Für neue Kunden:
Für bereits registrierte Kunden:
Seminararbeit, 2014
19 Seiten, Note: 1,7
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Rechtsnorm § 5 Abs. 1 EStG und dessen praktische Bedeutung im Unternehmen
2.1 Ziele und Wirkung des Maßgeblichkeitsprinzips
2.2 Formen und Ausnahmen des Maßgeblichkeitsprinzips
2.2.1 Materielle Maßgeblichkeit
2.2.2 Formelle Maßgeblichkeit und dessen Ausnahmen
2.2.3 Umgekehrte Maßgeblichkeit
2.3 Einfluss des BilMoG auf das Maßgeblichkeitsprinzip und deren Auswirkungen in der Praxis
3 Zukünftige Entwicklung der Bedeutung des Maßgeblichkeits- prinzips
3.1 Einfluss internationaler Rechnungslegungsstandards (IFRS)
3.2 Aufgabe der Einheitsbilanz
3.3 Zunehmende Globalisierung als Antreiber
4 Schlusswort
5 Literaturverzeichnis
Abb. 1: Zusammenhang der Handels- zur Steuerbilanz
Abb. 2: Möglichkeiten der Aufstellung nach HGB und IFRS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Maßgeblichkeitsprinzip stellt im deutschen Bilanzrecht die Bindung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz her. Den Begriff der Steuerbilanz kennt das Steuerrecht nicht. Wenn von dieser Bilanz die Rede ist, ist damit die um steuerliche Vorschriften korrigierte Handelsbilanz gemeint, die der Steuerbemessungsgrundlage dient.[1] Prinzipiell liegt die Idee des Maßgeblichkeitsprinzips in einer sog. Einheitsbilanz, die sowohl handels- als auch steuerrechtlich verwendbar ist. So schlagen sich die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung auf die steuerliche Gewinnermittlung nieder. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) sind Regeln zur Rechnungslegung, die bei der Buchführung und der Erstellung von Jahresabschlüssen berücksichtigt werden müssen. Dabei sollen die formellen Grundsätze einer besseren Information gegenüber den Adressaten dienen sowie die Vergleichbarkeit der einzelnen Jahresabschlüsse ermöglichen. Die materiellen Grundsätze sorgen für eine vollständige und richtige Buchführung.[2]
Durch eine steigende Bedeutung der Informationsfunktion der Handelsbilanz auf der einen Seite und einer Vielzahl steuerlicher Wahlrechte auf der anderen Seite, haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte immer größere Abweichungen zwischen der Handelsbilanz und der Bilanz zur steuerlichen Gewinnermittlung (im Folgenden: Steuerbilanz) ergeben. Die Bilanzierung latenter Steuern hat dadurch in großem Umfang zugenommen. Darüber hinaus hat sich das Erstellen einer Einheitsbilanz als immer schwieriger erwiesen, was für die Unternehmen zu einem nicht unerheblichen Mehraufwand geführt hat. Auch die Bedeutung internationaler Rechnungslegungsstandards haben Handels- und Steuerbilanz weiter voneinander getrennt. Dennoch wird bei der handelsrechtlichen Gewinnermittlung weiterhin viel Wert auf die Einhaltung der GoB gelegt, die aber steuerrechtlich unterlaufen werden können.
Diese Seminararbeit zeigt zunächst die für das Maßgeblichkeitsprinzip zugrundeliegende Rechtsnorm des § 5 Abs. 1 EStG und seine praktische Bedeutung auf. In einer Bestandsaufnahme werden Ziele und Wirkung des Maßgeblichkeitsprinzips sowie die verschiedenen Formen und Ausnahmen näher betrachtet. Anschließend werden wesentliche Veränderungen im Rahmen des BilMoG aufgeführt. In der Betrachtung einer Zukunft des Maßgeblichkeitsprinzips wird eine mögliche Entwicklung dargestellt, die schwerpunktmäßig den Einfluss internationaler Rechnungslegungsstandards berücksichtigt.
§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG legt fest, dass Gewerbetreibende, die Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen müssen oder dies freiwillig tun, das Betriebsvermögen für den Schluss des Wirtschaftsjahres anzusetzen haben. Dieses muss dem Gesetz nach unter Berücksichtigung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) ausgewiesen werden. Damit werden die GoB auf die Steuerbilanz übertragen, soweit kein anderer Ansatz durch die Ausübung eines zulässigen steuerlichen Wahlrechts gewählt wurde (§ 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 EStG). Die Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb unterliegt dadurch zwangsläufig den GoB.
Der Grundgedanke des Maßgeblichkeitsgrundsatzes liegt in der sog. Einheitsbilanz, die sowohl handels- als auch steuerrechtlich anwendbar sein soll und damit eine Vereinfachung für den Steuerpflichtigen darstellt. Die Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz wurde aus diesem Grund im Rahmen des Einkommenssteueränderungsgesetzes vom 16.05.1969 gesetzlich kodifiziert.[3] Vor allem für Einzelunternehmen, Personengesellschaften und kleine bis mittlere Kapitalgesellschaften ist die weniger aufwändige und kostengünstigere Erstellung einer Einheitsbilanz attraktiv. Durch die zunehmende Anzahl an Ausnahmen auf das Maßgeblichkeitsprinzip ist es Unternehmen aber oftmals gar nicht mehr möglich, nur eine Bilanz aufzustellen, die handels- als auch steuerrechtlich verwendbar ist.[4]
Neben der Arbeitsentlastung für den Steuerpflichtigen gilt als weitere Idee für den Grundsatz der Maßgeblichkeit, dass der handelsrechtlich ermittelte Gewinn, der die Ausschüttungsgrundlage für die Anteilseigner bildet, auch als zu besteuernder Gewinn angesehen werden können muss. Der Staat, als stiller Teilhaber einer jeden Unternehmung, wird so über die Ertragssteuern auf gleicher Grundlage wie die übrigen Anteilseigner bedient (Teilhabergedanke).[5] Der steuerrechtliche Gewinn bildet also die Grundlage für vom Gewinn abhängige Zahlungen an den Fiskus, wie Einkommen-/Körperschaftssteuer und die Gewerbeertragssteuer (Zahlungsbemessungsfunktion).[6]
Die Handelsbilanz soll einen möglichst realistischen Einblick in die Finanzlage des Unternehmens geben (Informationsfunktion). Adressaten dieser Bilanz sind primär Gläubiger, Anteilseigner sowie die Öffentlichkeit bei Großunternehmen. Aus Gründen des Gläubigerschutzes dürfen Gewinn und Vermögen nicht zu hoch ausgewiesen werden.[7] Auf der anderen Seite stehen jedoch die Belange der Eigentümer, für die eine möglichst hohe Gewinnausschüttung von Bedeutung ist.[8] Die rechtsgültig aufgestellte Handelsbilanz gilt schließlich als Grundlage bzw. Maßgeblichkeit für die Besteuerung, soweit keine anderen Bilanzierungs- oder Bewertungsvorschriften Anwendung finden.[9]
Wichtig sei an dieser Stelle noch zu erwähnen, dass die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz nur bei nach HGB erstellten Einzelabschlüssen gilt. Bei Konzernabschlüssen, die rein informativen Charakter haben, sowie bei Einzelabschlüssen nach IFRS liegt keine Maßgeblichkeit vor (s. Abb. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Zusammenhang der Handels- zur Steuerbilanz[10]
Bei der Maßgeblichkeit wird nach zwei Formen unterschieden. Die materielle Maßgeblichkeit beschreibt, dass die Vorgaben aus dem Handels(bilanz)recht auch für die Ermittlung des Gewinns für die Steuerbilanz Anwendung finden müssen – sowohl dem Grunde nach als auch der Höhe nach.[11] Konkret bedeutet dies, dass die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung auch bei der steuerlichen Gewinnermittlung berücksichtigt werden müssen.[12] Daraus ergibt sich für den Steuerpflichtigen, dass alles, was nach Handelsrecht zu aktivieren ist, auch steuerrechtlich aktiviert werden muss (Aktivierungs gebot); was nach Handelsrecht zu passivieren ist, muss auch steuerrechtlich passiviert werden (Passivierungs gebot). Ebenso müssen die nach Handelsrecht vorgeschriebenen Aktivierungs- und Passivierungs verbote auch auf die steuerliche Gewinnermittlung übertragen werden.[13]
Für handelsrechtliche Aktivierungs- und Passivierungs wahlrechte hat der Große Senat des BFH im Beschluss vom 03.02.1969 entschieden, dass diese nicht maßgebend für die Steuerbilanz sind.[14] Hier ergibt sich aus einem handelsrechtlichen Aktivierungswahlrecht (z. B. § 250 Abs. 3 HGB) ein steuerrechtliches Aktivierungsgebot; ein handelsrechtliches Passivierungswahlrecht (z. B. § 249 HGB a. F.) führt hingegen zu einem steuerrechtlichen Passivierungsverbot.[15] Begründet wurde dies vom BFH damit, dass bei der steuerlichen Gewinnermittlung der volle Gewinn ausgewiesen werden soll und es nicht im Ermessen des Unternehmens liegen darf, die Ertragslage durch Nichtaktivierung/-passivierung in der Steuerbilanz anders darzustellen, als handelsrechtlich möglich.[16]
Bei der materiellen Maßgeblichkeit werden also nur die Vorgaben des Handels(bilanz)recht auf die Steuerbilanz übertragen. Die formelle Maßgeblichkeit stellt eine noch engere Beziehung zwischen Handels- und Steuerbilanz her. Bei dieser Form der Maßgeblichkeit werden nämlich nicht nur die Vorgaben und Vorschriften zur Ermittlung, sondern die konkreten Werte aus der Handelsbilanz in die Steuerbilanz übertragen.[17] Das bedeutet: werden sowohl im Handelsrecht als auch im Steuerrecht Bewertungswahlrechte eingeräumt, muss der handelsrechtlich gewählte Ansatz auch steuerrechtlich angewandt werden.[18] Hier schlägt sich der bereits genannte Teilhabergedanke wieder nieder, wonach der Staat gleichberechtigt vom Gewinn des Unternehmens profitieren möchte.
Im Zuge der Umsetzung des BilMoG im Jahr 2009 haben sich Ausnahmen für diese formelle Maßgeblichkeit ergeben. So galt nach § 5 Abs. 1 S. 1 EStG bis dato, dass bei der steuerlichen Gewinnermittlung „das Betriebsvermögen anzusetzen [ist], das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist“. Ergänzt wurde diese Formulierung um den Halbsatz: „es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt“. Damit wurde die formelle Maßgeblichkeit weitestgehend abgeschafft.[19]
Bedingt durch diese neue Formulierung im Gesetz können Wahlrechte in der Steuerbilanz unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden, sofern rein steuerrechtliche Wahlrechte bestehen.[20] Die GoB-Konformität kann in diesen Fällen verloren gehen, da die Bindung des Ansatzes aus der Handelsbilanz nicht mehr gegeben ist.[21] Werden steuerliche Wahlrechte ausgeübt, müssen diese nach § 5 Abs. 1 S. 2 EStG „in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufgenommen werden“, um wirksam zu werden. Beispiele für rein steuerrechtliche Wahlrechte sind:
- Übertragung stiller Reserven bei der Veräußerung bestimmter Anlagegüter (§ 6b EStG)
- Sonderabschreibungen (z. B. § 7g EStG)
- Bewertungsvereinfachungsverfahren (§ 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG)
- Geringwertige Wirtschaftsgüter und Bildung eines Sammelpostens (§ 6 Abs. 2 und Abs. 2a EStG)[22]
Ausnahmen der formellen Maßgeblichkeit liegen dann vor, wenn die Steuerbilanz aufgrund steuerrechtlicher Vorschriften, die Vorrang vor den handelsrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsregeln haben, nicht mit der Handelsbilanz übereinstimmt. Bei den Ausnahmen wird zwischen Einschränkungen und Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsprinzips unterschieden. Eine Einschränkung des Maßgeblichkeitsprinzip ergibt sich, wenn steuerlich ein bestimmter Ansatz festgelegt ist, der zwar auch nach handelsrechtlichen Grundsätzen vereinbar ist, für den aber nach Handelsrecht verschiedene Ansätze möglich wären. Im Gegensatz dazu ist von einer Durchbrechung des Maßgeblichkeitsprinzip die Rede, wenn nach steuerrechtlichen Vorgaben ein Ansatz vorgeschrieben wird, der gegen die Vorgaben für die Handelsbilanz verstößt.[23]
Die umgekehrte Maßgeblichkeit ergab sich bis ins Jahr 2009 hinein aus § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG a. F. Danach mussten „Steuerrechtliche Wahlrechte bei der Gewinnermittlung […] in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Jahresbilanz“ ausgeübt werden. Das heißt, die Handelsbilanz orientierte sich in derartigen Fällen – entgegen des regulären Maßgeblichkeitsprinzips – an der Steuerbilanz und ermöglichte eine Übertragung GoB-inkonformer Wahlrechte auf die Handelsbilanz.[24] Im Handelsrecht waren zu diesem Zweck sog. Öffnungsklauseln verankert, die die Übernahme steuerlicher Vorschriften ermöglichten.[25] So konnten beispielsweise steuerrechtliche Mehrabschreibungen nach § 254 HGB a. F. in die Handelsbilanz übernommen werden.
Im Zuge des BilMoG wurden diese Klauseln jedoch gestrichen und die umgekehrte Maßgeblichkeit abgeschafft, da sie zu einer Verzerrung der Informationsfunktion in der Handelsbilanz führte.[26] Steuerrechtliche Wahlrechte können seither unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden, was das Auseinanderfallen von Handels- und Steuerbilanz vorangetrieben hat. Für Unternehmen, die die Erstellung einer Einheitsbilanz anstreben, hat sich diese Änderung durch das BilMoG daher negativ ausgewirkt.[27] Zudem sind weitere laufende Verzeichnisse für die Wirtschaftsgüter zu führen, bei denen steuerlich ein anderer Ansatz gewählt wurde als bei der handelsrechtlichen Ermittlung des Gewinns. Darin muss für jedes dieser Wirtschaftsgüter neben dem steuerlich ausgeübten Wahlrecht das Anschaffungs-/Herstellungsdatum, die Kosten der Anschaffung/Herstellung sowie das Abschreibungsverfahren festgehalten werden.[28] Die positiven Aspekte der Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit sind zum einen die Verbesserung der Informationsfunktion durch die Abbildung einer realistischeren wirtschaftlichen Lage. Zum anderen soll dadurch die handelsrechtliche Rechnungslegung vereinfacht worden sein.[29]
Mit dem BilMoG wurden Veränderungen des Bilanzrechts durchgesetzt, die internationale Rechnungslegungsstandards (IFRS) berücksichtigen ohne dabei die Grundzüge des HGB-Bilanzrechts aufzugeben. So sollen seit dem 01.01.2010 auch kleinere Unternehmen die Möglichkeit haben, ihre Abschlüsse nach IFRS relativ kostengünstig und einfach zu erstellen.[30] Das BilMoG hat neben der Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit auch bestehende Bilanzierungswahlrechte außer Kraft gesetzt.[31] Die Informationsfunktion des Jahresabschlusses über eine möglichst realitätsnahe Wirtschaftslage des Unternehmens, die auch nach IFRS verfolgt wird („true and fair view“), wurde durch diese Maßnahmen gestärkt.[32]
Die Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit setzte eine Vielzahl gesetzlicher Änderungen voraus. Zwar blieb die materielle Maßgeblichkeit nach § 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 EStG erhalten, der zweite Halbsatz musste jedoch neu formuliert und ein weiterer Satz hinzugefügt werden, um eine Übertragung steuerlicher Wahlrechte auf die Handelsbilanz auszuschließen. Die Öffnungsklauseln im HGB (§§ 247 Abs. 3, 254, 273, 279 Abs. 2, 280 Abs. 2, 281 HGB a. F.) wurden gestrichen. Seither ist es möglich, steuerrechtliche Wahlrechte abweichend vom Ansatz in der Handelsbilanz anzuwenden.[33] GoB-inkonforme Ansätze in der Handelsbilanz gehören damit der Vergangenheit an und stärken so die materielle Maßgeblichkeit. Die zusätzlich zu führenden Verzeichnisse gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG bedeuten für den Steuerpflichtigen einen Mehraufwand bei der Erstellung. Werden rein steuerliche Wahlrechte ausgeübt, ist die Aufstellung einer Einheitsbilanz nicht mehr möglich.[34] Es gilt nun neben der Handelsbilanz eine gesonderte Steuerbilanz aufzustellen.
Die sich ergebende Abweichung des Gewinns zwischen Handels- und Steuerbilanz macht die Bilanzierung latenter Steuern nötig, wenn sich die Differenzen über einen absehbaren Zeitraum wieder ausgleichen.[35] Nach § 274 Abs. 1 S. 1 HGB müssen passive latente Steuern in der Handelsbilanz angesetzt werden, wenn „zwischen den handelsrechtlichen Wertansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten und ihren steuerlichen Wertansätzen Differenzen [bestehen], die sich in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich abbauen“. In diesem Fall fällt die tatsächliche Steuerzahlung geringer aus als sie sich aus dem handelsrechtlichen Gewinn ergeben würde (Handelsbilanzgewinn > Steuerbilanzgewinn). In der Handelsbilanz muss daher seit Umsetzung des BilMoG die Position „E. Passive latente Steuern“ gebildet werden.[36] Zuvor galt es nach § 274 Abs. 1 S. 1 HGB a. F., dass derartige Differenzen als Steuerrückstellungen ausgewiesen werden müssen. Durch die Schaffung einer gesonderten Bilanzposition nach BilMoG soll die Vergleichbarkeit zwischen Handels- und Steuerbilanz gestärkt werden, was der Informationsfunktion der Handelsbilanz zugutekommt[37] und eine Annäherung an internationale Rechnungslegungsstandards bedeutet.[38] Der Ansatz aktiver latenter Steuern unterliegt einem Wahlrecht; diese können ausgewiesen werden (§ 274 Abs. 1 S. 2 HGB). Dazu muss der Handelsbilanzgewinn niedriger als der Steuerbilanzgewinn sein; die tatsächliche Steuerzahlung fällt also höher aus, als sie sich aus dem Handelsbilanzgewinn ergeben würde.
Eine weitere Stärkung der Informationsqualität des Jahresabschlusses nach BilMoG stellt die Abschaffung von Passivierungswahlrechten dar. So wurde § 249 Abs. 1 S. 3 HGB abgeschafft, wonach Instandhaltungs- und Aufwandsrückstellungen gebildet werden konnten, die wirtschaftlich betrachtet als Rücklagen galten und so eine „irreführende Darstellung der Vermögenslage“ bedeuteten.[39] Auf die Steuerbilanz hat die Abschaffung des Passivierungswahlrechts keine Auswirkung genommen, da nach dem BFH-Beschluss ohnehin ein steuerliches Passivierungsverbot bestand.[40] Für die Handelsbilanz bedeutet die Abschaffung eine weitere Annäherung an internationale Rechnungslegungsstandards.[41]
Keinen Einfluss hat das BilMoG auf „die allgemeinen Grundsätze zur Aktivierung, Passivierung und Bewertung der einzelnen Bilanzpositionen“[42] genommen. Diese Grundsätze sind weiterhin maßgeblich für die steuerliche Gewinnermittlung.
Die Schwierigkeit bei der Zusammenführung der Rechnungslegung nach deutschem Handelsrecht und der Rechnungslegung nach IFRS liegt in den konträren Zwecksetzungen. So verfolgt das deutsche Recht primär das Ziel des Gläubigerschutzes und misst dem Vorsichtsprinzip daher einen hohen Stellenwert bei, wohingegen die IFRS den Anlegerschutz in den Vordergrund rücken und dazu den Informationsgehalt über die wirtschaftliche Lage und die zukünftige Ertragssituation fokussieren.[43] Eine Annäherung der handelsrechtlichen Rechnungslegung an die IFRS wird prinzipiell angestrebt. Mit dem BilMoG und der daraus resultierenden Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit wurde ein entscheidender Schritt getan.[44]
Die Tatsache, dass internationale Rechnungslegungsregeln, vor allem die IFRS, eine zunehmend höhere Aussagekraft über die zukünftige wirtschaftlichen Lages eines Unternehmens als ein nach HGB aufgestellter Jahresabschluss haben[45], lässt darauf schließen, dass sich dieser Trend fortsetzen wird.
[...]
[1] vgl. Wöhe/Kußmaul, 2010, S. 65
[2] vgl. Wöhe/Kußmaul, 2010, S. 36
[3] vgl. Wehrheim/Renz (2011), S. 125
[4] vgl. Scheffler (2006), S. 11
[5] vgl. Scheffler (2011), S. 17
[6] vgl. von Sicherer (2011), S. 11
[7] vgl. Blödtner/Bilke/Heining (2013), Rn. 655
[8] vgl. von Sicherer (2011), S. 11
[9] vgl. Blödtner/Bilke/Heining (2013), Rn. 657
[10] Scheffler (2011), S. 19
[11] vgl. Birk (2009), S. 249
[12] vgl. Wehrheim/Renz (2011), S. 126
[13] vgl. Knobbe-Keuk (1993), S. 21
[14] vgl. BFH, Beschluss vom 03.02.1969, S. 291
[15] vgl. Wehrheim/Renz (2011), S. 126
[16] vgl. Wöhe/Kußmaul (2010), S. 65
[17] vgl. Scheffler (2011), S. 20
[18] vgl. Weinert (2010), S. 11
[19] vgl. Zwirner/Künkele/Mugler (2012), S. 2402
[20] vgl. Scheffler (2011), S. 20
[21] vgl. Wehrheim/Renz (2011), S. 128
[22] Wehrheim/Renz (2011), S. 127
[23] vgl. Scheffler (2006), S. 20 f.
[24] vgl. Mayer (2012), Rn. 130
[25] vgl. Scheffler (2006), S. 24
[26] vgl. Wehrheim/Renz (2011), S. 129 f.
[27] vgl. Blödtner/Bilke/Heining (2013), Rn. 663
[28] vgl. Philipps (2010), S. 372
[29] vgl. Philipps (2010), S. 61
[30] vgl. Mayer (2012), Rn. 515
[31] vgl. von Sicherer (2011), S. 8
[32] vgl. Mayer (2012), Rn. 521
[33] vgl. Blödtner/Bilke/Heining (2013), Rn. 663
[34] vgl. Mayer (2012), Rn. 519
[35] vgl. von Sicherer (2011), S. 87
[36] vgl. Wehrheim/Renz (2011), S. 66
[37] vgl. Scheffler (2011), S. 331 f.
[38] vgl. von Sicherer (2011), S. 89
[39] Philipps (2010), S. 76
[40] vgl. Punkt 2.2.1
[41] vgl. Philipps (2010), S. 76
[42] Blödtner/Bilke/Heining (2013), Rn. 657
[43] vgl. Althoff (2012), S. 23-26
[44] vgl. Mayer (2012), Rn. 521
[45] vgl. Scheffler (2011), S. 19