In diesem Aufsatz soll sich speziell mit der Chronologie der älteren Merowingerzeit nach Ament auseinandergesetzt werden. Zunächst wird Aments wichtigster Vorläufer diskutiert, nämlich H. Böhner, der bereits 1958 ein eigenes, sehr wirkungsmächtiges Chronologiesystem publiziert hat, auf dem Ament aufbaut (Kap. 2).
Nach der kurzen Darstellung von Aments neuer Chronologie soll anschließend die Methode der Belegungschronologie am Beispiel des Gräberfeldes von Rübenach erläutert werden, da die belegungschronologische Analyse dieses Fundplatzes eine wesentliche Inspiration für Aments System dargestellt hat (Kap. 3).
Im Hauptteil dieser Arbeit soll schließlich versucht werden, charakteristisches Fundgut der Stufen AM I, AM II und AM III nach Ament zu ermitteln, da er selbst solches nicht definiert hat (Kap. 4).
Um zu einem tieferen kulturhistorischen Verständnis einer vor- oder frühgeschichtlichen Zeitstufe zu gelangen, ist es unumgänglich, den Bestand an bekanntem archäologischen Material dieser Epoche in eine chronologische Zeitabfolge zu bringen. Das trifft besonders auf die Merowingerzeit zu, deren Bestand an bekannten Funden und Befunden durch jahrzehntelange Ausgrabungs- und Publikationstätigkeit unüberblickbare Ausmaße angenommen hat. Hunderte vollständig bearbeitete und publizierte merowingerzeitliche Gräberfelder mit oft über 1000 ausgegrabenen Gräbern aus einem Gebiet, das große Teile West- und Mitteleuropas umfasst, stehen der Frühmittelalterforschung zur Verfügung, und dieser Befundbestand ist im stetigen Wachsen begriffen.
Um dieses umfangreiche Material zu gliedern, ist es notwendig, überregional gültige Chronologiesysteme zu entwickeln, die idealerweise jeden Fund und jeden Grabbefund einer eindeutigen Stufe, und damit auch einem absolutchronologisch fixierten Zeitraum zuweisen können.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Chronologiesystem von K. Böhner und dessen Weiterentwicklung bei H. Ament
3. Die Methode der Belegungschronologie
4. Das Fundmaterial der älteren Merowingerzeit nach H. Ament
4.1 Vorbemerkungen
4.2 Stufe AM I – Der Goldgriffspathenhorizont
4.3 Die Stufen AM II und AM III
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsteil
1. Einleitung
Um zu einem tieferen kulturhistorischen Verständnis einer vor- oder frühgeschichtlichen Zeitstufe zu gelangen, ist es unumgänglich, den Bestand an bekanntem archäologischen Material dieser Epoche in eine chronologische Zeitabfolge zu bringen. Das trifft besonders auf die Merowingerzeit zu, deren Bestand an bekannten Funden und Befunden durch jahrzehntelange Ausgrabungs- und Publikationstätigkeit unüberblickbare Ausmaße angenommen hat. Hunderte vollständig bearbeitete und publizierte merowingerzeitliche Gräberfelder mit oft über 1000 ausgegrabenen Gräbern aus einem Gebiet, das große Teile West- und Mitteleuropas umfasst, stehen der Frühmittelalterforschung zur Verfügung, und dieser Befundbestand ist im stetigen Wachsen begriffen. Um dieses umfangreiche Material zu gliedern, ist es notwendig, überregional gültige Chronologiesysteme zu entwickeln, die idealerweise jeden Fund und jeden Grabbefund einer eindeutigen Stufe, und damit auch einem absolutchronologisch fixierten Zeitraum zuweisen können.
Natürlich ist die Entwicklung eines solches idealen System niemals zu erbringen, nicht zuletzt deshalb, weil kontinuierlich neu hinzukommende Grabungsbefunde alte Anschauungen ständig zur Revision stellen. Die Chronologiediskussion in der Merowingerzeitforschung ist demnach auch heute noch in vollem Gange.
Einer der wichtigste Exponenten in der Diskussion, der Archäologe H. Ament, entwickelte in den 1970er Jahren ein Chronologiesystem der Merowingerzeit, das, im Gegensatz zu vielen andere Chronologien, überregionalen Anspruch hat. Aments System wird noch immer gelegentlich verwendet, weswegen es sich lohnt, sich mit den Arbeiten von Ament auch heute noch auseinanderzusetzen.
In diesem Aufsatz soll sich speziell mit der Chronologie der älteren Merowingerzeit nach Ament auseinandergesetzt werden. Zunächst wird Aments wichtigster Vorläufer diskutiert, nämlich H. Böhner, der bereits 1958 ein eigenes, sehr wirkungsmächtiges Chronologiesystem publiziert hat, auf dem Ament aufbaut (Kap. 2). Nach der kurzen Darstellung von Aments neuer Chronologie soll anschließend die Methode der Belegungschronologie am Beispiel des Gräberfeldes von Rübenach erläutert werden, da die belegungschronologische Analyse dieses Fundplatzes eine wesentliche Inspiration für Aments System dargestellt hat (Kap. 3). Im Hauptteil dieser Arbeit soll schließlich versucht werden, charakteristisches Fundgut der Stufen AM I, AM II und AM III nach Ament zu ermitteln, da er selbst solches nicht definiert hat (Kap. 4).
2. Das Chronologiesystem von K. Böhner und dessen Weiterentwicklung bei H. Ament
Das Chronologiesystem von H. Ament lässt sich ohne das seines wichtigsten Vorgängers, K. Böhner, nicht verstehen. Böhner stellte in seiner Monographie von 1958 die Ergebnisse seiner typologisch-chronologischen Untersuchungen am merowingerzeitlichen Fundmaterial des Trierer Landes vor[1]. Er gelangte zu einer Vierteilung der Merowingerzeit, und fügte eine weitere, vormerowingerische Stufe hinzu. Absolutchronologisch lassen sich diese fünf Stufen folgendermaßen fixieren[2]:
Stufe I: vor 450 n. Chr. (vormerowingerzeitlich)
Stufe II: 450 – 525 n. Chr.
Stufe III: 525 – 600 n. Chr.
Stufe IV: 7. Jh. n. Chr.
Stufe V: 1. Hälfte des 8. Jhs. n. Chr.
Für jede der vier Stufen der Merowingerzeit wurde jeweils ein großer Apparat an charakteristischen Leitfunden definiert.
Böhner bediente sich bei der Entwicklung seines Chronologiesystems der Methode der statistischen Auswertung von geschlossenen Grabinventaren. Abgesichert wurde sowohl die Abfolge der einzelnen Stufen als auch die absolutchronologische Fixierung durch die Auswertung münzdatierter Gräber[3].
Mit Böhners System wird bis heute in der Merowingerzeitforschung gearbeitet. Trotz dieses offensichtlichen Erfolgs blieb es nicht unwidersprochen. G. Fingerlein nennt in seiner Bearbeitung der Gräberfelder von Güttingen und Merdingen drei Kritikpunkte an der Chronologie nach Böhner[4]: Erstens sei das System zu grob, da die einzelnen Stufen zu große Zeitspannen umfassten. Zweitens habe sich, wie bereits erwähnt, Böhner allein auf merowingerzeitliche Inventare des Trierer Landes gestützt, erhebe aber gleichzeitig überregionalen Anspruch seines Systems[5]. Drittens wird Böhners Methode kritisiert: Sie bestehe allein in der Auswertung der geschlossenen Grabinventare, und ließe dabei den Belegungsablauf der Gräberfelder aus dem Blick.
H. Ament publizierte 1977 in der Zeitschrift Germania ein neues Chronologiesystem der Merowingerzeit[6]. Dieses baut auf Böhners System auf, scheint aber auf jeden der drei von Fingerlein formulierten Kritikpunkte zu reagieren. Erstens ist Aments System weniger grob, da es Böhners Stufen III und IV jeweils zweiteilt. Damit umfasst seine Einteilung der Merowingerzeit sechs Stufen statt vier wie bei Böhner. Zweitens stützt sich Ament nicht auf eine singuläre Region, sondern bezieht von Anfang an Gräberfelder aus einem größeren geographischen Rahmen mit ein. Drittens betont Ament die Wichtigkeit der Belegungschronologie zur nachträglichen Absicherung des über die Analyse der Fundinventare erarbeiteten Stufensystems.
Aments System ist als direkte Modifikation von demjenigen Böhners zu verstehen (Abb. 1). Zunächst wird Böhners Stufe I herausgestrichen[7]. Die eigentliche Merowingerzeit lässt Ament um 480 n. Chr., genauer zum Zeitpunkt der Grablegung des Frankenkönigs Childerichs im Jahr 482 n. Chr., beginnen, und das Ende setzt er um 720 n. Chr. an[8]. Der entstehende zeitliche Rahmen von 240 Jahren wird zweigeteilt in eine ältere und eine jüngere Merowingerzeit mit der Zeitgrenze um 600 n. Chr., die damit parallel geht zu der Grenze zwischen Böhner III und IV.
Die erste Stufe der älteren Merowingerzeit, AM I, entspricht der Stufe Böhner II, und wird von Ament um 480 bis 520/30 n. Chr. datiert. Böhners Stufe III wird zweigeteilt in die Stufen AM II und AM III, deren Zeitgrenze um 560/70 n. Chr. liegt. Um 600 n. Chr. folgt die erste Stufe der jüngeren Merowingerzeit, JM I, die zusammen mit JM II der Stufe Böhner IV entspricht. Die Zeitgrenze zwischen JM I und JM II liegt um 630/40 n. Chr. Die letzte Stufe JM III, die mit Böhner V gleichzusetzen ist, datiert Ament von 670/80 bis 720 n. Chr.
3. Die Methode der Belegungschronologie
In die Entwicklung dieses Chronologiesystems bezog Ament, wie bereits erwähnt, eine Vielzahl von publizierten Gräberfeldern aus dem ganzen Gebiet des Merowingerreiches mit ein. Methodisch arbeitete er primär mittels der Analyse der Fundkombinationen in geschlossenen Grabinventaren[9]. Ein damit entwickeltes Chronologiesystem, so sein Postulat, solle aber im Nachhinein dahingehend überprüft werden, ob es mit dem Belegungsablauf der untersuchten Gräberfelder übereinstimme[10].
Die Praktikabilität der chorologischen Methode in der Merowingerzeitforschung beruht auf der Tatsache, dass die meisten Gräberfelder dieser Zeit als Reihengräberfelder angelegt wurden, sodass man annehmen kann, dass räumlich benachbarte Gräber auch zeitlich nahestehen[11]. Das wäre bei anderen Nekropolenstrukturen nicht der Fall, etwa bei der Anlage voneinander abgetrennter „Familiengruppen“[12]. Neben der Funktion als Probierstein der fundkombinatorisch entwickelten Chronologie hat die belegungschronologische Methode darüber hinaus den Vorteil, dass sich mit ihr auch Gräber zeitlich einordnen lassen, die ansonsten aufgrund mangelnden bzw. fehlenden Inventars, so z.B. aufgrund von Beraubung, keine chronologische Zuordnung zuließen[13].
Aments Anwendung der belegungschronologischen Methode soll im Folgenden anhand eines Beispiels näher erörtert werden, und zwar anhand des Gräberfeldes von Rübenach, Stadt Koblenz, welches 1973 von H. Ament und C. Neuffer-Müller bearbeitet wurde[14]. Dieses Gräberfeld ist im vorliegenden Zusammenhang deshalb relevant, weil es als wesentliche Grundlage von Aments Chronologiesystem anzusehen ist.
Ament und Neuffer-Müller untersuchen mehrere Fundgattungen aus dem Gräberfeld belegungschronologisch, indem sie diese auf dem Plan des Gräberfeldes kartieren. Dadurch zeichnen sich spezifische Entwicklungslinien ab, die nicht nur das Wachstum des Gräberfeldes überzeugend darzustellen vermögen, sondern zugleich als Bestätigung bestimmter typologischer Entwicklungen einzelner Fundgattungen zu verstehen sind. Dies soll am Beispiel der Keramik – traditionell eines wichtigen chronologischen Markers in der Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie – verdeutlicht werden. In ihrer Monographie kartieren Ament und Neuffer-Müller die Knickwandtöpfe mit eingeschwungener Oberwand – Böhners Typ Trier B 6[15] – und verwenden dafür folgende typologische Unterteilungen: Kleine, weitmündige Becher mit rillenverzierter Oberwand und scharfem Umbruch; große Becher mit Einzelstempeln auf der Oberwand; große Becher mit Rollstempel oder deren Imitation auf der Oberwand (Abb. 2). Es zeichnet sich folgende Verteilung ab[16]: Die kleinen Becher mit Rillenverzierung konzentrieren sich im Zentrum des Westteils, und dort vor allem im nördlichen Bereich. Die Becher mit Einzelstempelverzierung finden sich in einem Ring um diesen zentralen Bereich herum, vor allem westlich und südlich davon. Die Becher mit Rollstempelverzierung schließlich finden sich noch weiter außen an der Peripherie des Westteils des Gräberfeldes. Die typologische Entwicklung der Verzierung der Knickwandbecher von der Rillenverzierung über die Einzelstempelverzierung zur Rollstempelverzierung spiegelt sich demnach im Belegungsablauf des Gräberfeldes von Rübenach unzweideutig wieder. Zugleich bekommt man einen Eindruck davon, wie sich die Nekropole tatsächlich entwickelt hat.
Dieser Eindruck wird durch die entsprechende Kartierung anderer Fundgattungen weiter verstärkt. Durch die skizzierte Methode kommen Ament und Neuffer-Müller zu einer detaillierten chorologischen Einteilung des gesamten Gräberfeldes[17] (Abb. 3). Als ältestesten Teil identifizieren sie das Zentrum des Westteils. Diese Zone A wird zwiebelförmig von den Zonen B1, B2 und B3 umgeben. Die Zonen C und D, die bereits in die jüngere Merowingerzeit datieren, tendieren schließlich halbkreisförmig nach Osten.
Wichtig im Zusammenhang dieser Arbeit ist die Synchronisierung dieser Zonenteilung Rübenachs mit dem Chronologiesystem von Böhner[18] (Abb. 4). Die Chorologie Rübenachs bestätigt die chronologische Entwicklung, wie sie von Böhner aufgrund fundkombinatorischer Analysen erarbeitet wurde – damit wird Aments Diktum entsprochen, ein Chronologiesystem solle nachträglich auf seine Übereinstimmung mit dem Belegungsablauf von Gräberfeldern überprüft werden. Wichtiger ist aber, dass die Tabelle bereits große Übereinstimmungen mit dem vier Jahre später publizierten Chronologiesystem von Ament zu erkennen gibt. Markant zeichnet sich der Einschnitt innerhalb von Böhner III zwischen den Zonen A und B1 ab, der um 560 n. Chr. angesetzt wird – ebenso wie die später erfolgte Trennung zwischen AM II und AM III. Außerdem lässt sich schon hier eine Zweiteilung der Stufe Böhner IV durch die Grenze zwischen den Zonen B3 und C erkennen.
4. Das Fundmaterial der älteren Merowingerzeit nach H. Ament
4.1 Vorbemerkungen
Nach der Klärung von Aments Methodik soll im Folgenden das Fundmaterial der älteren Merowingerzeit nach Ament betrachtet werden. Hierzu zunächst einige Anmerkungen. Ament verzichtet darauf, für die einzelnen Stufen seines Systems Leitformen zu definieren. In dieser Hinsicht lässt sich mit Böhners Monographie zum Trierer Land weitaus leichter arbeiten, da hier nicht nur Leitfunde der einzelnen Stufen definiert werden, sondern der Arbeit zugleich ein umfangreicher Tafelapparat beigesellt wird. Diese Hilfestellungen sind bei Aments System nicht gegeben. Er gibt jedoch einige Hinweise, welche Inventare er für die einzelnen Stufen als charakteristisch ansieht.
[...]
[1] Böhner 1958.
[2] Böhner 1958, 17.
[3] Böhner 1967/68, 126; Böhner 1971, 999; Martin 1989, 121.
[4] Fingerlin 1971, 147; vgl. auch Ament 1970-71, 322f.
[5] Laut Böhner sei seine Chronologie der älteren Merowingerzeit nicht nur für das Frankenreich, sondern auch für die Gebiete der Alamannen, Bajuwaren und Thüringer gültig (Böhner 1971, 1000f.).
[6] Ament 1977.
[7] Ament 1977, 138.
[8] Ament 1977, 136f.
[9] Ament 1970-71, 323; Siegmund 1998, 179.
[10] Ament 1976, 286ff.
[11] Siegmund 1998, 178.
[12] Fingerlin 1971, 148.
[13] Ament 1976, 287f.
[14] Neuffer-Müller/Ament 1973.
[15] Böhner 1958, 45.
[16] Neuffer-Müller/Ament 1973, 135f.
[17] Neuffer-Müller/Ament 1973, 130ff.
[18] Neuffer-Müller/Ament 1973, 145ff.