In dieser Arbeit geht es um das Krankheitsbild Demenz. Die Formen der Demenz werden aufgezeigt, die Stadien der Demenz und ihre Auswirkungen werden erläutert, die Epidemiologie der Demenz wird dargestellt und auf die Anforderungen an die die Pflege und Betreuung dementiell erkrankter Menschen wird eingegangen.
Demenz, aus dem lateinischen de (=weg) und mens (=Geist) zusammengesetzt, heißt wörtlich übersetzt soviel wie „der Geist (oder die geistigen Fähigkeiten) ist (bzw. sind) weg“.
Betrachtet man die Definition von Demenz in einem geschichtlichen Rückblick, so lässt sich feststellen, dass sie im Laufe der Zeit, beeinflusst durch den medizinischen Fortschritt in Ätiologie und Differentialdiagnostik, umfangreicher und präziser beschrieben wird.
Wurde 1937 Demenz lediglich als Blödsinn bzw. höheren Grad von Geistesschwäche definiert, so beschrieben 1964 Zetkin et al. Demenz als eine im späteren Leben erworbene, bleibende Geistesschwäche, bei der ursächlich ein organischer Hirnprozess zunächst die Vorbedingungen der Intelligenz, dann das Gedächtnis, die Merkfähigkeit, oft auch die Sprache sowie die Urteilsfähigkeit zerstört. Dabei kommt es zum Abbau der gesamten psychischen Persönlichkeit, wie Gefühlsabstumpfung, Willensschwächung und Triebenthemmung.
Inhalt
1 Demenz: Allgemeine Definition
2 Formen der Demenz
2.1 Demenz vom Alzheimer-Typ (DAT)
2.2 Vaskuläre Demenz (Multi-Infarkt-Demenz)
2.3 Weitere Demenzformen
3 Stadien der Demenz und ihre Auswirkungen
4 Epidemiologie der Demenz
4.1 Epidemiologische Aspekte
4.2 Demographische Aspekte und Entwicklung des Pflegebedarfs
5 Anforderungen an die Pflege und Betreuung dementiell erkrankter Menschen
5.1 Pflegeleitbild
5.2 Pflegemodell/ -theorie
5.3 Pflegeorganisationsform Bezugspflege
5.4 Angehörige
5.5 Besondere personelle Anforderungen an die Betreuung Dementer
5.6 Interventionsmethoden
5.6.1 Biographiearbeit und biographische Grundhaltung
5.6.2 Milieugestaltung
5.6.3 Integrative Validation
5.6.4 Basale Stimulation
Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)
In dieser Arbeit geht es um das Krankheitsbild Demenz. Die Formen der Demenz werden aufgezeigt, die Stadien der Demenz und ihre Auswirkungen werden erläutert, die Epidemiologie der Demenz wird dargestellt und auf die Anforderungen an die die Pflege und Betreuung dementiell erkrankter Menschen wird eingegangen.
1 Demenz: Allgemeine Definition
Demenz, aus dem lateinischen de (=weg) und mens (=Geist) zusammengesetzt, heißt wörtlich übersetzt soviel wie „der Geist (oder die geistigen Fähigkeiten) ist (bzw. sind) weg“.
Betrachtet man die Definition von Demenz in einem geschichtlichen Rückblick, so lässt sich feststellen, dass sie im Laufe der Zeit, beeinflusst durch den medizinischen Fortschritt in Ätiologie und Differentialdiagnostik, umfangreicher und präziser beschrieben wird.
Wurde 1937[1] Demenz lediglich als Blödsinn bzw. höheren Grad von Geistesschwäche definiert, so beschrieben 1964 Zetkin et al. [2] Demenz als eine im späteren Leben erworbene, bleibende Geistesschwäche, bei der ursächlich ein organischer Hirnprozess zunächst die Vorbedingungen der Intelligenz, dann das Gedächtnis, die Merkfähigkeit, oft auch die Sprache sowie die Urteilsfähigkeit zerstört. Dabei kommt es zum Abbau der gesamten psychischen Persönlichkeit, wie Gefühlsabstumpfung, Willensschwächung und Triebenthemmung.
In den folgenden Jahren blieb die Begriffsbestimmung der Demenz als einen nach Verlust früher vorhandener geistiger Fähigkeiten eingetretener Intelligenzdefekt mit verschiedenen Ursachen erhalten, bis 1993 die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das dementielle Syndrom nach dem neuesten Stand medizinischer Erkenntnisse folgendermaßen definierte: „Das dementielle Syndrom, als Folge einer Krankheit des Gehirns, verläuft gewöhnlich chronisch oder fortschreitend unter Beeinträchtigung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Es finden sich keine qualitativen Bewusstseinsstörungen. Die kognitiven Beeinträchtigungen sind meist begleitet von Verschlechterung der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation.“ [3]
Die Definition der WHO weist zum ersten Mal in der historischen Betrachtung der Begriffsbestimmung darauf hin, dass Demenz ebenfalls mit negativen Auswirkungen auf die sozialen Funktionen des Erkrankten verbunden ist und damit seine sozialen und beruflichen Strukturen in hohem Maße beeinträchtigt werden. Von entscheidender Bedeutung ist auch die Erkenntnis, dass bei einer Demenzerkrankung keine Bewusstseinsstörungen vorliegen.
Neben diesen allgemeingültigen Definitionen, die sowohl die kognitiven, sozialen als auch psychologischen Dimensionen der Demenz beinhalten, findet sich in der Literatur eine Vielzahl von Begriffsbestimmungen die im medizinischen Sinne ausschließlich der Diagnostik und Abgrenzung von Demenz gegenüber anderen psychischen Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen dienen. So spricht man bspw. nach DSM-III-R (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders)[4] von einer Demenz, wenn eine Störung des Kurz- und Langzeitgedächtnisses vorliegt, die entweder durch eine Störung des abstrakten Denkens, einer Störung der Urteilsfähigkeit, Sprachstörungen, Handfertigkeitsstörungen, Erkenn-störungen oder Persönlichkeitsveränderungen zum Ausdruck kommen. Dabei müssen die genannten Störungen so ausgeprägt sein, dass sie spürbar die Fähigkeit zu arbeiten oder normale soziale Aktivitäten mit anderen zu betreiben stören. Als ein weiteres Kriterium dürfen die Störungen nicht ausschließlich im Rahmen eines akuten Verwirrtheitszustandes (Delir) auftreten und letztlich müssen entweder Hinweise auf spezifische zerebrale Ursachen aufgrund von speziellen Untersuchungen oder aber keine Hinweise auf psychische Störungen wie Depressionen, Schizophrenie und Paranoia vorliegen.
Die engste Definition findet sich jedoch in diesem Zusammenhang in dem von der WHO 1997 ausgearbeiteten Kriterienkatalog, dem ICD-10 (International Classification of Diseases), in dem für die Diagnose Demenz vier Kriterien erfüllt werden müssen: erstens eine Abnahme des Gedächtnisses und anderer geistiger Fähigkeiten, erkennbar an der Verminderung der Urteilsfähigkeit und des Denkvermögens, zweitens keine Bewusstseinstrübung, d.h. der Patient ist wach und ansprechbar und reagiert auf bestimmte Anforderungen entsprechend seiner verbliebenen Fähigkeiten, drittens verminderte Kontrolle über die eigenen Affekte mit mindestens einem der folgenden Merkmale: emotionale Labilität, Reizbarkeit, Apathie, Vergröberung des Sozialverhaltens (bspw. können die Patienten die Intensität ihres Lachens oder Weinens nicht mehr steuern) und viertens müssen die Symptome mindestens sechs Monate andauern.
2 Formen der Demenz
Demenz ist ein Überbegriff für eine Vielzahl von Erkrankungen, eine allgemeine Bezeichnung für die Unfähigkeit des Menschen, den eigenen Geist zu nutzen.
Die Ursachen und Entstehungsbedingungen für dementielle Syndrome sind vielfältig. Dabei ist grundsätzlich zwischen reversiblen dementen Erkrankungen und irreversiblen Erkrankungen zu unterscheiden.
Stoffwechselstörungen (z.B. Vitamin-B12-Mangel, Schilddrüsenerkrankungen), chronische Vergiftungen (Alkoholismus), raumfordernde Prozesse im Gehirn (z.B. Gehirntumoren) sowie Infektionen des Gehirns (z.B. Aids, Meningitis, Creutzfeld-Jakob-Krankheit) können zu Demenz führen und sind häufig behandelbar. Als häufigste Ursache einer irreversiblen Demenzerkrankung wird heute die 1906 von dem deutschen Neuropsychiater und Neuropathologen Alois Alzheimer beschriebene und später nach ihm benannte Erkrankung mit den ihr eigenen Hirnveränderungen angesehen.
Rund 60-70% aller Demenzen werden durch die Alzheimer-Krankheit hervorgerufen. Etwa 20% der Demenzen sind auf Durchblutungsstörungen im Gehirn (vaskuläre Demenz) zurückzuführen. Misch- und Sonderformen machen den restlichen Anteil aus.
Allen Unterformen der Demenz ist gemeinsam, dass sie zu einem Verlust der Geistes- und Verstandesfähigkeiten (Intelligenz) führen.
Eine andere Unterteilungsform spricht von primärer und sekundärer Demenz, wobei letztere eine Folge eines anderen organischen Problems ist, also eine sekundäre Erscheinung, wohingegen bei primärer Demenz entweder keine Ursache bekannt ist, bzw. der dementielle Abbauprozess selbst die Wurzel der Erkrankung darstellt.
2.1 Demenz vom Alzheimer-Typ (DAT)
Die Alzheimer-Demenz ist nach dem deutschen Neurologen Alois Alzheimer (1864-1914) benannt, der 1906 als Erster die Krankheitssymptome und die typischen krankhaften Veränderungen im Gehirn beschrieb und gilt aus medizinischer Sicht als die häufigste primär degenerative Demenz.
Ursächlich für die Demenz vom Typ Alzheimer sind hirnatrophische Prozesse und Systemdegenerationen, d.h. es sterben im Gehirn unbemerkt Nervenzellen und ihre Verbindungen ab. Der Zerfall beginnt im Gehirn an denjenigen Orten, die mit Gedächtnis und Informationsverarbeitung zu tun haben. Hier wird Erlerntes mit Sinneseindrücken verbunden. Durch den Verlust an Nervenzellen und ihren Verbindungen können die eintreffenden Sinneseindrücke nicht mehr richtig verarbeitet und mit dem Gelernten verknüpft werden.
Die Krankheit beginnt – zunächst kaum merklich – mit leichten Gedächtnisstörungen, die der Betroffene bspw. durch das Schreiben von Merkzetteln auszugleichen versucht. Der Betroffene wird zunehmend passiv, zieht sich vermehrt zurück und wird unsicher. Im weiteren Krankheitsverlauf folgen die Merkmale einer Demenz wie beispielsweise ausgeprägtere Merkfähigkeitsstörungen, Orientierungsstörungen und vermehrte Unruhe. Die Persönlichkeit und die sozialen Umgangsformen bleiben weitgehend erhalten. Im fortgeschrittenen Stadium der Alzheimer-Demenz treten außerdem neurologische Störungen auf, z.B. eine allgemeine Verlangsamung der Bewegungen (Bradykinese) oder Myoklonien (unwillkürliche, unrhythmische Einzelzuckungen der Muskeln). Im Endstadium ist der Betroffene völlig verwirrt. Zwar hört er, wenn man mit ihm spricht, versteht das Gesagte aber nicht. Er erkennt seine nächsten Angehörigen nicht mehr und ist u.a. nicht in der Lage, Stuhl-, oder Harnabgang zu kontrollieren.
Die Ursachen der Demenz vom Typ Alzheimer sind bis heute noch teilweise ungeklärt. Diskutiert werden in der Fachliteratur vor allem genetische Faktoren und Störungen im Haushalt bestimmter chemischer Stoffe im Gehirn, die Nervensignale weiterleiten. Man weiß inzwischen, dass es zu einer Abnahme von Kontaktstellen zur Erregungsübertragung im Gehirn (kortikale Synapsen) und zu einer Dysfunktion dieser Synapsen kommt. Durch diese verminderte Vernetzung sind v.a. die Verbindungen der für die Gedächtnisbildung wichtigen Gehirnregionen unterbrochen. Bei der normalen Hirnalterung reduziert sich die Anzahl der Synapsen zwar auch, aber bei an Alzheimer-Demenz erkrankten Menschen liegt die Anzahl der Synapsen noch wesentlich unter der von altersentsprechend gesunden Menschen. Man hat herausgefunden, dass die Nervenzellen der an Alzheimer-Demenz erkrankten Patienten nicht die Fähigkeit besitzen, vorhandene Synapsen bei verstärkter Benutzung zu stabilisieren und neue Synapsen auszubilden. Diese Fähigkeit bleibt normalerweise auch im Alter erhalten. Aber auch hier ist noch nicht geklärt, warum dies so ist.
Eine wesentliche Rolle bei der Degeneration des Gehirns spielen die sog. amyloiden Plaques, die Ablagerung eines bestimmten Eiweißes (b-Amyloidprotein), die außerhalb des Hirnmantels liegen. Die Häufigkeit neuritischer Plaques, bei denen man also degenerative Veränderungen von Nervenzellen finden kann, stehen in Beziehung zum Auftreten und dem Schweregrad einer Alzheimer-Demenz.
Bei ca. 3% aller an Alzheimer-Demenz Erkrankten ist die Demenz genetisch bedingt. Ursache ist eine Veränderung (Mutation) bestimmter Chromosomen.[5]
2.2 Vaskuläre Demenz (Multi-Infarkt-Demenz)
Bei der vaskulären Demenz werden die Abbauprozesse im Gehirn durch krankhafte Veränderungen der Gehirnarterien ausgelöst. Rauchen, langjährig bestehender Bluthochdruck und Diabetes mellitus sind wesentliche Risikofaktoren. Es kann sich eine Arteriosklerose (Gefäßverengung durch Arterienverkalkung) entwickeln, bei der die Arterien durch Kalkablagerungen eingeengt oder gar verschlossen werden. Durch diese Gefäßverschlüsse kommt es zu vielen kleinen, zum Teil auch unbemerkten Infarkten im Gehirn bzw. Schlaganfällen, die eine Unterbrechung der Durchblutung jener Hirnbereiche, die besonders für die Kontrolle des Gedächtnisses, der Sprache und der Lernfähigkeit verantwortlich sind, zur Folge haben. Diese vielen kleinen Infarkte führen zu einer sogenannten Multiinfarktdemenz. Bei den meisten Betroffenen treten dann beispielsweise Sprachprobleme, Stimmungsschwankungen und epileptische Anfälle auf.
Bei der körperlichen Untersuchung zeigen sich im Gegensatz zur Alzheimer-Demenz häufig neurologische Auffälligkeiten wie Gangstörungen, Koordinationsstörungen, Empfindungs-störungen (wie bspw. Taubheitsgefühle) oder Lähmungen. Es kann auch zu Persönlichkeits-veränderungen mit Teilnahmslosigkeit oder Enthemmtheit kommen. Auch Zuspitzungen von Persönlichkeitszügen können auftreten, wie bspw. Egoismus oder Reizbarkeit. Der an vaskulärer Demenz erkrankte Patient ist nicht mehr in der Lage gewohnte Verrichtungen, wie zum Beispiel das Ankleiden oder Essen, durchzuführen. Innerhalb von drei Monaten nach dem Infarkt setzen die ersten kognitiven Störungen ein. Zu den kognitiven Funktionen zählen außer der Wahrnehmung noch Erkennen, Vorstellen, Urteilen, Gedächtnis, Lernen und Denken. Der Betroffenen leidet außerdem an flüchtigen Unruhezuständen und Desorientiert-heit sowie unter Stimmungsschwankungen und Depressionen.
Etwa 10-20% aller Demenzen sind vaskulär bedingt. Die vaskuläre Demenz ist nach der Alzheimer-Demenz die zweithäufigste Demenz.[6]
2.3 Weitere Demenzformen
Andere Demenzformen machen zusammen knapp 20% aller Demenzformen aus. Ca. 55 Krankheiten können Demenz oder demenzähnliche Symptome hervorrufen, wobei zu den häufigsten Misch- und Sonderformen die Verbindungen Demenz und Alkohol (Wernicke-Korsakow-Syndrom), Demenz und Parkinsonkrankheit aber auch die Lewy-Body-Demenz zählen.
Durch eine Alkoholkrankheit wird auch das Gehirn geschädigt. Als Zeichen der Schädigung treten herabgesetztes Erinnerungsvermögen, eingeschränkte Planungs- und Handlungs-fähigkeit und zeitweise enthemmtes Verhalten auf. Im Endstadium kann sch daraus eine demenzähnliche Erkrankung, das sog. Wernicke-Korsakow-Syndrom, entwickeln.
Etwa 30% der Demenzkranken haben steife Bewegungen, die jedoch meistens nichts mit der Parkinsonkrankheit zu tun hat. Nur sehr wenige Demenzkranke (ca. 6%) haben zusätzlich das normalerweise zur Parkinsonkrankheit gehörende unwillkürliche rhythmische Zittern der Hände (Tremor) und eine allgemeine Bewegungsstarre (Akinese).
Bei der Lewy-Body-Demenz (ca. 10%) werden Gehirnteile durch Ablagerung von kleinen Eiweiß-Teilchen (Lewy-Bodys) geschädigt. Die dadurch entstandenen Hirnleistungs-schädigungen treten allerdings nur phasenweise auf, die sich besonders auf das Gedächtnis und die Handlungsfähigkeit auswirken.
Abb.1: Übersicht zur Häufigkeitsverteilung der verschiedenen Demenztypen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3 Stadien der Demenz und ihre Auswirkungen
Die Demenz verläuft zumeist in drei Stadien.
In der ersten Phase besteht die Schwierigkeit in der Aufrechterhaltung der geistigen Leistungsfähigkeit, welche gekennzeichnet ist durch Vergesslichkeit und zeitliche Orientierungsschwierigkeiten. Aber auch eine generelle Verlangsamung, Antriebsminderung, erhöhte Reizbarkeit, gesteigerte emotionale Labilität, affektive Einengung und depressive Verstimmung gehören zu den Frühsymptomen einer Demenz.
Das zweite Stadium wird als „verwirrte Phase“ bezeichnet. Der hierfür charakteristische zunehmende Verlust der geistigen Fähigkeiten führt zu einer eingeschränkten Selbständigkeit. Zu den Symptomen zählen eine schwindende Problemlösungsfähigkeit, Handfertigkeits-störungen im Haushalt oder beim Ankleiden, Erkennungsstörungen, steigende Vergesslichkeit und Desorientierung bis hin zu Wahnvorstellungen (Schuld-, Eifersuchts-, Bestehlungswahn).
In der dritten Phase kommt es zum Gedächtniszerfall, sowohl Kurzzeit- als auch Langzeitgedächtnis sind betroffen. Mangelnde persönliche Orientierung, Erkennungs-störungen, Sprachzerfall, Agnosie und mögliche Inkontinenz kennzeichnen den Verlust der Alltagskompetenz und führen zu völliger Pflegeabhängigkeit.
Die Demenzerkrankung erfasst jedoch nicht nur den kognitiven (organischen) Bereich. Sie hat auch schwerwiegende psychologische und soziale Dimensionen, auf die explizit nochmals eingegangen werden soll.
Die psychologische Dimension ist gekennzeichnet durch Störungen im Erleben und Verhalten. Dazu zählen u.a. illusionäre Verkennung, Halluzination, Euphorie, Angst, Reizbarkeit und Aggressivität, unangemessene soziale Umgangsformen und Apathie. Diese Verhaltensstörungen belasten zunächst vor allem die Angehörigen, führen aber auch in stationären Einrichtungen zu Irritationen. Mit den Verhaltensstörungen geht ein verändertes Erleben einher. Ihre psychologische Bedeutung ist in erster Linie für die Angehörigen oft gravierender als die kognitiven Beeinträchtigungen, da die Veränderung der Persönlichkeit für sie schwer verständlich ist und im Umgang miteinander oft zu Konflikten führen kann.
Neben die kognitiven Beeinträchtigungen und Verhaltensstörungen treten bei einer Demenz Störungen der Alltagskompetenz. Für den Betroffenen haben eine reduzierte Arbeitsleistung, der Verlust der Selbständigkeit und Schwierigkeiten, sich an fremden Orten zurechtzufinden zumeist tiefgreifende psychische und soziale Folgen. Die schrittweise Auflösung der biographischen Kontinuität macht eine selbständige und eigenverantwortliche Lebensgestaltung zunehmend schwieriger. Einfache Alltagsbezüge wie Mahlzeiten einnehmen und Begegnungen mit Mitmenschen werden mit zunehmendem Krankheitsstadium und Krankheitsdauer nicht mehr als sinnvolles Ganzes erlebt. Die Welt verliert für den Betroffenen an Übersichtlichkeit und übersteigt seine Wahrnehmungs-fähigkeit. Dies wiederum erzeugt Panik und bringt eine Vermeidung komplexer Situationen mit sich.
In diesem Zusammenhang ist nochmals zu betonen, dass bei einer Demenzerkrankung keine Störung des Bewusstseins vorliegt. Solches Erleben führt oft zu gedrückter Stimmungslage, negativen Kognitionen und weiterem sozialen Rückzug, vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, die Intelligenz, Souveränität und Autonomie und damit Selbständigkeit allerhöchste Priorität beimisst.
4 Epidemiologie der Demenz
4.1 Epidemiologische Aspekte
Die epidemiologische Forschung geht von der Überlegung aus, dass eine Erkrankung nicht rein zufällig in der Bevölkerung auftritt, sondern einem Muster folgt, das durch die Krankheitsursachen und –auslöser bestimmt ist. Dabei ist die deskriptive Epidemiologie bemüht, diese Muster sichtbar zu machen, indem sie die räumliche und zeitliche Verteilung der Krankheit und ihren Zusammenhang mit Personenmerkmalen untersucht, um daraus Hypothesen bilden zu können, welche Faktoren am ehesten für die vorgefundene Verteilung verantwortlich sein könnten und welche mit großer Wahrscheinlichkeit bedeutungslos sind. Es ist dann die Aufgabe der analytischen Epidemiologie, gezielt den Einfluss dieser angenommenen Risikofaktoren zu ermitteln, um letztlich Krankheitsursachen und Entstehungsbedingungen eingrenzen zu können.
In der Demenzforschung sind deskriptive und analytische Epidemiologie, aufgrund der bestehenden Schwierigkeit die verschiedenen Demenzformen mit der erforderlichen Genauigkeit differenzialdiagnostisch einordnen zu können, bislang jedoch nicht sehr eng miteinander verzahnt. Ergebnisse der deskriptiven Studien sind daher eher zur Veranschaulichung der volksgesundheitlichen Bedeutung des dementiellen Syndroms und zur Orientierung für die Versorgungsplanung geeignet, als dass sie der Ursachenforschung eine klare Richtung weisen könnten. Analytische Studien wiederum werden erst seit wenigen Jahren durchgeführt und erlauben daher nur vorläufige Aussagen.
Eine weitere Problematik hinsichtlich der epidemiologischen Betrachtung von Demenzerkrankungen ergibt sich bei der Nutzung vorhandener Erhebungsdaten, da sich aus routinemäßig erhobenen oder mit geringem Aufwand zu gewinnenden Gesundheitsstatistiken keine zuverlässigen Angaben über die Häufigkeit und Verteilung von Demenzen entnehmen lassen. Ein Beispiel dafür ist die Letalitätsstatistik, die i.d.R. nur jene Krankheiten verzeichnet, die unmittelbar zum Tode führen; Demenzerkrankungen hingegen, obgleich sie, wie mehrfach belegt werden konnte, zu den wichtigsten mittelbaren Todesursachen zählen, werden lediglich in einem Bruchteil der Fälle registriert.[7] Durch diese unzureichende und unsystematische Erfassung wird die Sterbefallstatistik für epidemiologische Zwecke unbrauchbar. Als ein zweites Beispiel können Behandlungsstatistiken von stationären psychiatrischen Einrichtungen und niedergelassenen Fachärzten genannt werden, die ebenfalls ungeeignet sind, da sie nicht die tatsächlich in der Bevölkerung vorhandene Morbidität wiederspiegeln, sondern nur die Morbidität derer, die medizinische Betreuung in Anspruch nehmen. Gerade aber von den an Demenz erkrankten älteren Personen, für die noch keine erfolgversprechenden Therapieverfahren zur Verfügung stehen und die zumeist als unbeeinflussbare Folge des natürlichen Alterungsprozesses angesehen werden, ist bekannt, dass sie relativ selten nach fachärztlicher Hilfe suchen.
[...]
[1] Dornblüth: Dornblüth-Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch. 27.-30. vermehrte und verbesserte Auflage.1937
[2] Zetkin et al.: Wörterbuch der Medizin. 2. Auflage. Volk und Gesundheit. 1964
[3] WHO zitiert nach Allerchen, P.: Demente ältere Menschen in der Familie. Stuttgart. 1996, S. 6
[4] DSM-III-R 1994. In: Grond, E.: Die Pflege verwirrter alter Menschen. Lambertus. Freiburg. 1996. S. 114
[5] www.psychiatrie-aktuell.de/disease/detail.jhtml?itemname=dementia (24.01.2003)
[6] www.psychiatrie-aktuell.de/disease/detail.jhtml?itemname=dementia (24.01.2003)
[7] Martyn & Pippard (1988) In: Gutzmann, H. (Hrsg.): Der dementielle Patient. Hans Huber. Bern, Göttingen, Toronto. 1992. S. 32