Die Bilanz, die ein Kaufmann am Ende eines Wirtschaftsjahres zu erstellen hat, wird von dem Wertansatz der Vermögensgegenstände wesentlich beeinflusst. Es genügt deshalb nicht, alle Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens gem. geltenden Aktivierungsvoraussetzungen vollständig zu erfassen. Steht fest, welche Posten der Unternehmer bilanzieren muss und welche er darüber hinaus zulässigerweise bilanzieren will, hat er gem. den Bewertungsvorschriften §§ 252 bis 256 HGB die Werte zu ermitteln, mit denen die Posten in der Bilanz anzusetzen sind. Diese Werte ergeben sich für die Vermögensgegenstände grundsätzlich dadurch, dass die Buchwerte der Wirt-schaftsgüter um ggf. vorzunehmende Abschreibungen vermindert werden.
Abschreibungen sind aus verschiedenen Gründen vorzunehmen. Gem. § 253 HGB kann es sich um planmäßige (vorhersehbare) und außerplanmäßige Abschreibungen handeln. Verbrauchsbedingt abgeschrieben wird ein Vermögensgegenstand beispielsweise durch natürlichen Verschleiß (Bsp. Abnutzung einer Produktionsmaschine), technischen Verschleiß (Bsp. PKW-Abschreibung aufgrund eines Totalschadens) oder Katastrophenverschleiß (höhere Gewalt). Wirtschaftlich bedingte Abschreibungen können sich infolge von Nachfrageverschiebungen, technischem Fortschritt, sinkender Wiederbeschaffungskosten oder sinkender Absatzpreise ergeben.
Steuerrechtliche Bewertungsregelungen sowie die Bewertung der Passivseite werden in dieser Ausarbeitung nicht betrachtet.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Allgemeine Ansatz- und Bewertungsgrundsätze
2.1 Grundsatz der Bilanzkontinuität
2.2 Grundsatz der Unternehmensfortführung
2.3 Grundsatz der Einzelbewertung
2.4 Grundsatz der Vorsicht
2.5 Grundsatz der Periodenabgrenzung
2.6 Grundsatz der Stetigkeit
3 Grundlegende Bewertungsmaßstäbe
4 Bewertung des Anlagevermögens
4.1 Nicht abnutzbares Anlagevermögen
4.1.1 Grund und Boden
4.1.2 Finanzanlagevermögen
4.2 Abnutzbares Sachanlagevermögen
4.3 Immaterielles Anlagevermögen
5 Bewertung des Umlaufvermögens
5.1 Anmerkung zur Vorratsbewertung
5.2 Anmerkung zur Forderungsbewertung in Euro
5.3 Anmerkung zur Forderungsbewertung in Fremdwährung
6 Anlagen
7 Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
1 Einleitung
Die Bilanz, die ein Kaufmann am Ende eines Wirtschaftsjahres zu erstellen hat, wird von dem Wertansatz der Vermögensgegenstände wesentlich beeinflusst. Es genügt deshalb nicht, alle Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens gem. geltenden Aktivierungsvoraussetzungen vollständig zu erfassen. Steht fest, welche Posten der Unternehmer bilanzieren muss und welche er darüber hinaus zulässigerweise bilanzieren will, hat er gem. den Bewertungsvorschriften §§ 252 bis 256 HGB die Werte zu ermitteln, mit denen die Posten in der Bilanz anzusetzen sind. Diese Werte ergeben sich für die Vermögensgegenstände grundsätzlich dadurch, dass die Buchwerte der Wirtschaftsgüter um ggf. vorzunehmende Abschreibungen vermindert werden.
Abschreibungen sind aus verschiedenen Gründen vorzunehmen. Gem. § 253 HGB kann es sich um planmäßige (vorhersehbare) und außerplanmäßige Abschreibungen handeln. Verbrauchsbedingt abgeschrieben wird ein Vermögensgegenstand beispielsweise durch natürlichen Verschleiß (Bsp. Abnutzung einer Produktionsmaschine), technischen Verschleiß (Bsp. PKW-Abschreibung aufgrund eines Totalschadens) oder Katastrophenverschleiß (höhere Gewalt). Wirtschaftlich bedingte Abschreibungen können sich infolge von Nachfrageverschiebungen, technischem Fortschritt, sinkender Wiederbeschaffungskosten oder sinkender Absatzpreise ergeben.1
Steuerrechtliche Bewertungsregelungen sowie die Bewertung der Passivseite werden in dieser Ausarbeitung nicht betrachtet.
2 Allgemeine Ansatz- und Bewertungsgrundsätze
Vor der Darstellung einzelner Bewertungsvorschriften hat der Gesetzgeber in § 252 HGB durch Grundsätze einen Bewertungsrahmen abgesteckt, in den die Bewertung eingebettet werden soll.2
2.1 Grundsatz der Bilanzkontinuität
Nach dem Grundsatz der Bilanzkontinuität (Identitätsprinzip3 ) ist die Schlussbilanz des vorangegangenen Geschäftsjahres gleichzeitig die Eröffnungsbilanz des folgenden Geschäftsjahres.4 Unterschiedliche Wertansätze oder Postenbezeichnungen in der Schlussbilanz und der Eröffnungsbilanz sind deshalb ausgeschlossen.
2.2 Grundsatz der Unternehmensfortführung
Im Allgemeinen hängt der Wert eines Gegenstandes von seiner Verwertbarkeit ab. Aus diesem Grunde schreibt der Grundsatz der Unternehmensfortführung (Going-Concern-Prinzip) vor, dass grundsätzlich von der Weiterführung des Unternehmens auszugehen und deshalb die Bewertung der Vermögensgegenstände nach §§ 253 bis 256a HGB vorzunehmen ist.5 Der Verkehrswert der Vermögensgegenstände ist nur anzusetzen, wenn zum Beispiel wegen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine vollständige oder teilweise Einstellung des Geschäftsbetriebes zu erwarten ist. Eine entsprechende Bewertung führt zu einer drastischen Verschlechterung der Vermögenslage, weil insbesondere das abnutzbare Anlagevermögen nicht zum Buchwert zu veräußern ist.6
2.3 Grundsatz der Einzelbewertung
Grundsätzlich ist jeder Vermögensgegenstand einzeln zu bewerten.7 Damit wird ausgeschlossen, dass Wertminderungen bei einzelnen Vermögensgegenständen mit Wertsteigerungen bei anderen Vermögensgegenständen saldiert werden dürfen. Vom Grundsatz der Einzelbewertung darf nur abgewichen werden, wenn die Einzelbewertung aus praktischen Gründen nicht durchführbar ist oder zu einem nicht zu vertretenden Arbeitsaufwand führen würde.8
2.4 Grundsatz der Vorsicht
Der Grundsatz der Vorsicht ist Oberbegriff für verschiedene Bewertungsgrundsätze. Er umfasst
- das Realisationsprinzip
- das Imparitätsprinzip
- das Wertaufhellungsprinzip.
Das Realisationsprinzip bestimmt, dass Gewinne erst, nachdem sie tatsächlich aufgrund eines Umsatzvorgangs erzielt (realisiert) worden sind, ausgewiesen werden dürfen. Das ist in dem Zeitpunkt der Fall, in dem ein Umsatzvorgang erfolgreich abgeschlossen worden ist.9
Das Imparitätsprinzip schreibt eine ungleiche Behandlung von Gewinnen und Verlusten vor. Am Bilanzstichtag noch nicht realisierte Gewinne dürfen noch nicht ausgewiesen werden. Am Bilanzstichtag noch nicht realisierte Verluste sind aber bereits zu berücksichtigen.10
Nach dem Wertaufhellungsprinzip müssen alle Risiken und Verluste, die bereits am Bilanzstichtag bestanden haben, dem Bilanzierenden aber erst später, das heißt bis zum Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt geworden sind, im Jahresabschluss berücksichtigt werden.11
2.5 Grundsatz der Periodenabgrenzung
Der Grundsatz der Periodenabgrenzung verlangt, Aufwendungen und Erträge unabhängig vom Zeitpunkt der entsprechenden Zahlung im Jahresabschluss zu berücksichtigen.12
2.6 Grundsatz der Stetigkeit
Durch den Grundsatz der Stetigkeit wird der Ermessensspielraum des Unternehmers begrenzt. Dem Grundsatz der Stetigkeit kommt vor allem deshalb Bedeutung zu, weil das Gesetz die Ausübung von Wahlrechten zulässt. In Bezug auf die Bewertung der Vermögensgegenstände bedeutet dies unter anderen, dass die Abschreibung linear oder nach Maßgabe der Leistung möglich ist, Fest- und Durchschnittswerte gebildet werden dürfen und der Wert der Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens mithilfe der Lifo- oder Fifo-Methode ermittelt werden kann.
Im Hinblick auf den Ansatz von Vermögensgegenständen heißt das zum Beispiel, dass ein Disagio aktiviert werden darf, der Ansatz aktiver latenter Steuern in der Bilanz möglich ist und selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens als Aktivposten in die Bilanz aufgenommen werden können.13
Hat sich der Unternehmer bei früheren Bilanzierungen für eine bestimmte Bewertungs- bzw. Ansatzmethode entschieden, muss er diese grundsätzlich auch künftig anwenden.14
Ein Wechsel der Bewertungs- bzw. Ansatzmethode ist nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig.15 Möglich und auch vorgeschrieben ist deshalb zum Beispiel ein Wechsel, wenn wegen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht mehr von einer Unternehmensfortführung auszugehen ist, aber auch, wenn sich die Rechtsprechung oder die Gesetzgebung ändern.16
3 Grundlegende Bewertungsmaßstäbe
Bevor die Bewertung der Posten der Aktivseite näher erläutert wird, müssen zunächst die Begriff Anschaffungskosten und Herstellungskosten definiert werden.
Zu den Anschaffungskosten zählt alles was jemand aufwendet [Kaufpreis und (nachträgliche) Anschaffungsnebenkosten], um ein Wirtschaftsgut zu erhalten und in betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit die Aufwendungen dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Die Umsatzsteuer ist nur Teil der Anschaffungskosten, soweit der Erwerber sie nicht als Vorsteuer vom Finanzamt erstattet bekommt.17 Anschaffungspreisminderungen (zum Beispiel: Skonti18, Rabatte und Boni) sind abzusetzen.19 Gemeinkosten sind keine Anschaffungskosten.
Anschaffungskosten sind ein Bewertungsmaßstab für erworbene Vermögensgegenstände, wogegen Herstellungskosten einen Bewertungsmaßstab für hergestellte Vermögensgegenstände darstellen. Herstellungskosten sind Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.20
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Coenenberg, Adolf (2012), S. 97
4 Bewertung des Anlagevermögens
4.1 Nicht abnutzbares Anlagevermögen
4.1.1 Grund und Boden
Bei nicht abnutzbaren Sachanlagen handelt es sich um Wirtschaftsgüter, die dem Unternehmen zeitlich unbegrenzt zur Nutzung zur Verfügung stehen. Wegen des Vorsichtsprinzips21 hat die Bewertung dieser Wirtschaftsgüter höchstens mit deren Anschaffungskosten zu erfolgen.22 Kommt es allerdings zu Ereignissen, die eine voraussichtliche dauernde Wertminderung des Vermögensgegenstandes zum Bilanzstichtag zur Folge haben, muss handelsrechtlich eine Abschreibung des Vermögensgegenstandes auf den niedrigen Wert (Teilwert) erfolgen.
Beispiel: Der Unternehmer hat vor Jahren ein unbebautes Grundstück erworben und dieses stets mit den Anschaffungskosten in Höhe von 100.000 Euro bilanziert. Infolge einer Straßensperrung im Jahr 01 ist dieses Grundstück mit dem LKW nicht mehr erreichbar. Da diese Sperrung voraussichtlich von Dauer sein wird, sinkt der Wert des Grundstücks auf 40.000 Euro. Weil eine dauernde Wertminderung vorliegt muss handelsrechtlich eine Abschreibung auf den niedrigen Wert erfolgen.
Entfallen nachträglich die Gründe für die Vornahme einer Abschreibung auf den niedrigen Wert, darf dieser nicht beibehalten werden.23 Der Vermögensgegenstand ist wieder mit dem höheren Wert anzusetzen (Zuschreibungsverpflichtung). Dieser darf jedoch nicht über den ursprünglichen Anschaffungskosten liegen.
Beispiel: Die im Jahr 01 gesperrte Straße wird aufgrund eines Gerichtsurteils im Jahr 04 wieder für den Verkehr freigegeben. Dadurch steigt der Wert des Grundstücks auf 200.000 Euro. Es besteht die Verpflichtung, das Grundstück wieder höher zu bewerten, allerdings höchstens mit den Anschaffungskosten in Höhe von 100.000 Euro.
Finden Zuschreibungen statt, führt dies nicht zu einem Verstoß gegen das Realisationsprinzip. Es kommt nämlich nicht zum Ausweis noch nicht realisierter Gewinne, sondern lediglich zu einer Rückgängigmachung nicht realisierter Verluste. Übersteigt der tatsächliche Wert des Grund und Bodens die Anschaffungskosten, hat dies die Bildung stiller Rücklagen (Unterbewertung von Vermögensgegenständen) zur Folge.
4.1.2 Finanzanlagevermögen
Das gesamte Finanzanlagevermögen gehört zum nicht abnutzbaren Anlagevermögen. Dementsprechend sind Finanzanlagen grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten zu bewerten (§ 253 Abs. 1 S. 1 HGB). Sinkt der Wert der Finanzanlagen zum Abschluss-stichtag und ist diese Wertminderung voraussichtlich von Dauer, muss handelsrechtlich eine Abschreibung auf den niedrigeren Wert erfolgen.24 Darüber hinaus darf auch bei einer nur vorübergehenden Wertminderung der Finanzanlagen eine Abschreibung auf den niedrigen Wert vorgenommen werden.25
Entfallen nachträglich die Gründe für die Vornahme einer Abschreibung auf den niedrigen Wert, darf dieser nicht beibehalten werden.26 Der Vermögensgegenstand ist wieder mit dem höheren Wert anzusetzen (Zuschreibungsverpflichtung). Dieser darf jedoch nicht über den ursprünglichen Anschaffungskosten der Finanzanlagen liegen. Übersteigt der tatsächliche Wert der Finanzanlagen den ermittelten Buchwert, kommt es zur Bildung stiller Rücklagen (Unterbewertung von Vermögensgegenständen).
[...]
1 Vgl. Coenenberg, Adolf (2012), S. 151 ff.
2 Vgl. Koch, Joachim (1998), S. 81
3 Vgl. Gräfer, Horst (2009), S. 103
4 Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB
5 Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB
6 Vgl. Hopt, Klaus (2014) zu § 252 HGB
7 Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB
8 Vgl. Gräfer, Horst (2009), S. 104
9 Vgl. Scherrer, Gerhard (2009), S. 13
10 Ebd., S. 14
11 Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB
12 Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB
13 Vgl. Hopt, Klaus (2014) zu § 252 HGB
14 Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB
15 Vgl. § 252 Abs. 2 HGB
16 Vgl. Förschle, Gerhart (2014) zu § 252 HGB
17 Vgl. § 9b Abs. 1 EStG
18 Minderung zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme: BFH vom 03.12.1970, BStBl 71 II S. 323
19 Vgl. § 255 Abs. 1 HGB
20 Vgl. § 255 Abs. 2 S. 1 HGB
21 Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB
22 Vgl. § 253 Abs. 1 S. 1 HGB
23 Vgl. § 253 Abs. 5 S. 1 HGB
24 Vgl. § 253 Abs. 3 S. 2 HGB
25 Vgl. § 253 Abs. 3 S. 4 HGB
26 Vgl. § 253 Abs. 5 S. 1 HGB