen reicht bis in die graue Vorzeit zurück, als die Men- schen noch in ständigem gegenseitigen Mißtrauen leben mußten, stets darauf gefaßt, daß ein anderer, der stärker oder listiger war, die Jagdbeute oder die begehrte Frau wegnahm und den Beraubten zum Hunger, zur Demütigung oder gar zum Tode verurteilt. (Memmi 1987, 159)
Es ist der Unterschied der beunruhigt, steht er doch für das Unbekannte, welches der Mensch zumeist mit Gefahr assoziiert. (Memmi 1987, 35) Da man nicht weiß was im Kopf des anderen vor sich geht, erscheint es sinnvoll sich zu wappnen und dem potentiellen Angreifer mit einem Angriff zuvor zukommen, um die eigenen Privilegien zu schützen. Dies setzt allerdings einen schwierig zu durchbrechenden Kreislauf in Gang.
Der Rassist ist ein Mensch, der Angst hat; er hat Angst, weil er der Angreifer ist, und er greift an, weil er Angst hat; ein Mensch der Angst vor einem potentiellen Angriff hat oder glaubt, man greife ihn tatsächlich an; der schließlich angreift um seine Angst zu bannen. (Memmi 1987, 100, Hervorhebung i. O.)
Aber nicht nur der Schutz der Privilegien, auch der Eigennutz spielt eine Rolle. Um den anderen wie Vieh ausbeuten zu können, ist es aus Gründen der Legi- timation von Nöten, ihn zum Vieh zu degradieren. Der Sklavenhandel kann hier als Beispiel dienen. (vgl. Memmi 1987, 160) Zwei weitere Merkmale von Rassismus sind „[…] die Neigung zur Verallgemeinerung und zur Verabsolu- tierung“. (Memmi 1987, 161) Der rassistisch abgewertete Mensch verliert in den Augen des Rassisten seine Individualität und verkommt zu einem Mitglied „[…] einer mit Makeln befleckten Gruppe […]“ (Memmi 1987, 161), in der er unwiderruflich gefangen ist.
Die Möglichkeit von Rassismus ist nach Memmis Ansicht in jedem Menschen angelegt. Besonders empfänglich für rassistisches Gedankengut ist der Mensch allerdings, wenn er seine Sicherheit, Güter und seine Privilegien in Gefahr sieht. (Memmi 1987, 32) Besagte Angst vor dem unbekannten Ande- ren und die potentielle Möglichkeit Privilegien verlieren zu können führen da- zu, dass bereits das Abschwächen juristischer oder moralischer Hemmungen, oder wirtschaftliche Probleme genügen, dass versteckte Tier, das in jedem Menschen steckt, zum Vorschein zu bringen. Dies mit allen dem tierischen Wesen des Menschen innewohnenden Möglichkeiten zu Gewalt und Erniedri- gung des Anderen. (Memmi 1987 , 33) Als Beispiele, die weltweit immer wie- der zu beobachten sind, seien nur „[…] gesellschaftliche Isolierung, Aussper- rung, Aufruf zum Totschlag, Strafexpeditionen [oder] die Zerstörung symboli- scher Gegenstände und Stätten […]“ erwähnt. (Memmi 1987, 33)
Dies verdeutlicht auch die soziale Dimension des Rassismus. „Der Rassismus hat zwar seine Wurzeln im Bereich der Emotionen und Affekte, aber seine Herausbildung erfolgt auf der sozialen Ebene […]“. (Memmi 1987, 115) Es lässt sich also von einer Sozialisation des Rassismus sprechen. (Memmi 1987, 115) Bereits der heranwachsende Mensch findet Rassismus überall in seinem Umfeld. Sei es in der Schule, auf der Straße oder zu Hause. „Der Wortschatz, Reservoir und Gedächtnis der Gemeinschaft, bringt [...] feindseli- ge [...] Charakterisierungen zum Ausdruck[…]“. (Memmi 1987, 115) Beispiele hierfür sind Beschimpfungen wie „Kameltreiber“, „Knoblauchfresser“ oder „Kannake“ (Memmi 1987, 115), die klar auf eine Dichotomisierung und Abwer- tung des anderen abzielen. Die Gemeinschaft benennt ihr Feindbild und wer- tet es zugleich ab. Somit ist der Rassismus auch „[…] eine kollektive Aus- drucksweise im Dienst der Emotionen des einzelnen.“ (Memmi 1987,116, Hervorhebung i. O.)
Abschließend sei daraufhin gewiesen, dass Rassismus nicht nur unter ver- meintlich Privilegierten verbreitet ist, er findet sich auch unter denen, die kaum Privilegien besitzen. Rassismus dient auch dazu, dem Druck dem man selbst ausgesetzt ist, nach unten weiterzugeben. (Memmi 1987, 203) Es findet sich immer jemand der noch schlechter gestellt ist als man selbst. Auf einen Schwächeren herabzublicken und die damit einhergehende implizierte Über- legenheit stärkt sowohl das individuelle als auch das kollektive Ich und befrie- digt die eigenen narzisstischen Bedürfnisse. (Memmi 1987, 202) Nachdem die Denkweise von und die Gründe für Rassismus erörtert wurden, soll erläutert werden wie der Mechanismus Rassismus nach Memmi genau funktioniert.
II.3 Der Unterschied und dessen Bewertung
Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Vorteil des Anklägers und zum Nachteil seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen. (Memmi 1987, 103, Hervorhebung i. O.)
Die Definition von Rassismus macht deutlich, dass der Unterschied nicht zwingend einer der „Rasse“ sein muss. Auch religiöse, kulturelle oder anders geartete Unterschiede leisten dem Rassisten gute Dienste. Nach Memmi lässt sich Rassismus in drei Schritten analysieren. Rassismus beruht auf„[…] einer Hervorhebung von Unterschieden, in einer Wertung dieser Unterschiede und schließlich im Gebrauch dieser Wertung im Interesse und zugunsten des An- klägers“. (Memmi 1987, 44, Hervorhebung i. O.) Jedoch ist keine dieser Vor- gehensweisen für sich alleine schon eine rassistische Handlung. (Memmi 1987, 44) Die Gefahr besteht erst in ihrer Verknüpfung. Weder das Feststellen eines Unterschiedes zwischen den Menschen noch die Wertung derselben, stellen für Memmi einen ausreichenden Verdacht zur Annahme von Rassis- mus dar. „Man wird schließlich erst dann Rassist, wenn man auch den dritten Schritt tut: die Verwendung des Unterschieds gegen den anderen, mit dem Ziel, aus dieser Stigmatisierung einen Vorteil zu ziehen.“ (Memmi 1987, 46, Hervorhebung i. O.) Jedoch bleibt festzuhalten, „[…] daß der Unterschied der Angelpunkt der rassistischen Denk- und Handlungsweise ist“. (Memmi 1987, 48, Hervorhebung i. O.) Erst er liefert dem Rassisten die Grundlage für seinen Angriff. Lassen sich keine offensichtlichen Unterschiede ausmachen, steht dem rassistischen Gedankengut auch ein mythisches Moment zur Verfügung. „[..] Sofern es einen Unterschied gibt, wird er interpretiert, gibt es ihn jedoch nicht, so wird er erfunden“. (Memmi 1987, 56) Der Rassist gestaltet sich sein Opfer so, wie es ihm gerade richtig erscheint. Möglichkeiten gibt es viele. So lassen sich dem Opfer Fähigkeiten absprechen oder Verhaltensweisen zu- sprechen. Wichtig für den Rassisten ist nur, dass der Vergleich zu seinen ei- genen Gunsten ausfällt. (Memmi 1987, 59) „Diese mythische Umgestaltung dient ihm als Vermittlung, als besonderer Vorwand zur Unterdrückung, die er ausüben möchte oder bereits ausübt […]“. (Memmi 1987, 59) Der Unterschied ist für den Rassisten von größter Bedeutung, da er ihm erlaubt den anderen zu entwerten und sich selbst zu erhöhen. „Ich herrsche über den anderen, weil er ein minderwertiges Wesen ist; die zwischen uns bestehenden Unterschiede sind der Beweis dafür.“ (Memmi 1987, 61, Hervorhebung i. O.) Nach Memmi ist Rassismus „[…] sowohl die Ideologie als auch die aktive Demonstration der Herrschaft“. (Memmi 1987, 60f.) So lässt sich für den Rassisten scheinbar jede Art der Unterdrückung rechtfertigen. Ein Kreislauf den es zu durchbre- chen gilt.
II.4 Philosophie des Antirassismus
Nachdem sich mit dem rassistischen Gedankengut, seinen Ursachen und sei- ner Funktionsweise auseinandergesetzt wurde, soll abschließend erörtert werden, was Albert Memmi dem Rassismus entgegenzusetzen hat. Er geht davon aus, dass der Mensch sowohl die Möglichkeit zu moralischem Verhal- ten als auch zu Gewalt in sich trägt. Somit ist es auch die Entscheidung eines jeden, sich rassistisch oder antirassistisch zu verhalten. Weiter hält Memmi fest, dass der Mensch als soziales Wesen auf andere angewiesen ist; ob er will oder nicht. „[…] [D]as Ganze ist eine Frage der Notwendigkeit und der Zweckmäßigkeit“. (Memmi 1987, 136) Aufgrund gegenseitiger Abhängigkeit bedeuten Menschen einander sowohl Gefahr als auch Sicherheit. Sie können sich unterstützen oder sich gegenseitig das Leben schwer machen.
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