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Hausarbeit (Hauptseminar), 2015
23 Seiten, Note: 2,3
Didaktik für das Fach Deutsch - Deutsch als Fremdsprache, DaF
1.0 Die Forschungsfrage
2.0 Legitimation von selbsttätigen Lernformen im Fremdsprachenunterricht
2.1 Selbsttätigkeit und Selbständigkeit - was ist der Unterschied?
2.2 Kindheit im Wandel
2.3 Selbsttätiges Lernen unter lerntheoretischer Perspektive
2.4 Empfehlungen des Europarats zur Lernerautonomie im Fremdsprachenunterricht
3.0 Selbständigkeit durch Selbsttätigkeit: Methodische Umsetzung im Fremdsprachenunterricht
3.1 Die Vermittlung von Lernstrategien als Teil des Fremdsprachenunterrichts
3.2 Selbständiges und handlungsorientiertes Lernen in Lernszenarien
4.0 Ausblick
5.0 Literatur
Wie effektiv ist ein Fremdsprachenunterricht, der die Selbsttätigkeit der Lernenden fordert?
Selbsttätigkeit im Fremdsprachenunterricht - warum und wie?
Diese Seminararbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie sich selbsttätiges Lernen im Fremdsprachenunterricht legitimiert, wie dies umgesetzt werden kann und welche Effekte sich im Vergleich zu einem vom Lehrenden gesteuerten Unterricht ergeben.
Diesbezüglich können jedoch weder ein Medium noch eine Skala vorgestellt werden, die in der Lage wären, die Effektivität von Unterricht zu messen. Vielmehr wird auf wissenschaftliche Befunde zurückgegriffen, die den Erfolg eines Fremdsprachenunterrichts, bei dem sich die Lernenden aktiv am Lehr- und Lernprozess beteiligen, überprüfen. Es wird immer wieder ein Vergleich zwischen traditionellen Lernformen, die lange Zeit dem pädagogischen Konsens angehörten, und neuen Lernformen angestellt, die eigenständiges Arbeiten fördern.
Was ist überhaupt ein effektiver Fremdsprachenunterricht? Effektivität bezieht sich hier auf einen für alle Beteiligten erfolgreichen Prozess: Die Lernenden lenken ihre Aufmerksamkeit auf den Lerngegenstand und lassen sich nicht ablenken. Das Gelernte wird behalten und nicht nur im Kurzzeitgedächtnis abgespeichert. Lernen wird dabei nicht als Last, sondern als gewinnbringendes Handeln betrachtet.
Viele Lehrende übernehmen Unterrichtsformen, in denen sie sich selbst zurücknehmen und die Lernenden aktivieren. Andere hingegen zögern, da sie befürchten, die Lernenden würden überfordert. Sie haben sich mit folgenden Fragestellungen auseinanderzusetzen:
Ist ein offener Unterricht effektiver?
Können Lernende überhaupt etwas lernen, wenn sie selbst tätig sind?
Wie können sie eine Sprache lernen, wenn der Lehrende den Lehrprozess den Lernenden überlässt?
Welche Bedingungen müssen erfüllt werden, um selbstgesteuertes Lernen zu ermöglichen? Welche Aufgabe hat dann der Lehrende im Fremdsprachenunterricht noch? Wie kann das Sprachenlernen in solch einem Unterricht bewertet werden? Diese Fragen sollen im Laufe dieser Arbeit weitestgehend beantwortet werden. Die in dieser Arbeit verwendete männliche Form schließt die weibliche mit ein.
In diesem Kapitel werden zunächst die Begriffe Selbsttätigkeit und Selbständigkeit voneinander abgegrenzt. Im Anschluss daran wird aufgezeigt, wie sich der Wandel der Gesellschaft auf das kindliche Leben auswirkt und was dies für den Unterricht bedeutet. Unter lerntheoretischem Gesichtspunkt wird die konstruktivistische Lerntheorie umrissen, um das moderne Verständnis von Lernprozessen zu untermauern. Abschließend werden die Empfehlungen des Europarats zum Fremdsprachenlernen dargestellt, die die Lernerautonomie unterstreichen.
Die Idee des Prinzips der Selbsttätigkeit geht bereits auf COMENIUS zurück, der im 17. Jahrhundert auf dem Weg zur Aufklärung die erste Didaktiklehre entwarf, dessen Grundprinzipien ROUSSEAU und PESTALOZZI später wieder aufgriffen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Prinzip im Zuge der Reformpädagogik wieder neu belebt. Gerade MARIA MONTESSORI („Hilf mir, es selbst zu tun!“) und CÉLESTIN FREINET stützten ihre Konzepte mit dem Prinzip der Selbsttätigkeit (vgl. ASSELMEYER 2007., 1362).
Die Begriffe Selbsttätigkeit und Selbständigkeit werden in der wissenschaftlichen Literatur oft uneinheitlich verwendet. Im Kontext der Pädagogik fokussiert die Selbsttätigkeit den Prozess des aktiven Tuns, wohingegen die Selbständigkeit als Ziel der Selbsttätigkeit gilt. Zudem kursieren Begriffe wie Selbstbestimmung, Selbststeuerung, eigenverantwortliches Lernen sowie Lernerautonomie. Sie alle haben gemeinsam, dass Lernen für den Lerner auf einer persönlichen und möglichst natürlichen Ebene stattfindet (vgl. a.a.O., 1361).
DICKINSON unterscheidet selbstgesteuertes Lernen und Lernerautonomie (vgl. 1987, 10f.). Selbstgesteuertes Lernen nimmt vor allem die Aufbereitung der Materialien in den Blick, die so gestaltet sein muss, dass der Lernende alleine lernen kann. Lernerautonomie hingegen ist gegeben, wenn der Lerner seine Aufgaben selbständig wählt und eigenverantwortlich bearbeitet. Der Lehrende ist dabei darum bemüht, die Lernenden in die Organisationsprozesse des Unterrichts miteinzubeziehen, so dass Verantwortung für das eigene Lernen übernommen werden kann.
Unter Selbsttätigkeit im Unterricht versteht man die sukzessive eigenverantwortliche Übernahme der Unterrichtsorganisation. Charakteristisch für sie sind Aktivität, Intensität und Spontaneität. Selbständigkeit ist dann erreicht, wenn der Lerner nicht mehr der „Fremdaufforderung zur Selbsttätigkeit bedarf“ (BENNER 1983, 295). Selbständigkeit setzt voraus, dass die Lernenden über ein ausreichendes Methodenrepertoire sowie Lernstrategien verfügen, die es ihnen ermöglichen, eigenverantwortlich zu arbeiten. Im Rahmen von Unterrichtsangeboten, die die Lernenden selbst tätig werden lassen, muss eine gewisse Methodenkompetenz gewonnen werden. Die Selbsttätigkeit geht somit der Selbständigkeit voraus und dient als Medium, um diese zu erreichen.
Es stellt sich nun die Frage, wie dieses Prinzip im Fremdsprachenunterricht umgesetzt werden kann, in dem sprachliche Kommunikation eine tragende Rolle spielt.
Gibt es eine Lernform für den Fremdsprachenunterricht, die effektiver ist als ein vom Lehrenden gesteuerter Prozess, dessen Sprache ein wichtiges Medium darstellt?
Bevor diese Fragen diskutiert werden, wird erörtert, wie sich selbsttätiges Handeln im fremdsprachlichen Unterricht legitimiert.
Selbsttätigkeit im fremdsprachlichen Unterricht ist heute im Hinblick auf den rapiden Wandel der Gesellschaft von großer Bedeutsamkeit. Aufgabe von Lehrenden ist es, den Lernenden solche Situationen zu bieten, in denen ihnen Eigen- und Erkenntnistätigkeit ermöglicht wird. Begründet wird dies mit einer Veränderung der Kindheit. Durch die rasche Technologisierung in der modernen Gesellschaft entstehen zwar neue Spielformen, selbsttätige und selbstgesteuerte Handlungsoperationen nehmen jedoch ab. Kinder beschäftigen sich zunehmend mit vorfabrizierten Spielsachen; Spielen ist vorstrukturiert, findet häufig alleine und in geschlossenen Räumen statt, so dass Zusammenhänge sowie echtes Verstehen durch eigenes Tun gar nicht erst zustande kommen (vgl. ROLFF/ ZIMMERMANN 1997, 125). Der Überfluss an Spielzeug in den meisten Kinderzimmern führt zu einer Verarmung der Kindheit, die sich an Motivationslosigkeit, Isoliertheit und Bewegungsarmut vieler Kinder zeigt (vgl. a.a.O., 148). Es findet insofern ein Verlust an Eigentätigkeit statt, dass Kinder sich heute nur noch selten mit der Objektwelt auseinandersetzen, die nicht nur die Verwendung und den Konsum eines Gegenstandes umfasst, sondern auch dessen Planung und Herstellung. Das vorhandene Potenzial wird somit nicht genutzt und die Aneignung von Erfahrungen erfolgt nur aus sekundärer Hand. Selbstbild, Selbstsicherheit, Kompetenz und Urteilsvermögen können sich auf diese Weise nicht genügend entwickeln. Bei der aktiven und eigentätigen Produktion eines Objekts dagegen bilden sich diese Kompetenzen aus. Eigentätigkeit ist zudem grundlegend für die Erkenntnistätigkeit. Durch die produktive Tätigkeit werden Merkmale und Gebrauchsmöglichkeiten des behandelten Gegenstands direkt erfahren: „Wenn man etwas wirklich verstehen will, muss man es entstehen sehen“ (a.a.O., 152).
Des Weiteren ist durch den Konsum neuer Medien eine Abnahme eigener Erfahrungen zu verzeichnen. Während ROLFF und ZIMMERMANN noch den Fernseher anführen, verstärken heute Internet und soziale Netzwerke das Problem in zunehmendem Maße.
Die Aneignung von Wissen durch die neuen Medien erfolgt oberflächlich und nur durch eine Perspektive, die nicht vom Rezipienten selbst gewählt wurde, sondern von einer weiteren Instanz. Es wird eine Wirklichkeit dargestellt, wie sie ein anderer subjektiv sieht. Die Vielschichtigkeit sämtlicher Themen und Gegenstände bleibt außer Acht, ein echtes Verstehen findet somit nicht statt und Kreativität sowie die Fähigkeit zur Phantasie werden eingeschränkt (vgl. a.a.O., 153f.). Gerade beim Fernsehen findet keine Wechselwirkung statt, kein Austausch, keine Rückmeldung oder Selbstreflexion. Die Einseitigkeit, der der Rezipient ausgesetzt ist, macht ihn zum reinen Konsumenten, so dass eine eigentätige Aneignung von Erfahrung ausbleibt.
In diesem Sinne ist es für den Unterricht von hoher Relevanz, Angebote darzulegen, die den Lernenden zur Selbsttätigkeit und zur Kommunikation mit anderen Lernenden anregen.
Dessen ungeachtet dürfen Medien wie Desktop-PCs, Laptops oder Tablets nicht einfach aus dem Fremdsprachenunterricht verbannt werden. Entscheidend ist hier der richtige Umgang und der Erwerb von Medienkompetenz. Neue Medien können in Bezug auf ein vielfältiges Unterrichtsangebot und neben handlungsorientierten Aufgaben eingesetzt werden, sprechen zudem audiovisuelle Lerntypen an und erhöhen die Motivation.
Der moderne Fremdsprachenunterricht steht somit vor der Herausforderung, den Lernenden verschiedene Zugänge zu den Lerngegenständen zu eröffnen. Hinsichtlich der neuen Medien bedeutet dies, sinnvolle Aufgaben anzubieten und diese mit handlungsbezogenen Elementen zu kombinieren. Die konstruktivistische Lerntheorie bietet diesbezüglich bedeutende Impulse.
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