Die klinische Sozialarbeit beschäftigt sich mit Menschen in meist prekären Lebenslagen, die unter großen psychosozialen Belastungen leiden auf Grund ihres Störungsbildes. Die Profession „Soziale Arbeit“ unterstützt in diesem Tätigkeitsfeld die Psychologen und psychiatrischen Ärzte um den Klienten ganzheitlich zu betreuen und ihm Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Da die soziale Umwelt als ein zentral verursachender sowie auch als beteiligter Faktor für Krankheit und Gesundheit anzusehen ist, ist es wichtig, den sozialen Aspekt bei der Behandlung nicht auszuklammern sondern aktiv miteinzubeziehen, dies erfordert die Mitwirkung unserer Profession am Hilfeprozess um in Zusammenarbeit mit den anderen Professionen ein möglichst hohes Potential an systemübergreifender Hilfe zu erzeugen um somit dem Klienten bestmöglich zu helfen und zu unterstützen. Da sich die Erkrankungen, welche im Rahmen der klinischen Sozialarbeit bei den Klienten auftreten, auch auf das soziale Erleben, Handeln und die Umwelt auswirken und somit vielfach eine psychosoziale Belastung hervorrufen, ist es in diesem kontextuellem Zusammenhang essentiell auch die Profession der sozialen Arbeit mit den Hilfeprozess und die Behandlung einzubeziehen.
Im folgendem wird das Störungsbild „Aufmerksamkeitsdefizit – Hyperaktivität-Störung“ erörtert sowie die Psychoedukation von adulten Erwachsenen da die Psychoedukation eine wesentliche Aufgabe der Profession „Soziale Arbeit“ im klinischen Tätigkeitsfeld ausmacht und da Psychoedukation einen immens wichtigen Baustein für Betroffene darstellt, um mit der Erkrankung besser umgehen zu können und den Verlauf zu optimieren. Hierbei kann die Profession der sozialen Arbeit den Betroffenen durch aktive Aufklärung und Unterstützung helfen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Epidemiologie
3. Ätiologie und Psychopathologie
4. Medikation
5. Psychoeduaktion
5.1 Ziele der Psychoeduaktion nach dem Manual „Psychoeduaktion und Coaching von ADHS im Erwachsenenalter
5.2 Individuelle Voraussetzungen zum Besuch der psychoedukativen Gruppe
5.3 Rahmenbedingungen der Psychoedukationsgruppe nach dem Manual „Psychoeduaktion und Coaching von ADHS im Erwachsenenalter
5.4 Didaktische Elemente und Hilfsmittel
5.5 Einbindung in den Versorgungskontext
6. Diskussionspunkte
7. Fazit und weiterführende Gedanken
8. Transfer aus anderen Lehrveranstaltungen des Moduls
Literatur
1. Einführung
Die klinische Sozialarbeit beschäftigt sich mit Menschen in meist prekären Lebenslagen, die unter großen psychosozialen Belastungen leiden auf Grund ihres Störungsbildes. Die Profession „Soziale Arbeit“ unterstützt in diesem Tätigkeitsfeld die Psychologen und psychiatrischen Ärzte um den Klienten ganzheitlich zu betreuen und ihm Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Da die soziale Umwelt als ein zentral verursachender sowie auch als beteiligter Faktor für Krankheit und Gesundheit anzusehen ist, ist es wichtig, den sozialen Aspekt bei der Behandlung nicht auszuklammern sondern aktiv miteinzubeziehen, dies erfordert die Mitwirkung unserer Profession am Hilfeprozess um in Zusammenarbeit mit den anderen Professionen ein möglichst hohes Potential an systemübergreifender Hilfe zu erzeugen um somit dem Klienten bestmöglich zu helfen und zu unterstützen ( Vgl. Pauls, Stockmann; 2013, S. 11) . Da sich die Erkrankungen, welche im Rahmen der klinischen Sozialarbeit bei den Klienten auftreten, auch auf das soziale Erleben, Handeln und die Umwelt auswirken und somit vielfach eine psychosoziale Belastung hervorrufen, ist es in diesem kontextuellem Zusammenhang essentiell auch die Profession der sozialen Arbeit mit den Hilfeprozess und die Behandlung einzubeziehen.
Im folgendem wird das Störungsbild „Aufmerksamkeitsdefizit – Hyperaktivität-Störung“ erörtert sowie die Psychoedukation von adulten Erwachsenen da die Psychoedukation eine wesentliche Aufgabe der Profession „Soziale Arbeit“ im klinischen Tätigkeitsfeld ausmacht und da Psychoedukation einen immens wichtigen Baustein für Betroffene darstellt, um mit der Erkrankung besser umgehen zu können und den Verlauf zu optimieren. Hierbei kann die Profession der sozialen Arbeit den Betroffenen durch aktive Aufklärung und Unterstützung helfen.
2. Epidemiologie
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (von jetzt an abgekürzt mit ADHS) wird bereits im Kindesalter erkennbar. Für Kinder und Jugendliche bis zum 17. Lebensjahr wurde eine Prävalenzrate von 3,9 % ermittelt (Huss 2004 in: Rösler (Hrsg.) 2009, S. 2). AD(H)S als Teilsymptomatik oder auch in voller Ausprägung bleibt bei 60% der Betroffenen im Erwachsenenalter bestehen (Weiss et al. 1985; Mannuza et al. 1993 in: Rösler (Hrsg.) 2009, S. 2).Die Allgemeine Prävalenzrate bei allen Erwachsenen liegt bei ca. 2,5 - 4% (Kessler 2004 in Rösler(Hrsg.)2009, S. 2). Die AD(H)S tritt unter verschiedenen soziokulturellen Bedingungen weltweit auf, das heißt es ist keine Erkrankung, die lediglich in den westlichen Industrienationen vorkommt und sie beschränkt sich nicht auf bestimmte Schichten oder Begabungsniveaus (Barkley und Murphy 1998 in Rösler (Hrsg.) 2009 S. 2). Im Kindes-und Jugendalter überwiegt das männliche gegenüber dem weiblichen Geschlecht im Verhältnis von 2-3: 1. Bei Erwachsenen fallen die Geschlechterunterschiede deutlich geringer aus (Vgl. Rösler(Hrsg.) 2009, S. 2). Generell fallen Prävalenzangaben nach DSM IV höher aus als nach ICD 10, hierbei spielt die Möglichkeit der Subtypenzuordnung in der DSM IV eine entscheidende Rolle. Die Häufigkeit der ADHS in verschiedenen Regionen der Welt unterscheidet sich nicht erheblich (Schmid,Puls,Kahl 2007, S.3 ff.). Somit ist die ADHS in der gesamten Weltpopulation gleichermaßen anzutreffen.
3. Ätiologie und Psychopathologie
Da bei diesem Störungsbild die mangelnde Konzentration und Aufmerksamkeit klar im Vordergrund stehen und hauptsächlich neben der Hyperaktivität und der Impulsivität die zentrale Symptomatik der ADHS ausmachen, ist es wichtig, diese beiden Begriffe anfangs zu definieren:
Aufmerksamkeit ist die zeitlich begrenzte Steuerung der Informationsaufnahme und die Verarbeitung der ausgewählten Reizinformation.
Konzentration ist die willentliche Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf bestimmte Reize oder eine bestimmte Tätigkeit (Vgl. Döpfner 2010, S. 18 ff.).
Die AufmersamkeitsDefizit-/HyperaktivitätsStörung wird folgendermaßen definiert:
AD(H)S ist eine Kombination von überaktiven, wenig modulierten Verhalten mit deutlicher Unaufmerksamkeit und Mangel an Ausdauer bei Aufgabenstellungen und impulsiven Verhaltensmustern sowie Unabhängigkeit dieser Verhaltenscharakteristika von spezifischen Situationen als auch Beständigkeit über einen längeren Zeitraum (min. 6 Monate), des Weiteren müssen mehrere Lebensbereiche (Familie, Freizeit, Kiga/Schule/Beruf ) betroffen sein um von einer AD(H)S sprechen zu können ( Vgl. Schmid,Puls,Kahl 2007, S.4).
Die zentrale Symptomatik der ADHS besteht in allen Lebensaltern aus folgenden Symptombereichen: Aufmerksamkeitsstörung, motorische Überaktivität und Impulsivität.
Die Variante ADS ist gekennzeichnet durch: Tagträumereien, geistige Abwesenheit und Gedankenverlorenheit (alles jedoch ohne motorische Auffälligkeiten).
Die Hyperaktivität Ist gekennzeichnet durch andauernde übermäßige motorische Unruhe, viel Bewegungsdrang und innere Unruhe, das Unvermögen, sich ruhig zu beschäftigen sowie starkem Rededrang.
Die Impulsivität ist gekennzeichnet durch Ungeduld,sofortiges „herausplatzen“ mit einer Antwort, das Unterbrechen von anderen und Störung anderer sowie durch voreiliges und unbedachtes Handeln und durch Wutanfälle ( Vgl. Rösler 2009, S.5).
Bei ca. 50% ist die neurobiologische Störung, der ADHS zu Grunde liegt, genetisch bedingt (somit erblich veranlagt), entsprechend tritt die Krankheit in der nahen Verwandtschaft (Verwandtschaft ersten und zweiten Grades) häufiger auf. Bei der Störung sind Bereiche des Frontalhirns, in welchen die Motivation, Kognition, Emotion und das Bewegungsverhalten reguliert und deren Zusammenwirken koordiniert wird, betroffen. Mediziner sprechen auch von einer stratiofrontalen Dysfunktion da neben dem Frontalhirn auch Bereiche des sog. Stratiums (Teil der zum Großhirn gehörenden Basalganglien gehört) betroffen sind. Ursache für ADHS ist eine Abnormität der Signalverarbeitung im Gehirn – diese Störung basiert auf einem Mangel bzw. einer verminderten Wirkung der Neurotransmitter Noradrenalin und Dopamin. Über Noradrenalin wird die Aufmerksamkeit gesteuert, über Dopamin die Motivation. Resultat der gestörten Signalverarbeitung ist die Konzentrationsschwäche sowie das Unvermögen, äußere Reize nach Wichtigkeit und Unwichtigkeit zu filtern, dies bewirkt die leichte Ablenkbarkeit und die ständige Reizüberflutung. Auf eine verminderte Aktivität des Frontalhirns deuten neben der reduzierten Signalübertragung durch die Neurotransmitter zudem Veränderungen im Glukose-Stoffwechsel hin. In der Region des Frontalhirns wird somit weniger Glukose umgesetzt, dies bewirkt, dass diesem Hirnareal weniger Energie zur Verfügung steht. Zudem wurden Minderdurchblutungen im Frontalhirn festgestellt (Vgl. Schmid, Puls, Kahl 2007, S.7 ff.). Neben der ererbten ADHS gibt es zahlreiche Risikofaktoren, die in der anamnestischen Erhebung unbedingt erfragt und berücksichtigt werden müssen, hierzu zählen: Komplikationen während der Schwangerschaft und / oder der Geburt, niedriges Geburtsgewicht, Infektionen, Erkrankungen und Verletzungen des Zentralnervensystems, eine vermehrte Aufnahme von Schadstoffen sowie Alkohol-und/oder Zigarettenkonsum während der Schwangerschaft. Eine medizinische Untersuchung ist zur ganzheitlichen diagnostischen Abklärung unerlässlich, um somatische Differentialdiagnosen auszuschließen. Zu den somatischen Differentialdiagnosen gehören: Eine frühkindliche Hirnschädigung (durch Sauerstoffmangel, Unfälle, Hirnblutungen), Schädelhirntraumata, Hirntumore, Entzündungen des Gehirns, Epileptische Erkrankungen, das Schlafapnoe-Syndrom, Narkolepsie, das Restless-legs-Syndrom, Schilddrüsenüber- oder Unterfunktion, Diabetes Mellitius oder die Einnahme psychotroper Substanzen. Komorbide Störungen der ADHS sind: Intelligenzminderung, Tic-Störungen, ein negatives Selbstkonzept und depressive Störungen aufgrund des oftmaligen Scheiterns an Aufgaben und Anforderungen der Umwelt, Angststörungen, Beeinträchtigte Beziehungen, Sprach -/ Sprechstörungen, Schlafstörungen sowie oftmals Substanzabusus zur Selbstmedikation (Vgl. Roy (Hrsg.) 2012, S. 62 ff.). Eine Zusammenfassung der allgemeinen Symptomatik der Betroffenen soll hierzu einen Überblick auf die daraus resultierenden Problematiken im Alltag der Betroffenen liefern.
Auf Grund von Unstrukturiertheit in allen Lebensbereichen fällt es den Betroffenen schwer, ihren Alltag zu organisieren und sinnvoll zu strukturieren, Termine werden oftmals vergessen bzw. nicht eingehalten und Aufgaben meist nicht pünktlich und vollständig erledigt. Diese Unstrukturiertheit tangiert alle Lebensbereiche der Betroffenen, von der Organisation der Wohnung bis hin zur Arbeit. Dies führt oft zu einer immensen Selbstwertproblematik da auf Grund der individuellen Lerngeschichte meist nur negative Erfahrungen wie z. B das ständige Versagen ein sehr negatives Selbstkonzept ausgeprägt wurde. Dies gilt es bei der Behandlung zu dekonstruieren und einen Perspektivwechsel zu erzeugen um den Betroffenen zu mehr Lebensqualität und Zufriedenheit zu verhelfen. Durch mangelnde Frustrationstoleranz und starke Stimmungsschwankungen sowie zum Teil auch Aggressivität kommt es vermehrt auch zu Störungen im zwischenmenschlichem Bereich, diese Symptome haben eine große Auswirkung auf die Lebenswelt der Betroffenen sowie deren Angehörigen und bedürfen einer – meist sozialarbeiterischen – Intervention um zum einem eine Stabilisierung der Lebensumstände zu erzielen durch die Förderung von Verständnis des Krankheitsbildes und deren Symptome und zum anderen durch aktive Beteiligung der Angehörigen um diese zu entlasten. Es gilt die Betroffenen für ihre teilweise vorherrschende „-Gefahrenblindheit“ auf Grund der mangelnden Impulskontrolle zu sensibilisieren um die Involvierung in Unfälle zu reduzieren. Durch gezielte Psychoedukation soll die vorherrschend erhöhte Depressivität und Ängstlichkeit reduziert werden und den Betroffenen somit auch einen Teil des Leidensdrucks durch die Krankheit bzw. deren Symptomatik nehmen. Da die Betroffenen auch oft an Gedächtnislücken leiden, bietet sich ein kognitives Training zur Verbesserung der Merkfähigkeit an sowie die Vermittlung von diversen Selbstmanagementstrategien. Um die Stressintoleranz zu reduzieren, ist es wichtig, mit den Betroffenen die Stressfaktoren zu identifizieren und gemeinsam ein Konzept zu erarbeiten, wie sich diese zum einem reduzieren lassen sowie Coping Strategien für Stresssituationen zu erarbeiten. Dies stellt nur einen kleinen Teilausschnitt der Interventionen dar, in der Psychoedukation werden diese weiter erörtert.
4. Medikation
Eine medikamentöse Behandlung ist bei Mittel- und Schwer betroffenen in vielen Fällen angezeigt. Ziel dieser Behandlung ist es, hyperkinetische Symptome zu mindern, die Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Selbststeuerungsfähigkeit zu verbessern sowie den Leidensdruck der Betroffenen zu mindern. In manchen Fällen werden so erst die Voraussetzungen für weitere therapeutische Arbeit geschaffen. Zur medikamentösen Behandlung der ADHS werden in erster Linie Stimulanzien eingesetzt, welche primär die Wirkung der Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin im Gehirn verstärken. Dazu gehören Methylphenidat und Amphetamin, die etwa seit Mitte der 1950er Jahre verwendet werden (Vgl. Rösler(Hrsg.) 2009, S.18 ff.).
5. Psychoeduaktion
Psychoedukation entstand durch die Verhaltenstherapie in den 1970ern und bedeutet so viel wie: „ Schulung von Menschen, die an einer psychischen Störung leiden“ (Behrend und Schaub 2005 in:Rösler(Hrsg.) 2009, S.23). Durch Einbeziehung der Psychoedukation in die Behandlung kann eine enorme Senkung der Kosten sowie eine Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen sowie deren Umfeld erwirkt werden. Generell gilt hierbei: Je jünger der Patient ist, desto mehr tritt die Psychoeduktion des Patienten in den Hintergrund, das heißt bei Kindern mit AD(H)S sind die Adressaten der Psychoeduaktion die Eltern bzw. die direkten Bezugspersonen. Ziel der Psychoedukation ist es, die Störung besser verstehen zu lernen um besser mit ihr umgehen zu können, indem die persönlichen Erfahrungen mit der Störung mit dem (erworbenen) Wissen über die Störung verbunden werden kann.
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