Ziel dieser Arbeit ist es, dem Leser die Thematik der Schattenbanken verständlich zu machen. Es werden grundlegende Elemente, wie z.B. die Funktionsweise, Ursachen und Gefahren des Sektors, behandelt. Zunächst wird der Begriff definiert und die Kreditintermediation als wichtigste Funktion erläutert.
Daraufhin soll die wirtschaftliche Bedeutung des Schattenbankensektors dargestellt und die dafür verantwortlichen Ursachen wie Regulierungsarbitrage, die anwachsende Nachfrage nach sicheren Anlagemöglichkeiten und die staatliche Förderung, verdeutlicht werden. Abschließend beschäftigt sich die Arbeit mit dem hohen Risikopotential der Schattenbankaktivitäten. Neben der systemischen Verflechtung des Sektors mit traditionellen Banken und den daraus resultierenden Ansteckungsgefahren, wird auf einen plötzlichen, massiven Mittelabzug, einen so genannten „Bank run“ des Repo-Marktes eingegangen.
Im Verlauf der Finanzkrise hat ein Begriff stark an Bekanntheit gewonnen, der bei vielen Menschen für Unbehagen sorgt. Allein das Wort "Schattenbank" verweist bereits auf eine Institution, die im Dunklen – abseits der Wahrnehmung der Öffentlichkeit – agiert (Bundesverband deutscher Banken e. V. 2014, S.4). Tatsächlich sind Schattenbanken außerhalb des regulären Bankensektors aktiv und umgehen somit Vorschriften der Bankenregulierung. Im Gegensatz zur allgemeinen öffentlichen Meinung bewegen sich diese Geschäfte aber meist in einem legalen Rahmen (Bundesrat Österreich 2014).
Ungeachtet der Gesetzmäßigkeit sind Schattenbankaktivitäten im Zuge der Ursachenforschung der Finanzkrise 2007 als eine der treibenden Kräfte identifiziert worden. Trotz hoher Erwartungen an eine schnelle Beaufsichtigung des Sektors während der Krise (Bundesverband deutscher Banken e. V. 2014, S.8), wurde erst 2010 das Financial Stability Board (FSB) mit der Erarbeitung eines Regulierungskonzepts für den Schattenbankensektor beauftragt (Europäische Kommisson 2012, S.3). Für das FSB war diese Aufgabe allerdings völliges
Neuland, da bis dato weder ausführliche Informationen über den Sektor, noch eine gültige Definition verfügbar waren (Financial Stability Board 2011, S.8; Bundesverband deutscher
Banken e. V. 2014, S.8).
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
1.Einleitung
2.Das Schattenbankensystem
2.1.Funktionsweise von Schattenbanken
2.2.Analyse des Schattenbankensektors
2.3.Ursachen des Schattenbankensystems
3.Risiken des Schattenbankensektors
3.1.Fragmentierung der Kreditintermediation
3.2.Ansteckungsgefahr des traditionellen Bankensektors
3.3. Bank Runs
3.3.1.Sale and Repurchase Agreements
3.3.2.Run on Repo
4.Fazitund Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Kreditintermediation im Schattenbankensystem
Abbildung 2: Tranchierung innerhalb des Kreditintermediationsprozesses
Abbildung 3: Mehrfach-Tranchierung von Mezzanine-Tranchen
Abbildung 4: Mehrfach-Tranchierung mit CDOs und CDOs2
Abbildung 5: Anteile unterschiedlicher Institutionen am Gesamtvolumen des Finanzsektors
Abbildung 6: Vermogenswerte des OFI-Sektors
Abbildung 7: OFI Vermogenswerte der 20+EA-Group nach Landern aufgeschlusselt
Abbildung 8: Neugeschaft der US-Subprime Hypotheken
Abbildung 9: Schema eines klassischen Repo-Geschafts
Abbildung 10: Haircut Index
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Erspamisbildung ausgewahlter Lander zwischen 1996 und 2003 (in Mrd. USD)
Abkurzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abstract
Ziel dieser Arbeit ist es, dem Leser die Thematik der Schattenbanken verstandlich zu machen. Es werden grundlegende Elemente wie die Funktionsweise, Ursachen und Gefahren des Sektors behandelt. Zunachst wird der Begriff definiert und die Kreditintermediation als wichtigste Funktion erlautert. Daraufhin soll die wirtschaftliche Bedeutung des Schattenbankensektors dargestellt und die dafur verantwortlichen Ursachen wie Regulierungsarbitrage, die anwachsende Nachfrage nach sicheren Anlagemoglichkeiten und die staatliche Forderung verdeutlicht werden. Abschliefiend beschaftigt sich die Arbeit mit dem hohen Risikopotential der Schattenbankaktivitaten. Neben der systemischen Verflechtung des Sektors mit traditionellen Banken und den daraus resultierenden Ansteckungsgefahren, wird auf einen plotzlichen, massiven Mittelabzug, einen so genannten „Bank run“ des Repo- Marktes eingegangen.
1. Einleitung
Im Verlauf der Finanzkrise hat ein Begriff stark an Bekanntheit gewonnen, der bei vielen Menschen fur Unbehagen sorgt. Allein das Wort Schattenbank verweist bereits auf eine Institution, die im Dunklen - abseits der Wahrnehmung der Offentlichkeit - agiert (Bundesverband deutscher Banken e. V. 2014, S.4). Tatsachlich sind Schattenbanken aufierhalb des regularen Bankensektors aktiv und umgehen somit Vorschriften der Bankenregulierung. Im Gegensatz zur allgemeinen offentlichen Meinung bewegen sich diese Geschafte aber meist in einem legalen Rahmen (Bundesrat Osterreich 2014).
Ungeachtet der Gesetzmafiigkeit sind Schattenbankaktivitaten im Zuge der Ursachenforschung der Finanzkrise 2007 als eine der treibenden Krafte identifiziert worden. Trotz hoher Erwartungen an eine schnelle Beaufsichtigung des Sektors wahrend der Krise (Bundesverband deutscher Banken e. V. 2014, S.8) wurde erst 2010 das Financial Stability Board (FSB) mit der Erarbeitung eines Regulierungskonzepts fur den Schattenbankensektor beauftragt (Europaische Kommisson 2012, S.3). Fur das FSB war diese Aufgabe allerdings volliges Neuland, da bis dato weder ausfuhrliche Informationen uber den Sektor, noch eine gultige Definition verfugbar waren (Financial Stability Board 2011, S.8; Bundesverband deutscher Banken e. V. 2014, S.8).
Im folgenden Kapitel soll nun eine allgemeine Definition des Schattenbankensektors erarbeitet werden, um anschliefiend die Funktionsweise der durch diese Definition erfassten Institute zu erlautern.
2. Das Schattenbankensystem
Der Begriff Schattenbank wurde erstmals 2007 von dem ehemaligen Managing Director der Fondsgesellschaft PIMCO Paul McCully gepragt (Schwarcz 2011, S. 620). Seine breit gefasste Definition des Schattenbankensystems „the whole alphabet soup of levered up nonbank investment conduits vehicles and structures.44 (McCulley 2007, S.2) beinhaltet alles, was der Welt der strukturierten Finanzprodukte angehort, darunter z.B. Zweckgesellschaften wie Special Purpose Vehicles (SPVs) (Schwarcz 2011, S.620).
Das FSB verweist aufgrund unterschiedlicher Rechtsordnungen und der komplexen Materie auf eine flexible, wirtschaftliche Betrachtungsweise und liefert 2011 eine detailliertere Eingrenzung: „The Shadow Banking system can broadly be described as credit intermediation involving entities and activities outside the regular banking system.“ (Financial Stability Board 2011, S.1).
Laut dieser Definition beruht das Schattenbankensystem auf zwei zusammenhangenden Saulen. Zum einen auf Unternehmen, die aufierhalb des regularen Bankensystems agieren und mindestens eine der folgenden Tatigkeiten ausuben:
- Fristen- und/oder Liquiditatstransformation
- Kreditrisikotransformation
- Einsatz eines direkten oder indirekten finanziellen Hebels
Zum anderen auf fur Nichtbanken bedeutende Finanzierungsquellen, wie Verbriefungen, Wertpapierleih- oder Pensionsgeschafte (Europaische Kommisson 2012, S.4).
Das FSB greift damit die Definition von Prozsar, Adrian, Ashcraft und Boesky (2010) auf, welche Schattenbanken als Institutionen festlegt, die Fristen-, Kredit- und Liquiditatstransformation ohne Zugang zu Zentralbankliquiditat oder Garantien durch den offentlichen Sektor betreiben. Unternehmen, die unter diese Definition und die des FSB fallen, sind Zweckgesellschaften wie Asset-Backed Commercial Paper (ABCP) Conduits, Structured Investment Vehicles (SIVs), Hedge-, Geldmarkt-, Renten-, und Pensionsfonds (Pozsar et al. 2010, Abstract) sowie Finanzierungsgesellschaften, Wertpapierhauser und Versicherer (Europaische Kommisson 2012, S.4).
Aufgrund der Komplexitat der Thematik erscheint es nicht verwunderlich, dass in der Literatur lange Uneinigkeit uber eine genaue Definition von Schattenbanken bestand. Insbesondere war umstritten, ob sich der Begriff lediglich auf Unternehmen beschrankt (Lo 2008, S.4), zusatzlich Tatigkeiten miteinschliefit (Europaische Kommisson 2012, S.4), oder sogar Instrumente, Strukturen und Markte erfasst (Tucker 2010, S.2).
Heutzutage wird als allgemeiner Konsens weitestgehend ubereinstimmend die Definition des FSB herangezogen (Bundesverband deutscher Banken e. V. 2014, S.8).
Um eine Vorstellung uber die Tatigkeiten einer Schattenbank zu erhalten, soll nachfolgend ein Blick auf die Funktionsweise der Institute geworfen und hierbei insbesondere auf die Kreditintermediation eingegangen werden.
2.1. Funktionsweise von Schattenbanken
Wie bei traditionellen Banken haben auch Schattenbanken einen Kreditintermediationsprozess als Ziel (Pozsar et al. 2010, S.10). Wahrend bei Banken im traditionellen Einlagen- und Kreditgeschaft (Commercial Banking) kurzfristig angelegte Ersparnisse von Kapitalgebern in langfristige Investitionen umgewandelt werden (Zimmermann 2012, S.107), versuchen Schattenbanken risikobehaftete, langfristige Kredite durch Verbriefungsprozesse in kurzfristige und scheinbar risikolose Geldmarktinstrumente zu transformieren (Pozsar et al. 2010, S.11f). Um diesen Transformationsprozess zu verstehen, ist eine genauere Betrachtung der Kreditintermediation notwendig.
Im Gegensatz zum traditionellen Bankensystem wird diese nicht unter einem Dach, also innerhalb einer Bank, sondern in einer langen Kette von Nichtbanken durchgefuhrt (Pozsar et al. 2010, S.10). Abbildung 1 veranschaulicht diesen Prozess:
Abbildung 1: Kreditintermediation im Schattenbankensystem
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an Bartman, Buhl, Hertel (2009), S.9.
Zu Begin werden Cash-Flows aus langfristigen Krediten, Anleihen und weiteren Finanzprodukten von einer Hypothekenbank (Originator) an eine dritte Partei verkauft (Rehan
2013, S.20). Dies sind Zweckgesellschaften, auch Special Purpose Vehicles genannt, welche in der Regel von dem Originator ausschliefilich fur diese Transaktionen gegrundet werden (Bartman, Buhl, Hertel 2009, S.3). SPVs finanzieren diese Kaufe durch die Emission von Wertpapieren, so genannter Asset-Backed Securities (ABS) (Moro 2013, S.49). Allgemein sind ABS Wertpapiere (Securities), welche durch Vermogensgegenstande (Assets) abgesichert (backed) werden. Bei den SPVs stellen die gekauften Forderungen der Hypothekenbank die Absicherung dar (Liaw, Eastwood 2000).
Ziel der zwischengeschalteten SPVs ist ein Tranchierungseffekt (Bartman, Buhl, Hertel 2009, S.4). Die von der Zweckgesellschaft eingekauften Forderungen werden zu einem Pool zusammengefasst und anschliefiend in verschiedene Tranchen mit unterschiedlichen Ausfallwahrscheinlichkeiten eingeteilt (Moro 2013, S.49). In der Regel erfolgt eine Gliederung in eine Senior-, Mezzanine- und Equity-Tranche (Claessens et al. 2012, S.7), wobei die Senior-Tranche gegenuber den nachrangigen Tranchen bei der Distribution der Zahlungen Prioritat besitzt. Bei Zahlungsausfallen werden zunachst die nachrangigen Tranchen (Equity) nicht bedient. Erst bei einem vollstandigen Ausfall der Zahlungen einer nachrangigen Tranche, wird die darauffolgende mit Kreditausfallen belastet. Aufgrund dieser kaskadenartigen Verteilung, auch Wasserfall-Mechanismus genannt (Bartman, Buhl, Hertel 2009, S.5), wird die Senior-Tranche mit einem AAA-Rating klassifiziert. AAA entspricht der besten Risikokategorie (hochste Bonitat, geringes Ausfallrisiko) (Gleifiner, Fuser 2002, S.52). Dieser Verteilungsmechanismus wird in Abbildung 2 illustriert:
Abbildung 2: Tranchierung innerhalb des Kreditintermediationsprozesses
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an Bartman, Buhl, Hertel (2009), S.5.
Ziel des ABS-Erzeugers ist es, die Senior-Tranche moglichst grofi zu gestallten, ohne das AAA-Rating zu verlieren (Hull 2011, S.404f). Um das Volumen von AAA-klassifizierten Tranchen zu erhohen, kann dieser Diversifikationseffekt mehrmals mit weiteren Zweckgesellschaften hintereinandergeschaltet werden (Claessens et al. 2012, S.7). Hierbei sind mehrere Methoden moglich: Beispielsweise werden unterschiedliche Mezzanine- Tranchen zu einem neuen Finanzprodukt zusammengefasst, welches wiederum eine grofie AAA-klassifizierte Tranche ausweist (Hull 2011, S.406f), wie in Abbildung 3 dargestellt:
Abbildung 3: Mehrfach-Tranchierung von Mezzanine-Tranchen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an Hull (2011), S.407.
Zum anderen konnen Wertpapiere unterschiedlicher Forderungen und Risikoklassen wie Senior, Mezzanine und Equity kombiniert und zu so genannten Collatarized Debt Obligations (CDOs) zusammengefasst werden. Abbildung 4 illustriert diesen Prozess:
Abbildung 4: Mehrfach-Tranchierung mit CDOs und CDOs2
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
ABS-Anleihen
Die bei mehrfachen Verbriefungen entstehenden Finanzprodukte sind mit einem Portfolio von CDOs unterlegt und werden als CDOs-Squared (CDO2) bezeichnet (Whetten, Adelson 2005, S.1). Je langer die Kette der SPVs, desto starker sind die Wertpapiere am Ende diversifiziert und desto grofier ist die erstklassig klassifizierte Senior-Tranche (Bartman, Buhl, Hertel 2009, S.7).
Der erste Schritt der Kreditintermediation ist folglich die Umwandlung risikobehafteter Kreditforderungen in Finanzprodukte, welche von Marktteilnehmern als komplett sicher angesehen und von Ratingagenturen mit dem bestmoglichen Ranking (AAA) klassifiziert werden. Dieser Prozess, auch Kreditrisikotransformation genannt, wird unter Fristenkongruenz durchgefuhrt. Das bedeutet, die durch die SPVs veraufierten Produkte haben die gleiche, oder ahnliche Laufzeiten wie der vom Originator eingekaufte Kreditpool (Claessens et al. 2012, S.7).
Im Anschluss erfolgt eine Fristentransformation (Claessens et al. 2012, S.7): Die im Verbriefungsprozess entstehenden Wertpapiere (ABS und CDOs) werden nun von einer weiteren Zweckgesellschaft (Conduit) aufgekauft, um dann an Endinvestoren veraufiert zu werden (Beyer, Mader, Otsch 2013, S.15). Der Kauf der langfristigen Forderungen wird durch die Emission sehr kurzfristiger Schuldverschreibungen (Aberer, Gruber 2007, S.1147) mit einer Falligkeit zwischen einem und 360 Tagen gegenfinanziert. Diese Schuldverschreibungen sind mit den durch die Conduits erstandenen Forderungen unterlegt und werden daher als Asset-Backed Commercial Paper (ABCP) bezeichnet (Rehan 2013, S.20).
Im letzten Schritt der Kreditintermediationskette muss fur eine ausreichende Liquiditat der teilnehmenden Finanzinstitute gesorgt werden. Hierfur werden zum einen die kurzfristigen ABCP an Geldmarktfonds veraufiert (Claessens et al. 2012, S.7), in welche Anleger zu einem stabilen Nettovermogen (Net Asset Value, NAV) von einem Dollar je Anteil investieren konnen (Hellwig, Admati 2013, S.441). Hierbei garantieren die als Administratoren, bzw. Sponsoren des ABCP-Conduits fungierenden Kreditinstitute, Liquiditatslinien bereitzustellen (Rehan 2013, S. 22), falls das Institut uber den ABCP-Markt nicht ausreichend Liquiditat erhalt (Deutsche Bundesbank 2007, S.24). Zum anderen werden Langerfristige CDOs und ABS aufgrund der hoheren Renditen eher von Pensions-, Hedge- oder Investmentfonds aufgekauft. Zusatzlich dient der Markt fur Sale and Repurchase Agreements (Repo) als Finanzierungsquelle (Beyer, Mader, Otsch 2013, S.15).
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